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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 04.07.2002
Aktenzeichen: Ss (OWi)9068/01
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 338 Nr. 3
Zur Befangenheitsrüge
0berlandesgericht Dresden Senat für Bußgeldsachen

Aktenzeichen: Ss (OWi) 9068/01 3 OWi 153 Js 56203/00 AG Döbeln

Beschluss

vom 04. Juli 2002

in der Bußgeldsache gegen

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

Tenor:

1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Döbeln vom 24. August 2001 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die unter Ziffer 1. der Urteilsformel verhängte Geldbuße auf 100,00 EUR festgesetzt wird. Des Weiteren wird die Urteilsformel unter

Ziffer 2. wie folgt ergänzt:

"Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung."

2. Der Betroffene trägt die Kosten seines Rechtsmittels, § 46 OWiG, § 473 Abs. 1 Satz 2 StPO.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Döbeln hat den Betroffenen am 24. August 2001 wegen fahrlässiger Nichtbeachtung einer durch Vorschriftszeichen angeordneten Geschwindigkeitsbegrenzung zu einer Geldbuße von 250,00 DM verurteilt sowie ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat gegen ihn verhängt.

Hiergegen hat der Betroffene durch seinen Verteidiger formund fristgerecht Rechtsbeschwerde einlegen lassen und diese fristgerecht mit der Sachrüge sowie Verfahrensrügen begründet. Im Einzelnen wird auf die Rechtsbeschwerdebegründungsschrift vom 05. Oktober 2001 verwiesen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Döbeln aufzuheben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge lediglich in geringem Umfang Erfolg zum Rechtsfolgenausspruch. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Das Amtsgericht hat zur Bußgeldbemessung wie folgt ausgeführt (UA S. 6):

"Die Geschwindigkeitsüberschreitung betrug 50 km/h. Nach dem vorliegenden Bußgeldkatalog Nr. 5.3 i.V.m. Tabelle 1 c ist für diesen Verstoß eine Geldbuße von 200,00 DM sowie ein Monat Fahrverbot vorgesehen. Da der Verkehrszentralregisterauszug bezüglich des Betroffenen vom 26. Juni 2000 drei Eintragungen aufweist, insbesondere die letzte, rechtskräftig am 13. Juli 1999, bereits ein Fahrverbot von einem Monat und einer Geldbuße von 150,00 DM enthält, war die Geldbuße angemessen auf 250,00 DM zu erhöhen. ..." Diese Ausführungen sind rechtsfehlerhaft und vermögen eine Erhöhung des Bußgeldes auf 250,00 DM nicht zu begründen. Das Amtsgericht hat nämlich übersehen, dass die von ihm zur Erhöhung des Bußgeldes herangezogenen Voreintragungen zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung im Verkehrszentralregister bereits tilgungsreif waren. Die Voreintragungen - von denen im Übrigen nur die letzte mitgeteilt worden ist - durften somit nicht mehr zulasten des Betroffenen verwertet werden (§ 29 Abs. 7 u. Abs. 8 StVG).

Der Senat hat daher gemäß § 79 Abs. 6 OWiG i.V.m. § 354 Abs. 1 StPO den Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass er die gemäß Tabelle 1 a lfd. Nr. 5.3.4 BKat (in der zur Tatzeit geltenden Fassung) für Fälle der vorliegenden Art vorgesehene Geldbuße in Höhe von 200,00 DM, nunmehr 100,00 EUR festgesetzt hat.

Das vom Amtsgericht übersehene Verwertungsverbot führt des Weiteren zur Anwendung des § 25 Abs. 2 a StVG, weswegen der Senat den Rechtsfolgenausspruch dahingehend ergänzt hat.

2. Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde jedoch erfolglos.

a) Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen (weiteren) Rechtsfehler zulasten des Betroffenen ergeben. Das Beschwerdevorbringen der (angeblich) fehlenden Überzeugungsbildung des Tatrichters von der Täterschaft des Betroffenen geht an den diese eindeutig ausweisenden Urteilsgründen offensichtlich vorbei.

b) Die erhobenen Verfahrensrügen sind überwiegend unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.

Soweit der Rechtsbeschwerdeführer die Aufklärungsrüge erhebt und des Weiteren die falsche Sachbehandlung mehrerer gestellter Befangenheitsanträge rügt, hat dies in einer den Formvorschriften des § 344 Abs. 2 StPO genügenden Form zu erfolgen. Demnach müssen die den Mangel begründenden Tatsachen so vollständig angegeben werden, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein anhand der Beschwerdebegründung in die Lage versetzt wird zu überprüfen, ob ein Verfahrensfehler vorliegt.

Im Rahmen der Rüge des § 338 Nr. 3 StPO muss der Beschwerdeführer demnach in der Regel wörtlich, zumindest aber dem genauen Inhalt nach, das Ablehnungsgesuch und den ablehnenden Gerichtsbeschluss mitteilen, ferner - soweit vorhanden - den Inhalt der dienstlichen Äußerung nach § 26 Abs. 3 StPO sowie alles sonstige zum Verständnis der Rüge Erforderliche (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 338 Rdnr. 29 m. w.N.).

(1) Dem genügen die nachstehend aufgeführten Rügen nicht:

aa) Im Hinblick auf die unter Ziffer 7 der Beschwerdebegründung erhobene Aufklärungsrüge fehlt es insoweit bereits an der erforderlichen Mitteilung von Tatsachen, aus denen sich dem Amtsgericht gerade die vom Betroffenen für erforderlich gehaltene Aufklärung - hier die Vernehmung des Zeugen F - hätte aufdrängen müssen.

Aus dem Rügevorbringen selbst ergibt sich nämlich, dass der erstmals in der Beschwerdeschrift mitgeteilte Umstand, der Zeuge F habe zum Tatzeitpunkt im Wagen gesessen und könne daher Angaben zum Fahrer machen, dem Amtsgericht in der Hauptverhandlung gerade nicht mitgeteilt worden ist. Da es insoweit mangels erforderlicher Konnexität bereits an einem wirksamen Beweisantrag fehlte, ist nicht ersichtlich, wieso sich das Amtsgericht angesichts dessen zu der Vernehmung des Zeugen F hätte gedrängt sehen sollen.

bb) Die weiter vom Betroffenen gerügte Ablehnung des gegen den Sachverständigen gestellten Befangenheitsantrags genügt ebenfalls nicht den Formvorschriften. Mag sich aus dem Gesamtzusammenhang des Rügevorbringens zwar gerade noch ergeben, dass der Betroffene den mit Verteidigerschriftsatz vom 17. August 2001 außerhalb der Hauptverhandlung angebrachten Befangenheitsantrag auch in der Hauptverhandlung selbst wiederholt hat (vgl. zu diesem Erfordernis Pfeiffer, StPO, 2. Aufl. § 74 Rdnr. 4), so mangelt es jedenfalls an der Mitteilung von konkreten Tatsachen, aus denen sich eine Voreingenommenheit des Sachverständigen gegenüber dem Betroffenen besorgen ließe. Diesbezüglich werden weder konkrete Äußerungen des Sachverständigen in dieser Hinsicht mitgeteilt noch eine konkrete Prozesssituation geschildert, aus der sich entsprechendes ableiten ließe. Der Vortrag, der Sachverständige sei befangen, weil er den Betroffenen unbedingt als Täter habe identifizieren wollen, stellt eine reine Mutmaßung dar, die der Senat mangels mitgeteilter Tatsachen nicht überprüfen kann.

cc) Als unzulässig erweist sich auch die unter Ziffer 3 der Beschwerdebegründung erhobene Verfahrensrüge. Insoweit mangelt es bereits an der Wiedergabe des Inhaltes der laut Rügevorbringen gestellten "zwei weiteren" Befangenheitsanträge sowie der "nach fünf Minuten" verkündeten Ablehnungsentscheidungen. Diesbezüglich wird nicht einmal deutlich, ob die (nicht mitgeteilten) Anträge als unzulässig oder unbegründet verworfen wurden. Dem Rechtsbeschwerdegericht ist es daher schon deshalb nicht möglich zu überprüfen, ob der sich auf die Verwerfung der - nicht mitgeteil- ten - beiden Befangenheitsanträge stützende neuerliche Befangenheitsantrag zu Unrecht als unzulässig verworfen worden ist.

(2) Hinsichtlich der übrigen in der Rechtsbeschwerde unter Ziffern 2 und 4 bis 6 erhobenen Rügen kann es dahinstehen, ob diese zulässig erhoben sind, da sie sich jedenfalls als unbegründet erweisen. Bei der Rüge der fehlerhaften Ablehnung von Befangenheitsanträgen gegen das erkennende Gericht prüft der Senat - was die Generalstaatsanwaltschaft Dresden bei ihrem Antrag offensichtlich übersehen hat - das Vorbringen nämlich nicht nach Revisions-, sondern nach Beschwerdegrundsätzen, d. h. er prüft in der Sache selbst, ob das Ablehnungsgesuch zulässig und begründet war (vgl. Pfeiffer a.a.O., § 338 Rdnr. 13 m.w.N.). Selbst wenn ein Ablehnungsgesuch zu Unrecht als unzulässig verworfen worden sein sollte, führt dies dann nicht zur Urteilsaufhebung, wenn das Rechtsbeschwerdegericht aufgrund eigener Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Ablehnung unbegründet war. Dies ist hinsichtlich der oben aufgeführten Rügen der Fall. Hinsichtlich dieser Rügen werden keine Umstände angeführt, aus denen sich aus der Sicht eines verständigen Betroffenen die Besorgnis der Voreingenommenheit des erkennenden Richters ergeben könnte; solche sind auch nicht ersichtlich:

aa) Die Angriffe gegen die Ablehnung des unter Ziffer 2 der Beschwerdebegründung mitgeteilten Befangenheitsantrages erschöpfen sich in gegen den Inhalt der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters gerichteten bloßen Behauptungen, welche sich in reinen Mutmaßungen ergehen, denen jeder Tatsachenkern fehlt. bb) Auch die weiter gerügte Ablehnung bzw. Zurückstellung eines Unterbrechungsantrages des Verteidigers des Betroffenen (Ziffer 4 der Beschwerdebegründung) ist nicht geeignet, aus der Sicht eines verständigen Betroffenen die Voreingenommenheit des erkennenden Richters zu begründen. Die Zurückstellung eines Unterbrechungsantrages bis zur Beendigung der gerade laufenden Beweisaufnahme, hier der Vernehmung des Sachverständigen, entspricht dem gerade dem Betroffenen zu Gute kommenden Gebot der zügigen Sachbehandlung. Ob der vom Verteidiger des Betroffenen zu stellende Antrag von solcher Dringlichkeit war, dass ausnahmsweise eine sofortige Unterbrechung der Beweisaufnahme angezeigt gewesen wäre, kann nicht beurteilt werden, da der Inhalt des Antrages und eine sich hieraus möglicherweise ergebende Dringlichkeit desselben nicht mitgeteilt wird.

cc) Schließlich dringt der Betroffene auch nicht mit den unter Ziffern 5 und 6 der Beschwerdebegründung erhobenen Rügen durch. Die Fortsetzung der Hauptverhandlung für weitere 15 Minuten bis zur Beendigung der Vernehmung des Sachverständigen trotz eines - nicht mitgeteilten - Antrags des Verteidigers ist nicht geeignet, bei einem verständigen Betroffenen die Voreingenommenheit des Gerichts zu besorgen. Wie bereits ausgeführt, steht die zügige Durchführung der Hauptverhandlung gerade im Interesse des Betroffenen. Gleiches gilt für die Ablehnung der vom Verteidiger beantragten Aussetzung des Hauptverfahrens aus "Zeitgründen" wegen weiterer Besprechungstermine in anderer Sache. Es ist zudem weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Verteidiger sich daraufhin etwa geweigert hätte, die Verteidigung des Betroffenen weiter vorzunehmen. dd) Schließlich ist der vom Verteidiger gegen die Richterin am Amtsgericht S gestellte Befangenheitsantrag zutreffend als unzulässig verworfen worden. Die Ablehnung der nach Entscheidung des ersten Befangenheitsantrages am weiteren Verfahren nicht mehr beteiligten Richterin S ist unzulässig, da das Prozessrecht die nachträgliche Ablehnung eines Richters nach dessen Mitwirkung an einer gerichtlichen Entscheidung nicht kennt. Tatsachen, welche eine Befangenheit des abgelehnten Richters ergeben könnten, sind im Übrigen weder mitgeteilt noch ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Die Voraussetzungen für eine Ermäßigung der Gebühren und eine teilweise Überbürdung der Auslagen auf die Staatskasse nach § 473 Abs. 4 StPO liegen nicht vor. Zum einen handelt es sich vorliegend nicht um einen wesentlichen Teilerfolg, zum anderen ist unter Berücksichtigung der mit der Rechtsbeschwerde erstrebten Aufhebung des Urteils nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer das Rechtsmittel nicht eingelegt hätte, wenn bereits das Urteil des Amtsgerichts Döbeln so gelautet hätte wie das des Rechtsmittelgerichts. Spriegel Schüddekopf Vetter Vorsitzender Richter Richter am Richter am am Oberlandesgericht Oberlandesgericht Oberlandesgericht

Ende der Entscheidung

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