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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 09.08.2006
Aktenzeichen: Ss (OWi) 358/06
Rechtsgebiete: LadSchlG


Vorschriften:

LadSchlG § 8 Abs. 1 S. 2
LadSchlG § 24 Abs. 1 Nr. 2a
Ein Verstoß gegen die Beschränkungsanordnung in § 8 Abs. 1 Satz 2 Ladenschlussgesetz, wonach während der allgemeinen Ladenschlusszeiten nur der Verkauf von Reisebedarf zulässig ist, ist nach § 24 Abs. 1 Nr. 2a Ladenschlussgesetz nicht bußgeldbewehrt.

Es liegt insoweit auch kein bußgeldbewehrter Verstoß gegen die Generalklausel des § 3 Ladenschlussgesetz in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Nr. 2a Ladenschlussgesetz vor.


Oberlandesgericht Dresden Beschluss

Aktenzeichen: Ss (OWi) 358/06

vom 09. August 2006

in der Bußgeldsache gegen

wegen Verstoßes gegen das Ladenschlussgesetz

Tenor:

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 24. Januar 2006 aufgehoben.

2. Der Betroffene wird freigesprochen.

3. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

I.

Das Landgericht Leipzig hat den Betroffenen mit Urteil vom 24. Januar 2006 wegen fahrlässigen Verstoßes gegen das Ladenschlussgesetz zu einer Geldbuße von 50,00 EUR verurteilt. Ihm wird zur Last gelegt, am 06. Februar 2005, einem Sonntag, gegen 16:15 Uhr in seinem Einzelhandelsgeschäft im G Bahnhof in der in Leipzig einen Kasten mit Getränken verkauft zu haben.

Hiergegen hat der Betroffene form- und fristgerecht Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt und diese rechtzeitig mit der Sachrüge begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die vom Einzelrichter mit Beschluss vom heutigen Tage zugelassene Rechtsbeschwerde, über die der Senat in der Besetzung mit drei Richtern entscheidet, führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zum Freispruch des Betroffenen.

1. Das dem Betroffenen zur Last gelegte Verhalten erfüllt keinen Ordnungswidrigkeitentatbestand nach dem Ladenschlussgesetz.

a) Die durch den am 01. Januar 1975 in Kraft getretenen Artikel 243 EGStGB aus Gründen der Rechtsklarheit neu gefasste Norm des § 24 Ladenschlussgesetz enthält einen abschließenden Katalog (Enumerationsprinzip) derjenigen Bestimmungen des Ladenschlussgesetzes, deren Verletzung als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann (Ambs in Erbs/Kohlhaas, Ladenschlussgesetz, § 24 Rdnr. 8). Verstöße gegen Bestimmungen des Ladenschlussgesetzes stellen somit nur dann eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit dar, wenn diese Bestimmung im Katalog des § 24 Ladenschlussgesetz aufgeführt ist.

b) Nach den Urteilsfeststellungen soll der Betroffene an einem Sonntag seine im G Bahnhof gelegene Verkaufsstelle offengehalten und einen Kasten Getränke verkauft haben. Hierin sieht das Amtsgericht einen Verstoß gegen § 24 Abs. 1 Nr. 2 a Ladenschlussgesetz in Verbindung mit § 3 Nr. 1 Ladenschlussgesetz. Der Betroffene könne zwar die "Privilegierung" des § 8 Abs. 1 Ladenschlussgesetz für sich in Anspruch nehmen, wonach abweichend von den Vorschriften des § 3 Verkaufsstellen auf Personenbahnhöfen von Eisenbahnen und Magnetschwebebahnen an allen Tagen während des ganzen Tages geöffnet sein dürfen, soweit sie den Bedürfnissen des Reiseverkehrs zu dienen bestimmt seien; jedoch sei während der allgemeinen Ladenschlusszeiten nur der Verkauf von Reisebedarf (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Ladenschlussgesetz) zulässig, worunter ein Kasten Getränke nicht mehr falle.

Der dem Betroffenen gemachte Vorwurf bezieht sich damit auf einen Verstoß gegen die in § 8 Abs. 1 Satz 2 Ladenschlussgesetz enthaltene sogenannte Beschränkungsanordnung, wonach während der allgemeinen Ladenschlusszeiten (nur) der Verkauf von Reisebedarf im Sinne von § 2 Abs. 2 Ladenschlussgesetz zulässig ist. In § 24 Abs. 1 Nr. 2 Ladenschlussgesetz sind jedoch Verstöße gegen die Beschränkungsanordnung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Ladenschlussgesetz, wie auch beispielsweise gegen §§ 5 und 12 Ladenschlussgesetz, nicht aufgeführt. Demgegenüber werden Verstöße gegen Beschränkungsanordnungen bei vergleichbaren anderen Sachverhalten ausdrücklich als Ordnungswidrigkeit angeführt. So dürfen etwa Apotheken nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Ladenschlussgesetz während der allgemeinen Ladenschlusszeiten nur bestimmte Waren verkaufen. Ein Verstoß gegen diese Beschränkungsanordnung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Ladenschlussgesetz ist jedoch ausdrücklich in § 24 Abs. 1 Nr. 2 a Ladenschlussgesetz als Ordnungswidrigkeit genannt. Gleiches gilt für Tankstellen, welche nach § 6 Abs. 2 Ladenschlussgesetz während der allgemeinen Ladenschlusszeiten nur Ersatzteile für Kraftfahrzeuge sowie Betriebsstoffe und Reisebedarf abgeben dürfen. Auch diese Bestimmung ist ausdrücklich in § 24 Abs. 1 Nr. 2 a Ladenschlussgesetz aufgeführt. Ebenso ist ein Verstoß gegen Beschränkungen für Verkaufsstellen auf Flughäfen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 Ladenschlussgesetz) ausdrücklich in den Ordnungswidrigkeitenkatalog des § 24 Abs. 1 Nr. 2 a Ladenschlussgesetz aufgenommen.

Aus dieser differenzierten Regelung kann nur der Schluss gezogen werden, dass die dort nicht genannten Verstöße gegen Beschränkungsanordnungen nach dem Ladenschlussgesetz auch keine Ordnungswidrigkeiten darstellen. Dies ergibt sich schon aus dem verfassungsrechtlichen Gebot der Bestimmtheit und Klarheit einer Ahndungsnorm (vgl. Stober, Ladenschlussgesetz, 3. Aufl., § 8 Rdnr. 29; OLG Köln, GewArch 1987, 138).

c) Der Verstoß des Betroffenen gegen die Beschränkungsanordnung nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Ladenschlussgesetz kann auch nicht als Verstoß gegen die Generalklausel des § 3 Ladenschlussgesetz angesehen werden (so aber ein Teil der Literatur: Zmarzlik/Roggendorf, LSchlG, 2. Aufl., § 8 Rdnr. 26; wohl auch Ambs in Erbs/ Kohlhaas, LSchlG, § 8 Rdnr. 8).

Gegen § 3 Ladenschlussgesetz verstößt, wer eine Verkaufsstelle vorbehaltlich der Ausnahmevorschriften der §§ 4 bis 15 Ladenschlussgesetz zu den allgemeinen Ladenschlusszeiten geöffnet hält. Der Verstoß gegen eine Beschränkungsanordnung kann jedoch nicht als verbotenes "Offenhalten" einer Verkaufsstelle im Sinne von § 3 Ladenschlussgesetz gewertet werden. § 3 Ladenschlussgesetz regelt nur die Schlusszeiten einer "Verkaufsstelle". Nach der Legaldefinition des § 1 Ladenschlussgesetz sind Verkaufsstellen im Sinne des Gesetzes u.a. Ladengeschäfte. Erfasst werden also jeweils das gesamte Ladengeschäft als betriebliche und organisatorische Einheit mit allen Nebenräumen, soweit sie zur Geschäftseinheit gehören. Ein unzulässiger Verkauf einzelner Waren innerhalb dieser Verkaufsstelle ist schon nach allgemeinem Sprachgebrauch kein verbotenes "Offenhalten" des Geschäftes selbst. Um den Verkauf einer nicht privilegierten Sache als unzulässige Öffnung einer Verkaufsstelle werten zu können, müsste jede einzelne Warengruppe innerhalb eines Ladengeschäftes als eigene Verkaufsstelle anzusehen sein. Eine solche Auslegung wäre jedoch praxisfremd und vom Gesetzgeber so auch nicht gewollt. Dies würde nämlich dazu führen, dass während der allgemeinen Ladenschlusszeiten die Verkaufsstelle hinsichtlich nicht privilegierter Warengruppen zu schließen wäre. Der Ladeninhaber müsste demnach während der allgemeinen Ladenschlusszeiten sein Ladengeschäft entsprechend "umräumen". Dass solches weder zumutbar noch vom Gesetzeszweck des Ladenschlussgesetzes gewollt ist, liegt auf der Hand.

Darüber hinaus spricht der Katalog des § 24 Ladenschlussgesetz selbst dafür, dass auch der Gesetzgeber zwischen Verstößen gegen die Generalklausel des § 3 Ladenschlussgesetz und Verstößen gegen die in §§ 4 bis 15 Ladenschlussgesetz enthaltenen Einzelbestimmungen, insbesondere Beschränkungsanordnungen, unterschieden hat. Hinzu kommt, dass die Einzelaufzählung in § 24 Abs. 1 Nr. 2 a Ladenschlussgesetz überflüssig wäre, wenn jeder Verstoß gegen eine nach §§ 4 bis 15 Ladenschlussgesetz ergangene Ausnahmeregelung stets § 3 Ladenschlussgesetz verletzen würde. Es würde dann genügen, in § 24 Abs. 1 Nr. 2 a Ladenschlussgesetz nur § 3 Ladenschlussgesetz zu erwähnen.

Angesichts der eindeutigen Gesetzesfassung, für deren Änderung der Gesetzgeber offensichtlich bislang keinen Bedarf gesehen hat, ist daher eine Ahndung des vorliegenden Verstoßes gegen § 8 Abs. 1 Satz 2 Ladenschlussgesetz als Ordnungswidrigkeit nicht möglich.

2. Nachdem das Verhalten des Betroffenen auch nach anderen Vorschriften nicht bußgeldbewehrt ist, war er freizusprechen.

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass zwar die Verhängung eines Bußgeldes aus vorgenannten Gründen ausscheidet; ein verwaltungsrechtliches Vorgehen der Behörde, etwa durch Erlass einer Ordnungsverfügung gegen den Betroffenen mit nachfolgender Festsetzung eines Zwangsgeldes, bleibt aber möglich.

Ende der Entscheidung

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