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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 18.07.2002
Aktenzeichen: Ss (OWi) 315/02
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 267 Abs. 1 S. 2
Soweit der Tatrichter von der erleichterten Möglichkeit der Verweisung nach §§46 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 Satz 3 StPO keinen Gebrauch macht, kann auf Grund einer Vielzahl präzis mitgeteilter individueller Merkmale davon ausgegangen werden, dass das Foto zur Identifizierung hinreichend geeignet ist.
Oberlandesgericht Dresden Senat für Bußgeldsachen Beschluss

Aktenzeichen: Ss (OWi) 315/02

vom 18. Juli 2002

in der Bußgeldsache gegen

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 27. Februar 2002 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Urteilsformel unter I. lautet:

"Die Betroffene wird wegen fahrlässiger Nichtbeachtung des Rotlichts einer Wechsellichtzeichenanlage zu einer Geldbuße von 125 EUR verurteilt."

Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.

Gründe:

I.

Mit Urteil vom 27. Februar 2002 hat das Amtsgericht Leipzig die Betroffene wegen fahrlässiger Nichtbeachtung des Rotlichts einer Wechsellichtzeichenanlage zu einer Geldbuße von 127 EUR verurteilt sowie ihr unter Gewährung von Vollstreckungsaufschub für die Dauer eines Monats verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde der Betroffenen, die mit der Rüge der Verletzung des formellen und materiellen Rechts die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung begehrt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

Die Betroffene hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Soweit die Betroffene beanstandet, weder der Zeuge G.R. sei durch das Amtsgericht vernommen worden noch habe das Gericht aufgeklärt, ob die Schwester der Betroffenen als Fahrerin in Betracht kommt, sind die hierin zu sehenden Aufklärungsrügen unzulässig, da die Beschwerdeführerin kein bestimmtes Beweisergebnis behauptet (vgl. KK Kuckein, StPO, 4. Aufl. § 344 Rdnr. 51) . Sie trägt lediglich vor, dass das Gericht habe aufklären müssen, ob andere weibliche Angestellte der Firma des benannten Zeugen mit der auf dem Tatfoto abgebildeten Person vergleichbar sind, oder ihre Schwester als Fahrerin in Betracht kommt. Hierin liegen keine Beweisbehauptungen.

2. Die Rüge, das Amtsgericht habe den zu Beweiszwecken herangezogenen Eichschein falsch gewürdigt, dringt nicht durch. Ausweislich der Urteilsgründe (UA S. 4) geht das Amtsgericht auf Grund eines vom Eichamt Zwickau am 21.12.2000 ausgestellten Eichscheins von der ordnungsgemäßen Funktionstüchtigkeit des Messgerätes aus. Hierin kann ein Rechtsfehler nicht gesehen werden. Der Rüge, es habe zunächst ein anderer Eichschein vorgelegen, ist schon deshalb der Erfolg versagt, weil dieser Sachverhalt urteilsfremd ist und daher nicht der Prüfung durch den Senat obliegt.

3. Die Beweiswürdigung hinsichtlich der Fahrereigenschaft der Betroffenen ist aus rechtsbeschwerderechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil zur Bildqualität des Tatvorwurfs werden den Anforderungen in der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. Dezember 1995 (BGHSt 41, 376, 381) gerecht. Zwar macht das Amtsgericht von der Möglichkeit der Bezugnahme auf das Tatfoto (§46 Abs. 1 OWiG, § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO) keinen Gebrauch, so dass dieses nicht Bestandteil des Urteils geworden ist. Somit kann der Senat nicht selbst feststellen, ob das Tatfoto für die Identifizierung des Fahrzeugführers geeignet ist. Das Urteil muss daher Ausführungen zur Bildqualität (insbesondere zur Bildschärfe) enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale (in ihren charakteristischen Eigenarten) so präzise beschreiben, dass dem Rechtsbeschwerdegericht anhand der Beschreibung die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos in gleicher Weise ermöglicht wird wie bei seiner Betrachtung (BGH a.a.O., S. 384).

Das Amtsgericht hat insoweit ausgeführt "Der Sachverständige begutachtete die Betroffene als auch vergleichend die Zeugin S R und stellte in der Hauptverhandlung unter Bezugnahme auf die Rotlichtfotos fest, dass es sich bei der betroffenen Fahrerin am 05.01.2001 keinesfalls um die Zeugin S R handeln kann und seiner Überzeugung nach die Betroffene Frau R. die Fahrerin an jenem Abend gewesen ist. Der Sachverständige bezog sich hierbei auf zwölf Gesichtsmerkmale, die für ihn vergleichend erfassbar waren und führte aus, dass es sich bei der Betroffenen als auch bei der Fahrerin auf dem Messfoto um die gleiche Person handelt mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:130 000, da zwölf Merkmale im Gesicht Übereinstimmung aufweisen, wie z. B. die Fülle im Unterkieferbereich, das runde Breitgesicht, eine leichte Form der Hohlwangigkeit bis zur mittleren Fülle, das deutliche in Erscheinung treten der Wangenknochen. Auch bezüglich der Augenbrauen gibt es keinerlei Differenz zu den Vergleichsfotos. Prägnant sei auch eine leichte Ausbuchtung am Nasenflügelunterrand sowie ein leichtes Grübchen am Kinn bzw. ein Kinnmittelgrübchen. Der Sachverständige führte des Weiteren aus, dass keinesfalls die Zeugin R. als Fahrerin in Frage kommt, da ihre Gesichtszüge viel feingliedriger sind als das Foto der betroffenen Fahrerin. Sie weist eine schlankere Gesichtsform auf, ein sogenanntes Langgesicht. Der Sachverständige bekundete, dass er die Zeugin als Fahrerin mit Sicherheit ausschließen kann, da sie auch kein Mittelgrübchen am Kinn aufweist. Auch der Vortrag der Zeugin, dass diese in der Vergangenheit an Gewicht abgenommen habe, ändere nichts, da sich dies nicht spürbar auf die Gesichtsproportionen ausgewirkt haben kann.

Auf Grund der überzeugenden Angaben des Sachverständigen geht das Gericht davon aus, dass die Betroffene die verantwortliche Fahrerin am 05.01.2001 um 22.53 Uhr auch gewesen ist."

Zwar verhält sich das Urteil nicht ausdrücklich zur Bildqualität, doch lassen die Ausführungen einen (noch) hinreichenden Rückschluss auf eine ausreichende Bildqualität zu. Auf Grund der individuellen und präzise beschriebenen Merkmale ist zu folgern, dass das Foto zur Identifizierung hinreichend geeignet ist. Die beispielhaft im Urteil genannten Identifizierungsmerkmale sind nach Anzahl und Individualität geeignet und aussagekräftig genug, eine bestimmte Person sicher erkennen zu können (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 17.10.2000 - Ss (OWi) 365/00; OLG Hamm, DAR 2000, 417).

4. Im Rechtsfolgenausspruch war das Urteil des Amtsgerichts Leipzig dahingehend abzuändern, dass die Geldbuße 125 EUR beträgt. Das Amtsgericht wollte erkennbar die in Nr. 34.2. BKat a.F. vorgesehene Regelgeldbuße von 250,00 DM verhängen.

Da seit dem 01.01.2002 - also auch schon bei Erlass des erstinstanzlichen Urteils - der Bußgeldkatalog für den festgestellten Verstoß eine Geldbuße in Höhe von 125 EUR vorsieht (§ 37 Abs. 2 Nr. 1 Satz 7, § 49 Abs. 3 Nr. 1 StVO, § 1 Abs. 1 BKatV, 132.2 BKat), hat der Senat in Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils die für die Betroffene günstigere Geldbuße festgesetzt.

5. Im Übrigen hat die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs keinen Rechtsfehler ergeben. Insbesondere ist für die Verhängung eines Regelfahrverbots (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 BKatV i.V.m. § 25 Abs. 1 StVG) keine Feststellung einer konkreten Gefährdungssituation notwendig. Da sich weder aus dem amtsgerichtlichen Urteil noch aus der Rechtsbeschwerde Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Verhängung eines Fahrverbotes für die Betroffene eine unangemessene Härte darstellt, bedurfte es hierzu keiner weiteren Ausführungen durch das Amtsgericht. Die vage Behauptung, dass die Betroffene als Arbeitslose eine neue Arbeitsstelle in Aussicht hätte und hierbei auf die Fahrerlaubnis angewiesen sei, begründet weder eine unangemessene Härte noch führte sie mangels konkreter Angaben dazu, dass sich das Amtsgericht näher hiermit hätte auseinandersetzen müssen.

Da die Tat am 05.01.2001 begangen und das Urteil bereits am 27.02.2002 gefällt wurde, besteht für die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob von der Verhängung des Fahrverbotes wegen Zeitablaufes abgesehen werden musste, kein Raum.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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