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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 07.09.2004
Aktenzeichen: 8 W 670/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 32
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 3
ZPO §§ 567 ff.
BGB § 661a
Für Klagen aus Gewinnversprechen ( § 661 a BGB) ist der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gem. § 32 ZPO grundsätzlich nicht gegeben.
Oberlandesgericht Dresden Beschluss

des 8. Zivilsenats

Aktenzeichen: 8 W 670/04

vom 07.09.2004

In dem Rechtsstreit

wegen Gewinnzusage

hier: Prozesskostenhilfe

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch Richter am Oberlandesgericht Bokern als Einzelrichter

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 12.05.2004 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Der Antrag der Beschwerdeführerin, ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

Über die gem. § 127 Abs. 2 Sätze 2 und 3 i.V.m. §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat der Senat durch den Einzelrichter zu entscheiden (§ 568 Satz 1 ZPO). Das Rechtsmittel ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht versagt (§ 114 ZPO).

1. Das Landgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, es sei für die beabsichtigte Klage gegen die nach Darstellung der Beschwerdeführerin hinter der Versenderin stehende Antragsgegnerin - die die fehlende Hauptsachezuständigkeit des angerufenen Gerichts ausdrücklich gerügt hat - örtlich unzuständig. Das ist frei von Rechtsfehlern.

a) Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat und auch die Beschwerdeführerin nicht in Zweifel zieht, bestimmt sich der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 Abs. 1 ZPO) für Zahlungsansprüche aus Gewinnzusagen im Sinne von § 661a BGB grundsätzlich nach dem Sitz des in Anspruch genommenen Unternehmens (vgl. BGHZ 120, 334 [347 f.] für Kaufpreisklage; Smid, in: Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 29 Rn. 25 allgemein für Geldschulden; vgl. auch Patzina, in: MüKo-ZPO, 2. Aufl., § 29 Rn. 88 für Klagen gegen Versandhändler). Ein Sonderfall, in dem die Verpflichtung aus § 661a BGB kraft Parteivereinbarung als Bringschuld zu qualifizieren ist (vgl. hierzu OLG Nürnberg, NJW 2002, 3637 [3640]), liegt hier nicht vor.

b) Der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO) ist nicht eröffnet. Die Versendung der streitgegenständlichen Gewinnzusage in Höhe von 25.000,00 Euro, die die Beschwerdeführerin der Antragsgegnerin zurechnen will, stellt keine unerlaubte Handlung im Sinne von § 32 ZPO dar. Der Einzelrichter tritt den überzeugenden Ausführungen des Landgerichtes bei und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.11.2002 (BGHZ 153, 82; ebenso bereits Senat, Urteil vom 19.12.2001 - 8 U 2256/01, OLGR Dresden 2002, 281), auf das sich das Oberlandesgericht Karlsruhe zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung (OLGR Karlsruhe 2004, 255 [256]) maßgeblich bezieht, steht dem nicht entgegen. Ausdrücklich hat der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung hervorgehoben, dass der Begriff der "unerlaubten Handlung" im Sinne des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ (jetzt Art. 5 Nr. 3 EuGVVO) autonom auszulegen und in einem weit gefassten Sinne zu verstehen sei (a.a.O., Seite 90 f.). Für dieses weite, die Einbeziehung unlauterer Gewinnversprechen ermöglichende Verständnis spricht nicht zuletzt der Wortlaut des Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ. Danach ist in Fällen mit Auslandsbezug die gerichtliche Inanspruchnahme am Ort des schädigenden Ereignisses möglich, "wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden". Einen ebenso weit reichenden Anwendungsbereich hat § 32 ZPO, der für Inlandsfälle bei "Klagen aus unerlaubten Handlungen" eingreift, schon seinem Wortlaut nach nicht. Im Übrigen kommt der Zweck dieser Vorschrift, soweit er auf dem Gedanken der Sachnähe beruht und darin besteht, dem Geschädigten die Sachaufklärung und Beweiserhebung am Begehungsort des Deliktes zu ermöglichen (Zöller-Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 32 Rn. 1 m.w.N.), bei Gewinnzusagen im Versandhandel mit Blick auf den Wohnsitz des Empfängers regelmäßig nicht zum Tragen. Trotz gewisser wettbewerbsrechtlicher Elemente lässt sich in Fällen des § 661a BGB die Annahme einer unerlaubten Handlung im Sinne von § 32 ZPO auch nicht mit einer allgemeinen Parallele zur zivilrechtlichen Verfolgung von Wettbewerbsverstößen begründen (so aber OLG Karlsruhe a.a.O.), für die der besondere Gerichtsstand des § 32 ZPO häufig eröffnet ist. Entscheidend ist letztlich vielmehr, dass § 661a BGB an die als einseitiges Rechtsgeschäft oder geschäftsähnliche Handlung zu beurteilende Gewinnzusage anknüpft und dem Verbraucher keinen Schadensersatzanspruch, sondern einen Erfüllungsanspruch auf den zugesagten Preis gibt (BGH NJW 2003, 3620 [3621]). Dies erlaubt es nicht, den - wie hier - allein auf der Grundlage des § 661a BGB in Anspruch genommenen Versender ohne weiteres als Täter einer unerlaubten Handlung im Sinne von § 32 ZPO anzusehen.

2. Ob sich die Versagung von Prozesskostenhilfe, wie das Landgericht weiter meint, auch darauf stützen lässt, die beabsichtigte Klage sei aus den Gründen der in NJW-RR 2002, 1632 abgedruckten Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf unbegründet, kann nach dem Gesagten offen bleiben. Anzumerken ist insoweit allerdings, dass der Bundesgerichtshof die vom Landgericht zitierte und zahlreiche weitere Parallelentscheidungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf aufgehoben und für die jeweils beabsichtigte Klage Prozesskostenhilfe gewährt hat, weil die rechtsgrundsätzliche Frage, wer als Versender der Gewinnzusage im Sinne von § 661a BGB anzusehen sei, nicht im summarischen Prozesskostenhilfeverfahren abschließend beantwortet werden dürfe (z.B. BGH, Beschluss vom 19.12.2002 - NJW 2003, 1192; Beschluss vom 27.02.2003 - NJW-RR 2003, 1001; Beschluss vom 31.07.2003 - NJW-RR 2003, 1438). Während das Oberlandesgericht Düsseldorf in der Hauptsache bei seiner engen Auslegung des Versenderbegriffs geblieben ist (Urteil vom 22.12.2003 - VuR 2004, 67; Aktenzeichen des Revisionsverfahrens: BGH III ZR 104/04), hält das Oberlandesgericht Frankfurt eine weite Auslegung für geboten (Urteil vom 18.12.2003 - Volltext in Juris; Aktenzeichen des Revisionsverfahrens: BGH III ZR 112/04).

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, da für das Beschwerdeverfahren nur eine Pauschalgebühr zu erheben ist und eine außergerichtliche Kostenerstattung nicht stattfindet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

4. Das Begehren der Beschwerdeführerin, ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, scheitert bereits an den fehlenden Erfolgsaussichten des Rechtsmittels. Unabhängig davon kann für das Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren grundsätzlich keine Prozesskostenhilfe gewährt werden (vgl. Zöller-Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 114 Rn. 3; OLG Karlsruhe JurBüro 1994, 606 f., jeweils m.w.N.).

5. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Im Verfahren der Prozesskostenhilfe kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde mit Blick auf § 574 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 ZPO nur in Betracht, wenn es um spezielle Fragen des Verfahrens der Prozesskostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung geht (BGH NJW-RR 2003, 1001 f.). Solche Fragen stellen sich hier nicht.

Ende der Entscheidung

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