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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 22.03.2007
Aktenzeichen: 8 U 1994/06 (1)
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 652 Abs. 1 Satz 1
BGB § 280 Abs. 1 Satz 1
Über ihm bekannte gravierende finanzielle Schwierigkeiten des nachgewiesenen Grundstückskäufers hat der Verkäufermakler seinen Kunden vor Vertragsschluss ungefragt aufzuklären.
Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 8 U 1994/06

Beschluss

des 8. Zivilsenats

vom 22.03.2007

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Häfner, Richter am Oberlandesgericht Bokern und Richter am Amtsgericht Römmelt

beschlossen:

Tenor:

1. Die Berufung gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Chemnitz vom 26.09.2006 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Streitwert des Berufungsverfahrens: 121.496,80 EUR.

Gründe:

Das Rechtsmittel der Klägerin unterliegt aus den Gründen des Senatsbeschlusses vom 14.02.2007 der Zurückweisung durch einstimmig gefassten Beschluss (§ 522 Abs. 2 ZPO) mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO.

I.

Nach wie vor ist davon auszugehen, dass sich die Käuferin bei Abschluss des Kaufvertrages (06.11.2002) in einer ausgesprochen schlechten wirtschaftlichen Lage befand, die die Zedentin aufgrund der überlegenen Kenntnis ihres personenidentischen Geschäftsführers D der Beklagten offenbaren musste. Der Ergänzung bedarf in diesem Punkt im Hinblick auf die Stellungnahme der Klägerin vom 20.03.2007 das Folgende:

1. Entgegen der Ansicht der Klägerin gibt das Sachverständigengutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters weitreichenden Aufschluss über die Einkunfts- und Vermögenslage der Käuferin bereits im November 2002.

Dem steht nicht entgegen, dass das Gutachten - bedingt vor allem durch das Verschwinden von Unterlagen und die unzulängliche Kooperationsbereitschaft des durchgängig maßgeblichen Repräsentanten D der Käuferin (der statt seiner im Mai 2003 eingesetzte Geschäftsführer Schneegans gab an, er sei nie als Geschäftsführer tätig geworden) - erst im April 2005 erstellt worden ist und es die Insolvenzgründe der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit natur-, weil auftragsgemäß nur für den Zeitpunkt seiner Fertigung feststellt. Denn das Gutachten enthält eine Reihe verlässlicher Aussagen, die sich auf den hier relevanten Zeitraum beziehen. Maßstab ist dabei nicht die Frage, ob die Käuferin Anfang November 2002 insolvenzreif war, sondern ob sie sich zu jener Zeit in einer kritischen, finanziell sehr angespannten Situation befand und ob dies dem gemeinsamen Geschäftsführer der Käuferin und der Zedentin bekannt war.

2. Die Einschätzung der Klägerin, Rückschlüsse auf die damalige wirtschaftliche Lage der Käuferin erlaubten allenfalls die Jahresabschlüsse 2000 bis 2005, in dem Gutachten sei aber kein einziger Jahresabschluss enthalten, trifft nicht zu.

Ausdrücklich erwähnt das Gutachten zum einen den letzten, auf den 31.12.2001 erstellten Jahresabschluss (S. 6), zum anderen den Jahresabschluss auf den 31.12.2000, der unter dem 29.06.2001 testiert wurde und im entsprechenden Wirtschaftsbericht einen Hinweis auf die Rückläufigkeit der Ertragslage enthielt (S. 8). Da gegenteilige Anhaltspunkte weder vorgetragen noch ersichtlich sind, kann ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Tabelle zur wirtschaftlichen Entwicklung in den Jahren 1999 bis 2001 (S. 6) gerade auf der Auswertung der entsprechenden, aus Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung bestehenden (§ 242 HGB), vom Geschäftsführer der Käuferin als kleiner Kapitalgesellschaft (§ 267 Abs. 1 HGB) innerhalb der ersten sechs Monate des jeweils neuen Geschäftsjahres aufzustellenden (§ 264 Abs. 1 Satz 3 HGB) und für die Dauer von zehn Jahren aufzubewahrenden (§ 257 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 HGB) Jahresabschlüsse 1999 bis 2001 beruht. Hierfür spricht außerdem die zeilenmäßige Aufgliederung der Tabelle. Sie entspricht zu Anfang ("Umsatzerlöse") und am Ende ("Jahresüberschuss/Fehlbetrag") exakt sowie in den weiteren Punkten teils zusammenfassend der durch § 275 HGB vorgegebenen Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung als Bestandteil des Jahresabschlusses. Daher kommt der ausweislich der tabellarischen Übersicht durch wachsende Jahresfehlbeträge gekennzeichneten wirtschaftlichen Entwicklung die ihr im Senatsbeschluss vom 14.02.2007 zugeschriebene Bedeutung unverändert zu.

3. Aus dem Fehlen eines Jahresabschlusses für das Jahr 2002 kann die Klägerin nichts Günstiges herleiten.

Dass die Käuferin für dieses Geschäftsjahr unter Verstoß gegen elementare handelsgesetzliche Pflichten keinen Jahresabschluss mehr aufgestellt hat, sondern lediglich betriebswirtschaftliche Auswertungen und auch diese nur für den Zeitraum von Januar bis September 2002 - mit für sich betrachtet negativem Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit in sechsstelliger Höhe - erstellt worden sind, untermauert im Gegenteil zusätzlich die sich zuspitzende, im November 2002 zweifellos bereits überaus kritische Lage des Unternehmens. Dasselbe gilt erst recht in Anbetracht der weiteren Feststellungen des vorläufigen Insolvenzverwalters, die wirtschaftliche Lage der Schuldnerin habe sich im Jahr 2003 nicht mehr verbessert und der Geschäftsbetrieb sei im Oktober/November 2003 eingestellt worden. Umgekehrt ist dem Vorbringen der Klägerin nicht einmal ansatzweise zu entnehmen, dass Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der Schuldnerin (die Voraussetzungen beider Tatbestände sind für April 2005 unstreitig) in maßgeblichem Umfang auf Umstände zurückgehen, die erst nach dem 06./07.11.2002 eingetreten sind. Nicht zuletzt auch deshalb ist dem jetzigen, mit keinerlei näherem Tatsachenvortrag angereicherten Vorbringen der Klägerin "ins Blaue hinein", die wirtschaftlichen Verhältnisse der Käuferin seien im November 2002 weder extrem angespannt noch insgesamt schlecht gewesen, nicht durch ausforschende Vernehmung des benannten Zeugen D nachzugehen. Dies gilt unabhängig davon, ob es der Klägerin - wie ihre Stellungnahme vom 20.03.2007 offen lässt, obwohl sie den voraufgegangenen Verlegungs- und Fristverlängerungsantrag entsprechend begründet hatte - gelungen ist, die Sache nochmals eingehend mit Herrn D als früherem Geschäftsführer der Käuferin, der Zedentin und der Klägerin selbst zu besprechen.

4. Die im Hinweisbeschluss weiter angeführten Anhaltspunkte sprechen nach wie vor für seinerzeitige gravierende finanzielle Schwierigkeiten der Käuferin.

Die genannten Indizien werden von der Klägerin entweder allenfalls abgeschwächt, nicht aber ihrer Aussagekraft gänzlich beraubt (Nichtzahlung der Notarkosten für Kaufvertrag vom 06.11.2002; Übersicht über Vollstreckungsaufträge des Obergerichtsvollziehers G vom 09.12.2003) oder bezeichnenderweise kommentarlos übergangen (z.B. Nichterfüllung der Honoraransprüche der dann im Juli 2003 Insolvenzantrag stellenden Steuerberaterin der Käuferin; Gesellschafterdarlehen u.a. im Dezember 2000).

5. Die erst im Insolvenzantragsverfahren Ende 2003 gekündigte und mit Grundpfandrechten an Immobilien der Käuferin besicherte Kontokorrentkreditlinie bei der Volksbank R hat der Senat im Hinweisbeschluss nicht übersehen, sondern zutreffend eingeschätzt.

Anders als die Klägerin nunmehr meint, deuten die "zahlreichen Sicherungsobjekte", die in Gestalt zweier Gesamtgrundschulden aus den Jahren 1994 und 2000 über insgesamt 2,7 Mio DM an zwei Eigentumswohnungen sowie an zwei Sondereigentum bildenden Tiefgaragenstellplätzen im Objekt Oberbergener Str. 15 in Mannheim der Sicherung dieser einzelnen, Ende 2002 offenbar überwiegend offenen Kontokorrentkreditlinie in derselben Höhe dienten (Gutachten S. 10 f.), weder auf eine "ganz erhebliche Bonität" noch auf eine halbwegs solide finanzielle Verfassung der Käuferin im November 2002 hin. Exemplarisch lässt sich dies anhand der Eigentumswohnung Nr. 5 im Anwesen Oberbergener Str. 15 verdeutlichen, die mit den besagten Gesamtgrundschulden der Volksbank Rhein-Neckar belastet war. Nachdem am 25.03.2002 eine Auflassungsvormerkung für Hans-Joachim D und am 14.05.2002 eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung einer Sicherungshypothek über 120.000,00 EUR für ein Bauunternehmen eingetragen worden waren, nahm Hans-Joachim D das Veräußerungsangebot "seiner" Gesellschaft vom 03.12.2001 mit notarieller Urkunde vom 02.09.2002 an, kurz bevor am 17.09.2002 ein Zwangsversteigerungsvermerk (betreibender Gläubiger: L ) in das Grundbuch eingetragen wurde; ob und ggf. auf welche Weise Hans-Joachim D den Kaufpreis für diese Wohnung und die zugleich gekauften Tiefgaragenstellplätze Nr. 12 und 13 entrichtete, hat der vorläufige Insolvenzverwalter nicht in Erfahrung gebracht. Im Übrigen hatte sich die Volksbank R hinsichtlich der genannten Kontokorrentkreditlinie Drittsicherheiten geben lassen (Bürgschaften Hans-Joachim und Ehefrau Karin D i.H.v. 2,7 Mio DM; Grundschuld an einer Eigentumswohnung von Magdalene D i.H.v. 100.000,00 DM).

6. Ungeachtet von Fragen der Liquidität lässt sich ein positiver Vermögensstatus der Käuferin im November 2002 nicht aus der Vermögensübersicht auf Seiten 17 bis 29 des Gutachtens ablesen; die Stellungnahme der Klägerin geht hierauf denn auch gar nicht erst ein.

Die aufgelisteten Immobilien der Käuferin waren im November 2002 überwiegend hoch belastet und zu einem Großteil bereits längst verkauft. "Freies" Vermögen war kaum vorhanden. Die unbelasteten drei Tiefgaragenstellplätze im Objekt K 31/33 in M und die unbelastete Parkfläche H 26a in N (160 qm) hatten zweifellos keinen beträchtlichen Wert. Im Übrigen hat der vorläufige Insolvenzverwalter für April 2005 - im Anschluss an die Ermittlung einer frei verfügbaren Vermögensmasse von nur knapp 12.000,00 EUR - zwar die gesamte potentielle Aktivmasse auf ca. 400.000,00 EUR geschätzt. Abgesehen davon aber, dass ihm zu den Immobilien, bei denen die Schuldnerin noch als Eigentümerin eingetragen war, Verkehrwertgutachten oder nähere Angaben nicht vorlagen (letztere unterlässt im vorliegenden Prozess auch die Klägerin, obwohl ihr früherer Geschäftsführer gute Kenntnisse haben müsste) und er deshalb gegenüber dem Insolvenzgericht angeregt hat, das Verfahren lediglich bei Einzahlung eines kostendeckenden Vorschusses zu eröffnen, hat diese Zahl (400.000,00 EUR) im Wesentlichen nur insolvenzspezifische Aussagekraft. Sie besagt keineswegs, dass die Vermögenswerte der Schuldnerin einschließlich der einbringlichen Forderungen im November 2002 die zahlreichen Verbindlichkeiten überwogen oder ausglichen; das Gegenteil ist anzunehmen.

II.

Bei der gebotenen Zusammenschau besteht danach unverändert kein Zweifel an der schlechten Einkunfts- und Vermögenslage der Hauptvertragspartnerin der Beklagten bei Abschluss des Kaufvertrages und an dem diesbezüglichen Wissen des damaligen gesetzlichen Vertreters der Zedentin. Ihren aus dem Unterlassen der gebotenen Aufklärung durch die Maklerin resultierenden Schadensersatzanspruch kann die Beklagte der Klägerin entgegen halten. Mit dieser ausgewechselten Begründung hat die Abweisung der Klage durch das Landgericht Bestand.

Ende der Entscheidung

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