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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 26.04.2001
Aktenzeichen: 9 U 2867/00
Rechtsgebiete: AGBG, BGB, ZPO


Vorschriften:

AGBG § 9
AGBG § 1
AGBG § 1 Abs. 1 S. 1
AGBG § 24 a
AGBG § 1 Abs. 2
AGBG § 9 Abs. 1
BGB § 640
BGB § 641
BGB § 648 a
BGB § 632 a
BGB § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 546 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Leitsatz:

Zur Wirksamkeit einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers vorgesehenen Verpflichtung des Auftragnehmers, eine Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen.


Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 9 U 2867/00 6-O-5454/99 LG Dresden

Verkündet am 26.04.2001

Die Urkundsbeamtin: Bräunig Justizobersekretärin

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.03.2001 durch

Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Kindermann,

Richter am Oberlandesgericht Rein und

Richter am Landgericht Dr. Lames

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 06.10.2000, Az.: 6 O 454/99, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verurteilt werden, die Vertragserfüllungsbürgschaftsurkunden der Klägerin für die Fa. A H , A , vom 25.09.1997 über 53 360,00 DM und vom 20.10.1997 über 98 182,00 DM an die Klägerin herauszugeben.

2. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 161 000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Der Wert der Beschwer der Beklagten wird auf 45 462,60 DM festgesetzt.

5. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, eine Sparkasse, verlangt Herausgabe zweier Bürgschaftsurkunden auf erstes Anfordern, die sie einer von den Beklagten, zwei großen Bauaktiengesellschaften, gebildeten Arbeitsgemeinschaft K übergeben hat.

Beide Bürgschaften sichern Forderungen der Arbeitsgemeinschaft gegen die Fa. A H (im Folgenden: Hauptschuldner).

Der Hauptschuldner gab am 04.08. und 01.09.1997 Angebote über Innenputzarbeiten am Bauvorhaben K gegenüber der Arbeitsgemeinschaft ab. Am 02.09.1997 verhandelte der Hauptschuldner mit den Herren R und H von der Beklagten zu 1 über die Auftragserteilung. Im Ergebnis dieser Besprechung erhielt der Hauptschuldner sein Angebot nach Maßgabe des Protokolls über die Besprechung aufrecht. Mit Schreiben vom 03.09.1997 erteilte die Beklagte Ziff. 1 namens beider Beklagten dem Hauptschuldner unter Bezugnahme auf die genannten Angebote sowie das Verhandlungsprotokoll vom 03.09.1997 über die Besprechung vom 02.09.1997 den Zuschlag für Innenputzarbeiten zu einem Pauschalpreis von 464 000,00 DM zzgl. MWSt.

Das Verhandlungsprotokoll wurde mittels eines von der Beklagten Ziff. 1 gestellten Vordruckes erstellt. Als Auftraggeber (AG) wurde die Arbeitsgemeinschaft bezeichnet, als Nachunternehmer (NU) der Hauptschuldner. Über Zahlungen und Sicherheitsleistungen wurde vereinbart (handschriftliche Eintragungen werden im Folgenden in Kursivschrift wiedergegeben):

15. Zahlungen

15.1 (...)

15.2 Der AG ist berechtigt, bei den Abschlagszahlungen einen Betrag i.H.v. 10 % der erbrachten Leistung einschließlich des ausgewiesenen, darauf entfallenden Mehrwertsteuerbetrages als Sicherheit für die Vertragserfüllung des NU einzubehalten. Zahlung erfolgt innerhalb von -- Kalendertagen nach Rechnungseingang. gem. VOB (B).

15.3 Sonstiges (z. B. Zahlungsplan)

Nach Baufortschritt. Nach Erstellung des Ablaufplanes erstellte der NU einen Zahlungsplan.

16. Sicherheitsleistung

16.1 Der NU hat dem AG bis spätestens 2 Tage/Wochen *) nach Vertragsabschluss einzureichen:

a) Vertragserfüllungsbürgschaft über DM / 10 % der Auftragssumme *) zzgl. MWSt.

b) (...)

...

16.2 Der Einbehalt zur Sicherung der Gewährleistungsansprüche beträgt 5 % der Abrechnungssumme zzgl. MWSt.

*) Nichtzutreffendes streichen

16.1 und 16.2 nach dem Muster von PH AG und von einer großen deutschen Bank.

Das von der Beklagten Ziff. 1 an den Hauptschuldner im Zusammenhang mit der Auftragserteilung übergebene Formular enthielt die vorgedruckte Erklärung an der Bürgin:

"Wir werden auf erste schriftliche Anforderung an den Auftraggeber Zahlung leisten."

Unter Verwendung dieses Vordruckes und unter Bezugnahme auf den Vertrag vom 02.09.1997 übernahm die Klägerin mit einer auf den 25.09.1997 datierten Erklärung eine Vertragserfüllungsbürgschaft i.H.v. 53 360,00 DM.

Unter übereinstimmenden Bedingungen kam die Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern über 98 182,00 DM (Erklärung der Klägerin vom 20.10.1997) zustande. Diese Bürgschaft bezog sich auf die Trockenbauarbeiten, mit denen der Hauptschuldner durch Schreiben der Beklagten Ziff. 1 vom 10.10.1997 unter Bezugnahme auf die Angebote vom 11.09. und 29.09.1997 sowie auf die Verhandlung vom 08.10.1997 beauftragt worden war. Das Verhandlungprotokoll war ebenfalls nahezu identisch mit dem Protokoll der Besprechung am 02.09.1997 bezüglich der Innenputzarbeiten. Die handschriftlich eingetragene Formulierung zum Pkt. 15. (Zahlungen), 15.3 (Sonstiges, z. B. Zahlungsplan) lautet: Nach Baufortschritt. Nach Vorlage des Feinablaufplanes erstellt der NU einen Vorschlag für den Zahlungsplan.

Ob die beaufragten Arbeiten vom Hauptschuldner ordnungsgemäß ausgeführt wurden, ist zwischen diesem und dem Beklagten umstritten. Unter dem Az.: 42 O 782/99 ist beim Landgericht Dresden - Kammer für Handelssachen - ein Rechtsstreit über einen Zahlungsanspruch des Hauptschuldners anhängig.

Die Klägerin wurde vom Hauptschuldner ermächtigt, im eigenen Namen den Anspruch gegen die Bekalgten auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde geltend zu machen.

Die Klägerin hat beantragt:

Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die Vertragserfüllungsbürgschaften der Klägerin für die Fa. A H , A , vom 25.09.1997 über 53 360,00 DM und vom 20.10.1997 über 98 182,00 DM an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Durch Urteil vom 06.10.2000 hat das Landgericht dem Klageantrag entsprochen. Das Landgericht hat die vertragliche Verpflichtung des Hauptschuldners, eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen, angenommen und als unwirksam gem. § 9 AGBG angesehen.

Gegen das den Beklagten am 16.10.2000 zugestellte Urteil richtet sich die am 16.11.2000 eingegangene Berufung, die durch am 18.01.2001 eingegangenen Schriftsatz begründet wurde, nachdem die Berufungsbegründungsfrist durch Verfügung vom 19.12.2000 aufgrund eines am 18.12.2000 eingegangenen Verlängerungsantrags bis zum 18.01.2001 verlängert worden war.

Die Beklagten tragen vor, die maßgeblichen Vereinbarungen in dem Verhandlungsprotokoll seien mit jedem Nachunternehmer individuell bei den Angebotsverhandlungen vorgenommen worden. Dabei habe grundsätzlich Verhandlungs- und Ergänzungsbereitschaft bestanden, so dass keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorlägen. Daran ändere sich auch nichts dadurch, dass im konkreten Fall nicht von den üblicherweise vereinbarten Sätzen abgewichen wurde.

Die Sicherung der Beklagten sei auch nicht unangemessen, weil nach dem gesetzlichen Leitbild der §§ 640, 641 BGB der Hauptschuldner die gesamte Werkleistung als Vorleistung hätte erbringen müssen. Zu beurteilen sei damit nur die Frage, ob und welche Sicherheiten sich die Beklagten zur Sicherung ihrer Abschlagszahlungen versprechen lassen durften. Für einen möglichen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung sei eine pauschalierte Bezifferung i.H.v. 10 % der Auftragssumme von der Rechtsprechung nicht als unwirksam angesehen worden.

Die Beklagten beantragen:

1. Das am 06.10.2000 verkündete Urteil des Landgerichts Dresden - Az.: 6 O 5454/99 - wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, entgegen dem gesetzlichen Leitbild der §§ 640, 641 und 648 a BGB sei dem Hauptschuldner die Möglichkeit genommen worden, seine Vorleistungspflicht durch Forderung einer entsprechenden Sicherheit abzusichern. Es sei unangemessen, wenn dann zusätzlich zur 10%igen Vertragserfüllungsbürgschaft auch noch das Recht vorbehalten werde, die Abschlagszahlungen um 10 % zu kürzen. In den Vereinbarungen des Verhandlungsprotokolls sieht die Klägerin Allgemeine Geschäftsbedingungen.

Für die Einzelheiten wird auf den schriftsätzlichen Vortrag der Parteien und das Protokoll der öffentlichen Sitzung des Senats vom 22.03.2001 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

A.

Die Berufung ist zulässig.

1. Der Zulässigkeit der Berufung steht die Form der Unterschriftsleistung auf den Schriftsätzen vom 16.11. und 18.12.2000 (Berufung und Fristverlängerungsantrag) nicht entgegen. Zwar weicht die jeweilige Unterschriftsleistung von den sonstigen Unterschriften des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in Richtung einer Paraphe ab, doch fehlt es nicht an der erforderlichen Unterschrift. Die Buchstaben j, g und r sind zwar extrem ineinander verschlungen, jedoch dennoch als solche identifizierbar. Somit kann der Mangel einer formgerechten Unterschrift nicht festgestellt werden.

2. Die Beklagten trifft auch die für die Zulässigkeit erforderliche Beschwer. Zwar richtet sich die Verurteilung durch das Landgericht auf Herausgabe der Vertragserfüllungsbürgschaft, die als solche rechtlich nicht möglich ist. Der klägerische Antrag und damit die erstinstanzliche Verurteilung wird vom Senat dahingehend ausgelegt, dass die Beklagten zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunden verurteilt wurden. Diese Herausgabe würde nach Rechtskraft des Urteils (§ 894 ZPO) zum Erlöschen der Bürgschaftsverpflichtung führen.

B.

Die Berufung ist nicht begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Aufhebung des Bürgschaftsvertrages und Herausgabe der Bürgschaftsurkunde gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB zu, weil die Bürgschaftsverpflichtung und die Übergabe der Urkunde vom Hauptschuldner aufgrund unwirksamer Verpflichtungen geleistet wurden.

1. Die Klägerin klagt in zulässiger Prozessstandschaft, weil eine Ermächtigung des Hauptschuldners zur Prozessführung unbestritten vorliegt; diesem Vortrag ist auch zu entnehmen, dass durch eine Einziehungsermächtigung die Klägerin nicht nur ermächtigt ist, den Anspruch des Hauptschuldners im eigenen Namen geltend zu machen, sondern auch dazu, Leistung an sich zu verlangen.

2. Die Beklagten haben die Bürgschaftserklärungen und damit die Rechte aus dem Bürgschaftsvertrag aufgrund einer Leistung des Hauptschuldners, erlangt die in Annahme der Wirksamkeit der Verpflichtung aus den jeweiligen Bauverträgen vorgenommen wurde, konkret gemäß Nr. 16.1 des Verhandlungsprotokolls i.V.m. dem Zusatz nach Nr. 16.2 dieses Protokolls und dem von den Beklagten übergebenen Muster der Bürgschaftserklärung.

3. Diese bauvertraglichen Verpflichtungen sind aufgrund der Inhaltskontrolle nach dem AGBG als nichtig anzusehen.

a) Die Vereinbarungen in den Verhandlungsprotokollen vom 02.09. und 08.10.1997 sind Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 1 AGBG), nach denen eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zu stellen war.

Vertragsbedingung ist in beiden Fällen die Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft über 10 % der Auftragssumme zzgl. MWSt., wobei die Bürgschaft nach dem Muster der Beklagten Ziff. 1 von einer großen deutschen Bank zu stellen war. Der Charakter der zu stellenden Bürgschaft als Bürgschaft auf erstes Anfordern geht aus dem unstreitig gleichzeitig und auch regelmäßig übergebenen Formular der Vertragserfüllungsbürgschaft hervor, wie es von der Klägerin unterzeichnet und vorgelegt wurde. Damit ist auch die Stellung der Vertragserfüllungsbürgschaft als Bürgschaft auf erstes Anfordern als Vertragsbedingung anzusehen.

Diese Vertragsbedingung ist vorformuliert, obwohl sich Höhe und Charakter der zu stellenden Vertragserfüllungsbürgschaft als Bürgschaft auf erstes Anfordern erst aus handschriftlichen Einträgen in das Formular der Beklagten Ziff. 1 ergeben. Vorformuliert sind die Klauseln bereits dann, wenn sie zum Zwecke der Einbeziehung in die zu schließenden Verträge "im Kopf" des AGB-Verwenders oder seine Abschlussgehilfen "gespeichert" sind. AGB müssen nicht aus schriftlichen vorformulierten Texten bestehen, sondern können auch dann vorliegen, wenn ausgearbeitete Klauseln aus dem Gedächtnis in den Vertrag üblicherweise oder gegenüber einer Mehrzahl von Vertragspartnern eingefügt werden (BGH, Urt. v. 10.03.1999, VIII ZR 204/98, NJW 1999, 2180, 2181; BGH, Urt. v. 13.11.1997, X ZR 135/95, NJW 1998, 1066, 1068).

Es ergibt sich bereits aus dem unstreitigen Parteivortrag, dass die hier vereinbarten Klauseln in diesem Sinne vorformuliert waren. Es ist unstreitig geblieben, dass in den Verhandlungsprotokollen mit den anderen auf der Baustelle tätigen Handwerkern dieselben Klauseln aufgenommen wurden (GA 395/396; GA 369/370). Dabei ist auch unstreitig, dass die Klauseln jeweils von den Mitarbeitern der Beklagten eingeführt und in das Protokoll eingetragen wurden, nicht etwa auf Wunsch und durch die jeweiligen Vertragspartner. Damit sind die Klauseln auch, wie es § 1 Abs. 1 S. 1 AGBG voraussetzt, von den Beklagten gestellt. Soweit die Beklagten darauf hinweisen, dass die Entscheidung des BGH vom 10.03.1999 zu Verbraucherverträgen gemäß § 24 a AGBG ergangen ist, betreffen Besonderheiten dieser Entscheidung lediglich das in Verbraucherverträgen anders zu beurteilende Merkmal des Stellens der AGB, welches vorliegend auch auch nach Maßstäben von § 1 Abs. 1 S. 1 AGB erfüllt ist. Die neuere Entscheidung weicht also von der Rechtsprechung zur hier maßgeblichen Frage der Vorformulierung der Klausel nicht von der bisherigen Rechtsprechung ab.

Soweit die Beklagten darauf abstellen, es habe grundsätzlich Verhandlungs- und Ergänzungsbereitschaft hinsichtlich der Klauseln bestanden, so dass ein Verhandlungspartner, der mit den Regelungen nicht oder nicht in dieser Form einverstanden war, ohne weiteres die Chance gehabt hätte, eine gegenteilige Vorstellung durchzusetzen, ist dieses Vorbringen unerheblich. Denn gem. § 1 Abs. 2 AGBG liegen Allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind. Dazu muss es auf der Grundlage einer ernsthaften Verhandlungsbereitschaft des Verwenders zu einem wirklichen Aushandeln gekommen sein, bei dem der Kerngehalt der Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition gestellt werden muss. Soweit, wie hier, die vorformulierte Klausel unverändert bleibt, kann ausnahmsweise von einem Aushandeln gesprochen werden, wenn nach gründlicher Erörterung der Vertragspartner von der Sachgerechtigkeit der Regelung überzeugt wird (Palandt/Heinrichs, 60. Aufl., § 1 AGBG, Rn. 17/18). Zu diesen Voraussetzungen haben die Beklagten nicht vorgetragen.

Auch die Beweisaufnahme durch das Landgericht hat bestätigt, dass es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Der auf Seiten der Beklagten bei den Vertragsverhandlungen tätige Zeuge H hat hierzu ausgeführt, dass es zu einer Entscheidung der Geschäftsleitung kommen musste, wenn ein Subunternehmer nicht bereit war, die vorformulierten Bedingungen zu akzeptieren (GA 274). Der ebenso auf Seiten der Beklagten tätig gewordene Zeuge R hat erklärt, für die Abschlussgehilfen der Beklagten habe kein anderer Spielraum bestanden als die Vereinbarung der Frist, innerhalb derer die Sicherheiten zu erbringen waren (GA 321).

b) Die Verpflichtung des Hauptschuldners zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern über 10 % der Auftragssumme benachteiligt den Hauptschuldner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 9 Abs. 1 AGBG), so dass diese Verpflichtung unwirksam ist.

aa) Die Vertragserfüllungsbürgschaft sichert auf Seiten des Auftraggebers nicht den Erfüllungsanspruch selbst, weil mit Hilfe der Bürgschaft die Vertragserfüllung (Erbringung der Werkleistung nicht unmittelbar bewirkt werden kann. Gesichert ist letztlich das Erfüllungsinteresse, also das Risiko, dass die Werkleistung von dem Auftragnehmer nicht erbracht wird und daher - möglicherweise zu einem höheren Preis - von einem anderen Auftragnehmer bezogen werden muss. Nicht hingegen wird der Auftraggeber hinsichtlich einer möglichen Vorleistungspflicht gesichert. Denn insoweit stellen §§ 641, 632 a BGB sicher, dass stets der Auftragnehmer in Vorleistung treten muss. Es entsteht für den Auftraggeber also kein Risiko aus einer Vorleistung, sondern lediglich daraus, dass möglicherweise der Auftragnehmer seine Leistungen nicht erbringt und dann ein Schaden dadurch entsteht, dass die nicht mehr zu zahlenden Werklohnanteile geringer sind als der Werklohn, der für die Fertigstellung des Werkes an einen anderen Unternehmer gezahlt werden muss. Im Falle einer Schadensersatzpflicht ist der Auftragnehmer jedoch verpflichtet, die entsprechenden Mehrkosten zu tragen. Es bestehen keine Bedenken dagegen, dass sich der Auftraggeber für diesen möglichen Schadensersatzanspruch eine Sicherheit gewähren lässt.

Unangemessen i.S.d. § 9 Abs. 1 AGBG wird die Regelung dadurch, dass das Insolvenzrisiko hinsichtlich der Schadensersatzpflicht von dem Auftraggeber auf den Auftragnehmer verlagert wird.

Ohne Vereinbarung einer Sicherheit trägt nämlich der Auftraggeber das Insolvenzrisiko des Auftragnehmers. Der Auftraggeber hat einen Schadensersatzanspruch gegen den Auftragnehmer, typischerweise i.H.d. Mehrforderung, die von dem als Ersatz beauftragten Werkunternehmer geltend gemacht wird. Die Durchsetzung dieses Schadensersatzanspruchs erfolgt entweder im Wege der Freistellungsklage, solange noch nicht feststeht, was der zweite Werkunternehmer im Ergebnis zu fordern hat, andernfalls im Wege einer Zahlungsklage. Bis zum möglicherweise erst nach einer langwierigen rechtlichen Auseinandersetzung eintretenden Durchsetzbarkeit dieses Anspruchs trägt der Auftraggeber das Risiko, dass der Auftragnehmer zahlungsunfähig wird.

Umgekehrt ist es in dem Fall, dass der Auftraggeber von der Bürgschaft auf erstes Anfordern Gebrauch macht. In diesem Falle erhält der Auftraggeber sofort liquide Mittel, mit denen er die Mehrkosten finanzieren kann, die er seiner Auffassung nach im Wege des Schadensersatzes auf den Auftragnehmer abwälzen kann. Der Auftragnehmer hingegen muss seine Rechtsposition, er sei nicht zum Schadensersatz verpflichtet, im Wege des Rückforderungsanspruchs geltend machen; er ist insoweit auch der Regressforderung des Bürgen ausgesetzt. Damit trägt der Auftragnehmer das Risiko, dass der Auftraggeber die Bürgschaft auf erstes Anfordern geltend macht und vor einer Durchsetzung des möglichen Rückforderungsanspruches in Konkurs fällt.

Somit ist bei der Vertragserfüllungsbürgschaft ebenso wie bei der Gewährleistungsbürgschaft (vgl. dazu BGH, 7. Zivilsenat, Urt. v. 05.06.1997, VII ZR 324/95, NJW 1997, 2598). Diese Verschiebung ist unangemessen, weil sie keinen sachlich und wirtschaftlich nachvollziehbaren Grund hat und den Auftragnehmer erheblich benachteiligt.

Der Senat verkennt nicht, dass im Falle der Nichterfüllung des Vertrages die ersatzweise zu beziehende Werkleistung typischerweise teurer wird als die ursprünglich mit dem Auftragnehmer vereinbarte Leistung. Dafür gibt es sachliche Gesichtspunkte. So ist insbesondere eine Verteurung dadurch zu erwarten, dass der zweite Werkunternehmer an Teilleistungen des Vorunternehmers anknüpfen muss, die nicht in seiner Verantwortung entstanden sind. Im Übrigen entspricht es der Lebenserfahrung, dass die Verhandlungsposition des Auftraggebers ungünstiger ist, wenn er unter dem Zeitdruck eines laufenden Bauvorhabens gezwungen ist, einen anderen Werkunternehmer mit der Werkleistung zu beauftragen.

Dennoch ist die Verpflichtung zur Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern unangemessen (Hogrefe, BauR 1999, 1111, 1113; a. A. Weise, Sicherheiten im Baurecht, 1999, Rn. 273). Ausgehend vom gesetzlichen Leitbild des gesicherten Schadensersatzanspruches ist festzustellen, dass nach diesem Leitbild der geschädigte Vertragspartner grundsätzlich das Insolvenzrisiko des Schädigers zu tragen hat. Jeder Schadensersatzanspruch setzt voraus, dass zunächst ein Schaden entsteht und dann ausgeglichen wird. Wie in dem vom BGH entschiedenen Fall zur Gewährleistungsbürgschaft besteht auch im Fall der Vertragserfüllungsbürgschaft eine erhebliche Missbrauchsgefahr. Die Bürgschaft auf erstes Anfordern setzt den Auftraggeber in den Stand, sich ohne weiteren Nachweis Geld zu verschaffen. Die Bürgschaft kann unabhängig vom Eintritt des Sicherungsfalles aktiviert werden (vgl. Quack, BauR 1997, 754, 755). Eine Unangemessenheit der Benachteiligung des Auftragnehmers ergibt sich schließlich auch daraus, dass die Bürgschaft auf erstes Anfordern ohne weitere Voraussetzungen zur Zahlungspflicht des Bürgen und damit zur Regressverpflichtugn des Hauuptschuldners führt, ein Schadensersatzanspruch hingegen, der durch Bürgschaft gesichert werden soll, nach dem gesetzlichen Leitbild nicht nowendig im Falle einer mangelnden Erfüllung des Vertrages eingreift, für die ebenso Umstände maßgeblich sein können, die im Verantwortungsbereich des Auftraggebers liegen.

bb) Zu Unrecht meinen die Beklagten, durch andere Entscheidungen des BGH sei die hier gewählte Vertragsgestaltung als wirksam angesehen worden. Die Entscheidungen des 9. Zivilsenats des BGH vom 14.12.1995 (IX ZR 57/95, NJW 1996, 717) und 24.09.1998 (IX ZR 371/97, NJW 1999, 55) betreffen nicht das hier, wenn auch im Wege der gesetzlichen Prozessstandschaft des Bürgen, maßgebliche Verhältnis zwischen Hauptschuldner und Gläubiger, sondern das unmittelbare Verhältnis zwischen Bürgen und Hauptschuldner. Die hier zwischen den Parteien des vorliegenden Falles maßgebliche Frage, ob die Verpflichtung des Hauptschuldners zur Stellung der Bürgschaft auf erstes Anfordern wirksam war, spielte in diesen Entscheidungen keine Rolle.

Auch das Urteil des 7. Zivilsenats vom 20.04.2000 (VII ZR 458/97, NJW-RR 2000, 1331) enthält keine Entscheidung der hier maßgeblichen Frage. Denn die Erfüllungsbürgschaft war nicht als Bürgschaft auf erstes Anfordern geschuldet. Soweit eine Bürgschaft auf erstes Anfordern alleiniges Mittel als Austausch gegen den Einbehalt der Gewährleistungssicherheit für die Dauer von fünf Jahren war, hat der 7. Zivilsenat seine o.a. Rechtsprechung bestätigt (NJW-RR 2000, 1331, 1332 unter 5.).

Die Entscheidung des 7. Zivilsenats vom 23.03.1995, VII ZR 228/93, NJW-RR 1995, 749, betrifft eine Pauschalierung im Falle des Vertragsrücktritts (§ 10 Nr. 7 AGBG). Anders als im vorliegenden Fall wurde keine Zahlungspflicht unabhängig davon begründet, ob die materiellen Voraussetzungen hierfür vorliegen.

II.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 546 Abs. 2 S. 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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