Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 04.07.2007
Aktenzeichen: 8 U 279/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 314 Abs. 2
BGB § 323 Abs. 2 Nr. 3
BGB § 503 Abs. 2 Satz 5
1. Überlässt der Verbraucherdarlehensnehmer den gekauften Pkw - im Rahmen eines der finanzierenden Bank nicht bekannten "Anlagemodells" - von Anfang an dem zum Zwecke der Weitervermietung anmietenden Vermittler des Kauf- und des Darlehensvertrages, ohne Kenntnis von dem in den Darlehensbedingungen enthaltenen Vermietungsverbot zu haben, ist vor Ausspruch einer auf diese Vertragsverletzung gestützten fristlosen Kündigung der Bank eine vorherige Abmahnung regelmäßig nicht gemäß § 314 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich.

2. Verwertet die Bank nach unwirksamer fristloser Kündigung des Darlehensvertrages und dadurch erzwungener Herausgabe das finanzierte Fahrzeug, stehen ihr gegen den Darlehensnehmer lediglich vertragliche Ansprüche für die Zeit bis zur unberechtigten "Wegnahme" zu. Die Rücktrittsfiktion des § 503 Abs. 2 Satz 5 BGB und die hieran anknüpfenden Rechtsfolgen treten nicht ein.


Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 8 U 279/07

Verkündet am 04.07.2007

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung aus Kreditvertrag

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13.06.2007 durch

Richter am Oberlandesgericht Bokern, Richterin am Oberlandesgericht Haller und Richter am Amtsgericht Römmelt

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 11.01.2007 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. Die durch die Nebenintervention in beiden Rechtszügen verursachten Kosten trägt die Nebenintervenientin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

- Streitwert des Berufungsverfahrens: 12.573,41 EUR -

Gründe:

I.

Die in Leipzig wohnhafte Beklagte finanzierte über die Klägerin mit auf den 14.12.2005 datiertem Darlehensvertrag den Kauf eines erstmals am 30.11.2005 zugelassenen Pkw Opel Astra Caravan zum Preis von 21.000,00 EUR von der .. GmbH, der Streithelferin der Klägerin. Das Fahrzeug überließ sie von Anfang an - auf der Grundlage eines von ihr gleichzeitig mit dem Darlehensvertrag am 15.12.2005 unterzeichneten Mietvertrages - dem bei der Anbahnung und dem Abschluss von Kauf- und Darlehensvertrag beteiligten, zwischenzeitlich von der Staatsanwaltschaft Arnsberg neben dem Verkaufsleiter W. des Autohauses angeklagten Finanzkaufmann W. F. Dieser sollte es absprachegemäß im Rahmen eines der Beklagten, aber auch zahlreichen anderen schmackhaft gemachten "Anlagemodells" an einen Dritten weitervermieten. Die schriftlichen Vertragsbedingungen des Darlehensvertrages verboten der Beklagten eine Vermietung. Im Hinblick auf diesen im Januar 2006 zu ihrer Kenntnis gelangten Verstoß kündigte die Klägerin den Darlehensvertrag - wie in etlichen Parallelfällen auch - mit Schreiben vom 24.01.2006 fristlos. Der im Kündigungsschreiben genannten Aufforderung, sich umgehend in den Besitz des Fahrzeugs zu bringen und es zurückzugeben, kam die Beklagte nach. Die Klägerin verwertete es. Die erste Darlehensrate, deren Fälligkeit im Darlehensvertrag auf den 01.02.2006 bestimmt war, hat die Beklagte gezahlt.

Der auf Zahlung von 12.573,41 EUR - "Nettorestkredit per 25.01.2006" (22.343,41 EUR) abzgl. Nettoverwertungserlös (9.850,00 EUR) zzgl. "Bearbeitungsgebühr" (80,00 EUR) - gerichteten Klage hat das Landgericht stattgegeben; Verzugszinsen aus diesem Betrag hat es aufgrund eines offensichtlichen Schreibversehens seit dem 27.05.2005 (richtig: 27.05.2006) zugesprochen. Mit der zulässigen Berufung verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Über das Vermögen der Streithelferin ist mittlerweile ein Insolvenzeröffnungsverfahren anhängig. Ihr namensgebender Geschäftsführer und Gesellschafter hat sich bereits zuvor das Leben genommen.

II.

Die Berufung hat Erfolg und führt unter Abänderung des angegriffenen Urteils zur Abweisung der Klage.

1. Einer abschließenden Entscheidung steht die Anordnung des Amtsgerichts Arnsberg vom 05.06.2007, mit der es der Streithelferin zur Sicherung der künftigen Insolvenzmasse - über die im Beschluss des Insolvenzgerichts vom 24.05.2007 getroffenen Anordnungen hinaus - ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt hat, nicht entgegen. Dadurch ist der vorliegende Rechtsstreit nicht gemäß § 240 ZPO unterbrochen. Der Rechtsstreit betrifft bei einfacher Nebenintervention nicht unmittelbar die Insolvenzmasse (BGH, Beschluss vom 27.01.2000 - I ZR 159/99, www.bundesgerichtshof.de).

2. Der geltend gemachte Anspruch besteht nicht, weil die fristlose Kündigung vom 24.01.2006 unwirksam war.

a) Anders als die Klägerin bei Ausspruch der Kündigung meinte, folgt ein Recht zur außerordentlichen Kündigung nicht aus § 10 Nr. 1 Satz 2 Buchst. e ihrer in den Vertrag einbezogenen Darlehensbedingungen (AGB).

Die in § 10 Nr. 1 Satz 2 AGB aufgeführten Tatbestände dienen dazu, den "wichtigen Grund", der den Darlehensgeber nach Satz 1 der Klausel zur fristlosen Kündigung berechtigt, beispielhaft zu benennen. Soweit hier von Interesse, verschafft Buchst. e dem Darlehensgeber die sofortige Kündigungsmöglichkeit dann, wenn "das Finanzierungsobjekt nicht in den Besitz des Darlehensnehmers gelangt". Das war hier nicht der Fall. Die Beklagte hat zwar keinen unmittelbaren Besitz am Fahrzeug im Sinne tatsächlicher Gewalt (§ 854 Abs. 1 BGB), wohl aber vermittels ihres den Pkw im Zuge des Ankaufs übernehmenden Mieters F. mittelbaren Besitz (§ 868 BGB) erlangt. Der Klausel kann nicht entnommen werden, dass mit "Besitz", abweichend vom üblichen (juristischen) Sprachgebrauch, nur der unmittelbare Besitz gemeint ist. Gewisse Anhaltspunkte für ein solches abweichendes Verständnis mögen sich zwar bei systematischer Auslegung der Vertragsbedingungen aus anderen Varianten der Klausel ("wenn das Finanzierungsobjekt ... verloren geht, erheblich beschädigt oder zerstört wird ...") und aus dem in § 9 Buchst. a AGB verankerten Vermietungsverbot ergeben. Es verbleiben aber angesichts des Wortlauts der Geschäftsbedingung mindestens Zweifel. Diese gehen zu Lasten der Klägerin als Verwenderin, § 305c Abs. 2 BGB. Folgerichtig stützt sich die Klägerin im Prozess selbst nicht mehr auf diese Klausel.

b) Auf die in Formulierung und Rechtschreibung missglückte, weil das Subjekt des Nebensatzes nicht bezeichnende und das "Maß" fehlerhaft schreibende Regelung in § 10 Nr. 1 Satz 2 Buchst. f AGB ("wenn gegen eine ihm obliegende, wesentliche Vertragspflicht, die nicht die Rückzahlungsraten beinhaltet, trotz Abmahnung in erheblichem Masse verstößt") ließ sich die Kündigung nicht stützen, weil die Klägerin das selbst gesetzte Abmahnerfordernis nicht beachtet hat.

c) Entgegen der Auffassung des Landgerichts und der Klägerin war die fristlose Kündigung schließlich auch nicht gemäß § 314 BGB gerechtfertigt.

Angesichts der Ausgestaltung des § 10 Nr. 1 Satz 2 Buchst. f AGB ist es schon zweifelhaft, ob die Klägerin die Wirksamkeit einer auf Vertragspflichtverletzungen gestützten, ohne vorherige Abmahnung ausgesprochenen fristlosen Kündigung überhaupt mit §§ 314, 323 BGB begründen kann. Hierauf kommt es letztlich nicht an. Denn auch deren Voraussetzungen liegen nicht vor.

aa) § 314 BGB erlaubt nach seinem Abs. 1 die fristlose Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund. Besteht dieser in der Verletzung einer Vertragspflicht, so ist die Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach erfolgloser Abmahnung zulässig, § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB. Diese grundlegende Einschränkung der außerordentlichen Kündigungsmöglichkeit bei Vertragsverstößen erfährt eine Gegenausnahme durch § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB. Danach ist die fristlose Kündigung aus Anlass einer Vertragspflichtverletzung des Vertragspartners zulässig, ein vorheriges Abhilfeverlangen bzw. eine Abmahnung also entbehrlich, wenn einer der in § 323 Abs. 2 BGB genannten Fälle (entsprechend) eingreift. In Betracht kommt hier insoweit allein dessen Nr. 3. Die entsprechende Anwendung setzt voraus, dass besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die fristlose Kündigung rechtfertigen.

bb) Diese Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung ohne vorhergehende Abmahnung sind nicht erfüllt.

(1) Zwar hat die Beklagte mit der gegen § 9 Buchst. a AGB verstoßenden mietweisen Überlassung des Fahrzeuges an den Angeschuldigten F. ihre Vertragspflichten verletzt. Ein zusätzlicher Pflichtverstoß ist ihr - wie sich zwar nicht aus dem ausdrücklichen schriftsätzlichen Vortrag der Parteien, wohl aber aus den bereits erstinstanzlich Prozessstoff gewordenen Auszügen der Strafakten ergibt - anzulasten, weil für diese Form der Nutzung des finanzierten Pkw kein Versicherungsschutz bestand; für solchen hatte die Beklagte aber kraft des Darlehensvertrages zu sorgen (§ 9 Buchst. b AGB). Das Gewicht dieser von Vertragsbeginn an begangenen Pflichtverletzungen ist nicht unbeträchtlich. Ein "wichtiger Grund" i.S.v. § 314 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 BGB lässt sich hierin durchaus erblicken.

(2) Andererseits lassen sich vorsätzliche Pflichtverletzungen, bei denen die Schwelle der Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Dauerschuldverhältnisses aus der Sicht des Gläubigers im Allgemeinen eher überschritten ist als bei (grob) fahrlässigen Pflichtverstößen, nicht feststellen. Die für einen vorsätzlichen Verstoß darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat diesen Beweis nicht nur nicht erbracht. Vielmehr steht fest, dass die Beklagte unerkannt und deshalb nur fahrlässig gegen ihre darlehensvertraglichen Pflichten verstoßen hat.

Das Vermietungsverbot ist im eigentlichen Vertragstext nicht ausdrücklich erwähnt, sondern findet sich lediglich in den angehängten Vertragsbedingungen, deren Erhalt und Einbeziehung in den Vertrag die Beklagte durch eine vorformulierte Erklärung "bestätigt" hat. Diese Bestätigung lässt ungeachtet der Frage ihrer vollständigen AGB-rechtlichen Zulässigkeit nicht den Schluss zu, dass die Beklagte vom Inhalt der kleingedruckten Darlehensbedingungen, namentlich dem dort geregelten Vermietungsverbot, tatsächlich Kenntnis genommen hat. Bereits die Art und Weise des Abschlusses der Verträge spricht deutlich dagegen. Nach ihrer Darstellung hat die Beklagte alle Vertragsunterlagen am 15.12.2005 "ohne näheres Hinsehen" auf Drängen des Herrn F. unterschrieben, der mit ihr für diesen Tag ein Treffen bei der Kfz-Zulassungsstelle ausgemacht hatte und dort mit den vorbereiteten Unterlagen einschließlich Darlehensvertrag und Selbstauskunft kurz vor Ablauf der Öffnungszeit erschienen war. Dieser in unbeachtlicher Weise allein mit Nichtwissen bestrittenen bzw. als unglaubhaft hingestellten Darstellung ist weder die Klägerin, die über die Abgabe der Vertragserklärung ihrer Vertragspartnerin Wissen haben bzw. sich verschaffen muss, noch ihre Streithelferin, die nach ihrer eigenen Darstellung keinerlei unmittelbaren Kundenkontakt hatte und die Einholung aller Unterschriften Herrn F. überließ, substantiiert entgegengetreten. Ein allgemeines Vermietungsverbot ist für den privaten Autokäufer, der kreditfinanziert erwirbt, auch keineswegs so selbstverständlich, dass es jedem redlichen Kunden handgreiflich vor Augen stehen müsste. Dass die Beklagte redlichen Glaubens und vom Initiator des Modells F. - ob mit Wissen der Streithelferin, liegt trotz deren Bestreitens außerordentlich nahe, mag aber dahinstehen - getäuscht worden war, belegen indiziell ferner die rund 125 Fälle, in denen innerhalb kurzer Zeit Käufer aus dem ganzen Bundesgebiet kreditfinanzierte Autokäufe bei der Streithelferin tätigten, um sie nach demselben "Anlagemodell" sogleich dem Angeschuldigten F. zur Weitervermietung zu überlassen. Es liegt sehr nahe, dass die jeweiligen Erwerber keinerlei Argwohn im Hinblick auf die Zulässigkeit der ihnen "im Paket" mit Kauf und Finanzierung angetragenen Vermietung und Weitervermietung hegten. Daher kann der Beklagten ein vorsätzlicher Verstoß gegen das Vertragsinhalt gewordene Verbot, das Fahrzeug zu vermieten, nicht vorgeworfen werden.

Nichts anderes gilt hinsichtlich der sich aus der Vermietung ergebenden ungünstigen Folgen für den Versicherungsschutz des Fahrzeuges. Einen vorsätzlichen Verstoß der Beklagten gegen § 9 Buchst. b AGB behauptet die Klägerin selbst nicht. Die aktenkundigen, den Parteien bekannten Erkenntnisse aus dem Ermittlungsverfahren belegen ebenfalls keinen entsprechenden Vorsatz. Danach war die Beklagte bei oder kurz nach Abschluss aller Verträge sogar ausdrücklich, wenn auch erfolglos bemüht, gegenüber Herrn F. das von ihr offenbar erkannte Problem des Versicherungsschutzes anzusprechen und zu lösen. Dieses Problembewusstsein resultierte zudem ersichtlich nicht aus dem Studium der Vertragsbedingungen der Klägerin, sondern daraus, dass die Beklagte, dem "Anlagemodell" entsprechend, von einer gewerblichen Vermietung ausging, während der von ihr unterzeichnete Versicherungsantrag in der fettgedruckten Überschrift "Antrag auf Kraftfahrtversicherung für PKW - privat genutzt" lautete und bei den auf Seite 1 eingetragenen Fahrzeugdaten einleitend hervorhob: "PKW ohne Vermietung".

(3) Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Umständen, die die Pflichtverstöße der Beklagten in einem milderen und umgekehrt das Vorgehen der Klägerin in einem ungünstigeren Licht erscheinen lassen und deshalb der Annahme von "besonderen Umständen" (§ 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB) vollends entgegenstehen.

So ist der Klägerin, die von Mai 2005 bis Januar 2006 in rund 75 Fällen im Wesentlichen gleichgelagerte, also durch das "Weitervermietungsmodell F." motivierte Autokäufe bei der Streithelferin finanzierte, vor Ausspruch der Kündigung Ende Januar 2006 erkennbar gewesen, dass mutmaßlich nicht nur sie selbst (und die zwei anderen Banken, die im selben Zeitraum von knapp neun Monaten nach demselben Strickmuster von der Streithelferin vermittelte weitere rund 50 Pkw-Finanzierungen vorgenommen hatten), sondern auch die mit entsprechenden Darlehensverpflichtungen belasteten Käufer Opfer eines groß angelegten Betruges geworden waren. Mag sie selbst im Januar 2006 auch kollusives, eine Schädigung der Bank in Kauf nehmendes Verhalten der Darlehensnehmer geargwöhnt haben, gab es doch etliche Anhaltspunkte, die nach ihrem Erkenntnisstand für eine Arglosigkeit der Käufer sprachen. Als zumindest ungewöhnlich musste ihr bereits erscheinen, dass es einem Autohaus aus einer sauerländischen Kleinstadt gelungen war, innerhalb kurzer Zeit etliche Käufer aus dem gesamten Bundesgebiet zu gewinnen. Bemerkenswert war zudem die jeweilige 100 %-Finanzierung (ohne Anzahlung oder Inzahlunggabe eines Fahrzeuges). Auch handelte es sich bei den Käufern, wie der vorliegende Fall exemplarisch belegt, eher um "Kleinverdiener" (lt. Selbstauskunft als Anlage zum Darlehensvertrag Nettomonatseinkommen der Beklagten: 2.200,00 EUR). Überdies hatte die Beklagte, wie die Klägerin unschwer erkennen konnte, einen vergleichsweise hohen Kaufpreis - den vollen Listenpreis - und zusätzlich hohe Finanzierungszinsen offenbar ohne jede Verhandlung akzeptiert; ein Pkw der in Rede stehenden Art wird hingegen am Markt üblicherweise mit nicht unerheblichen Preisabschlägen und/oder mit günstigen Finanzierungskonditionen be- und erworben. All diese Umstände, die die Klägerin in etlichen Parallelfällen beobachten konnte, deuteten aus ihrer Sicht mindestens auf unlautere Absatzmethoden des Händlers bzw. des im Hintergrund stehenden Finanzkaufmanns F. hin, die den Kunden nicht offenbar geworden waren. Hierfür spricht zusätzlich das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geschilderte Telefonat vom 12.01.2006 zwischen einer ihrer Angestellten und einem anderen Kunden, welches die Dinge aus Sicht der Klägerin ins Rollen brachten, zu Nachforschungen und dann zur fristlosen Kündigung der meisten Darlehensverträge Ende Januar 2006 führten; in diesem Telefonat hatte jener Kunde der Klägerin arglos von dem Weitervermietungsmodell berichtet. Insgesamt bestand danach für die Klägerin Ende Januar 2006 aller Anlass, auf möglicherweise berechtigte Zweifel an der "Gutgläubigkeit" der Darlehensnehmer nicht vorschnell eine fristlose Kündigung der Darlehensverträge zu stützen, sondern zunächst eine Abmahnung auszusprechen und sich ggf. den Sachverhalt aus der Perspektive der Darlehensnehmer schildern zu lassen.

Außerdem kann im Streitfall nicht unberücksichtigt bleiben, dass zwischen Abschluss und Kündigung des Darlehensvertrages nur gut ein Monat lag, die Dauer des fortwährenden Vertragsverstoßes also verhältnismäßig gering war. In welchem Umfang das Fahrzeug während dieser Zeit vertragswidrig genutzt worden war, konnte die Klägerin zwar nicht wissen. Sie durfte aber nicht ohne weiteres eine gravierende Abnutzung oder Entwertung ihres Sicherungseigentums mutmaßen, sondern musste damit rechnen, dass der Pkw, wie sich kurze Zeit später auch tatsächlich herausstellte, keinerlei Schäden und nur eine extrem geringe Laufleistung aufwies (247 km). Auch um sich in dieser Hinsicht Erkenntnisse zu verschaffen, die für die Beurteilung der Kündigungsvoraussetzungen ggf. bedeutsam sein konnten, verbot sich eine sofortige Kündigung.

(4) Liegen damit schon im Ansatz keine "besonderen Umstände" vor, die an eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Abmahnerfordernis denken ließen, fällt die nach § 314 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB zusätzlich gebotene Abwägung der beiderseitigen Interessen erst recht zum Nachteil der Klägerin aus.

Über die bereits erörterten Gesichtspunkte hinaus ist insoweit Folgendes zu beachten. Die Klägerin musste bereits damals erkennen, dass sie mit dem sofortigen Zugriff auf das finanzierte, nach wie vor fast neue Fahrzeug und dessen Verwertung nur einen Bruchteil - rückblickend betrachtet: nicht einmal die Hälfte - ihrer Aufwendungen würde amortisieren können. Für die Beklagte bedeutete diese Vorgehensweise hingegen nicht nur den unwiederbringlichen Verlust jeder Möglichkeit, den Pkw zu nutzen, sondern zugleich - sofern sie der Klägerin nicht unmittelbar oder im Wege des Einwendungsdurchgriffs Schadensersatzansprüche entgegenhalten konnte - eine Belastung mit einer sofort fälligen Restverbindlichkeit in beträchtlicher Höhe. Dieser im Falle fristloser Kündigung absehbare wechselseitige "Schaden" ließ sich im wohlverstandenen beiderseitigen Interesse vermeiden, indem die Klägerin der Beklagten die Chance zur Abhilfe einräumte und damit die Möglichkeit eröffnete, den Pkw nunmehr selbst zu nutzen und die Darlehensraten fortzuentrichten. Dass eine hierauf zielende Abmahnung im Januar 2006 ohne jeden Zweifel keinen Erfolg versprach, kann nicht angenommen werden.

(5) An diesem Ergebnis der Bewertung ändern andere Gesichtspunkte nichts.

Zwar bestand für die Beklagte kein besonders hohes Interesse an der Eigennutzung des finanzierten Fahrzeuges; für solche Zwecke hatte sie es ursprünglich gar nicht angeschafft. Vor die (sei es auch Qual der) Wahl gestellt, war es aber, zumal im Hinblick auf ihre beengten wirtschaftlichen Verhältnisse, durchaus vernünftig und entsprach es deshalb ihrer Interessenlage, den Pkw bei Fortentrichtung der Raten zu behalten und einen etwaig vorhandenen Erstwagen zu veräußern. Jedenfalls durfte die Klägerin die Möglichkeit der Beklagten, entsprechend zu disponieren, nicht durch sofortige Kündigung zunichte machen.

Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg für sich anführen, dass sie der Beklagten mit Schreiben vom 28.02.2006 die dann ungenutzt gebliebene Gelegenheit gegeben hat, das Fahrzeug zu übernehmen oder einen Interessenten zu benennen, der es zu einem von ihr akzeptierten Preis zu kaufen bereit ist. Zur nachträglichen Rechtfertigung der Kündigung unter dem Gesichtspunkt eines durchgängig fehlenden Eigeninteresses der Beklagten am Fahrzeug kann dies schon im Ansatz nicht herangezogen werden. Eine "Übernahme" Zug um Zug gegen Einmalzahlung des im Schreiben benannten Restdarlehensbetrages (22.343,41 EUR) ist etwas grundlegend anderes als die Möglichkeit, den Kredit in Raten über mehrere - hier sechs - Jahre zurückzuführen. Kein vernünftig denkender privater Autokäufer, der über entsprechende liquide Mittel verfügt, wird auf Barzahlung verzichten und sich für eine Finanzierungsvariante entscheiden, die Kaufpreisverhandlungen deutlich erschwert und zudem mit erheblichen Finanzierungskosten (hier Verzinsung 8,9 % p.a. und mitzufinanzierender Restschuldversicherungsbeitrag 1.350,50 EUR) verbunden ist; solches geschieht, wie die Klägerin weiß, nur deshalb, weil dem Kunden größere Barmittel gerade fehlen. Das Unterbleiben einer Reaktion auf das Drittkäuferbenennungsrecht, welches die Klägerin im Schreiben vom 28.02.2006 vornehmlich im eigenen Interesse zur vorsorglichen Abwehr eines künftigen Vorwurfs schlechter Verwertung einräumte, taugt erst recht nicht als Beweis unverändert fehlenden Selbstnutzungswillens der Beklagten. Im Übrigen war jedenfalls der Klägerin von vornherein klar, dass sie, um die Gewährleistung wirksam ausschließen zu können, nicht an Verbraucher, sondern nur an Unternehmer verkaufen würde; das führt selbst ohne Händlerspanne zu beträchtlichen Preisabschlägen. Wie sie weiter wusste, würde auch nur der Nettoerlös des Fahrzeuges (ohne Umsatzsteuer) in die Abrechnung einfließen; dieser umsatzbezogene "Verlust" bei der Realisierung des Fahrzeugwertes fällt beim Verbraucherkunden, der den finanzierten Pkw nutzt, im Falle späteren oder ggf. einvernehmlich vorzeitigen eigenhändigen Verkaufs nicht an. Darüber hinaus war und blieb die Beklagte aus der damaligen Sicht der Klägerin in Höhe der vorhersehbaren erheblichen Deckungslücke ohnehin sofort ausgleichsverpflichtet. Diese gravierenden Nachteile für die Beklagte, aber letztlich auch für sich selbst durfte die Klägerin nicht heraufbeschwören, ohne der Beklagten zuvor Gehör zu verschaffen und die Fortsetzung des Darlehensvertrages zu ermöglichen.

3. War die fristlose Kündigung und die mit ihr verbundene Gesamtfälligstellung nach alledem unwirksam, hat sie das Darlehensverhältnis der Parteien nicht beendet und gibt es für den geltend gemachten Anspruch keine Grundlage. Auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten kann die Klage nicht, auch nicht teilweise, Erfolg haben.

a) Zwar kommen im Ansatz Erfüllungsansprüche der Klägerin hinsichtlich der vom 01.03.2006 bis zum 01.06.2007 - vor Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung - fällig gewordenen Darlehensraten in Betracht (16 x 353,14 EUR = 5.650,24 EUR). Schon ob diese Ansprüche vom streitgegenständlichen Klagebegehren erfasst werden, ist hingegen nicht ganz unzweifelhaft. Unabhängig davon stehen der Klägerin solche Ansprüche keinesfalls zu.

Ein Leasinggeber, der infolge unberechtigter fristloser Kündigung des Finanzierungsleasingvertrages die geleaste Sache sicherstellen oder sie sich vom Leasingnehmer, der sich dem Herausgabeverlangen beugt, zurückgeben lässt, verliert mit Beginn und für die Dauer dieser vertragswidrigen Gebrauchsentziehung den Anspruch auf die Leasingraten (BGHZ 82, 121, 125; 144, 370, 379 m.w.N.). Die zitierte Rechtsprechung lässt sich auf die vorliegende Konstellation übertragen. Zwar schuldete die Klägerin der Beklagten als bloße Kreditgeberin nicht unmittelbar die Überlassung des Fahrzeuggebrauchs. Wohl aber war sie ihr gegenüber zur fortwährenden Überlassung des Darlehenskapitals und damit mittelbar verpflichtet, ihr die weitere Nutzung des damit angeschafften Pkw zu ermöglichen. Verstieß sie durch unberechtigte Wegnahme und dauerhafte Vorenthaltung des Fahrzeuges gegen ihre eigenen Verpflichtungen, ging sie ab diesem Zeitpunkt umgekehrt ihres Anspruchs auf Zahlung der entsprechenden Darlehensraten verlustig. Selbst wenn man jedoch annähme, dass die entsprechenden Erfüllungsansprüche der Klägerin nicht untergegangen sind, wäre es ihr jedenfalls nach Treu und Glauben verwehrt, sie trotz unberechtigter Wegnahme und Verwertung des Fahrzeugs noch durchzusetzen (§ 242 BGB).

b) Über die beglichene Erstrate hinausgehende Zahlungsansprüche der Klägerin ergeben sich auch nicht aus § 503 Abs. 2 Satz 5 BGB.

Diese Vorschrift enthält für verbundene Geschäfte (§ 358 BGB) die Fiktion eines Rücktritts des Verbraucherdarlehensgebers, wenn dieser die Sache "an sich nimmt". Der Eintritt der Rücktrittsfiktion samt den hieran anknüpfenden Rechtsfolgen setzt aber voraus, dass eine vom Kreditgeber ausgesprochene fristlose Kündigung wirksam war (vgl. BGH, Urteil vom 12.09.2001 - VIII ZR 109/00, WM 2001, 2162 unter II 1 c) oder sich die Kreditvertragsparteien zumindest über die Aushändigung der Sache an den Kreditgeber "aus freien Stücken" einig waren. Davon kann hier gerade nicht ausgegangen werden. Die Klägerin hatte es nicht in der Hand, durch fristlose Kündigung und einseitiges Herausgabeverlangen, dem die Beklagte unter dem Druck der Verhältnisse entsprochen hat, die Rücktrittsfiktion und -wirkungen eintreten zu lassen.

3. Bereicherungsrechtliche Ansprüche scheiden schließlich ebenfalls aus.

Die von der Klägerin im ersten Rechtszug erklärte Anfechtung der eigenen Vertragserklärung wegen arglistiger Täuschung (Verheimlichen der von Anfang an beabsichtigten Vermietung) dringt nicht durch. Sie scheitert nach dem oben Gesagten jedenfalls daran, dass die Beklagte die Klägerin weder vorsätzlich noch in Arglist gleichkommender Weise über die - nach ihrer Vorstellung darlehensvertraglich gar nicht verbotene - Vermietung in Unkenntnis ließ.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1, 708, 713 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), liegen nicht vor. Die streitentscheidende Prüfung der Voraussetzungen des § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB bewegt sich auf weitgehend tatrichterlichem Gebiet und beruht auf einer einzelfallbezogenen Würdigung aller relevanten Umstände des vorliegenden Sachverhaltes. Die übrigen Fragen, die der Rechtsstreit aufwirft, sind in rechtlicher Hinsicht hinreichend geklärt bzw. klar zu beantworten; rechtsgrundsätzliche Bedeutung kommt ihnen nicht zu.

Ende der Entscheidung

Zurück