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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 18.12.2006
Aktenzeichen: 8 U 1938/06 (1)
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 579 Abs. 1 Nr. 4
ZPO § 586 Abs. 1
ZPO § 586 Abs. 3
1. Eine Wiederaufnahme entsprechend § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO findet nicht statt, wenn ein Versäumnisurteil, das im schriftlichen Vorverfahren des Ausgangsprozesses trotz mangelnder ordnungsgemäßer Klagezustellung und hierin liegender Gehörsverletzung ergangen ist, in Folge individueller Zustellung und Verstreichens der Einspruchsfrist rechtskräftig geworden ist.

2. Ist seit individueller, an Verkündungs statt erfolgter Zustellung des Versäumnisurteils an beide Parteien mehr als ein Monat verstrichen, steht der Zulässigkeit einer auf den Mangel fehlender Rechtshängigkeit und den damit verbundenen Gehörsverstoß gestützten Nichtigkeitsklage außerdem die Versäumung der Notfrist des § 586 Abs. 1, Abs. 3 ZPO entgegen.


Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 8 U 1938/06

Beschluss

des 8. Zivilsenats

vom 18.12.2006

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung aus Reisevertrag

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Häfner, Richter am Oberlandesgericht Bokern und Richter am Landgericht Meyer

beschlossen:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 11.01.2007.

Gründe:

A.

Die Klägerin nahm bzw. nimmt die Beklagte, ein in M ansässiges Unternehmen, auf Rückzahlung vorausbezahlter, aber nicht erbrachter Reiseleistungen i.H.v. 654,00 EUR in Anspruch. Das Amtsgericht erließ im schriftlichen Vorverfahren - ähnlich wie in zwei weiteren, vor demselben Richter geführten Verfahren gegen die Beklagte - ein der Klage in vollem Umfang stattgebendes Versäumnisurteil; nach Einschätzung des Amtsgerichts ist es wirksam zugestellt und rechtskräftig. Mit dem angegriffenen Urteil, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat das Amtsgericht die Nichtigkeitsklage der Beklagten, ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie ihren Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 02.05.2003 verworfen. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

B.

Das Rechtsmittel hat, ohne dass zulassungsrelevante Fragen i.S.v. §§ 522 Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO entscheidungserheblich werden, keine Aussicht auf Erfolg.

I.

Die Berufung ist zulässig.

1. Die funktionelle Zuständigkeit des Oberlandesgerichts ist gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG aus den im Senatsbeschluss vom 11.12.2006 - 8 U 1940/06 dargelegten Gründen eröffnet. Die hiesige Klägerin, die von anderen als den Prozessbevollmächtigten der Klägerin jenes Rechtsstreits vertreten wird, kann diese Gründe der anonymisierten Fassung des genannten Beschlusses entnehmen, die ihr zusammen mit der vorliegenden Entscheidung übersandt wird. Die zum unzuständigen Landgericht eingelegte Berufung ist als eigenständiges Rechtsmittel zu behandeln. Der Beklagten kann nur empfohlen werden, es gegenüber dem Landgericht zurückzunehmen.

2. Einlegungs- und Begründungsfrist sind gewahrt. Entgegen der gegenüber dem Landgericht geäußerten Einschätzung der Klägerin genügt das Berufungsvorbringen auch den Anforderungen, die § 520 Abs. 3 ZPO an die Begründung stellt. Dafür reicht bereits die tragenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung widersprechende, zur Prüfung des Oberlandesgerichts gestellte Auffassung der Beklagten aus, das am 02.05.2003 erlasse Versäumnisurteil sei ihr niemals zugestellt worden.

3. Die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind gegeben. Insbesondere beschwert das angegriffene Urteil die Beklagte mit mehr als 600,00 EUR und ist ihr Prozessbevollmächtigter, wie eine fernmündliche Rückfrage beim Oberlandesgericht Köln ergeben hat, in die Liste der dort zugelassenen Rechtsanwälte eingetragen.

II.

In der Sache verspricht die Berufung keinen Erfolg. Zu Recht hat das Amtsgericht die Nichtigkeitsklage, den Einspruch und den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten verworfen.

1. Soweit es die Nichtigkeitsklage und in der Hauptsache Zulässigkeitsfragen betrifft, hat sich das Amtsgericht mit der Frage seiner internationalen Entscheidungszuständigkeit nicht befasst. Das begegnet keinen Bedenken, weil diese Kompetenz in Bezug auf die Nichtigkeitsklage gegen die in Deutschland wohnhafte Klägerin unzweifelhaft zu bejahen und in Bezug auf die vom Amtsgericht verneinte Zulässigkeit von Wiedereinsetzungsantrag und Einspruch schon aus Gründen effektiven Rechtsschutzes eröffnet sein muss, um der Beklagten überhaupt die Möglichkeit zu geben, hinsichtlich des im Versäumnisurteil titulierten Anspruchs eine die Frage der Entscheidungszuständigkeit der deutschen Gerichte einschließende Prüfung zu erreichen.

2. Die Verwerfung der Nichtigkeitsklage hat aus mehreren Gründen Bestand, § 589 Abs. 1 ZPO.

a) Zulässigkeitsvoraussetzung eines jeden Wiederaufnahmeantrages ist grundsätzlich, dass der Wiederaufnahmekläger darlegt, durch ein rechtskräftiges Endurteil (§ 578 Abs. 1 ZPO) oder einen rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid (vgl. § 584 Abs. 2 ZPO) beschwert zu sein. Daran fehlt es hier. Nach dem Vorbringen der Beklagten ist ihr das Versäumnisurteil vom 02.05.2003 bis heute nicht wirksam zugestellt worden und Heilung gemäß § 189 ZPO nicht eingetreten. Trifft dies zu, ist für eine zur Wiederaufnahme führende Nichtigkeitsklage kein Raum, sondern steht, sofern die Beklagte eine Klärung herbeiführen möchte, der Einspruch zur Verfügung.

b) Die Nichtigkeitsklage ist überdies unstatthaft, weil sich aus dem Tatsachenvorbringen der Beklagten kein Nichtigkeitsgrund ergibt.

Geht man, wie es den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht (dazu unten II 3 a), von einer wirksamen Zustellung des Versäumnisurteils und damit von dessen Rechtskraft aus, liegt ein Nichtigkeitsgrund i.S.v. § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO entgegen der Ansicht der Beklagten auch dann nicht vor, wenn ihr - wie sie abweichend von der Beurteilung des Amtsgerichts und entgegen dem durch die aktenkundigen Zustellungsbelege erweckten Anschein geltend macht - die ursprüngliche Klageschrift nicht wirksam zugestellt worden und hiermit ein Gehörsverstoß verbunden war. Die von ihr im Anschluss an Musielak (ZPO, 4. und unverändert nunmehr 5. Aufl., § 579 Rn. 7; ebenso KG NJW-RR 1987, 1215, 1216) vertretene Auffassung, im Falle nicht ordnungsgemäßer Zustellung der Klage erwachse ein dennoch ergehendes Urteil in Rechtskraft, die betroffene Partei sei aber in einem solchen Verfahren nicht gesetzmäßig vertreten und könne deshalb eine Nichtigkeitsklage auf § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO stützen, trifft weder in dieser Allgemeinheit noch für die vorliegende Fallgestaltung zu.

aa) Bezeichnet die Klageschrift des Ausgangsverfahrens die beklagte Partei und ihren gesetzlichen Vertreter (hier eine in M ansässige Gesellschaft mit beschränkter Haftung und ihren Geschäftsführer) zutreffend, ist bei einer an sie vom Gericht veranlassten Zustellung, deren ordnungsgemäßer Erfolg nunmehr in Frage gestellt wird, kein unmittelbarer Anwendungsfall des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO gegeben. Die Vorschrift erfasst nach Wortlaut und Zweck unmittelbar drei Fälle (vgl. Braun, in MüKo-ZPO, 2. Aufl., § 579 Rn. 10 ff.). Der Ausgangsprozess ist von der prozessunfähigen Partei selbst geführt worden; für die prozessunfähige Partei ist ein angeblicher gesetzlicher Vertreter aufgetreten, dem die gesetzliche Vertretungsbefugnis indes fehlte; der Prozess ist von einem gewillkürten Vertreter ohne Prozessvollmacht geführt worden. Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift wird vor allem für Fälle erwogen, in denen dem Betroffenen unzureichend oder überhaupt kein rechtliches Gehör gewährt worden ist.

bb) Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf den Fall einer öffentlichen Zustellung, deren Voraussetzungen nicht vorlagen, in der Regel nicht entsprechend anwendbar. Das gilt selbst dann, wenn der Prozessgegner die Anordnung der öffentlichen Zustellung arglistig erschlichen hat (BGHZ 153, 189) oder wenn das Gericht das Fehlen der Voraussetzungen erkennen konnte (BGH, Urteil vom 06.10.2006 - V ZR 282/05, www.bundesgerichtshof.de). Zumindest im letztgenannten Fall wird die Zustellungsfiktion des § 188 ZPO nicht ausgelöst, werden Rechtsmittel- und Rechtsbehelfsfristen also erst gar nicht in Gang gesetzt (ebenso bereits BGHZ 149, 311). Im anderen Fall steht dem Betroffenen, dem infolge der öffentlichen Zustellung rechtliches Gehör versagt geblieben ist, wenigstens die - zeitlich allerdings begrenzte (§ 234 Abs. 3 ZPO) - Möglichkeit der Wiedereinsetzung offen, um eine Überprüfung der ihm nachteiligen Entscheidung zu erreichen; daneben kann er ggf. eine Klage aus § 826 BGB erheben.

cc) Führt daher ein mit einer öffentlichen Zustellung verbundener Gehörsverstoß regelmäßig nicht zu einer entsprechenden Heranziehung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO, dürfen die dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zugrunde liegenden Erwägungen nicht unberücksichtigt bleiben, soweit es um die Frage geht, ob eine sonstige Zustellung, die "nicht ordnunsgemäß" ist, einen entsprechenden Anwendungsfall der Vorschrift bedeuten kann.

Die Frage stellt sich nach dem oben Gesagten von vornherein nicht, wenn dem Betroffenen das nicht verkündete, mit der Nichtigkeitsklage angegriffene Urteil nicht wirksam zugestellt und dieser Mangel auch nicht gemäß § 189 ZPO geheilt worden ist. Denn dann fehlt es bereits an einem wiederaufnahmefähigen, d.h. durch rechtskräftiges Endurteil geschlossenen Verfahren (§ 578 Abs. 1 ZPO).

Für den Streitfall könnte allenfalls zu erwägen sein, ob ein Nichtigkeitsgrund bei Vorliegen eines rechtskräftigen Versäumnisurteils dann besteht, wenn die Klageschrift nicht wirksam zugestellt worden und deshalb eine aktive Teilnahme der Beklagten am Rechtsstreit zunächst unterblieben war. Auch dies ist jedoch zu verneinen. Um die Bedeutung der Rechtskraft und der durch sie vermittelten Rechtssicherheit nicht auszuhöhlen, ist bei der entsprechenden Anwendung gesetzlich enummerativ benannter Wiederaufnahmegründe Zurückhaltung geboten. Im Allgemeinen wird sie lediglich in von der Interessenlage vergleichbar gelagerten Fällen und selbst dann nur in Betracht kommen, wenn dafür ein dringendes Bedürfnis besteht. Das mag in Bezug auf § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO der Fall sein, wenn ein Gehörsverstoß vorliegt, der von den Fachgerichten in anderer Weise als durch Wiederaufnahme nicht oder jedenfalls nicht mehr (vgl. die Jahresfristen in §§ 321a Abs. 2, 234 Abs. 3 ZPO) behoben werden kann. Hat der Betroffene aber ohne weiteres die Möglichkeit, durch ein Rechtsmittel oder einen Rechtsbehelf (wie hier in Gestalt des Einspruchs) die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör zu beseitigen, besteht die Notwendigkeit einer lückenfüllenden Heranziehung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht, und zwar auch und gerade nicht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten.

Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass im unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschrift die Möglichkeit eines Rechtsmittels die Erhebung der Nichtigkeitsklage nicht ausschließt, sondern dem Betroffenen wahlweise beide Wege offen stehen (vgl. § 579 Abs. 2 ZPO). Da in Gehörsverstoßfällen im Allgemeinen lediglich eine entsprechende Anwendung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO in Rede steht, bedarf es ihrer von vornherein nicht, soweit sich der Betroffene durch ein Rechtsmittel oder einen Rechtsbehelf unschwer anderweitig Gehör verschaffen kann; die Beschränkung in § 579 Abs. 2 ZPO auf die Fälle der Nrn. 1 und 3 des Abs. 1 geht insoweit ins Leere (zutreffend Braun, a.a.O., § 579 Rn. 24; a.A. wohl BAG MDR 1994, 1044, das das Wahlrecht anscheinend auf jeglichen Fall entsprechender Anwendung des § 578 Abs. 1 Nr. 4 ZPO erstrecken möchte). Ein Vergleich mit den unmittelbaren Anwendungsfällen des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bekräftigt dies. Im typischen Fall bleibt die mangelnde Vertretung nach Vorschrift der Gesetze (Prozessunfähigkeit der Partei; fehlende gesetzliche Vertretungsbefugnis des angeblichen gesetzlichen Vertreters; mangelnde Prozessvollmacht des tätig gewordenen Anwalts) bis zum rechtskräftigen Abschluss des Ausgangsprozesses unerkannt. Deshalb ist es nur konsequent, wenn § 579 Abs. 2 ZPO das Ungenutztlassen einer meist nur formal bestehenden Rechtsmittelmöglichkeit in diesen Fällen nicht zum Statthaftigkeitshindernis erklärt.

c) Unabhängig davon ist die Nichtigkeitsklage schließlich auch deshalb unzulässig, weil die Beklagte die Notfrist des § 586 Abs. 1 ZPO zur Erhebung der Nichtigkeitsklage hat verstreichen lassen.

In den Fällen mangelnder Vertretung beginnt die Monatsfrist gemäß § 586 Abs. 3 ZPO zu laufen, sobald der Partei und bei mangelnder Prozessfähigkeit ihrem gesetzlichen Vertreter das Urteil zugestellt ist. Wie weiter unten (II 3 a) ausgeführt wird, ist der Beklagten das Versäumnisurteil im Oktober 2003 wirksam zugestellt worden. Ihre Nichtigkeitsklage ist erst im Januar 2006 und damit mehr als einen Monat später bei Gericht eingegangen. Entgegen der Ansicht von Zöller/Greger (ZPO, 26. Aufl., § 586 Rn. 25) und Braun (a.a.O., § 586 Rn. 24) spricht nichts dafür, § 586 Abs. 3 ZPO entgegen seinem Wortlaut auf die Fälle analoger Anwendung des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO generell nicht anzuwenden. Soweit der Bundesgerichtshof für den Fall unberechtigter öffentlicher Zustellung eines Urteils § 586 Abs. 3 ZPO für unanwendbar gehalten hat (NJW 1994, 589), ergibt sich daraus nichts anderes. Zu Recht ist in jener Entscheidung, die Greger und Braun offenbar im Auge haben und verallgemeinern, unter III 2 der Gründe ausdrücklich hervorgehoben, dass es von vornherein keinen Sinn macht, einem Verfahrensbeteiligten, dem als Folge einer öffentlichen Zustellung kein rechtliches Gehör gewährt worden ist, unter bestimmten Voraussetzungen analog § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Nichtigkeitsklage zu eröffnen, gleichzeitig aber für den Fristbeginn auf § 586 Abs. 3 ZPO auch dann abzustellen, wenn das im Vorprozess ergangene Urteil öffentlich zugestellt worden ist; vielmehr beginnt die Klagefrist in einer solchen Konstellation, will man einen Wiederaufnahmegrund überhaupt bejahen, sinnvollerweise nach der allgemeinen Vorschrift des § 586 Abs. 2 Satz 1 ZPO, also sobald die Partei Kenntnis von der öffentlichen Zustellung des Urteils erlangt. Um einen solchen oder einen vergleichbaren Fall geht es hier gerade nicht. Die Beklagte hat durch die wirksame individuelle Auslandszustellung des Versäumnisurteils Kenntnis von diesem erlangt oder sich dieser Kenntnis verschlossen. Sie von der Einhaltung der Klagefrist des § 586 Abs. 3 ZPO zu befreien, ist durch nichts gerechtfertigt.

3. Den Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil hat das Amtsgericht ebenfalls zu Recht verworfen, § 341 Abs. 1 ZPO.

a) Das Versäumnisurteil vom 02.05.2003 und der vom Amtsgericht auf Hinweis der Rechtspflegerin nachträglich am 14.05.2003 gefasste, zur Ingangsetzung der Einspruchsfrist im Falle der Auslandszustellung gemäß § 339 Abs. 2 ZPO zwingend erforderliche (vgl. RGZ 63, 82, 85; BGH, Beschluss vom 25.06.1997 - XII ZB 71/97, juris) Beschluss zur Bestimmung der Einspruchsfrist "auf 2 Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils" sind der Beklagten zusammen mit einer Rechtsmittelbelehrung und englischen Übersetzungen dieser drei Schriftstücke am 22.10.2003 wirksam zugestellt worden.

Dies beweisen die von der deutschen Botschaft - im Anschluss an die vom Amtsgericht an Botschaft und "Registrar of the Superior Court, Valletta" gerichteten Zustellungsersuchen, die die zuzustellenden drei Schriftstücke bezeichneten - mit Schreiben vom 17.12.2003 zurückübermittelten Erledigungsstücke. In diesen ist nicht nur bezeugt, dass V F , Marshal of the Courts of M , am 22.10.2003 "served upon Albert Sigl, on behalf of the company 'Express Tours and Packages Limited', the legal documents issued by the Court of Leipzig, Germany by delivering such copy to C D " (GA 97). Vielmehr hat C A. M , Director General and Registrar of Courts, unter dem 27.10.2003 ausdrücklich versichert, dass "such service so proved is such as is required by the Code of Organisation and Civil Procedure of the Island of M and its Dependencies" (GA 96).

Ohne dass es hierauf noch ankäme, wird das sorgsame Vorgehen der Zustellbehörden vor Ort durch ein eindeutiges Indiz unterstrichen. Klageschrift, Versäumnisurteil und entsprechende Zustellungsersuchen bezeichneten als Geschäftsführer der Beklagten noch A S . Diese Ungenauigkeit in der Bezeichnung ist offensichtlich erst durch die Zustellungsbehörden vor Ort entdeckt und in den Zustellungszeugnissen, wo es A S heißt, behoben worden. Einen weiteren Anhaltspunkt für die Wirksamkeit der Zustellung des Versäumnisurteils stellen spätere, aktenkundige Umstände dar. Der am 18.03.2004 ergangene Kostenfestsetzungsbeschluss, der im Rubrum den Namen des Geschäftsführers der Beklagten unverändert falsch schreibt (A S statt A S ), ist der Beklagten - zusammen mit dem Kostenfestsetzungsantrag und jeweiligen Übersetzungen - in nahezu identischer Art und Weise am 20.07.2004 zugestellt worden. Der Marshal F hat versichert, dass er Herrn A S an diesem Tag die zuzustellenden Dokumente für die Beklagte durch Aushändigung an Frau C D zugestellt hat (GA 116); K M wiederum hat anschließend als Generaldirektor bescheinigt, dass die so belegte Zustellung den zivilprozessualen Vorschriften M s entspricht (GA 115).

Bei der gegebenen Beweislage ist ohne weiteres von einer wirksamen Zustellung auszugehen. Der Einwand der Berufung, die Hausnummer 31 bezeichne ein Gebäude mit 10 Nutzungseinheiten, von denen die Beklagte "nur" die Nrn. 8 und 9 angemietet habe, ist unverständlich. Eben diese Nummern waren von Anfang an ausnahmslos zusätzlicher Bestandteil der jeweils verwendeten Zustellanschrift. Die weitere Auffassung der Beklagten, eine Aushändigung des Versäumnisurteils an einen ihrer Mitarbeiter könne keine formgerechte Zustellung bewirken, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Sie widerspricht dem Inhalt der Bestätigung, die Generaldirektor C A. M vom Ministry for Justice and Home Affairs am 27.10.2003 abgegeben hat. Danach entspricht die vorgenommene Zustellung den Vorschriften des Gesetzes über die Gerichtsorganisation und den Zivilprozess (COCP). Es erscheint im Übrigen ausgeschlossen, dass ein Staat wie M Zustellungen an Gesellschaften nur durch persönliche Übergabe an den gesetzlichen Vertreter und nicht auch durch Aushändigung an Bedienstete dieses Unternehmens im selben Gebäude erlaubt. Auch die Beklagte selbst vermag keine Norm des besagten maltesischen Gesetzes beizubringen, die die letztgenannte Form der Zustellung als unwirksam erscheinen lassen könnte. Soweit sie im Schriftsatz vom 30.11.2006 auf Kuratoren maltesischen Rechts eingeht und in diesem Zusammenhang einzelne Bestimmungen des COCP erwähnt, geht ihre Argumentation schon im Ansatz fehl. Die Zustellung des Versäumnisurteils (samt Rechtsmittelbelehrung und Beschluss vom 14.05.2003) ist von den maltesischen Behörden - anders als bei der Zustellung der ursprünglichen Klage - gerade nicht an Kuratoren bewirkt worden.

b) War die Zustellung am 23.10.2003 nach alledem wirksam, endete die vom Amtsgericht gesetzte Einspruchsfrist von zwei Wochen mit Ablauf des 06.11.2003. Erst am 24.01.2006 ist der Einspruch der Beklagten eingegangen. Das war bei weitem verspätet.

c) Den verspäteten Einspruch musste das Amtsgericht verwerfen, §§ 339, 341 Abs. 1 ZPO. Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist konnte es der Beklagten schon wegen Ablaufs der Jahresfrist des § 234 Abs. 3 ZPO, aber auch deshalb nicht gewähren, weil die Beklagte die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen (angeblich keine Kenntnis von der Zustellung des Versäumnisurteils) entgegen der Vorschrift des § 236 Abs. 2 ZPO nicht einmal ansatzweise glaubhaft gemacht hatte. Eine Entscheidung über Einspruch und Wiedereinsetzungsgesuch musste das Amtsgericht im Urteil nicht deshalb unterlassen, weil es am 20.03.2006 (nur) Termin zur Verhandlung und Entscheidung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens anberaumt hatte. Denn im Termin selbst verhandelten die Parteien, von diesen unbeanstandet (§ 295 Abs. 1 ZPO), über alle schriftsätzlich gestellten bzw. angekündigten Anträge, also auch über Einspruch und Wiedereinsetzungsantrag.

III.

Abschließend sind folgende Bemerkungen angebracht:

1. Ob das nicht mit Gründen versehene Versäumnisurteil § 313 b Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 ZPO gerecht geworden ist und ob es entsprechend § 313 a Abs. 5 ZPO vervollständigt werden darf bzw. im Hinblick auf die im angefochtenen Urteil nachgeholte Begründung überhaupt noch ergänzungsbedürftig ist, hat der Senat nicht zu entscheiden.

2. Den Hinweis des Prozessbevollmächtigten der Beklagten darauf, dass er sich gegenüber der eigenen Partei schadensersatzpflichtig mache, wenn er Akteneinsicht nehme und hierdurch eine Heilung etwaiger Zustellungsmängel bewirke, hat der Senat zur Kenntnis genommen. Entspricht dieser abwegige Standpunkt der aufrichtigen Überzeugung des Prozessbevollmächtigten, erstaunt er; anderenfalls befremdet er.

Ende der Entscheidung

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