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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 14.02.2007
Aktenzeichen: 8 U 1994/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 652 Abs. 1 Satz 1
BGB § 280 Abs. 1 Satz 1
Über ihm bekannte gravierende finanzielle Schwierigkeiten des nachgewiesenen Grundstückskäufers hat der Verkäufermakler seinen Kunden vor Vertragsschluss ungefragt aufzuklären.
Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 8 U 1994/06

Beschluss

des 8. Zivilsenats

vom 14.02.2007

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Richter am Oberlandesgericht Bokern, Richterin am Oberlandesgericht Dr. Baer und Richter am Amtsgericht Römmelt

beschlossen:

Tenor:

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Klägerin erhält Gelegenheit, bis zum 06.03.2007 Stellung zu nehmen. Sie möge ggf. erwägen, das Rechtsmittel zur Vermeidung nicht unerheblich höherer Verfahrenskosten zurückzunehmen.

3. Der anberaumte Verhandlungstermin (14.03.2007) bleibt vorsorglich bis auf weiteres aufrechterhalten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht die Zahlung der zweiten Hälfte einer Maklerprovision. Diese hatte die beklagte Verkäuferin der Zedentin ( Wohnbau GmbH) für deren Mitwirkung am Zustandekommen des am 06.11.2002 beurkundeten, anschließend nicht durchgeführten Bauträgervertrages mit der zwischenzeitlich insolventen Käuferin (C Immobilien- und Bauträgergesellschaft mbH) über das zu sanierende Mehrfamilienhaus platz 15 in Dresden versprochen.

In zwei Vorprozessen ist die hiesige Beklagte mit eigenen Klagen gescheitert: Zum einen hinsichtlich der Rückforderung der am 07.11.2002 an die Zedentin geleisteten ersten Hälfte der Maklerprovision, zum anderen hinsichtlich der Regressforderung in derselben Höhe gegen ihren im Erstprozess erstinstanzlich tätig gewesenen Rechtsanwalt; der erste Rechtsstreit endete mit einer Zurückweisung der Berufung durch das Oberlandesgericht Zweibrücken gemäß § 522 Abs. 2 ZPO, der zweite - ebenfalls nach Klageabweisung im ersten Rechtszug - mit einer Rücknahme der Berufung nach mündlicher Verhandlung vor dem erkennenden Senat.

Das Landgericht hat die vorliegende, auf Zahlung von 121.496,80 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage der Zessionarin mit Urteil vom 26.09.2006, auf dessen tatsächliche Feststellungen und rechtliche Würdigung verwiesen wird, abgewiesen. Dagegen richtet sich die zulässige Berufung der Klägerin. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

II.

Die Berufung hat, ohne dass zulassungsrelevante Fragen i.S.v. §§ 522 Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO entscheidungserheblich werden, keine Aussicht auf Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der der Klägerin nach ihrer Behauptung abgetretene Provisionsanspruch ist jedenfalls nicht durchsetzbar.

1. Allerdings begegnet die Auffassung des Landgerichts, die Zedentin habe im Schreiben vom 10.01.2003 wirksam auf einen etwaigen restlichen Honoraranspruch verzichtet, durchgreifenden Bedenken.

a) Dass dieses von D., dem Geschäftsführer der Zedentin und der Käuferin (sowie zeitweilig auch der Klägerin), unterzeichnete Schreiben einen Briefkopf der Käuferin aufwies, hat das Landgericht zwar im Hinblick auf den unmissverständlichen Erklärungsinhalt und -zusammenhang zu Recht nicht zum Anlass genommen, in Bezug auf den im Schreiben angesprochenen Restprovisionsverzicht an einer Erklärung der Zedentin zu zweifeln. Nach Wortlaut und Gesamtzusammenhang der Aussage ist es ferner nicht zu beanstanden, dass das Landgericht in der Erklärung des Geschäftsführers der Zedentin ("... werde ich für den Fall dass die Finanzierung doch nicht durchzuführen ist [ich hoffe, dass dieser Fall nicht eintritt] natürlich keine weitere Provision [Restprovision] von Ihnen fordern") die eindeutige Verlautbarung eines Verzichtswillens der Zedentin gesehen hat.

b) Entgegen der Annahme des Landgerichts war dieser Verzicht jedoch nicht uneingeschränkt ausgesprochen. Der für die Zedentin und die Käuferin agierende Geschäftsführer knüpfte ihn an die Bedingung, dass der Käuferin zusätzliche Zeit zur Beschaffung der Finanzierung eingeräumt würde. Diese Verknüpfung kommt bereits in der unmittelbaren Verzichtserklärung selbst und noch deutlicher in weiteren Teilen des Schreibens zum Ausdruck (insbesondere "Ich erlaube mir nochmals zu betonen, dass ich unbedingt an der Durchführung des Vertrages festhalten möchte und auch weiterhin Banken kontaktieren werde mit dem Ziel eine erste Einschätzung zu bekommen ob die Finanzierung durchführbar ist oder nicht."; "Ich bitte Sie daher nochmals mir einen großzügigen Zeitrahmen zur Beschaffung der Finanzierung zu gewähren bzw. mit mir Kontakt aufzunehmen, damit die Kaufvertragsangelegenheit vernünftig zu beiderseitigem Einvernehmen gelöst wird."). Danach sollte die Klärung der Provisionsfrage (sowohl gezahlter Teil als auch offener Rest) erkennbar eng mit dem Schicksal der Kaufvertragsangelegenheit verbunden sein, für die sich der Geschäftsführer doch noch ein positives Ende erhoffte. Bei nach allen Seiten interessengerechter Auslegung und unter zusätzlicher Berücksichtigung der strengen Anforderungen, die an einen einseitigen - zumal uneingeschränkten - Verzichtswillen des Gläubigers zu stellen sind, kann die in Rede stehende Wendung deshalb nicht als unbedingter oder als ausschließlich von der objektiven "Nichtdurchführung der Finanzierung" abhängiger Verzicht verstanden werden. Vielmehr kommt im Schreiben lediglich der verbindlich erklärte Wille der Zedentin zum Ausdruck, die Restprovision künftig nicht zu verlangen, sofern die Beklagte der Käuferin weitere Zeit zur Beschaffung der Finanzierung einräume und diese dennoch nicht zustande komme. Dass der Geschäftsführer der Zedentin/Käuferin dabei eine nähere zeitliche Konkretisierung nicht vorgenommen hat, ändert nichts an der von ihm gesetzten Bedingung; über den Zeitrahmen hätte ggf. anschließend eine Verständigung erreicht werden können oder müssen.

c) Auf diese Bedingung in dem ihr am 15.01.2003 zugegangenen Schreiben hat sich die Beklagte nicht eingelassen, sondern mit Schreiben vom 21.01.2003 den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und Schadensersatzansprüche angemeldet. Damit fehlt es an übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien des Maklervertrages in Bezug auf das Erlöschen eines möglichen Restprovisionsanspruchs. Auch im Nachgang ist es zu einer solchen Einigung nicht gekommen. Vielmehr hat die Beklagte das Angebot der Gegenseite ausgeschlagen, gegen Verzicht auf Schadensersatzansprüche gegen die Käuferin nicht nur den Erlass der etwaigen Provisionsrestschuld zu erreichen, sondern auch eine Pflicht der Zedentin zur Rückzahlung der ersten Hälfte festgeschrieben zu erhalten.

2. Unter einem anderen Gesichtspunkt erweist sich die Abweisung der Klage gleichwohl als richtig.

Dabei kommt es letztlich nicht darauf an, ob ein Anspruch der Zedentin auf restliche Provision, wie unter verschiedenen Gesichtspunkten nicht unzweifelhaft ist, ursprünglich überhaupt entstanden ist. Selbst wenn dies der Fall war, steht jedenfalls seiner Durchsetzung entgegen, dass die Beklagte einen auf Schadloshaltung gerichteten Schadensersatzanspruch gegen die Zedentin hat, den sie gemäß § 404 BGB der Klägerin entgegenhalten kann.

a) Ein Makler, der aus einer für die Gegenpartei ausgeübten Tätigkeit oder sonst Umstände erfahren hat, die den Entschluss seines Auftraggebers, den Hauptvertrag zu schließen, maßgeblich beeinflussen können, muss diese Umstände offenbaren. Das gilt namentlich für die überlegene Kenntnis von einer schlechten Vermögenslage des Hauptvertragspartners (BGH WM 1969, 880 f.). Eine Verletzung dieser Aufklärungspflicht kann einen u.a. auf Abwehr des Provisionsanspruchs oder auf Rückzahlung bereits geleisteter Provision gerichteten Schadensersatzanspruch des Maklerkunden begründen (vgl. auch BGH WM 2005, 2146, 2148).

b) Nach diesen Maßstäben ist die Zedentin der Beklagten zum Schadensersatz verpflichtet. Sie hat es unterlassen, die ihrem Geschäftsführer bekannte mindestens schlechte, wenn nicht desolate finanzielle Lage der Käuferin offen zu legen, obwohl sie wusste, dass dieser Umstand für die Abschlussbereitschaft der Beklagten von erheblicher Bedeutung war.

aa) Dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der Käuferin im November 2002 extrem angespannt waren und zur Befürchtung, sie werde eine Finanzierung nicht erhalten bzw. selbst dann ihren beträchtlichen Verpflichtungen aus dem Bauträgervertrag nicht kontinuierlich nachkommen, allen Anlass gaben, steht fest.

Hierfür spricht vor allem der unstreitige Inhalt des Sachverständigengutachtens des vorläufigen Insolvenzverwalters vom 29.04.2005 (Amtsgericht Mannheim IN 289/03). Danach hatte ein Gläubiger der Käuferin bereits am 09.07.2003, also nur 8 Monate nach Hauptvertragsschluss, Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit gestellt; spätestens wenige Monate später (Oktober oder November 2003) stellte die Käuferin ihre Geschäftstätigkeit endgültig ein. Das Gutachten, welches beide Insolvenztatbestände (Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung) bejaht und eine die Kosten des Insolvenzverfahrens deckende Masse verneint, belegt ferner im Einzelnen die überaus ungünstige Entwicklung, die das Unternehmen seit dem Jahre 2000 genommen hatte. Konnte die Gesellschaft im Jahre 1999 noch einen gewissen Jahresüberschuss verzeichnen, wiesen die Jahresabschlüsse für 2000 und 2001 Fehlbeträge mit deutlich steigender Tendenz aus (12.310,77 EUR bzw. 78.569,78 EUR). Für das Jahr 2002 wurde erst gar kein Jahresabschluss, sondern wurden lediglich betriebswirtschaftliche Auswertungen bis einschließlich September 2002 erstellt. Diese ergaben für die ersten 9 Monate ein negatives Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit in sechsstelliger Höhe (150.957,09 EUR). Ausdruck der sich kontinuierlich verschlechternden finanziellen Lage ist weiter, dass D. und seine Ehefrau, die beiden Gesellschafter und offenbar einzigen Angestellten der Käuferin, im Dezember 2000 zwei Beschlüsse gefasst hatten, wonach sie ihre Gehälter als Gesellschafterdarlehen bis zur Besserung der Liquiditätssituation der Schuldnerin zur Verfügung stellten und anschließend persönliche Forderungen gegen die Gesellschaft von insgesamt 150.000,00 DM in eine Kapitalrücklage umwandelten. Ferner kündigte die Sparkasse Kraichgau einen der Käuferin i.H.v. knapp 300.000,00 EUR gewährten Kontokorrentkredit mit Schreiben vom 01.07.2002; der Sollstand des Kontokorrentkontos erhöhte sich in der Folgezeit per 05.11.2003 auf rund 340.000,00 EUR.

Neben dem aussagekräftigen Inhalt des Sachverständigengutachtens, das im Übrigen ein bemerkenswert unkooperatives Verhalten der Verantwortlichen der Schuldnerin nach Einleitung des Insolvenzeröffnungsverfahrens und das Verschwinden von Unterlagen beklagt, gibt es weitere handfeste Anhaltspunkte für die schlechte finanzielle Situation der Käuferin bei Abschluss des Vertrages mit der Beklagten. Ein Indiz ist bereits, dass die Käuferin offensichtlich nicht in der Lage war, die ihr nach Beurkundung des Bauträgervertrages zugesandte Notarkostenrechnung zu begleichen, sondern die Beklagte vom Notar als Zweitschuldnerin in Anspruch genommen wurde. Die zahlreichen Vollstreckungsaufträge, die beim Obergerichtsvollzieher G - ausweislich dessen an die Staatsanwaltschaft Chemnitz gerichteter Zusammenstellung vom 09.12.2003 - in den Jahren 1998 bis 2003 eingegangen waren, weisen ebenfalls auf gravierende finanzielle Schwierigkeiten der Klägerin hin. Selbst soweit in der Aufstellung einzelne Erledigungsvermerke vorhanden sind, bedeuten diese keineswegs, dass die Zwangsvollstreckung jeweils erfolgreich verlaufen ist (z.B. bei "Verweigerung der Durchsuchung"; "Nachricht von Haftbefehlsantrag an Gläubiger"; "nicht zu ermitteln"). Ein weiterer deutlicher Anhaltspunkt ist die Tatsache, dass Insolvenzantragstellerin im Juli 2003 ausgerechnet die für die Schuldnerin zuletzt tätig gewesene Steuerberatungsgesellschaft gewesen ist, deren Honoraransprüche trotz Titulierung nicht erfüllt wurden. Der Geschäftsführer Fuchs der Steuerberatungsgesellschaft teilte dabei mit, "dass nach Auswertung der von uns erstellten Bilanz und Finanzbuchhaltung die Firma bereits Ende 2002 überschuldet und zahlungsunfähig war."

Zu Unrecht hat sich die Klägerin im ersten Rechtszug auf einen seinerzeit nicht ausgeschöpften Kontokorrentkreditrahmen der Käuferin bei der Volksbank Rhein-Neckar gestützt. Abgesehen davon, dass der im November 2002 noch nicht in Anspruch genommene Teil der Kontokorrentkreditlinie von 1,1 Mio. EUR (1.380.488,00 EUR - 276.068,61 EUR) nur rund die Hälfte des zu begleichenden Kaufpreises ausmachte und die Käuferin selbst offenbar nie auch nur in Erwägung gezogen hat, einen Teil des Kaufpreises mit diesen Kreditmitteln zu begleichen (vgl. Finanzierungsantrag vom 27.01.2003, Anlage K 8), deutet die einzelne überwiegend offene Kontokorrentkreditlinie angesichts der übrigen Anhaltspunkte und der zahlreichen weiteren Bankverbindungen der Käuferin - darunter ausweislich des Gutachtens des vorläufigen Insolvenzverwalters das im Juli 2002 gekündigte und anschließend nicht zurückgeführte Engagement der Sparkasse Kraichgau sowie weitere, bei Gutachtenerstellung bereits beendete und wohl deshalb nicht näher bezeichnete Bankverbindungen - keineswegs auf eine im Wesentlichen gesunde finanzielle Verfassung der Käuferin hin.

bb) Dem Geschäftsführer der Zedentin war die extrem angespannte wirtschaftliche Lage der von ihm in Personalunion geführten Käuferin in allen Einzelheiten bekannt. Über diese gravierenden finanziellen Probleme durfte die Maklerin die Beklagte nicht im Ungewissen lassen, sondern hatte sie ungefragt aufzuklären.

cc) Der Beklagten ist durch die mindestens fahrlässige Pflichtverletzung der Zedentin Schaden in Gestalt (zumindest) einer Belastung mit dem restlichen - hier unterstellten - Provisionsanspruch der Zedentin entstanden. Entsprechend der für sie streitenden Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens hätte sie bei gehöriger Aufklärung entweder den nicht sinnvollen Hauptvertragsschluss unterlassen oder aber, sofern die maklervertragliche Einigung mit der Zedentin erst am 07.11.2002 zustande gekommen sein sollte, von der nachträglichen Abgabe eines Provisionsversprechens Abstand genommen.

Ende der Entscheidung

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