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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 05.12.2007
Aktenzeichen: 8 U 1412/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 307 Abs. 1 Satz 1
1. Beim Verbraucherleasing wird der Mangel der Schriftform nicht durch den Empfang des Leasinggegenstandes geheilt.

2. Eine Klausel in den Geschäftsbedingungen des Finanzierungsleasinggebers, wonach sich mehrere Leasingnehmer uneingeschränkte Empfangsvollmacht erteilen, ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

3. Die wechselseitige Erteilung einer allgemeinen Empfangsvollmacht befreit den Leasinggeber grundsätzlich nicht davon, gegenüber demjenigen Leasingnehmer, an den er kraft der erteilten Vollmacht allein \"zustellen\" möchte, bei der selbst abzugebenden Willenserklärung deutlich zu machen, dass diese gegenüber allen Leasingnehmern abgegeben sein soll.


Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 8 U 1412/07

Verkündet am 05.12.2007

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung aus Leasingvertrag

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 05.12.2007 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht H....., Richterin am Oberlandesgericht H..... und Richter am Amtsgericht R......

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 27.07.2007 teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

- Streitwert der Berufung: 6.739,01 EUR -

Gründe:

A.

Die Klägerin nimmt den Beklagten als vermeintlich gesamtschuldnerisch neben seiner früheren Arbeitgeberin, der insolventen .. GmbH, haftenden zweiten Leasingnehmer aus einem im Juli 2006 vorzeitig beendeten Pkw-Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung in Anspruch. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen. Die Feststellungen des Landgerichts werden wie folgt ergänzt:

Die Klägerin hat behauptet, sie habe den Leasingantrag der beiden Leasingnehmer vom 17.02.2006 gegenüber der .. GmbH mit dem - im Prozess abschriftlich vorgelegten - Schreiben vom 07.03.2006 und gegenüber dem Beklagten mit einem Schreiben gleichlautenden Inhalts vom selben Tag angenommen. Für ihre Behauptung, die Schreiben seien auch zugegangen, hat sie keinen Beweis angetreten; erstmals in der Berufungsinstanz bietet sie - allein - für den Zugang des Annahmeschreibens an die .. GmbH (Zeugen-)Beweis an.

Das Landgericht hat der Klage mit geringfügigen Abstrichen bei den verlangten Mahnspesen stattgegeben. Mit der zulässigen Berufung, die zurückzuweisen die Klägerin beantragt, erstrebt der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

B.

Die Berufung hat Erfolg. Die Klage ist in vollem Umfang abzuweisen, weil der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung rückständiger Raten und auf Schadensersatz nach vom Leasingnehmer schuldhaft veranlasster vorzeitiger Beendigung des Leasingvertrages nicht zustehen.

I.

Dies folgt schon daraus, dass zwischen den Parteien des Rechtsstreites ein wirksamer Leasingvertrag nicht zustande gekommen, sondern dieser wegen Nichteinhaltung der gebotenen Schriftform nichtig ist, §§ 500, 492 Abs. 1 Satz 1 und 3, 126 Abs. 1, 125 Satz 1 BGB.

1. Ob der Beklagte das Fahrzeug "empfangen" hat, wie das angegriffene Urteil meint und die Berufung in Abrede stellt, ist entgegen der Ansicht des Landgerichts und der Parteien unerheblich. Die Frage des wirksamen Zustandekommens eines Vertrages, der im Verhältnis der Streitparteien zueinander einen dem Schriftformerfordernis unterliegenden Finanzierungsleasingvertrag mit einem Verbraucher darstellt, kann von vornherein nicht mit der Erwägung dahingestellt bleiben, ein etwaiger Formmangel sei aufgrund Aushändigung und Nutzung des Leasinggegenstandes an bzw. durch die beiden Leasingnehmer geheilt.

Anders als bei einem entgeltlichen Zahlungsaufschub und sonstigen entgeltlichen Finanzierungshilfen, auf die gemäß § 499 Abs. 1 BGB u.a. die verbraucherkreditrechtlichen Form- und Heilungsvorschriften (§§ 492 Abs. 1, 494 BGB) entsprechend anwendbar sind, ordnet das Gesetz in §§ 499 Abs. 2, 500 BGB für Finanzierungsleasingverträge mit Verbrauchern, soweit hier von Interesse, ausdrücklich nur die entsprechende Geltung des § 492 Abs. 1 Satz 1 bis 4 BGB an. Die Möglichkeit der Heilung eines Mangels der Schriftform entsprechend § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB - durch "Empfang" des Leasinggegenstandes - ist gerade ausgeklammert. Wie der systematische Vergleich zu § 499 Abs. 1, Abs. 2 BGB zusätzlich unterstreicht, handelt es sich bei der eingeschränkten Verweisung in § 500 BGB nicht etwa um ein gesetzgeberisches Versehen. Sie deckt sich im Übrigen mit der Vorläuferregelung in § 3 Abs. 2 Nr. 1 VerbrKrG a.F., die die Folgen- und Heilungsvorschrift des § 6 VerbrKrG a.F. ebenfalls von den auf Finanzierungsleasingverträge anwendbaren Vorschriften ausnahm (vgl. dazu OLG Rostock NJW-RR 2006, 341; vgl. ferner BGH, Urteil vom 12.09.2001 - VIII ZR 109/00, WM 2001, 2162 unter II 2 a aa, wo lediglich für den atypischen Fall des vorgesehenen Eigentumserwerbs des Leasingnehmers eine richtlinienkonforme Auslegung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 VerbrKrG a.F. die Heranziehbarkeit der Regelungen in § 6 Abs. 2, Abs. 3 VerbrKrG a.F. ergab).

2. Damit kommt es darauf an, ob die Parteien übereinstimmende schriftliche Vertragserklärungen ausgetauscht haben, § 500 BGB i.V.m. § 492 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB. Das ist zu verneinen.

a) Die Annahme des formgerechten Leasingantrages des Beklagten vom 17.02.2006 musste ihrerseits schriftlich erfolgen (§§ 500, 492 Abs. 1 Satz 3 BGB) und als empfangsbedürftige Willenserklärung auch in dieser Form dem Beklagten zugehen (vgl. nur BGHZ 121, 224).

b) Auf einen Zugang der schriftlich zu erklärenden Annahme haben die Parteien nicht verzichtet; der Zugang war auch nicht nach der Verkehrssitte entbehrlich (§ 151 Satz 1 BGB).

Ein solcher Verzicht wäre zwar möglich gewesen und ist - stillschweigend - insbesondere beim Schuldbeitritt eines Verbrauchers zu einem Kreditvertrag anzunehmen, ohne dass damit der Schutzzweck der Formvorschrift unterlaufen wird (eingehend BGH, Urteil vom 27.04.2004 - XI ZR 49/03, WM 2004, 1381 unter II 1). Im Streitfall hat es einen Verzicht aber nicht gegeben. Der beim Autohaus unterzeichnete und dann von der Händlerin an die Klägerin weitergeleitete Leasingantrag bestimmte in Ziff. I 1 Satz 2 der einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin: "Der Leasingvertrag ist abgeschlossen, wenn (die Klägerin) innerhalb dieser Frist (vier Wochen) die Annahme schriftlich bestätigt." Ein ausnahmsweiser Verzicht des Vertragspartners der Klägerin auf den Zugang der schriftlichen Annahmebestätigung kommt in dieser Formulierung nicht einmal andeutungsweise zum Ausdruck. Ein solcher Verzicht entsprach auch keineswegs der Interessenlage, hatten die Leasingnehmer doch gegenüber der Klägerin keinerlei unmittelbaren Kontakt gehabt und waren sie nach Abgabe der eigenen Vertragserklärung schon aus Gründen der Klarheit und Verlässlichkeit darauf angewiesen, eine verbindliche schriftliche Bestätigung der Klägerin zu erhalten; umgekehrt lag es auch im durch die zitierte Klausel artikulierten eigenen Interesse der Klägerin, durch schriftliche, dem Vertragspartner zugehende Bestätigung für eindeutige Verhältnisse zu sorgen.

c) Dass den Beklagten selbst ein an ihn gerichtetes Anschreiben der Klägerin vom 07.03.2006 erreicht hat, kann nicht festgestellt werden.

aa) Es ist bereits in hohem Maße zweifelhaft, ob die Klägerin ein solches Anschreiben überhaupt verfasst und abgesandt hat. Anders als das entsprechende Schreiben an die .. GmbH hat sie es im Prozess nicht abschriftlich vorgelegt. Von den späteren, jeweils getrennt an beide Leasingnehmer gerichteten Mahnungen hat sie dagegen jeweils Abschriften beider Schriftstücke zu den Akten gereicht. Dies nährt in Verbindung mit der Erwähnung nur eines Leasingnehmers - der .. GmbH - in der Rückkaufgarantie des Autohauses vom 27.02.2006, welche die Klägerin zusammen mit dem Leasingantrag vom 17.02.2006 erhalten hat, die Vermutung, dass eine schriftliche Annahme gegenüber dem Beklagten aus Unachtsamkeit unterblieben ist.

bb) Jedenfalls aber ist die Klägerin, die die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung der gesetzlichen Schriftform als anspruchsbegründende Tatsache trägt, für den behaupteten Zugang des Annahmeschreibens beim Beklagten beweisfällig geblieben. Weder im ersten noch im zweiten Rechtszug hat sie insoweit ein Beweisangebot unterbreitet. Deshalb kann letztlich dahinstehen, ob sie ihre anfängliche Behauptung eines Zugangs nach der substanziierten, plausiblen Gegendarstellung des Beklagten überhaupt noch aufrechterhält.

d) Ein die Schriftform wahrender Vertrag ist zwischen den Streitparteien auch nicht durch Zugang des Annahmeschreibens an die .. GmbH vom 07.03.2007 zustande gekommen. Dabei kann hinsichtlich des behaupteten Zugangs dieses Schreibens zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, dass sie mit dem erstmals im Berufungsverfahren unterbreiteten Zeugenbeweisangebot nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen ist und der ihr obliegende Beweis gelingt. Hierauf kommt es nicht an, weil das Schreiben an die .. GmbH keine formgerechte Annahme gegenüber dem Beklagten bedeutete.

aa) Zu Unrecht stützt sich die Klägerin auf die Empfangsvollmacht, die Ziff. 9 ihres Leasingantragsformulars enthält ("Beide Antragsteller erklären hiermit übereinstimmend, dass sie mit Zustellung an den jeweils anderen einverstanden sind und sich somit Empfangsvollmacht erteilen.").

Diese weit gefasste Klausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie den Beklagten als Vertragspartner der Klägerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Das hat der Bundesgerichtshof für eine vergleichbare Klausel über die gegenseitige Bevollmächtigung gesamtschuldnerisch haftender Darlehensnehmer zur Entgegennahme aller Erklärungen der Bank bereits zutreffend entschieden und eingehend begründet (Urteil vom 22.06.1989 - III ZR 72/88, BGHZ 108, 98 unter I 1). Er hat die Unangemessenheit dieser Regelung entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht etwa darauf gestützt, dass jene Vollmachtsklausel zugleich eine wechselseitige Bevollmächtigung "zur Beantragung von Stundungen und Laufzeitverlängerungen" enthielt; vielmehr hat er beide sprachlich ohne weiteres trennbaren Teile der Klausel zu Recht einer isolierten Wirksamkeitskontrolle unterzogen und sie je für sich als unwirksam angesehen. Die vorliegende Vertragsbedingung ist nicht anders zu beurteilen. Die den Leasingnehmern vorgegebene Regelung erstreckt die Empfangsvollmacht bei nächstliegendem Verständnis, jedenfalls aber bei zugrunde zu legender verwendungsgegnerfeindlicher Auslegung auf sämtliche vertragsrelevanten Erklärungen der Klägerin einschließlich Vertragsannahme und etwaiger Kündigung. Damit läuft auch diese Klausel der Sache nach dem gesetzlichen Leitbild der Einzelwirkung (§ 425 BGB) zuwider, ohne dass die Klägerin hierfür hinreichende schutzwürdige Eigeninteressen ins Feld führen kann, während die oftmals - so auch hier - nicht unter derselben Anschrift zu erreichenden Leasingnehmer durch die Regelung spürbar belastet werden, insbesondere für den Fall späteren internen Zwistes oder allgemein, wenn sich die ursprünglich gemeinsamen Wege später trennen. An dieser Beurteilung ändert der Rechtsentscheid des Bundesgerichtshofes vom 10.09.1997 - VIII ARZ 1/97 (BGHZ 136, 314) nichts. Dort wurde eine ähnliche Vollmachtsklausel in Wohnraummietverträgen zwar für zulässig erachtet, dies aber maßgeblich mit den spezifischen, typischerweise anders als vorliegend gelagerten Interessen der Beteiligten begründet.

bb) Doch sogar dann, wenn man die besagte Geschäftsbedingung für wirksam hält, hat das Schreiben an die .. GmbH keine formgerechte Annahme gegenüber dem Beklagten bewirkt.

Die Klausel befreit die Klägerin nicht davon, gegenüber demjenigen Vertragspartner, an den sie kraft der erteilten Empfangsvollmacht allein "zustellen" möchte, bei der abzugebenden Erklärung deutlich zu machen, dass diese gegenüber allen Vertragspartnern abgegeben sein soll. Nur so wird der tatsächliche Empfänger unmissverständlich erkennen, dass die Erklärung nicht allein ihm gilt, und auch Veranlassung sehen, die weiteren Vertragspartner über die ihm mit Wirkung für alle zugegangene Erklärung zu unterrichten. Im Streitfall hat die Klägerin im Schreiben an die .. GmbH vom 07.03.2006 nicht zum Ausdruck gebracht, dass sich ihre Annahme auch auf das Angebot des Beklagten beziehe. Der Beklagte ist an keiner Stelle - weder im Anschriftsfeld noch im Betreff noch im fortlaufenden Text - erwähnt. Daher musste die .. GmbH annehmen, das Schreiben gelte allein ihr selbst und der Beklagte werde ggf. ein gesondertes Schreiben erhalten. Legt man das Tatsachenvorbringen der Klägerin zugrunde, hat im Übrigen auch sie selbst seinerzeit nicht geglaubt, das Annahmeschreiben an die .. GmbH reiche aus; anders lässt sich die von ihr behauptete Versendung eines gleichlautenden Anschreibens unmittelbar an den Beklagten kaum überzeugend erklären.

3. Dem Beklagten ist es nicht nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Formnichtigkeit zu berufen (§ 242 BGB).

Ein Mangel der durch Gesetz vorgeschriebenen Form kann nur unter besonderen Umständen wegen unzulässiger Rechtsausübung unbeachtlich sein. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn eine Partei sich unter Berufung auf den Formmangel ihrer vertraglichen Verpflichtung entziehen will, obwohl sie längere Zeit aus dem Vertrag geldwerte Vorteile in erheblichem Umfang gezogen hat (zuletzt etwa BGH, Urteil vom 08.11.2005 - XI ZR 34/05, BGHZ 165, 43, 53 m.w.N.). So verhält es sich hier nicht. Der Leasingvertrag hatte nur kurze Zeit Bestand und wurde bereits nach rund vier Monaten vorzeitig beendet. Die tatsächliche Nutzung durch den Beklagten war sogar noch geringer, weil er bei der .. GmbH Ende April 2006 ausgeschieden und das geleaste Fahrzeug seither dort - bis zur Rückgabe im Juli 2006 - verblieben war.

II.

Auf die weiteren Angriffe der Berufung gegen das angefochtene Urteil kommt es nach dem Vorstehenden nicht mehr an. Dasselbe gilt für die von den Parteien und dem Landgericht unerörtert gebliebene Frage, ob die Klage nicht auch aufgrund im Verhältnis zum Beklagten fehlerhafter - nämlich infolge einheitlicher Belehrung gegenüber beiden Leasingnehmern durch den einleitenden Klammerzusatz ("entfällt bei Fahrzeugüberlassung zum Zwecke einer bereits ausgeübten gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit") mindestens unklarer - Widerrufsbelehrung und schlüssig im Anwaltsschreiben vom 11.07.2006 erklärten Widerrufs des Beklagten jedenfalls in Bezug auf das Schadensersatzbegehren und damit weit überwiegend unbegründet ist.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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