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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 27.04.2004
Aktenzeichen: Ss (OWi) 128/04
Rechtsgebiete: StPO, OWiG, StVG


Vorschriften:

StPO § 206 a
OWiG § 46 Abs. 1
OWiG § 31 Abs. 2
OWiG § 33 Abs. 2
OWiG § 66
StVG § 26 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Dresden

Senat für Bußgeldsachen

Aktenzeichen: Ss (OWi) 128/04

13 OWi Ss 128/04 GenStA Dresden

Beschluss

vom 27. April 2004

in der Bußgeldsache gegen

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

Tenor:

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Kamenz vom 28. November 2003 aufgehoben.

2. Das Verfahren wird eingestellt.

3. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Kamenz hat den Betroffenen am 28. November 2003 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (innerorts) zu einer Geldbuße von 60,00 EURO verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung beruft er sich insbesondere auf Verjährung.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Kamenz vom 28. November 2003 als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen mit der Rüge materiellen Rechts führt gemäß § 206 a StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG zur Verfahrenseinstellung, weil die Verkehrsordnungswidrigkeit, die der Betroffene am 13. April 2003 begangen haben soll, wegen Verjährung nicht mehr verfolgt werden kann.

Gemäß § 31 Abs. 2 OWiG, § 26 Abs. 3 StVG beträgt die Verjährungsfrist für Verkehrsordnungswidrigkeiten bis zum Erlass eines Bußgeldbescheides bzw. Erhebung einer öffentlichen Klage drei Monate. Vorliegend hat die Verjährungsfrist mit der Tatbegehung am 13. April 2003 zu laufen begonnen und war am 12. Juli 2003 abgelaufen. Der Bußgeldbescheid ist erst am 30. Juli 2003 erlassen worden und konnte die Verjährung nicht mehr wirksam unterbrechen.

Auch zuvor war eine Verjährungsunterbrechung nicht eingetreten. Dies gilt insbesondere für den am 26. Juni 2003 per EDV-Ausdruck an den Betroffenen übersandten Anhörungsbogen. Dem ging folgender - für etwaige Verjährungsunterbrechungen relevanter - Verfahrensablauf voraus:

Aufgrund eines automatisierten Verfahrens war zunächst dem Halter des Fahrzeugs, R C , ein Anhörungsbogen übersandt worden. Nachdem das Landratsamt Kamenz bemerkte, dass der Halter nicht der Fahrer des Tatfahrzeuges gewesen sein konnte, stellte es ein Ermittlungsersuchen an die Landeshauptstadt Dresden mit der Bitte um Benennung des entsprechenden Fahrers. Alsdann wurde durch die Landeshauptstadt Dresden der Betroffene als möglicher Fahrer ermittelt und dessen Daten dem Landratsamt mitgeteilt. Die zuständige Sachbearbeiterin beim Landratsamt Kamenz stellte daraufhin das Verfahren gegen den Halter ein und eröffnete das Verfahren gegen den Betroffenen. Dazu griff sie in das EDV-geführte Verfahren ein, indem sie den Namen, das Geburtsdatum und den Geburtsort des jetzt ermittelten Fahrers eingab und damit die alten Daten in dem laufenden Verfahren änderte. Am 26. Juni 2003 veranlasste sie die Versendung eines Anhörungsbogens an den Betroffenen mittels EDV-Ausdruckes, ohne jedoch die Anordnung in der Akte handschriftlich zu dokumentieren und zu unterschreiben oder mit ihren Handzeichen zu versehen.

Die von der Sachbearbeiterin vorgenommene Versendung des Anhörungsbogens an den Betroffenen unterbrach hier die Verjährung nicht. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Übersendung eines Anhörungsbogens zur Bekanntgabe der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG) Verjährungsunterbrechende Wirkung nur dann hat, wenn entweder aktenkundig gemacht ist, wer die Anordnung vorgenommen hat, und der zuständige Sachbearbeiter durch Unterschrift oder Handzeichen die Verantwortung für die Richtigkeit der Beurkundung des Datums übernommen hat (OLG Köln, VRS 66, 362; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 33 Rdn. 11, 45) oder der Anhörungsbogen mittels einer. EDV-Anlage gefertigt worden ist, ohne dass der Sachbearbeiter zuvor in den vorprogrammierten Arbeitsablauf des Computers eingegriffen hat (vgl. OLG Köln DAR 2000, 31 m.w.N.; OLG Zweibrücken NZV 2001, 483; Göhler, a.a.O., § 33 Rdn. 46 m.w.N.). In dem zuletzt genannten Fall wird eine unmittelbare Verfügung der Versendung des Anhörbogens für entbehrlich gehalten, weil der Sachbearbeiter - anders als beim Erlass des Bußgeldbescheides - auch dann keine Individualentscheidung trifft, wenn er aufgrund einer Anzeige die Versendung des Anhörbogens an den Betroffenen manuell verfügt; in einem solchen Fall überprüft er den Sachverhalt nicht. Seine Tätigkeit kann deshalb auf die EDV-Anlage übertragen werden (vgl. OLG Frankfurt VRS 50, 220, 221). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an. Soweit das Amtsgericht unter Berufung auf die Entscheidung BGHSt 42, 380 auch bei einem manuellen Eingriff des Sachbearbeiters in den EDV-Vorgang eine aktenkundige Verfügung über die Versendung des Anhörbogens für entbehrlich erachtet, verkennt es im Übrigen, dass § 33 Abs. 2 OWiG die Unterzeichnung der Verjährungsunterbrechenden Anordnung oder Entscheidung verlangt, während nach § 66 OWiG für den Bußgeldbescheid die einfache Schriftform genügt (vgl. zum Erfordernis der einfachen Schriftform bei § 66 OWiG BGHSt 42, 380, 384 m.w.N.). Da die Verwaltungsbehörde das Ermittlungverfahren zunächst gegen den Halter geführt hat, beinhaltete die Entscheidung der Sachbearbeiterin, gegen den Fahrer zu ermitteln, einen Eingriff in den schematisierten EDV-Arbeitsablauf, der von dem darin manifestierten, ursprünglichen Willen der Behörde abwich. Die von der Rechtsprechung für den Fall der Versendung für Anhörbögen mit Hilfe eines Computerprogrammes entwickelten Grundsätze, die darauf abstellen, dass lediglich die Wiederholung des einmal betätigten Verwaltungswillens entbehrlich ist (vgl. KK-Weller, OWiG, 2. Aufl., § 33 Rdn. 31), können darauf nicht angewendet werden (vgl. OLG Zweibrücken NZV 2001, 483). Der Eingabe der festgestellten Personalien des mutmaßlichen Fahrzeugführers durch die Sachbearbeiterin musste eine - wenn unter Umständen auch nur oberflächliche - Prüfung vorausgehen, inwieweit die den Verfahrensgegenstand bildende Tat bezüglich des Betroffenen überhaupt noch verfolgbar war, insbesondere ob die Tat nicht bereits verjährt war (vgl. KG Berlin VRS 100, 134, 135). Von einer solchen Individualentscheidung ihres Sachbearbeiters muss die Verwaltungsbehörde in den Akten Zeugnis ablegen (OLG Köln DAR 2000, 131; OLG Zweibrücken NZV 2001, 483). Dies ist hier nicht geschehen, da die Sachbearbeiterin eine entsprechende Verfügung in der Akten nicht vorgenommen hat. Die sich bei der Akte befindende Historie, aus der sich ergibt, dass die Sachbearbeiterin die entsprechenden Daten im EDV-Vorgang geändert und ihren Namenskürzel dort aufgeführt hat, vermag ihr schriftliches Handzeichen in den Akten nicht zu ersetzen.

Bei Erlass des Bußgeldbescheids war somit Verfolgungsverjährung eingetreten, die dem weiteren Verfahren als Verfahrenshindernis entgegensteht. Die Kosten und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 StPO i.V.m. § 46 OWiG.



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