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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 16.08.2000
Aktenzeichen: 6 U 839/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 187
ZPO § 181
BGB § 130
Leitsatz

Zugang im Sinne von § 187 ZPO setzt voraus, dass das zuzustellende Schriftstück gegenständlich in die Hände des Adressaten gelangt ist. Ein Zugang i.S.d. § 130 BGB genügt regelmäßig nicht.

Zur Frage der Ersatzzustellung gem. § 181 ZPO an den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.


Im Namen des Volkes Urteil

Aktenzeichen: 6 U 839/00 3 O 8956/99 LG Leipzig

Verkündet am 16.08.2000 Die Urkundsbeamtin:

In dem Rechtsstreit

A GmbH, v.d.d. GF ,

Klägerin und Berufungsklägerin

Prozessbevollmächtigte zu 1) Rechtsanwälte

gegen

E ,

Beklagter und Berufungsbeklagte

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

wegen Forderung

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.07.2000 durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bey, Richterin am Landgericht Gruber und Richter am Landgericht Gicklhorn

für Recht erkannt

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 09.02.2000 - Az.: 3 O 8956/99 - wird auf ihre Kosten

zurückgewiesen.

II. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6.500 DM abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Klägerin wird nachgelassen, Sicherheit durch Gestellung einer schriftlichen, unwiderruflichen, unbedingten und selbstschuldnerischen Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen in der Europäischen Union zugelassenen Kretitinstituts oder einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu erbringen.

III. Die Beschwer der Klägerin liegt unter 60.000,00 DM.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 23.461,20 DM festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Bezahlung offener Kaufpreisforderungen.

Der Beklagte bestellte noch vor dem Beitritt der neuen Bundesländer im Rahmen des von ihm geführten Gewerbebetriebs in Leipzig bei der in den alten Bundesländern ansässigen Klägerin 20 Videorekorder zum Preis von je 525,00 DM zuzüglich damals gültiger 14 % Mehrwertsteuer, die ihm vereinbarungsgemäß am 01.07.1990 geliefert wurden. Ferner bestellte er bei der Klägerin 18 Videorecorder zum Preis von je 560,00 DM zuzüglich 14 % Mehrwertsteuer, die er vereinbarungsgemäß am 09.07.1990 erhielt. Den Kaufpreis zahlte er nicht.

Auf Antrag der Klägerin vom 30.12.1994 erließ das Amtsgericht Neu-Ulm gegen den Beklagten am 24.01.1995 einen Mahnbescheid über die Forderung aus beiden Bestellungen (insgesamt 23.461,20 DM) zuzüglich Zinsen in Höhe von 10,5 % seit 01.01.1991. Ausweislich der Postzustellungsurkunde (Bl. 1/1 d.A.) wurde der Mahnbescheid am 27.01.1995 an eine Frau P unter der Zustellanschrift des Beklagten übergeben, wobei der Postzusteller als Art der Zustellung - unzutreffend - die Ziffer 2.2. "Ersatzzustellung im Geschäftslokal" auf der Postzustellungsurkunde ankreuzte. Frau P war keine Bedienstete des Beklagten, sondern wohnte damals mit diesem und anderen Mitbewohnern in einer Wohngemeinschaft unter der Zustelladresse.

Am 27.02.1995 erließ das Amtsgericht Neu-Ulm auf Antrag der Klägerin einen Vollstreckungsbescheid, nachdem der Beklagte keinen Widerspruch gegen den Mahnbescheid eingelegt hatte. Er wurde im Parteibetrieb über den Gerichtsvollzieher mittels Übermittlung per Post ausweislich der Postzustellungsurkunde (Bl. 29 d.A.) an Frau H am 27.04.1995 übergeben. Vom Postzusteller wurde dabei die Ziffer 2.3. "Ersatzzustellung in der Wohnung" angekreuzt.

Mit Schriftsatz vom 03.11.1999 hat der Beklagte gegen den Vollstreckungsbescheid Einspruch eingelegt.

Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, dass Frau H zum Zeitpunkt der Entgegennahme des Vollstreckungsbescheides die nichteheliche Lebensgefährtin des Beklagten gewesen sei. Eine Ersatzzustellung gemäß § 187 ZPO sei auch an den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft möglich. Der Einspruch sei daher verfristet.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,

den Vollstreckungsbescheid aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte hat in erster Instanz beantragt,

den Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Er hat in erster Instanz vorgetragen, dass der Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid nicht verfristet sei, da eine wirksame Zustellung nicht erfolgt sei. Der Vollstreckungsbescheid sei zwar am 27.04.1994 Frau H übergeben worden; diese sei aber lediglich eine Mitbewohnerin einer Wohngemeinschaft gewesen, in der auch der Beklagte gelebt habe. Diese Wohngemeinschaft habe aus 7 oder 8 Personen bestanden, über die Jahre hinweg insgesamt ca. 40 Personen, die in dem Haus in einer lockeren Gemeinschaft auf zwei Etagen zusammengewohnt hätten. Frau H sei nicht die nichteheliche Lebensgefährtin des Beklagten gewesen. Sie hätten auch nicht einer Familie vergleichbar zusammen gelebt.

Außerdem seien die Forderungen verjährt. Den Mahnbescheid habe er nicht erhalten. Auch Frau P habe in keiner näheren Beziehung zum Beklagten gestanden. Sie könne sich heute auch nicht mehr daran erinnern, ob sie den Mahnbescheid in Empfang genommen und ob sie diesen an den Antragsgegner übergeben habe.

Das Landgericht hat auf den Einspruch des Beklagten den Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, dass der Einspruch mangels wirksamer Ersatzzustellung fristgemäß, aber der Anspruch der Klägerin verjährt sei. Bereits aus dem Vortrag der Klägerin folge, dass durch den Mahnbescheid die Verjährung nicht unterbrochen worden sein könne, da die Klägerin selbst behauptet habe, Frau P habe - entgegen der Postzustellungsurkunde - den Mahnbescheid nicht erhalten.

Gegen das der Klägerin am 29.02.2000 zugestellte Urteil hat sie mit Schriftsatz vom 22.03.2000, eingegangen beim Oberlandesgericht am 29.03.2000, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 25.04.2000, eingegangen beim Oberlandesgericht am 02.05.2000, begründet. Der 29.04.2000 war ein Samstag.

Die Klägerin vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und trägt in der Berufungsinstanz vor:

Frau P habe den Mahnbescheid entgegengenommen und diesen - wie bei Posteingang üblich - auf den Tisch in der Küche der gemeinsamen Wohnung gelegt, so dass Heilung gemäß § 187 ZPO eingetreten und die Verjährung unterbrochen worden sei. Etwaige Zustellungsmängel seien jedenfalls durch die bisher unternommenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, sowie die Akteneinsicht im Parallelverfahren beim Landgericht geheilt worden, da ein Verstoß gegen Zustellungsvorschriften durch den tatsächlichen Zugang gem. § 187 Satz 1 ZPO geheilt sei.

Hierauf komme es aber nicht an, da der Vollstreckungsbescheid gem. § 181 ZPO wirksam an den Beklagten zugestellt worden sei, da Frau H zum damaligen Zeitpunkt die Lebensgefährtin des Beklagten gewesen sei. Der Einspruch sei deshalb verfristet.

Letztlich verstoße die Berufung des Beklagten auf eine fehlerhafte Zustellung gegen Treu und Glauben. Auch die erhobene Einrede der Verjährung sei rechtsmissbräuchlich. Trotz Kenntnis von Mahnbescheid und Vollstreckungsbescheid sowie der durchgeführten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen habe der Beklagte die Klägerin mit Regulierungsvorschlägen hingehalten, bis die behauptete Verjährung eingetreten sei.

Die Klägerin beantragt,

das landgerichtliche Urteil abzuändern und unter Aufrechterhaltung des Vollstreckungsbescheides den Einspruch des Beklagten zu verwerfen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil und führt in Ergänzung seines erstinstanzlichen Vortrages aus:

Frau H sei zwar im fraglichen Zeitraum mit dem Beklagten befreundet gewesen, sie hätten jedoch keine nichteheliche Lebensgemeinschaft gebildet und hätten auch nicht einer Familie vergleichbar zusammenleben wollen. Auf die Frage, ob eine Ersatzzustellung an den nichtehelichen Lebensgefährten möglich sei, komme es daher nicht an.

Die Forderung sei im Übrigen verjährt. Mangels wirksamer Zustellung des Mahnbescheids an den Beklagten sei die Verjährung nicht unterbrochen worden. Frau P , der ausweislich der Postzustellungsurkunde der Mahnbescheid übergeben worden sei, sei mit dem Beklagten nicht enger befreundet gewesen. Außerdem sei der - bestrittene - Vortrag der Klägerin, Frau P habe den Mahnbescheid anschließend in der gemeinschaftlich genutzten Küche abgelegt, verspätet.

Die bloße Möglichkeit der Kenntnisnahme genüge nicht für den Zugang nach § 187 Satz 1 ZPO. Selbst wenn man dies entsprechend der für § 130 BGB entwickelten Grundsätze annehmen wollte, scheide ein Zugang aus, da Frau P keine Empfangsbotin des Beklagten gewesen sei. Die Befugnis zur Entgegennahme allgemeiner Post umfasse nicht ohne weiteres auch die Befugnis zur Entgegennahme amtlicher Zustellungen.

Die Zustellung des Mahnbescheids sei jedenfalls nicht gem. § 693 Abs. 2 ZPO demnächst erfolgt. Wie sich aus der Verfügung des Amtsgerichts vom 02.01.1995 ergebe, habe der Mahnbescheid mehrere Mängel aufgewiesen. Die Übergabe erst am 24.01.1995 wäre somit verpätet erfolgt.

Unabhängig davon sei der Kaufpreisanspruch gegen den Beklagten erloschen. Die Firma ALGRO-Handelsgesellschaft habe die Geschäfte des Beklagten mit schuldbefreiender Wirkung übernommen. Die Klägerin sei hiermit einverstanden gewesen. Hierfür sprächen mehrere Indizien. Schließlich sei die Kaufpreisforderung auch durch Erfüllung erloschen, da die ALGRO-Handelsgesellschaft alle Forderungen der Klägerin bezahlt habe. Dies ergebe sich aus dem Schreiben der ALGRO vom 03.03.1993 (Bl. 146 d. A.). Ferner habe die Klägerin den Vortrag des Beklagten zu der Schuldübernahme nicht bestritten.

Wegen der Einzelheiten des Sachvortrages der Parteien wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der öffentlichen Sitzungen vom 14.06.2000 und 26.07.2000 Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen H , L , W und K . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 26.07.2000 (Bl. 173 bis 183 d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

(I)

Die Berufung ist zulässig (§§ 511, 516 ff. ZPO), insbesondere ist die Berufungsbegründungsfrist (§ 519 Abs. 2 Satz 2 ZPO) gewahrt, da sie gem. §§ 222 Abs. 1 und 2 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB erst mit Ablauf des 02.05.2000 endete.

(II)

1. Der Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ist nicht verfristet. Gem. § 700 Abs. 1 i. V. m. § 339 Abs. 1 ZPO ist der Einspruch binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Vollstreckungsbescheides einzulegen. Mangels wirksamer Zustellung ist diese Frist zum Zeitpunkt der Einlegung des Einspruchs nicht abgelaufen gewesen.

Dahinstehen kann, inwieweit der Beklagte von dem Vollstreckungsbescheid danach - etwa aufgrund durchgeführter Vollstreckungsmaßnahmen - Kenntis erhalten hat. Gem. § 700 Abs. 1 i. V. m. § 339 Abs. 1 ZPO handelt es sich bei der Einspruchsfrist um eine Notfrist. Nach § 187 Satz 2 ZPO scheidet eine Heilung durch Zugang gemäß § 187 ZPO aus. Auch ein Rekurs auf den allgemeinen Arglisteinwand ist im Falle des Beginns einer Notfrist mit Blick auf die Entstehungsgeschichte der Norm generell ausgeschlossen (BGH, Urt. v. 23.11.1977, VIII ZR 107/76, NJW 1978, 426).

Ebenso liegt keine wirksame Ersatzzustellung i.S.d. § 181 ZPO vor. Eine - zumindest analoge - Anwendung der Norm auf Mitglieder einer Wohngemeinschaft scheidet aus (Zöller/Stöber, 21. Auflage, ZPO, § 181 Rdn. 10; Roth in Stein/Jonas, 21. Auflage, ZPO, § 181, Rdn. 13; Musielak/Wolst, ZPO, § 181 Rdn. 5). Das dem Normzweck des § 181 ZPO zugrunde gelegte vermutete Vertrauensverhältnis der Empfangsperson mit dem Adressaten kann bei - zumal häufigen Wechseln unterworfenen - nicht selten zahlenmäßig großen Wohngemeinschaften, die in erster Linie unter wirtschaftlichen Aspekten begründet werden, nicht unterstellt werden.

Zwar ist im Anschluss an das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14.03.1990 (VIII ZR 204/89, BGHZ 111, 1 = ZIP 1990, 608; a.A. 1. Strafsenat BGH, Beschl. v. 08.01.1987, 1 StR 381/86, BGHSt 34, 250 m.w.N.) eine Ersatzzustellung an den nichtehelichen Lebensgefährten in wenigstens analoger Anwendung des § 181 ZPO möglich, und zwar auch dann, wenn der nichteheliche Adressat nicht mit einer "Familie" zusammen lebt. Jedoch ist die Zustellung an einen nichtehelichen Lebensgefährten nicht bewiesen.

In seinen Entscheidungsgründen hat der 8. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (a.a.O) in Form eines obiter dictum zu erkennen gegeben, dass er eine zumindest analoge Anwendung des § 181 ZPO für nichteheliche Lebensgemeinschaften generell befürwortet. Dieser Auffassung folgt nicht nur ein bedeutender Teil der Literatur (so Roth in Stein/Jonas, ZPO, 21. Auflage, Band 2, § 181, Rdn. 13 und Anm., JZ 1990, 761 f.; Zöller/Stöber, 21. Auflage, ZPO, § 181 Rdn. 10; Alternativkommentar/Göring, ZPO, § 181 Rdn. 6; Thomas/Putzo, 21. Auflage, ZPO, § 181 Rdn. 7; Anm. Schreiber, JR 1990, 508; Anm. Orfanides, ZZP 104 (1991), 71 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 15. Aufl., § 74 III 1 a (S. 408); a. A.: Münchner Kommentar/ v. Feldmann, ZPO, § 181, Rdnr. 14; Musielak/Wolst, ZPO, § 181, Rdn. 5 unter Hinweis auf die mangelnde Praktikabilität einer Nachfrage durch den Zusteller; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Auflage, § 181 Rdn. 12 der in dem Urteil des 8. Zivilsenats eine gegen Art. 6 Abs. 1 GG verstoßende Auslegung des § 181 ZPO zu erkennen meint), sondern auch teilweise die obergerichtliche Rechtsprechung (OLG Schleswig, Urteil vom 07.04.1999, Az.: 9 U 65/98, NJW 1999, 2602 - rechtskräftig -, mit Anm. Vahle, DVP 2000, 126; a.A.: OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.01.1988, Az.: 4 Ws 20/88, NStZ 1988, 379).

Der Senat neigt unter Abwägung der wechselseitig geäußerten Argumente und unter Berücksichtigung insbesondere der teleolgischen und historischen Auslegung der Norm (zu letzterem ausführlich: Orfanides, a. a. O., m. w. N.) der vom OLG Schleswig (a. a. O.) aufgegriffenen, überzeugenden Sichtweise des 8. Zivilsenats des BGH (a. a. O.) zu.

Die Zeugin H lebte aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit dem Beklagten zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht in nichtehelicher Gemeinschaft (zum Begriff vgl.: Hausmann/Hohloch (Hrsg.), Das Recht der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Einf., Rdnr. 1 - S. 40).

Die vom Senat vernommenen Zeugen H , L , Klapper und W haben übereinstimmend, plausibel und detailliert ausgesagt, dass die Zeugin H - zusammen mit weiteren Mitbewohnern - lediglich in einer aus mehreren, bis zu 10 Personen bestehenden Wohngemeinschaft mit dem Beklagten zusammengewohnt hat. Zwar habe trotz Beendigung einer im Jahre 1991 bestehenden Liebesbeziehung ein freundschaftliches Verhältnis zwischen der Zeugin und dem Beklagten bestanden, eine darüber hinausgehende Verbundenheit, die es rechtfertigen könnte, die Beziehung einer ehelichen Verbundenheit gleichzustellen, bestand aber nicht. Vielmehr waren die Zeugen und der Beklagte in diesem Zeitraum nicht enger miteinander verbunden als die übrigen Mitbewohner und wohnten sogar räumlich getrennt auf verschiedenen Etagen. Die Zeugin war zu diesem Zeitpunkt bereits eine neue, längere Beziehung mit einem anderen Mann eingegangen. Auch sonstige Anhaltspunkte für das Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wie etwa ein gemeinsames Schlafzimmer, eine gemeinsame Haushalts- und Kassenführung, ein enges räumliches Zusammenleben und das Bekenntnis der Zusammengehörigkeit nach außen sind im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht bestätigt worden.

Die Aussagen der Zeugen waren durchweg glaubhaft. Allein die Tatsache, dass sämtliche Zeugen mit dem Beklagten befreundet sind, lässt keinen gegenteiligen Schluss zu und gibt keinen Anlass, an ihrer Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Auch ist weder ein mittelbares noch unmittelbares Interesse der vernommenen Zeugen am Ausgang des Rechtsstreits ersichtlich geworden.

2. Dem Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus § 433 Abs. 2 BGB auf Bezahlung des restlichen Kaufpreises steht jedoch die von dem Beklagten erhobene rechtshemmende Einrede der Verjährung (§ 222 Abs. 1 BGB) entgegen.

a) Im Ergebnis zu Recht geht das Landgericht von der Anwendbarkeit der Verjährungsvorschriften des BGB - und nicht des ZGB - aus.

Allerdings folgt dies nicht aus einer direkten Anwendung von § 12 Satz 1 a RAnwendG vom 05.12.1975 (GBl. DDR I S. 748). Gem. Art. 231 § 6 Abs. 1 EGBGB finden die Vorschriften des BGB über die Verjährung auf die am Tag des Wirksamwerdens des Beitritts bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche Anwendung. Gem. Art. 236 § 1 EGBGB blieb das bisherige Internationale Privatrecht auf vor dem Wirksamwerden des Beitritts abgeschlossene Vorgänge anwendbar.

Beide Übergangsvorschriften des 6. Teiles des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EV Anl. I Kap. III Sachgeb. B Abschn. II Nr. 1, BGBl. 1990 II S. 885, 941, 950) stellen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes intertemporale Normen dar, die - wie alle Übergangsvorschriften des 6. Teiles des EGBGB - im gesamten Bundesgebiet gelten, jedoch voraussetzen, dass das im Gebiet der ehemaligen DDR mit dem Einigungsvertrag in Kraft gesetzte Bundesrecht im konkreten Fall überhaupt eingreift (BGH, Urteil vom 01.12.1993, IV ZR 261/92, BGHZ 124, 270). Diese Übergangsbestimmungen sind damit nur auf solche Rechtsverhältnisse anzuwenden, die vor dem 03.10.1990 nach dem Recht der DDR zu beurteilen sind (Münchner Kommentar/Hinz, ZPO, 3. Aufl., Art. 230, Rdnr. 1). Die danach vorrangig zu entscheidende Frage, ob das Altrecht des Beitrittsgebietes oder das im (damaligen) Bundesgebiet geltende Recht maßgeblich ist, beurteilt sich nach den hierfür einschlägigen interlokalen Kollisionsregeln (BGH, a. a. O.). Die im Verhältnis der beiden deutschen Teilstaaten anzuwendenden Kollisionsregeln lehnen sich an die seit dem Beitritt einheitlich geltenden Regeln über das Internationale Privatrecht der Art. 3 ff. EGBGB an, mit der Modifikation, dass in deutsch-deutschen Fällen nicht auf das Heimatrecht, sondern stattdessen auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Anknüpfungsperson abgestellt wird. Für das RAnwendG besteht daneben kein Raum (BGH, a. a. O.).

Gem. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt ein Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist, soweit eine anderweitige Rechtswahl gem. Art. 27 EGBGB - für die hier nichts ersichtlich und auch nichts vorgetragen worden ist - getroffen worden ist. Gem. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 EGBGB wird vermutet, dass der Vertrag die engsten Verbindungen mit dem Staat aufweist, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, ihre Hauptverwaltung hat, wenn es sich - wie hier - um eine juristische Person handelt. Die charakteristische Leistung eines Fahrniskaufs wird vom Verkäufer erbracht (Münchner Kommentar/Martiny, BGB, 3. Aufl., Art. 28 EGBGB, Rdnr. 32), so dass der Kaufvertrag zwischen den Parteien die engsten Verbindungen mit der (damaligen) Bundesrepublik aufwies, da die Klägerin ihren Sitz in den alten Ländern hatte und hat. Daher gilt für Beginn, Dauer und Unterbrechung der Verjährung insgesamt das BGB.

b) Die kurze zweijährige Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB kommt nicht zur Anwendung, da die Leistung für den damals vom Beklagten geführten Gewerbebetrieb erfolgte. Damit verjährte die Kaufpreisforderung gem. § 196 Abs. 2 in 4 Jahren, wobei die Verjährung gem. § 201 mit dem Schluss des Jahres ab Entstehung des Anspruchs (§ 198 Satz 1 BGB) zu laufen begann. Da beide hier streitgegenständlichen Kaufpreisansprüche im Jahr 1990 entstanden sind, lief die Verjährung am 31.12.1994 ab.

c) Die Verjährung ist durch die unstreitige Übergabe des Mahnbescheids an Frau P , wie sie in der Postzustellungsurkunde unter dem 27.01.1995 - von der Klägerin in der Berufungsinstanz nicht weiter in Zweifel gezogen - dokumentiert ist, nicht gem. § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB unterbrochen worden.

Entgegen der Auffassung des Beklagten scheitert eine Unterbrechung der Verjährung allerdings nicht bereits an einer verzögerten Zustellung an den Beklagten. Gem. § 693 Abs. 2 ZPO wird die Unterbrechungswirkung auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrages auf Erlass des Mahnbescheides bezogen, soweit die Zustellung zwar nach Ablauf der Verjährungsfrist, aber demnächst erfolgt. Regelmäßig wird dabei eine Frist von lediglich zwei Wochen zwischen Antragseinreichung und Zustellung noch als ganz geringfügig angesehen (vgl. nur Musielak/Voit, a. a. O., § 693 Rdn. 5 m. w. N.). Der Mahnbescheidsantrag war bereits am 30.12.1994 beim Amtsgericht Neu-Ulm eingegangen und ausweislich der Postzustellungsurkunde erst annähernd 4 Wochen später Frau P ausgehändigt worden. Darin liegt aber keine der Klägerin zurechenbare schuldhafte Verzögerung der Zustellung des Mahnbescheids. Erst mit Verfügung vom 02.01.1995 wurde die Klägerin nämlich auf formelle Fehler des Mahnbescheids hingewiesen, insbesondere auf die noch ausstehende Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses. Die Tatsache allein, dass der Gerichtskostenvorschuss nicht gleichzeitig mit Antragseinreichung bereits eingezahlt wurde, begründet keine schuldhafte Verzögerung (vgl. Musielak/Voit, a. a. O., Rdn. 5). Eine solche liegt erst vor, wenn trotz gerichtlicher Aufforderung nicht lediglich innerhalb eines geringfügigen Zeitraums (laut Musielak/Voit, a. a. O., maximal zwei Wochen) ein Zahlungseingang des Antragstellers erfolgt. Bei Zugrundelegung einer Postlaufzeit von zwei Tagen, in der die Verfügung des Amtsgerichts der Antragstellerin zuging und dem auf dem Einzahlungsbeleg ersichtlichen Einzahlungsdatum (19.01.1995) ist von einer schuldhaften Verzögerung aufgrund des nur fünfzehntägigen Zwischenraums nicht auszugehen. Anhaltspunkte dafür, dass die in der Verfügung des Amtsgerichts bemängelten weiteren formellen Anforderungen noch später, also erst nach Einzahlung der Gerichtskosten erfüllt sein könnten, sind aus der Akte nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.

d) Die in der Postzustellungsurkunde dokumentierte Ersatzzustellung nach § 183 Abs. 1 ZPO scheidet nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien in der Berufungsinstanz aus, wonach Frau P zu keinem Zeitpunkt Angestellte oder Bedienstete des Beklagten gewesen ist. Die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde gemäß § 418 Abs. 1 ZPO (vgl. Zöller/Geimer, a.a.O., § 418, Rdnr. 3) ist insoweit jedenfalls widerlegt.

e) Die Voraussetzungen einer Ersatzzustellung nach § 181 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor. Die Klägerin war unstreitig lediglich Mitbewohnerin der Wohngemeinschaft und nicht nichteheliche Lebensgefährtin des Beklagten. Eine Ersatzzustellung an bloße Mitbewohner einer Wohngemeinschaft scheidet aber aus (vgl. oben II 1).

f) Die fehlerhafte Zustellung ist auch nicht gem. § 187 Satz 1 ZPO geheilt worden. Die von der Klägerin behauptete Ablage des Mahnbescheids in der Küche der Wohngemeinschaft, wo eingegangene Post abgelegt zu werden pflegte, reichte ebenso wenig, wie die Übergabe an die Mitbewohnerin und benannte Zeugin P . Es ist nicht bewiesen, dass der Beklagte selbst den Mahnbescheid - und wann - erhalten hat.

Ein Zugang im Sinne von § 187 Satz 1 ZPO liegt grundsätzlich vor, wenn das Schriftstück so in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, dass der Adressat Gelegenheit zur Kenntnisnahme hat (BGH, Urteil vom 23.11.1977, VIII ZR 107/76, NJW 1978, 426; Alternativkommentar/Göring, a. a. O., § 187 Rdn. 4; Musielak/Wolst, a. a. O., § 187 Rdn. 3; Zimmermann, ZPO, 4. Auflage, § 187 Rdn. 2; deutlich auf die tatsächliche Erlangung des zuzustellenden Schriftstücks abstellend: OLG Nürnberg, Urteil vom 05.11.1981, Az.: 8 U 351/81, MDR 1982, 238; auf den "tatsächlichen Zugang" abstellend: Münchner Kommentar/v. Feldmann, ZPO, § 187, Rdnr. 4; auf den "Besitz" abstellend: Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a. a. O., § 187 Rdn. 5; Thomas/Putzo, a. a. O., § 187 Rdn. 6; Roth in Stein/Jonas, a. a. O., § 187 Rdn. 4, der ausdrücklich ein Zugehen im Sinne des BGB für nicht immer ausreichend hält).

Entgegen der damit sich aufdrängenden Anlehnung an die zu § 130 BGB entwickelte Definition des Zugangs setzt § 187 ZPO voraus, dass der Zustellungsadressat das Schriftstück in den Händen hält (so auch OLG Nürnberg, a. a. O.). Dem steht das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23.11.1977 (a. a. O.) nicht entgegen. In jenem Fall lag eine arglistige Vereitelung des Zugangs durch den Adressaten vor. Der Postbeamte war im Begriff, dem Adressaten das Schriftstück zu übergeben, als dieser seine Identität erfolgreich leugnete. Nur deshalb nahm der Bundesgerichtshof einen erfolgten Zugang an. In der Rechtsprechung wird damit übereinstimmend auch in Fällen, in denen zwar Kenntnisnahme vom Inhalt erfolgt war, für eine Heilung nach § 187 ZPO regelmäßig die physische Übergabe des Schriftstückes an den Adressaten verlangt (BGH, Urteil vom 13.04.1992, II ZR 105/91, WM 1992, 984, "Exemplar der Klageschrift übergeben"; OLG Hamm, Urteil vom 14.03.1991, Az.: 6 U 17/91, MDR 1992, 78, "Schriftstücke selbst in die Hand bekommt"). Dieser Auffassung folgt auch der Senat.

Maßgeblich spricht dafür der allgemeine Zweck der Zustellungsvorschriften, in einem formalisierten Verfahren zu gewährleisten, dass Schriftstücke den Empfänger zuverlässig und nachweisbar erreichen. Der Gesetzgeber hat aus Gründen der Rechtssicherheit deshalb im Einzelnen geregelt, wie zu verfahren ist, wenn der Zustellungsadressat entgegen § 170 Abs. 1 ZPO nicht selbst das Schriftstück in Empfang nimmt. Er hat die Tatbestände wertend festgelegt, an deren Erfüllung er unter Abwägung der praktischen Notwendigkeiten mit dem Bedürfnis der Sicherheit des tatsächlichen Zugangs an den Adressaten die Wirkung wie an eine unmittelbare Zustellung knüpft. Die Einhaltung der Zustellungsvorschriften kann deshalb nur in solchen Ausnahmefällen gem. § 187 Satz 1 ZPO zurücktreten, in denen die Absicht des Gesetzgebers, Rechtssicherheit möglichst weitgehend zu erreichen, auf anderem, aber ebenso sicherem Weg erreicht wird. Soll eine Notfrist eingehalten werden, ist wegen ihrer Bedeutung eine Durchbrechung nicht möglich (§ 187 Satz 2 ZPO; vgl. oben II 1).

Wie sich aus den einzelnen Zustellungstatbeständen ergibt, ist es nicht ausreichend, wenn das Schriftstück lediglich in den räumlichen und tatsächlichen Machtbereich des Empfängers gelangt und unter normalen Umständen die Möglichkeit zur Kenntnisnahme besteht, was für einen Zugang unter Abwesenden im materiellen Recht gem. § 130 BGB ausreichen würde. Bei Abwesenheit des Empfängers kann eine Zustellung - außer im Fall der Niederlegung gem. § 182 ZPO - nur erfolgen, wenn an andere Personen zugestellt wird, die ihrerseits nach Wertung des Gesetzgebers eine hinreichende Gewähr für die zuverlässige Weiterleitung an den Adressaten bieten.

Dies folgt auch aus der Regelung über die Zustellung durch Niederlegung in § 182 ZPO. Dass in diesem Fall durch Einwurf des Benachrichtigungsscheins in den Gemeinschaftsbriefkasten, oder Übergabe an Frau P der Mahnbescheid rechtswirksam zugestellt worden wäre, führt zu keinem Wertungswiderspruch. § 182 ZPO ermöglicht als abschließend geregelter Sonder- und Ausnahmefall eine Zustellung erst, wenn das Schriftstück weder an den Adressaten noch an eine Ersatzperson gem. § 181 ZPO übergeben werden konnte (vgl. Zöller/Stöber, a. a. O., § 182, Rdn. 1), wobei eine Kenntnisnahme vom Inhalt gerade nicht erforderlich ist (Thomas/Putzo, a. a. O., § 182 Rdn. 7). Auch erfolgt die (wiederum amtlich dokumentierte) Aushändigung des konkreten Schriftstückes an den Adressaten (oder Zustellungsbevollmächtigten). Lediglich wird hingenommen, dass über die notwendige amtliche Niederlegung als solche durch einen Benachrichtigungsschein - regelmäßig durch Einwurf in den Briefkasten des Adressaten oder Weitergabe an eine andere Person aus der Nachbarschaft - informiert wird (vgl. OLG München, Beschl. v. 03.03.1998, Az.: 21 W 3310/97, AnwBl 2000, 141). Keinesfalls soll damit die Aushändigung des Schriftstückes an den Adressaten durch die Benachrichtigung bei regelmäßigem Verlauf ersetzt werden; es kommt lediglich zu einer zeitlichen Differenz zwischen dem fingierten Zustellungszeitpunkt und der Aushändigung des Schriftstückes. Nur aus lebenspraktischen Gründen wird hingenommen, dass der Zugang vollständig fingiert wird, wenn das Schriftstück nicht vom Adressaten abgeholt wird.

Für die Notwendigkeit des tatsächlichen Erhalts des Schriftstücks spricht letztlich, dass ansonsten auch § 170 Abs. 1 ZPO, der eine Zustellung durch bloßen Einwurf in den Briefkasten nicht vorsieht (vgl. Zöller/Stöber, a. a. O., § 170, Rdn. 1), umgangen würde.

Für eine gegenteilige Beurteilung streitet auch nicht die Gesetzesgenese. Der ursprünglich durch Gesetz vom 17.05.1898 (RGBl. I, S. 256, 264) eingefügte § 170a ZPO erhielt mit der Neubekanntmachung der ZPO vom 20.05.1898 (RGBl. I, S. 410 ff.) seine jetzige Bezeichnung als § 187 ZPO (vgl. Roth in Stein/Jonas, a.a.O., § 187, "Gesetzesgeschichte"). Bis zur Änderung durch die aufgrund § 44 der Verordnung über Maßnahmen auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung und der Rechtspflege vom 01.09.1939 (RGBl. I S. 1658) erlassene Verordnung vom 09.10.1940 (RGBl. I, S. 1340) wurde die formell fehlerhafte Zustellung einer Ladung nur geheilt, soweit sie in die Hände des Adressaten gelangt war (vgl. auch: Sydow/Busch, ZPO, 22. Aufl., (1941), § 187, Rdnr. 5; Seuffert/Walsmann, 12. Aufl. (1932), § 187, Rdnr. 2). § 187 ZPO in der bis heute gültigen Fassung erweitert die Heilungsmöglichkeit auf alle zuzustellenden Schriftstücke. Dass durch die Änderung des Wortlauts in "zugegangen" neben der sprachlichen Vereinfachung ein über die gegenständliche Empfangnahme hinausgehender Bedeutungswandel erreicht werden sollte, ist nicht erkennbar, zumal sich dann eine direkte Bezugnahme auf § 130 BGB im Sinne einer Legaldefinition angeboten hätte. Für das Gegenteil spricht auch nicht, dass die Verordnung (a.a.O.) "zur Vereinfachung und Vereinheitlichung des Zustellungsrechts" erging und die Änderung von § 187 ZPO audrücklich unter dem ersten Abschnitt der Verordnung erging, der die "Vereinfachung des Zustellungsrechts im Geltungsbereich der Reichszivilprozeßordnung" betraf.

Der Gesetzgeber hat zudem in § 182 ZPO erkennen lassen, dass eine Einschaltung von - sonst nicht als Ersatzzustellungsadressaten tauglichen - Personen hinsichtlich des konkreten Schriftstückes selbst keine hinreichende Gewähr für einen tatsächlichen Zugang bietet, sondern nur die Aushändigung des Benachrichtigungsscheines zugelassen. Daraus folgt im vorliegenden Fall, dass die betreffende Aushändigung an die angebotene Zeugin P el auf keinen Fall ausreichte, um die Heilungswirkung nach § 187 Satz 1 ZPO zu begründen.

Mithin ist ein Verstoß gegen die Zustellungsvorschriften nur dann gem. § 187 Satz 1 ZPO geheilt, wenn der Adressat (nachweislich) das Schriftstück unmittelbar in den Händen hält. Über den als Ersatzzustellungsberechtigten bezeichneten Kreis hinaus ist für die Annahme einer heilenden Übergabe an Empfangsboten oder sonstige Stellvertreter des Zustellungsadressaten kein Platz. Erst wenn der Zugang in dieser Weise geschehen ist, ist der Gesetzeszweck des Zustellungsverfahrens erfüllt und würde das Festhalten am Formerfordernis eine sinnentleerte Förmelei darstellen.

Damit kommt es auf die Frage, ob die Empfangsperson, Frau P , den Mahnbescheid am in der Postzustellungsurkunde dokumentierten Tag auf den Küchentisch gelegt hat, nicht an. Hinzu kommt - unabhängig davon, dass der Erhalt nicht bewiesen ist -, dass die Klägerin nicht konkret vorgetragen hat, wann der Beklagte selbst letztlich den Mahnbescheid tatsächlich erhalten hat.

Dass die nicht näher substantiierte etwaige Kenntnisnahme im Parallelverfahren gegen die ALGRO-Handelsgesellschaft nicht genügt, bedarf keiner weiteren Erläuterung (vgl. OLG Nürnberg, Urt. v. 05.11.1981, Az.: 8 U 351/81, MDR 1982, 238).

3. Anhaltspunkte dafür, dass die Berufung des Beklagten auf Verjährung treuwidrig sein könnte, liegen nicht vor. Insbesondere wird von der Klägerin nicht konkret vorgetragen, aus welchen Absprachen, konkreten Zusagen oder sonstigem Verhalten des Beklagten sich eine den Schluss auf eine treuwidrige Herbeiführung der Verjährung begründende "Hinhaltetaktik" ergeben könnte. Ebensowenig ist zu einem rechtlich möglichen (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 222, Rdn. 5) Verzicht auf die Einrede der Verjährung vorgetragen worden.

III.

Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO). Die Frage, ob § 187 ZPO mit Blick auf § 130 BGB erweiternd auszulegen ist, ist ebenso wenig eindeutig höchstrichterlich geklärt wie die Frage, ob eine Ersatzzustellung an Mitglieder einer Wohngemeinschaft gem. § 181 ZPO (analog) ausreichend ist.

(IV)

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 546, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Festsetzung des Gebührenstreitwertes beruht auf § 3 ZPO, §§ 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GKG, die Festlegung der Sicherheitsleistung auf § 108 Abs. 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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