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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 07.02.2006
Aktenzeichen: Ss (OWi) 955/05
Rechtsgebiete: GewO, EG


Vorschriften:

GewO § 35 Abs. 1 S. 1
GewO § 35 Abs. 1 S. 2
GewO § 146 Abs. 1 Nr. 1a
EG Art. 43
EG Art. 48
Ein Betroffener, dem nach § 35 Abs. 1 S. 1 und S. 2 GewO die Ausübung eines Gewerbes einschließlich der Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person untersagt ist, verstößt auch dann gegen die Untersagungsverfügung, wenn er die untersagte Tätigkeit als Geschäftsführer der im Inland errichteten Zweigniederlassung einer im europäischen Ausland gegründeten Gesellschaft (hier einer in Großbritannien gegründeten Limited) ausübt. Europäisches Gemeinschaftsrecht steht dem nicht entgegen.
Oberlandesgericht Dresden Beschluss

Aktenzeichen: Ss (OWi) 955/05

vom 07. Februar 2006

in der Bußgeldsache gegen

wegen Verstoßes gegen die Gewerbeordnung

Tenor:

1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Borna vom 24. Oktober 2005 wird als unbegründet verworfen.

2. Der Betroffene hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Borna hat den Betroffenen mit Urteil vom 24. Oktober 2005 wegen "fahrlässigen Verstoßes gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 35 GewO" zu einer Geldbuße von 250,00 EUR verurteilt.

Hiergegen hat der Betroffene durch seinen Verteidiger form- und fristgerecht "Rechtsbeschwerde" eingelegt und diese rechtzeitig mit der Verletzung materiellen Rechts begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Mit Beschluss vom heutigen Tage hat der Senat - Der Einzelrichter - die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Borna vom 24. Oktober 2005 zugelassen und die Sache dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg; die Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge hat keine Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen aufgedeckt.

Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen wurde dem Betroffenen mit seit 31. Dezember 2004 rechtskräftigem Bescheid des Landratsamtes Leipziger Land die Ausübung des Gewerbes Klempner-, Installateur- und Heizungsbauerhandwerk gemäß § 35 Abs. 1 GewO untersagt, wobei sich die Untersagung auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie auf die Ausübung jeglichen Gewerbes für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erstreckt. Im Jahr 2004 gründete der Betroffene die "A - Sanitär-Heizung-Limited" mit Sitz in Birmingham, welche unter der Nummer: im Handelsregister der Stadt Birmingham eingetragen ist. Am 02. Februar 2005 meldete der Betroffene für die Hauptniederlassung dieser Firma eine Zweigniederlassung mit Sitz in Markranstädt an, nahm mit der Anmeldung das Gewerbe des Klempner-, Installateur- und Heizungsbauerhandwerks wieder auf und führte dieses bis zum Erlass des Bußgeldbescheides vom 04. Mai 2005 aus.

Diese Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen Verstoßes gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 35 Abs. 1 GewO.

Danach hat die vom Betroffenen gegründete "A -Sanitär-Heizung-Limited", eine juristische Person des Privatrechts mit beschränkter Haftung nach englischem Recht, eine Zweigniederlassung in Markranstädt eröffnet, welche das Gewerbe des Klempner-, Installateur- und Heizungsbauerhandwerks ausgeführt hat. Geschäftsführer dieser Zweigniederlassung ist der Betroffene. Da diesem mit rechtskräftigem Bescheid des Landratsamtes Leipziger Land nicht nur die Ausübung des Gewerbes Klempner-, Installateur- und Heizungsbauerhandwerk in eigener Person untersagt worden ist, sondern gleichzeitig auch die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden (§ 35 Abs. 1 Satz 2 GewO), hat der Betroffene damit gegen eine vollziehbare Anordnung im Sinne des § 146 Abs. 1 Nr. 1 a GewO verstoßen.

Der Umstand, dass der Betroffene als Vertretungsberechtigter der Zweigniederlassung einer im europäischen Ausland gegründeten Limited gehandelt hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Soweit sich der Betroffene darauf beruft, die Durchführung eines Bußgeldverfahrens wegen Verstoßes gegen die gegen ihn ergangene Gewerbeuntersagungsverfügung widerspreche europäischem Gemeinschaftsrecht, insbesondere der Niederlassungsfreiheit nach Artikel 43 und 48 EG, kann dem nicht gefolgt werden.

Zwar setzt die Niederlassungsfreiheit grundsätzlich die Anerkennung der nach dem Recht eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union wirksam gegründeten Gesellschaften durch alle anderen Mitgliedsstaaten voraus; so ist es mit der Niederlassungsfreiheit nicht zu vereinbaren, wenn ein Mitgliedsstaat einer Gesellschaft, die in einem anderen Mitgliedsstaat ordnungsgemäß gegründet worden ist und dort ihren satzungsmäßigen Sitz hat, die Rechtsfähigkeit und damit die Parteifähigkeit abspricht (vgl. EuGH, Urteil vom 05. November 2002, ZIP 2002, 2037, "Überseering") oder die Ausübung der Freiheit zur Errichtung einer Zweigniederlassung in seinem Staat von bestimmten, die Gründung von Gesellschaften nach seinem innerstaatlichen Recht betreffenden Voraussetzungen abhängig macht (vgl. EuGH, Urteil vom 09. März 1999, ZIP 1999, 438, "Centros"). Vorliegend geht es bei der bußgeldrechtlichen Ahndung des vom Betroffenen begangenen Verstoßes gegen die Gewerbeuntersagungsverfügung aber nicht etwa um die Verhinderung der bloßen Ausnutzung größtmöglicher Freiheiten bei der Gesellschaftsgründung (vgl. EuGH, ZIP 1999, 438, 440, Tz. 27). Vielmehr soll die offenkundige Umgehung von Vorschriften zum Schutz der Allgemeinheit, hier der Vorschriften über die Untersagung der Gewerbeausübung wegen Unzuverlässigkeit nach § 35 GewO, die im Kern nicht die Errichtung und Tätigkeit der Gesellschaft, sondern das rechtlich intolerable Verhalten konkreter Einzelpersonen betreffen, verhindert werden.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist die missbräuchliche oder betrügerische Berufung auf Gemeinschaftsrecht nicht gestattet (vgl. Centros, ZIP 1999, 438 Tz. 24 m.w.N., Tz. 38). Eine solche missbräuchliche Berufung auf Gemeinschaftsrecht liegt jedenfalls dann vor, wenn ein Inländer, dem aufgrund einer gemeinschaftskonformen gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung untersagt ist, ein bestimmtes Gewerbe zu führen, sich des Vehikels einer ausländischen Gesellschaft bedienen will, um die ihm untersagte Tätigkeit trotzdem im Inland auszuüben (OLG Zweibrücken, ZIP 2003, 849, 851; Knapp, DNotZ 2003, 85, 89 m.w.N.).

Da die Regelungen über die Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO somit auch für den Betroffenen als Geschäftsführer der Zweigniederlassung einer in Großbritannien gegründeten Limited gelten (so auch OVG NRW, Beschluss vom 17. Dezember 2004, 4 B 2183/04; OVG NRW, Beschluss vom 09. September 2005, GewArch 2005, 486; AG Limburg, GewArchiv 2005, 29), hat das Amtsgericht zutreffend einen Verstoß gegen die vollziehbare Gewerbeuntersagungsverfügung des Landratsamtes angenommen.

Soweit sich der Betroffene auf eine Entscheidung des OLG Oldenburg vom 28. Mai 2001 (RIW 2001, 863) beruft, betrifft diese zum einen lediglich eine registerrechtliche Frage; zum anderen kann der dort im nicht entscheidungserheblichen Teil geäußerten Auffassung aus den vorgenannten Gründen nicht gefolgt werden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

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