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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 08.02.2005
Aktenzeichen: Ss (OWi) 32/05
Rechtsgebiete: StVG


Vorschriften:

StVG § 24a Abs. 1
1. Bei einer Verurteilung wegen eines Verstosses gegen § 24 Abs. 1 StVG, dem eine Atemalkoholmessung mit einem standardisierten Messverfahren (hier: Dräger Alcotest 7110 Evidential) zugrundeliegt, muss der Tatrichter in den Urteilsgründen Ausführungen zur Ordnungsgemäßheit des Messverfahrens machen, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler vorliegen.

2. Die Nichteinhaltung der Wartezeit von mindestens 20 Minuten zwischen Trinkende und erster Atemalkoholmessung führt zur Unverwertbarkeit der Messung.

3. Eine Verwertbarkeit der Messung kann nicht dadurch herbeigeführt werden, dass von dem gewonnenen Messwert ein Sicherheitsabschlag vorgenommen wird.

4. Von der Verhängung eines Fahrverbotes kann abgesehen werden, wenn zwischen dem Verkehrsverstoß und der tatrichterlichen Entscheidung mindestens zwei Jahre vergangen sind und in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten im Straßenverkehr festgestellt worden ist.


Oberlandesgericht Dresden

Senat für Bußgeldsachen

- Der Einzelrichter -

Aktenzeichen: Ss (OWi) 32/05

13 OWi Ss 32/05 GenStA Dresden

Beschluss

vom 08. Februar 2005

in der Bußgeldsache gegen

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Eilenburg vom 30. September 2004 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen "wegen fahrlässigen Verstoßes gegen eine Vorschrift der Straßenverkehrsordnung, in dem er ein Kraftfahrzeug mit einer Atemalkoholkonzentration von mehr als 0,25 mg/l, nämlich 0,46 mg/l, führte" zu einer Geldbuße von 250,00 Euro verurteilt, ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat angeordnet und die Privilegierung des § 25 Abs. 2 a StVG gewährt.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 9. Februar 2003 mit einem Kraftfahrzeug in Eilenburg öffentliche Straßen. Als bei einer um 00:30 Uhr durchgeführten polizeilichen Verkehrskontrolle Alkoholgeruch bemerkbar war, wurde der Betroffene um 00:45 Uhr einer Atemalkoholmessung unterzogen. Die Messung wurde mit einem geeichten Atemalkoholmessgerät Dräger Alcotest 7110 Evidential durchgeführt und ergab eine Atemalkoholkonzentration von 0,46 mg/l.

Gegen das Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

1. Bei der Bestimmung der Atemalkoholkonzentration mit dem Messgerät Dräger Alcotest 7110 Evidential handelt es sich um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (allgemein zu standardisierten Messverfahren BGH, Beschluss vom 19. August 1993, BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081; speziell für Atemalkoholmessung BGH, Beschluss vom 03. April 2001, BGHSt 46, 358 = NJW 2001, 1952; BayObLG NZV 2000, 295). In diesen Fällen reicht es grundsätzlich aus, dass das angewandte Messverfahren und das Messergebnis mitgeteilt wird. Gleichwohl muss sich der Tatrichter im Einzelfall von der Beachtung der Verfahrensbestimmungen - wie etwa der Kontroll- und Wartezeiten (vgl. OLG Dresden NStZ 2004, 352) überzeugen. Im Urteil muss er hierzu aber nur dann Ausführungen machen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese nicht eingehalten worden sind (vgl. BayObLG NJW 2003, 1752; BGH NJW 1993, 3081 (3082); OLG Dresden, Beschluss vom 03. Januar 2005, Az.: Ss [OWi] 629/04). Werden deshalb weder konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler ersichtlich noch Messfehler von dem Betroffenen oder einem anderen Verfahrensbeteiligten behauptet, muss der Tatrichter im Urteil nicht feststellen, dass die Bedingungen für ein ordnungsgemäßes Messverfahren gewahrt worden sind (OLG Dresden, Beschluss vom 03. Januar 2005, Az.: Ss [OWi] 629/04).

Im vorliegenden Fall sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die zwingend notwendige Wartezeit von mindestens 20 Minuten zwischen Trinkende und Messbeginn nicht eingehalten worden sein könnte. Das angegriffene Urteil teilt mit, dass der Betroffene um 00:30 Uhr einer polizeilichen Kontrolle unterzogen worden ist. Die erste Atemalkoholmessung wurde nach den Urteilsgründen um 00:45 Uhr durchgeführt. Das Trinkende hat das Amtsgericht nicht festgestellt.

Die fehlenden Feststellungen führen zur Aufhebung des angegriffenen Urteils, weil eine Nichteinhaltung der Wartezeit die Unverwertbarkeit der Atemalkoholmessung zur Folge hat (OLG Dresden NStZ 2004, 352; BayObLG DAR 2005, 40).

Eine eigene Sachentscheidung gemäß § 354 Abs. 1 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG ist dem Senat gleichwohl verwehrt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine neue Hauptverhandlung noch Aufschlüsse zum Trinkende zu erbringen vermag, weil sich der Betroffene zum Ort der Alkoholaufnahme und zu der von ihm anschließend befahrenen Strecke eingelassen hat.

2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Sollte das Amtsgericht in der neuen Hauptverhandlung die Einhaltung der Wartezeit von mindestens 20 Minuten nicht feststellen können, wird eine Verwertbarkeit auch nicht dadurch herbeigeführt werden können, dass das - auch sachverständig beratene - Gericht von dem gewonnenen Messwert einen Sicherheitsabschlag vornimmt.

Bei der Bemessung des in § 24a Abs. 1 StVG normierten Atemalkohol-Grenzwertes hat der Gesetzgeber die Ergebnisse des Gutachtens des Bundesgesundheitsamtes "Beweissicherheit der Atemalkoholanalyse " (Unfall- und Sicherheitsforschung Straßenverkehr, hrsg. von der Bundesanstalt für Straßenwesen, H.86 [1992], S. 14) zugrundegelegt und ist dabei ausdrücklich davon ausgegangen, dass zuverlässige Messergebnisse nur gewonnen werden können, wenn die verwendete Messmethode den im Gutachten genannten Anforderungen genügt (BT-Drs. 13/1439, S. 4; vgl. auch BGHSt 46, 358 [363]). Danach ist eine Wartezeit von mindestens 20 Minuten zwischen Beendigung der Alkoholaufnahme (Trinkende) und Beginn der Messung notwendig. Nur so konnte von der Berücksichtigung - zusätzlicher - Sicherheitsabschläge abgesehen werden. Im Übrigen liegen keine gesicherten Anhaltspunkte dafür vor, in welcher Höhe Sicherheitsabschläge bei einer Unterschreitung der Wartezeit festzusetzen wären. Die Einhaltung der für eine ordnungsgemäße Messung notwendigen Verfahrensbestimmungen stellt auch keine unzumutbaren Anforderungen an die Praxis (OLG Dresden NStZ 2004, 352).

b) Soweit das Amtsgericht in der neuen Hauptverhandlung erneut zu der Überzeugung einer zumindest fahrlässigen Begehungsweise kommt, wird es die Merkmale der inneren Tatseite, sofern sie sich nicht von selbst aus der Sachverhaltsschilderung ergeben, durch tatsächliche Feststellungen zu belegen haben. Insbesondere sind die Rechtsbegriffe Vorsatz und Fahrlässigkeit in ihre tatsächlichen Bestandteile aufzulösen (KK-Engelhardt, StPO, 5. Aufl., § 267 Rdn. 10).

Im vorliegenden Fall hat sich das Amtsgericht lediglich auf die Feststellung beschränkt, dass Anhaltspunkte für vorsätzliches Verhalten nicht bestanden hätten.

c) Bei einer erneuten Verurteilung werden zwischen dem Verkehrsverstoß und dem neuen tatrichterlichen Urteil zwei Jahre vergangen sein. Das Amtsgericht wird deshalb zu prüfen haben, ob von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen ist.

Nach der gesetzgeberischen Intention hat das Fahrverbot in erster Linie eine Erziehungsfunktion und ist als "Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme" gedacht und ausgeformt (vgl. BVerfGE 27, 36 [42]). Von ihm soll eine warnende Wirkung auf den Betroffenen ausgehen, sich künftig verkehrsordnungsgemäß zu verhalten, um sich nicht wieder der besonders lästigen oder gar beruflich und wirtschaftlich beeinträchtigenden Wirkung eines befristeten Verbotes auszusetzen. Dabei setzt der Gesetzgeber auf den normalerweise ablaufenden Lernprozess des Kraftfahrers, der im möglichst zeitnahem Abstand zum Verkehrsverstoß einsetzen soll, um so eindringlich und nachhaltig wie möglich zu wirken. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass das Fahrverbot seinen Sinn verloren haben kann, wenn zwischen dem Verkehrsverstoß und der Verhängung der Maßnahme ein erheblicher Zeitraum liegt und in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten im Straßenverkehr festgestellt worden ist. Die Oberlandesgerichte gehen dabei von einem Mindestzeitraum von zwei Jahren aus (OLG Dresden, OLG-NL 2003, 167 m. w. N.).

III.

Die Zurückverweisung erfolgt an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts, weil kein triftiger Grund vorliegt, die Sache an eine andere Abteilung oder ein anderes Amtsgericht zu verweisen (§ 79 Abs. 6 OWiG).



Ende der Entscheidung

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