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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 06.05.2003
Aktenzeichen: Ss (OWi) 565/02
Rechtsgebiete: StVG


Vorschriften:

StVG § 25 Abs. 1
Sind zwischen dem Verkehrsverstoß und dem tatrichterlichen Urteil mindestens zwei Jahre vergangen und keine weiteren Verstöße festgestellt, wird regelmäßig von der Verhängung eines Fahrverbotes als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme abzusehen sein, sofern nicht ausnahmsweise besondere Umstände seine Anordnung gebieten.
Oberlandesgericht Dresden

Senat für Bußgeldsachen

Aktenzeichen: Ss (OWi) 565/02

Beschluss

vom 06. Mai 2003

in der Bußgeldsache gegen

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 12. Juni 2002 wird mit der Maßgabe verworfen, dass das angeordnete Fahrverbot in Wegfall gerät.

Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens, jedoch wird die Gebühr um 1/3 ermäßigt. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt zu 1/3 die Staatskasse, im Übrigen trägt sie der Betroffene.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Dresden hat den Betroffenen am 12. Juni 2002 wegen einer am 10. Mai 2000 begangenen "fahrlässigen Überschreitung der innerhalb geschlossener Ortschaften für alle Kraftfahrzeuge zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h" schuldig gesprochen, ihn zu einer Geldbuße i.H.v. 100,00 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot für die Dauer eines Monats angeordnet.

Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Dresden im Rechtsfolgenspruch mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen sowie die weitergehende Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat einen Teilerfolg; das Fahrverbot entfällt.

1. Die auf die Sachrüge hin durchzuführende Überprüfung des angefochtenen Urteils hat hinsichtlich des Schuldspruchs keinen den Betroffenen beschwerenden Rechtsfehler ergeben, weshalb die Rechtsbeschwerde auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Dresden insoweit als unbegründet verworfen wird (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO).

2. Der Rechtsfolgenausspruch hält hingegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a. Zwar ist das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der dem Betroffenen nachgewiesene Geschwindigkeitsverstoß um 39 km/h ein Regelfall für die Anordnung eines Fahrverbotes ist (BKat lfd. Nr. 5.3.3 a.F., BKat lfd. Nr. 11.3.6, in der Fassung vom 01.01.2002). Auch hat es gesehen, dass die Tat zum Zeitpunkt des Urteils über zwei Jahre zurückgelegen hat. Wegen der "Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung" (UA S. 8) hielt es gleichwohl neben der Regelgeldbuße auch die Anordnung eines Fahrverbotes für geboten. Diese Begründung trägt die Rechtsfolge nicht, weil die Geschwindigkeit bereits Tatbestandsvoraussetzung für die Anordnung des Fahrverbotes ist und darüber hinaus keine eigenständige Bedeutung mehr hat.

b. Nach der gesetzgeberischen Intention hat das Fahrverbot in erster Linie eine Erziehungsfunktion und ist als "Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme" gedacht und ausgeformt (vgl. BVerfGE 27, 36, 42).

Von ihm soll eine warnende Wirkung auf den Betroffenen ausgehen, sich künftig verkehrsordnungsgemäß zu verhalten, um sich nicht wieder der besonders lästigen oder gar beruflich und wirtschaftlich beeinträchtigenden Wirkung eines befristeten Verbotes auszusetzen. Dabei setzt der Gesetzgeber auf den normalerweise ablaufenden Lernprozess des Kraftfahrers, der im möglichst zeitnahen Abstand zum Verkehrsverstoß einsetzen soll, um so eindringlich und nachhaltig wie möglich zu wirken. In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass das Fahrverbot seinen Sinn verloren haben kann, wenn zwischen dem Verkehrsverstoß und der Verhängung der Maßnahme ein erheblicher Zeitraum liegt und in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten im Straßenverkehr festgestellt worden ist. Die Oberlandesgerichte gehen in ihren Entscheidungen von einem Mindestzeitraum von zwei Jahren aus (vgl. OLG Schleswig, DAR 2000, 584; OLG Köln, DAR 2000, 484; OLG Zweibrücken, DAR 2000, 586; OLG Düsseldorf, MDR 2000, 829; OLG Rostock, ZfSch 2001, 383; BayObLG, Beschluss vom 23. Januar 2000 - 1 OWi 671/01 -; OLG Hamm, DAR 2000, 580, 581; OLG Dresden, Beschluss vom 17. Juni 2002 - Ss (OWi) 196/02 -; Beschluss vom 27. Juni 2002 - Ss (OWi) 43/02).

Sind zwischen dem Verkehrsverstoß und dem tatrichterlichen Urteil mindestens zwei Jahre vergangen und keine weiteren Verstöße festgestellt, wird daher von der Verhängung eines Fahrverbotes regelmäßig abzusehen sein, sofern nicht ausnahmsweise besondere Umstände seine Anordnung gebieten. Da das Amtsgericht solche nicht festgestellt hat, war der Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich des Fahrverbotes aufzuheben.

c. Einer Zurückverweisung an den Bußgeldrichter bedarf es nicht, da der Senat selbst in der Sache entscheiden kann (§ 79 Abs. 6 OWiG). Zwar stellt der Bußgeldrichter lediglich fest, dass der Betroffene nicht "vorbestraft" sei, doch geht aus der Beweiswürdigung hervor, dass er sowohl einen Auszug aus dem Bundeszentralregister als auch einen Auszug aus dem Verkehrszentralregister herangezogen hat. Dies lässt nur den Schluss zu, dass mit "vorbestraft" gemeint ist, dass der Betroffene auch nicht durch Verkehrsordnungswidrigkeiten aufgefallen ist.

Der Senat hatte daher davon auszugehen, dass der Betroffene Ersttäter ist und zwischen Tat und tatrichterlichem Urteil beanstandungsfrei gefahren ist. Da diese Zeitspanne mehr als zwei Jahre betrug und weitere Umstände nicht hinzugetreten sind, bedarf es beim Betroffenen nicht mehr der erzieherischen Wirkung eines Fahrverbotes, § 25 Abs.1 S. 1 StVG.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 und Abs. 4 StPO.

Ende der Entscheidung

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