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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 11.09.2006
Aktenzeichen: WVerg 13/06
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 107 Abs. 3
1. Für die Beanstandung eines Bieters, ihm würden mit den Vergabeunterlagen Angaben abverlangt, die objektiv nicht möglich und deshalb vergaberechtswidrig seien, beginnt die Rügefrist des § 107 Abs. 3 GWB spätestens mit dem Beginn der Ausarbeitung des eigenen Angebots, weil der Bieter jedenfalls zu diesem Zeitpunkt den aus seiner Sicht rügebedürftigen Inhalt der Ausschreibung festgestellt hat und ihn dann gegenüber dem Auftraggeber nicht mehr unbeanstandet lassen darf.

2. In der Abgabe eines vom Ausschreibungsinhalt abweichenden Angebots liegt nicht ohne weiteres eine durch schlüssiges Verhalten erhobene Rüge, dass die anderslautenden Vorgaben des Auftraggebers vergaberechtswidrig seien.


Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: WVerg 13/06

Beschluss

des Vergabesenats

vom 11.09.2006

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

wegen Ausschreibung von Dienstleistungen zur Funkanalayse

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bastius, Richter am Oberlandesgericht Piel und Richter am Oberlandesgericht Bokern

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beschwerdeführerin vom 05.09.2006 auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde vom 28.08.2006 gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Freistaates Sachsen vom 10.08.2006 - 1/SVK/79-06 - wird abgelehnt.

Gründe:

Der Antrag bleibt ohne Erfolg. Denn nach dem Ergebnis der im Verfahren nach § 118 Abs. 1 S. 3 GWB allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung bietet die sofortige Beschwerde der Antragstellerin in der Hauptsache ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg. Die Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde (nicht des Nachprüfungsantrags, wie mit dem Schriftsatz vom 05.09.2006 formuliert, vgl. den Wortlaut von § 118 Abs. 1 S. 3 GWB) kommt daher schon deshalb nicht in Betracht, ohne dass es darüber hinaus einer Interessenabwägung gemäß § 118 Abs. 2 GWB bedarf.

1. Der Senat hält die angefochtene Entscheidung der Vergabekammer in Begründung und Ergebnis für richtig. Es spricht alles dafür, dass das Angebot der Beschwerdeführerin in der Sache zwingend auszuschließen war, weil es die von der Vergabestelle mit den Vergabeunterlagen verlangten Preisangaben für weniger als elf Sendegebiete nicht enthielt. Wenn die Beschwerdeführerin meint, objektive fachliche Gesichtspunkte machten entsprechende Preisangaben unmöglich, so hätte sie dies zum Anlass nehmen müssen, unverzüglich nach Kenntnisnahme von den Vergabeunterlagen, d. h. spätestens mit Beginn der Ausarbeitung des eigenen Angebots, die Ausschreibung hinsichtlich der umstrittenen Anforderungen insgesamt zu beanstanden, um der Vergabestelle Gelegenheit zu geben, den (hier unterstellten) Fehler zu beheben. Es stand der Beschwerdeführerin demgegenüber nicht frei, auf eine derartige Rüge zunächst zu verzichten und stattdessen zum Ablauf der Angebotsfrist eine Offerte abzugeben, die nur einen Teil der geforderten Angaben enthielt und damit den Inhalt des zu vergebenden Auftrags nach den vom Bieter für sachgerecht gehaltenen Gegebenheiten umgestaltete. Eine solche Verfahrensweise steht dem Bieter selbst dann nicht zu, wenn sie im sachlichen Kern gerechtfertigt wäre.

In der bloßen Angabe eines derart eingeschränkten Angebots liegt auch nicht ohne weiteres eine schlüssige Rügeerklärung i.S.d. § 107 Abs. 3 GWB. An eine solche Rüge sind zwar im formalen Sinne keine hohen Anforderungen zu stellen. Gleichwohl muss - auch und gerade vom Empfängerhorizont des Auftraggebers - zweifelsfrei zu erkennen sein, dass der Bieter ein bestimmtes Verhalten der Vergabestelle mit dem Ziel der Fehlerkorrektur konkret als vergaberechtswidrig angreifen will. Einen derartigen Inhalt misst der Senat der Angebotserklärung der Beschwerdeführerin nicht bei. Es kann daher offen bleiben, ob für den Fall, dass eine entsprechende Beanstandung dem Angebot zu entnehmen gewesen wäre, im Hinblick auf die Entstehung dieser Rügeobliegenheit (s. o.) die Frist des § 107 Abs. 3 GWB nicht bei Angebotsabgabe bereits verstrichen gewesen wäre.

2. Soweit durch die Übermittlung des Informationsschreibens nach § 13 VgV und die damit der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebrachten Wertungsabsichten der Vergabestelle ein neuerlicher Vergabeverstoß in Rede steht und dadurch auch erneut eine Rüge gem. § 107 Abs. 3 GWB möglich und notwendig geworden sein mag, hat die Beschwerdeführerin mit ihrem Rügeschreiben vom 21.07.2006 die hierfür eröffnete Frist jedenfalls versäumt. Denn sie hat das vorgenannte Informationsschreiben bereits am 10.07.2006 erhalten. Infolgedessen hätte die Rüge, gemessen an der ständigen Rechtsprechung des Senats zur Länge der Rügefrist, bis zum 17.07.2006 beim Auftraggeber eingehen müssen.

Denn ein Rügezeitraum von mehr als einer Woche (bis hin zu 2 Wochen als maximaler Obergrenze für seltene Ausnahemfälle) zwischen der erforderlichen Kenntnis des Bieters vom Vergabeverstoß und der Erhebung der Rüge erfüllt das Zeitkriterium des § 107 Abs. 3 GWB - unverzüglich - nur dann, wenn eine exzeptionell schwierige Sach- oder Rechtslage umfangreichen Prüfungs- und ggf. externen Beratungsbedarf des Bieters verursacht und dieser Klärungsprozess auch unter Berücksichtigung der gebotenen Beschleunigung schneller nicht zumutbar abgeschlossen werden kann (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 06.04.2004, WVerg 1/04). Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Vielmehr handelt es sich um eine überschaubare Sach- und Rechtslage, die auch unter Berücksichtigung des Entscheidungsprozesses bei der Beschwerdeführerin und der ggf. für notwendig erachteten Konsultation eines Rechtsanwalts binnen einer Woche zumindest soweit abschließend zu beurteilen gewesen wäre, dass eine nach Inhalt und Form wenig aufwändige, aber eben erforderliche Rüge hätte erhoben werden können.

Tatsächlich ist die Rügeerklärung dem Auftraggeber jedoch erst am 24.07.2006 (einem Montag) zugegangen, weil geschäftliche Erklärungen im Privatrechtsverkehr beim Empfänger nur dann mit Posteingang im Rechtssinne zugehen, wenn dies während der Geschäftsstunden geschieht und damit jedenfalls eine Möglichkeit des Empfängers zur Kenntnisnahme besteht; ansonsten erfolgt der Zugang erst mit dem nächsten Geschäftsstundenbeginn (vgl. Palandt/Heinrichs, 65. Aufl. 2006, § 130 BGB Rn. 7 m.w.N.). Im Ergebnis kommt es auf diese letzte Überlegung indes nicht einmal an, weil die o. g. Wochenfrist im vorliegenden Fall selbst dann abgelaufen gewesen wäre, wenn man für den Zugang der Rüge auf den tatsächlichen Eingang des Rügeschreibens per Telefax beim Auftraggeber am 21.07.2006 (freitags, 19.25 Uhr) abstellen wollte.

Nach alledem mag die Beschwerdeführerin in Erwägung ziehen, auch zur Vermeidung weiterer Verfahrenskosten ihr Rechtsmittel zurückzunehmen.

Ende der Entscheidung

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