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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 22.12.2004
Aktenzeichen: 8 U 1432/04
Rechtsgebiete: HGB, BGB, RBerG, VerbrKrG


Vorschriften:

HGB § 128
HGB § 130
HGB § 130 Abs. 1
BGB § 134
BGB § 171
BGB § 172
RBerG § 1
VerbrKrG § 3 Abs. 2 Nr. 2 a. F.
VerbrKrG § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b a. F.
VerbrKrG § 6 Abs. 1
VerbrKrG § 9 a.F.
Der einer Immobilienfondsgesellschaft bürgerlichen Rechts im Dezember 1995 beigetretene Kapitalanleger haftet in entsprechender Anwendung des § 130 Abs. 1 HGB für vor seinem Beitritt begründete Verbindlichkeiten aus einem Kredit, den die Gesellschaft zur Finanzierung des Fondsobjektes aufgenommen hatte. Nimmt ihn das Kreditinstitut im Verhältnis der kapitalmäßigen Beteiligung persönlich in Anspruch, so genießt er keinen Vertrauensschutz, wenn er im Zeitpunkt des Beitritts das Kreditvolumen kannte und im Gesellschaftsvertrag sowohl eine allgemeine quotale persönliche Haftung des Gesellschafters vorgesehen als auch die Übernahme anteiliger persönlicher Schuldverpflichtungen vorgeschrieben war.
Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 8 U 1432/04

Verkündet am 22.12.2004

In dem Rechtsstreit

wegen negativer Feststellung

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.12.2004 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hafner, Richterin am Oberlandesgericht Haller und Richter am Oberlandesgericht Bokern

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 20.07.2004 (Az: 4 O 7049/03) wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

3. Die Revision wird zugelassen. - Streitwert: 14.000,00 Euro -

Gründe:

I.

Die Parteien streiten über Fragen der Haftung des Kapitalanlegers in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für einen Kredit, welcher der Finanzierung des Immobilienfondsobjektes diente.

Der Kläger, von Beruf Zahnarzt (Jahrgang 1929), ist im Dezember 1995 dem geschlossenen Immobilienfonds "Wohnpark W Grundstücksgesellschaft b.R." (nachfolgend: Fonds oder Fondsgesellschaft) beigetreten. Er übernahm einen Anteil in Höhe von 50.000,00 DM zuzüglich Agio; das entspricht einem Anteil von 0,1844 % am kalkulierten Nettogesamtaufwand von 27.120.000,00 DM. Gegenstand war der Neubau von drei Mehrfamilienhäusern mit insgesamt 35 Wohnungen und 70 Pkw-Stellplätzen in zwei Tiefgaragen in Berlin. Bereits am 30.08.707.09.1994 hatte die Fondsgesellschaft - damals noch unter der Bezeichnung "Wohnpark -Straße Grundstücksgesellschaft" als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bestehend aus den Gründungsgesellschaftern Peter J. K, Riemens K und Ärzte-Treuhandvermögensverwaltung GmbH - mit der Rechtsvorgängerin der beklagten Hypothekenbank (im Folgenden einheitlich: Beklagte) zur Finanzierung des Objektes einen Vertrag über ein Darlehen von 15 Mio DM geschlossen. Im Oktober 1996 wurde im Zusammenhang mit der beabsichtigten Entlassung der Gründungsgesellschafter aus der Haftung für das ausgereichte Darlehen eine "Ergänzung des Darlehensvertrages" unterzeichnet, durch die die beigetretenen Gesellschafter entsprechend ihrer jeweiligen Beteiligung in den Darlehensvertrag einbezogen werden sollten. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er nicht aus dem Darlehensvertrag vom 30.08./07.09.1994 und auch nicht aus der "Ergänzung des Darlehensvertrages" vom 07./08.10.1996 zwischen der Fondsgesellschaft und der Beklagten verpflichtet ist. Die Ergänzungsvereinbarung hält er für unwirksam, weil ihn die Geschäftsbesorgerin nicht habe vertreten können. Die ihr erteilte Vollmacht verstoße gegen das Rechtsberatungsgesetz und sei auch nicht unter Rechtsscheinsgesichtspunkten wirksam; dass der Geschäftsführer der Geschäftsbesorgerin (Peter K), der die Vereinbarung für die Anleger unterzeichnete, gleichzeitig einer der geschäftsführenden Gründungsgesellschafter des Fonds war, sei unerheblich. Im Übrigen lägen auch die in der Ergänzungsvereinbarung selbst aufgestellten Voraussetzungen (unter anderem Schuldanerkenntnisse und entsprechende Vollstreckungsunterwerfungen der Gesellschafter) nicht vor.

Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Der Kläger hafte aufgrund seines Fondsbeitritts entsprechend der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.04.2003 (BGHZ 154, 370) in analoger Anwendung der §§ 128, 130 HGB akzessorisch für die Darlehensverbindlichkeiten aus dem Vertrag vom 30.08./07.09.1994; deshalb komme es nicht mehr darauf an, ob die spätere Ergänzungsvereinbarung wirksam zustande gekommen sei. Die Haftung entsprechend §§ 128, 130 HGB sei mangels schutzwürdigen Vertrauens des Klägers nicht ausgeschlossen. Der Kläger sei in der Beitrittserklärung vom 08.12.1995 auf den Gesellschaftsvertrag in der Fassung vom 29.11.1994 nebst Anlagen hingewiesen worden. Er habe erklärt, dass dieser ihm bekannt sei. Aus dem Gesellschaftsvertrag habe sich die für ihn in Aussicht gestellte persönliche Haftung ohne weiteres ergeben. Der Prospekt habe auf die bestehenden Darlehensverträge in Höhe von 15 Mio DM hingewiesen. Unter diesen Umständen könne sich der Kläger nicht darauf berufen, er habe aufgrund damals geltender Rechtsprechung darauf vertraut, für die bestehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht haften zu müssen.

Sonstige Einwendungen stünden dem Kläger nicht zu. Einen Schadensersatzanspruch wegen kollusiven Zusammenwirkens der Beklagten mit den Fondsinitiatoren habe er nicht schlüssig vorgetragen. Auch für die Annahme einer Verletzung von Aufklärungspflichten fehlten hinreichende Anhaltspunkte. Eine schwerwiegende Interessenkollision der Beklagten im Rahmen der Kreditgewährung an die Fondsgesellschaft sei ebenso wenig ersichtlich wie ein Wissensvorsprung der Beklagten oder die Schaffung eines zu den allgemeinen wirtschaftlichen Risiken hinzutretenden Gefährdungstatbestandes. Die Beklagte sei auch nicht über ihre Rolle als Kreditgeberin hinausgegangen. Dass sie durch ihre Finanzierungszusage das Projekt erst möglich gemacht habe, sei bei größeren Bauprojekten die Regel. Soweit mit der Finanzierungszusage im Prospekt geworben worden sei, habe die Beklagte hierdurch nicht die Kreditgeberrolle verlassen. Anders möge es liegen, wenn die Erwähnung der Zusage im Prospekt mit Zustimmung oder gar auf Veranlassung der Beklagten erfolgt sei; solches sei hier aber nicht vorgetragen. Im Übrigen bleibe es die ureigene Pflicht des Beitretenden, sich über die Gesellschaft, der er beitrete, deren Projekt und alle weiteren Umstände und Risiken selbst zu informieren. Dass eine Bank das Gesamtobjekt finanziere, enthebe ihn dieser Verpflichtung nicht.

Mit der zulässigen Berufung verfolgt der Kläger sein abgewiesenes Feststellungsbegehren unverändert weiter. Zu Unrecht habe das Landgericht eine Haftung analog §§ 128, 130 HGB bejaht. Der Kläger genieße Vertrauensschutz. Mit der entsprechenden Argumentation im erstinstanzlich vorgelegten Rechtsgutachten habe sich das Gericht nicht auseinandergesetzt. Höchst vorsorglich sei zu einigen Argumenten der Beklagten Stellung zu nehmen, mit denen sich das Landgericht, von seinem Standpunkt aus konsequent, nicht habe beschäftigen müssen. Die vom Kläger der Geschäftsbesorgerin und zwei geschäftsführenden Gründungsgesellschaftern erteilten Vollmachten seien gemäß § 134 BGB i.V.m. Art. 1 § 1 RBerG nichtig. Hinsichtlich der den Geschäftsführern erteilten Vollmachten gelte dies zumindest für die hier interessierenden rechtsgeschäftlichen Handlungen. Die Auffassung der Beklagten, die Ergänzung des Darlehensvertrages sei trotz Nichtigkeit der Vollmachten unter Rechtsscheinsgesichtspunkten wirksam, stehe mit der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seit dem 14.06.2004 nicht im Einklang. Eine Rechtsscheinsvollmacht gem. §§ 171, 172 BGB scheide aus, weil bei Abschluss des Ergänzungsvertrages am 07./08.10.1996 der Beklagten - unstreitig - weder das Original noch eine Ausfertigung der Vollmachtsurkunde vorgelegen habe. Doch auch für die Annahme einer Duldungsvollmacht biete der Fall, ausgehend von den Maßstäben im Urteil des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 14.06.2004 (II ZR 393/02; WM 2004, 1529), keine hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte. Die vorbezeichnete Entscheidung sei auch in weiteren Punkten bedeutsam. So liege weder eine Genehmigung des Handelns der Geschäftsbesorgerin noch ein Verstoß gegen Treu und Glauben vor, wenn sich der Kläger auf die Unwirksamkeit des Darlehensergänzungsvertrages berufe; dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger den Inhalt der Haftungsbestimmungen in §§ 4 und 8 des Gesellschaftsvertrages und darüber hinaus - wie die beteiligten Anleger in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall - die beabsichtigte Aufnahme von Fremdkapital gekannt habe. Überdies bildeten der Beitritt des Klägers zur Fondsgesellschaft und der Darlehensergänzungsvertrag ein verbundenes Geschäft im Sinne von § 9 VerbrKrG a.F. Daraus folge, dass die Valutierung des Darlehens die durch fehlerhafte Gesamtbetragsangabe bewirkte Unwirksamkeit des Darlehensergänzungsvertrages gem. § 6 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 b VerbrKrG a. F. nicht geheilt habe. § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG a. F. greife hinsichtlich der vermeintlichen Darlehensgewährung an den Kläger nicht ein, weil das Grundpfandrecht zur Sicherung des von den Gründungsgesellschaftern aufgenommenen Kredits bereits am 20.09.1994 bestellt worden sei.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil, vertieft und ergänzt ihr erstinstanzliches Vorbringen und setzt sich im Einzelnen mit den Angriffen der Berufung auseinander. Den jetzigen Klageantrag hält sie für unzulässig.

II.

Die Berufung hat keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

1. Unverständlich und unberechtigt sind die Zweifel der Beklagten an der Zulässigkeit des mit der Berufung verfolgten Klagebegehrens.

Die von der Beklagten formulierten Bedenken beziehen sich auf den Klageantrag in der ursprünglichen Fassung bei Klageerhebung. Diesen Bedenken hat der Kläger im Verlaufe des ersten Rechtszuges auf Hinweis des Landgerichtes ausdrücklich Rechnung getragen. Über den geänderten Feststellungsantrag hat das Landgericht entschieden. Denselben Klageantrag verfolgt der Kläger nunmehr im Berufungsverfahren weiter.

2. Kraft seines wirksamen Beitritts zur Fondsgesellschaft haftet der Kläger in entsprechender Anwendung von §§ 128, 130 Abs. 1 HGB für Verbindlichkeiten des Fonds aus dem ursprünglichen Darlehensvertrag.

a) Der Kläger ist der Fondsgesellschaft im Dezember 1995 wirksam beigetreten. Unwirksamkeitsgründe sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger die Beitrittserklärung persönlich unterzeichnet und auf dem Postweg übersandt. Auf die (vermeintlich) günstige Anlagemöglichkeit war er von Kollegen aufmerksam gemacht worden; anschließend hatte er den Fondsprospekt schriftlich angefordert und erhalten.

b) Der Darlehensvertrag zwischen der Fondsgesellschaft und der Beklagten vom 30.08./07.09.1994 ist wirksam zustande gekommen. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen (LGU 9). Die Valutierung des Darlehens steht zwischen den Parteien ebenfalls nicht im Streit.

c) Ansprüche aus diesem Darlehensvertrag kann die Beklagte in entsprechender Anwendung von §§ 128, 130 Abs. 1 HGB auch gegen den Kläger richten.

aa) Seit der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.04.2003 (BGHZ 154, 370) steht fest, dass der in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts eintretende Gesellschafter für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft im Grundsatz persönlich haftet.

bb) Eine anderweitige, vorrangig zu beachtende Vereinbarung haben die Parteien des Darlehensvertrages nicht getroffen. Die nach dem Wortlaut des Darlehensvertrages in Aussicht genommene Entlassung der Gründungsgesellschafter aus der Haftung kann, zumal vor dem Hintergrund der damals herrschenden Rechtsprechung und Doppelverpflichtungslehre, nicht als Verzicht der Bank auf eine - tatsächlich kraft Gesetzes eingreifende - Haftung später beitretender Gesellschafter ausgelegt werden. Der Senat macht sich die überzeugende Begründung des Landgerichts zu eigen (LGU 9 f.).

cc) Die damit grundsätzlich bestehende Haftung des Klägers für Altverbindlichkeiten entfällt nicht insgesamt aus Gründen des Vertrauensschutzes.

(1) In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.04.2003 - II ZR 56/02 (BGHZ 154, 370 [377 f.]) heißt es:

"Erwägungen des Vertrauensschutzes gebieten es, den Grundsatz der persönlichen Haftung des in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts Eintretenden für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft erst auf künftige Beitrittsfälle anzuwenden.

Die seit langem bestehende gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach der Neugesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für deren Altverbindlichkeiten nicht mit seinem Privatvermögen haftet, hat auf Seiten der Neugesellschafter schützenswertes Vertrauen dahin begründet, dass sie für Altverbindlichkeiten nicht mit ihrem Privatvermögen einzustehen haben. Neugesellschafter brauchten sich aufgrund jener Rechtsprechung vor ihrem Gesellschaftsbeitritt weder um Informationen über etwa bestehende Gesellschaftsschulden zu bemühen noch wirtschaftliche Vorkehrungen für eine eventuelle persönliche Haftung für solche Verbindlichkeiten zu treffen. Es träfe sie daher unverhältnismäßig hart, wenn sie nunmehr rückwirkend der persönlichen Haftung für Altverbindlichkeiten unterworfen würden, wie sie sich als Folge des geänderten Verständnisses von der Haftungsverfassung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ergibt (vgl. ... BGHZ 150, 1). Aspekte, die der Gewährung von Vertrauensschutz entgegenstünden, sind nicht ersichtlich."

(2) Hiernach steht zunächst fest, dass der Kläger jedenfalls insoweit keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen kann, als es nicht um seine persönliche Haftung, sondern um die Haftung mit dem bei Eintritt erworbenen Anteil am Gesellschaftsvermögen geht. Folgerichtig hat der Bundesgerichtshof im Urteil vom 07.04.2003 die Zahlungsklage gegen den Neugesellschafter nur abgewiesen, soweit es dessen persönliche Haftung betrifft (BGHZ 154, 370 [378]). Mit seinem Anteil von 0,1844 % am Fondsvermögen hat der Kläger für Fondsverbindlichkeiten aus dem ursprünglichen Darlehensvertrag also in jedem Falle einzustehen.

(3) Soweit es die persönliche Haftung - und zwar "nur" die quotale; mehr kann die Beklagte nach dem übereinstimmenden und zutreffenden Verständnis beider Parteien keinesfalls verlangen - anbelangt, ist das vom Kläger beanspruchte Vertrauen nicht schutzwürdig.

Entgegen der Ansicht des Privatgutachters im vom Kläger vorgelegten, für den Parallelfall Kaiserin-Augusta-Hof in Berlin erstellten Rechtsgutachten (Anlage A 18, dort Seiten 3 bis 5) - bekräftigt und vertieft in der nachgereichten gutachterlichen Stellungnahme vom 15.12.2004 - muss die Entscheidung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich der Gewährung von Vertrauensschutz nicht zwingend "kategorisch" verstanden werden. Soweit sich das Gutachten zusätzlich auf Karsten S (NJW 2003, 1897 [1901 f.]) stützt, tragen dessen Ausführungen nicht die ihm zugeschriebene Interpretation der Reichweite des Vertrauensschutzes. Umgekehrt hat der Bundesgerichtshof in der Folgezeit - entgegen der Darstellung der Beklagten - weder entschieden noch erkennen lassen, ob die Gewährung von Vertrauensschutz ausnahmslos gilt oder unter dem Vorbehalt der Einzelfallprüfung steht. In den beiden Urteilen des XI. Zivilsenats vom 02.12.2003 (XI ZR 421/02 und 429/02; WM 2004, 372 und ZflR 2004, 562, jeweils unter III 1 a) ging es gerade nicht um Altverbindlichkeiten. Der IX. Zivilsenat (Urteil vom 22.01.2004 - IX ZR 65/01, BGHZ 157, 361) verneinte eine entsprechende Anwendung des § 130 HGB unabhängig vom Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit schon deshalb, weil der beklagte Rechtsanwalt, der sich mit einem bisher als Einzelanwalt tätigen anderen Rechtsanwalt zusammengeschlossen hatte, dadurch nicht in eine bestehende Gesellschaft eingetreten war. Alle drei Entscheidungen nehmen Bezug auf das Grundsatzurteil vom 07.04.2003, geben aber für die hier zu beantwortende Frage weder in der einen noch in der anderen Richtung etwas her.

Unabhängig davon, wie insbesondere der abschließende Satz ("Aspekte, die der Gewährung von Vertrauensschutz entgegenstünden, sind nicht ersichtlich.") zu verstehen ist, kann und muss nach Auffassung des Senates Raum für eine dem Einzelfall gerecht werdende Betrachtung bleiben. Das Vertrauen in eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung, die sich später infolge besserer Erkenntnis wandelt, ist im Allgemeinen lediglich schutzwürdig, wenn und soweit nur auf diese Weise besondere Härten vermieden werden können. Wo keine unbilligen Härten entstehen, kommt der "wahren" Rechtslage der Vorrang zu, mag der Betroffene seinerzeit auch mit einer bestimmten Rechtsprechung gerechnet haben.

Der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit ist zwar, gerade in Fällen sich wandelnder Rechtsprechung, nicht zu vernachlässigen. In vielen Konstellationen wird es sinnvoll und geboten sein, verallgemeinernd Vertrauensschutz zu gewähren, um Einzelfallprüfungen und entsprechende Streitigkeiten weitgehend auszuschließen. Auf der anderen Seite verträgt es sich aber kaum oder gar nicht mit dem Gedanken der Einzelfallgerechtigkeit, einem nicht besonders hart Betroffenen Vertrauensschutz zu Teil werden zu lassen. Dann muss eine Einzelfallprüfung stattfinden und gegebenenfalls zur Versagung von Vertrauensschutz führen.

So liegt es hier. Dass der Kläger rechtlicher Laie ist, lässt ihn nur auf den ersten Blick als ebenso schutzwürdig erscheinen wie den Rechtsanwalt, der in eine bestehende Sozietät eingetreten war und dem der Bundesgerichtshof in der besagten Entscheidung Vertrauensschutz zugebilligt hat. Zwar konnte der Kläger, sofern er sich - was eher fern liegt - vor seinem Eintritt überhaupt über die Haftungsverfassung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gedanken gemacht hatte, noch weniger als ein Rechtsanwalt den Wandel der Rechtsprechung vorhersehen. Ob die Anwendung des § 130 Abs. 1 HGB für ihn als Kapitalanleger aber nunmehr mit besonderen Härten verbunden ist, beurteilt sich gänzlich anders als bei dem Rechtsanwalt, der in eine bestehende Anwaltssozietät eintritt. Ein solcher Rechtsanwalt kann und konnte sich nur schwer einen zuverlässigen Überblick über die vor seinem Beitritt begründeten Verbindlichkeiten verschaffen. Auch hatte er früher in Kenntnis der damaligen Rechtsprechung keine Veranlassung, für Risiken aus Altverbindlichkeiten vorzusorgen. Anders liegt es typischerweise beim Kapitalanleger, der als GbR-Gesellschafter einem Immobilienfonds beitritt, dessen Gesellschaftsvertrag eine quotale persönliche Haftung der Gesellschafter vorsieht. Der Beitretende weiß in diesen Fällen oder kann zumindest unschwer erkennen, dass die Fondsgesellschaft und auch die einzelnen Gesellschafter persönlich Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten eingehen müssen. Anderenfalls wäre zum einen die Finanzierung des Bauvorhabens regelmäßig nicht möglich. Zum anderen sollen derartige Verbindlichkeiten gerade begründet werden, um die mit dem Anlagemodell - vielfach sogar primär - angestrebte Steuerersparnis zu erreichen, namentlich über entsprechende Verlustzuweisungen, von denen die einzelnen Anleger profitieren.

Diese typische Situation lag auch dem Beitritt des Klägers zugrunde. Der Gesellschaftsvertrag vom 29.11.1994 sieht in §§ 4 und 8 ohne Differenzierung zwischen Alt- und Neuverbindlichkeiten eine quotale persönliche Haftung des Gesellschafters entsprechend seiner kapitalmäßigen Beteiligung, in der Höhe jedoch unbeschränkt, vor; die Übernahme anteiliger persönlicher Schuldverpflichtungen und die Abgabe persönlicher Schuldanerkenntnisse sind ebenfalls vorgeschrieben. § 3 des Gesellschaftsvertrages beziffert den kalkulierten Nettogesamtaufwand des Investitionsvorhabens auf 27.120.000,00 DM und verweist auf den als Anlage beigefügten Investitions- und Finanzierungsplan. Nach diesem sollten die Gesamtkosten durch zwei Hypothekendarlehen über 15 Mio DM brutto und 1.225.000,00 DM brutto (netto gesamt: 16 Mio. DM) und Eigenkapital in Höhe von 11.120.000,00 DM aufgebracht werden. Der Fondsprospekt - der im Übrigen schon auf der Vorderseite mit ca. 177 % steuerlicher Verlustzuweisung in 1995 und mit hohen Steuervorteilen durch Sonderabschreibungen gemäß Fördergebietsgesetz wirbt - und die entsprechende Dokumentation lassen ebenfalls keinen Zweifel an der Höhe des Fremdfinanzierungsbedarfs sowie daran, dass für die entsprechenden Kredite neben der Gesellschaft anteilig auch die Gesellschafter persönlich einstehen sollten. Auch wenn der Kläger im Zeitpunkt seines Beitritts keine Kenntnis davon hatte, dass der Darlehensvertrag über 15 Mio DM bereits abgeschlossen worden war (der Prospekt spricht auf Seite 14 immerhin von einer "verbindlichen Zusage" des Darlehens), so entspricht doch die gesetzlich vorgesehene persönliche Haftung - soweit sie sich quotal auf den Umfang der Beteiligung beschränkt - dem, was er mit dem Beitritt ohnehin zu übernehmen gewillt und, wenn auch insoweit nur im Verhältnis zur Fondsgesellschaft, zu übernehmen verpflichtet war. Unter diesen Umständen trifft ihn das anteilige Einstehen müssen mit dem Privatvermögen nicht unbillig hart.

Hieran ändert nichts, dass die Beklagte bei Abschluss des Darlehensvertrages im Jahre 1994 über die damals herrschende Rechtsprechung genau informiert gewesen sein dürfte und deshalb davon ausging, eine Haftung künftig beitretender Gesellschafter nur durch gesonderte Vereinbarung mit diesen erreichen zu können. Nicht die Schutzwürdigkeit der Belange der Beklagten ist zu untersuchen. Vielmehr ist umgekehrt allein entscheidend, ob der Kläger wegen andernfalls für ihn unzumutbarer Härten Vertrauensschutz genießt. Das ist hier nicht der Fall.

3. Der Haftung des Klägers für die Altverbindlichkeiten entsprechend §§ 128, 130 Abs. 1 HGB stehen keine Einwendungen entgegen.

Mögliche Einwendungen des Klägers, insbesondere das Bestehen von Schadensersatzansprüchen wegen Pflichtverletzungen der Beklagten, hat das Landgericht - ausgehend vom unstreitigen Sachverhalt und dem erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers - zutreffend verneint. Dagegen erhebt die Berufung keine Beanstandungen. Der Kläger hält auch nicht, etwa durch Bezugnahme auf das Vorbringen im ersten Rechtszug, am gegenteiligen Standpunkt fest. Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine Haftung der Beklagten gegenüber dem Kläger wegen Verletzung von Aufklärungs- oder Hinweispflichten in Bezug auf den Darlehensvertrag vom 30.08./07.09.1994 schon deshalb ausscheidet, weil der Kläger nicht Vertragspartei war und die für die GbR seinerzeit aufgetretenen Gründungsgesellschafter nicht aufklärungsbedürftig waren (vgl. BGH, Urteile vom 02.12.2003 - XI ZR 421/02 und 429/02, jeweils aaO. unter II 2).

4. Kann nach allem die vom Kläger begehrte negative (Gesamt-)Feststellung nicht getroffen werden, weil er der Beklagten aus dem ursprünglichen Darlehensvertrag haftet, so bedarf keiner Entscheidung, ob die der "Haftungsübernahme" dienende Ergänzungsvereinbarung wirksam zustande gekommen ist.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO.

Die Revision hat der Senat wegen der rechtsgrundsätzlichen Frage zugelassen, ob dem vor dem Wandel der höchstrichterlichen Rechtsprechung beigetretenen GbR-Gesellschafter in Ansehung des § 130 Abs. 1 HGB Vertrauensschutz ausnahmslos zu gewähren ist. Im Übrigen ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da es - wie den zu den Akten gereichten Anlagen zu entnehmen ist - zahlreiche vergleichbare Fälle mit teils unterschiedlichen instanzgerichtlichen Entscheidungen gibt.

Ende der Entscheidung

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