Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.05.2002
Aktenzeichen: 1 UF 2/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 543 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 543 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF URTEIL

1 UF 2/02

verkündet am: 7. Mai 2002

In der Familiensache

pp.

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. A und die Richter am Oberlandesgericht K und Dr. K auf die mündliche Verhandlung vom 16. April 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Duisburg vom 13.12.2001 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts - Familiengerichts - Duisburg vom 13.3.2001 - 55 F 51/00 - an die Klägerin nachehelichen Unterhalt ab dem 1.10.2001 in Höhe von monatlich 1267 DM und ab dem 1.1.2002 in Höhe von 648 € zu zahlen, jeweils monatlich im Voraus.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheit in Höhe von 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet. Die Sicherheiten können durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer Bank oder einer öffentlich-rechtlichen Sparkasse mit dem Sitz in der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten aufgrund des BGH-Urteils vom 13.6.2001 - XII ZR. 343/99 - auf Abänderung des Urteils des AG Duisburg vom 13.3.2001 - 55 F 51/00 - in Anspruch. In diesem Verfahren hatte die Klägerin den Beklagten erstmals - er hatte nach der seit dem 11.1.1997 rechtskräftigen Scheidung freiwillig Unterhalt gezahlt - auf Zahlung von mtl. 975 DM in Anspruch genommen mit der Begründung, es habe ihrer gemeinsamen Lebensplanung entsprochen, dass allein er für das Einkommen sorge - er ist Leiter der Werksfeuerwehr - und sie die Kinder groß ziehe und den Haushalt versorge; im übrigen sei sie krankheitsbedingt erwerbsunfähig. Hierzu hatte das AG ein Gutachten eingeholt mit dem Ergebnis, dass sie mit geringen Einschränkungen ohne weiteres erwerbsfähig ist. Ab 21.12.01 hat die Klägerin dann eine Tätigkeit beim D. aufgenommen; diese Tätigkeit war zunächst auf 1 Jahr befristet; inzwischen ist die Klägerin fest übernommen. Das Amtsgericht hatte ihr sodann für die Zeit bis zum 21.12.01 fiktive Einkünfte von bereinigt 1240 DM zugerechnet und unter Anwendung der Anrechnungsmethode bis zum 21.12.01 einen monatlichen Unterhalt von 975 DM zuerkannt; ab 1/02 hatte es einen Unterhaltsanspruch verneint, weil das nunmehr erzielte Arbeitseinkommen der Klägerin ihren nachehelichen Unterhaltsbedarf von 2242,04 DM überstieg und auf denselben anzurechnen war nach damaliger gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung.

Nach Änderung der Rechtsprechung des BGH zur Bemessung des Ehegattenunterhalts unter Anwendung der Differenzmethode - Urteil vom 13.6.2001 - XII ZR 343/99 - hat die Klägerin den Beklagten im Wege der Abänderungsklage auf Zahlung von 1320 DM mtl. Unterhalt ab 10/01 bzw. 660 € ab 1/02 in Anspruch genommen. Der Beklagte ist dem entgegengetreten unter Hinweis darauf, dass eine bloße Änderung der Rechtsprechung eine Abänderung nicht zulasse.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht der Abänderungsklage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der an seiner Rechtsauffassung festhält.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen. Die Akten 55 F 51/00 AG Duisburg lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist nur in geringem Umfang begründet.

Da außer der Änderung der BGH-Rechtsprechung sonstige Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse von keiner Seite geltend gemacht sind, ist vorliegend entscheidend, ob die grundlegende Änderung der BGH-Rechtsprechung zur Berechnungsmethode des Ehegattenunterhalts bei erst nach der Scheidung aufgenommener Erwerbstätigkeit der bisher den Haushalt und die Kinder versorgenden Ehefrau ihrerseits eine Abänderungsklage für einen durch Urteil abgeschlossenen "Altfall" zulässt und begründet.

Der BGH hat diese Frage - soweit ersichtlich - bisher nicht entschieden und lediglich für die Abänderung von Unterhaltsvergleichen ausdrücklich bejaht - Urteil vom 5.9.2001, XII ZR 108/00 -. Das BVerfG hat darüberhinaus mit Beschluss vom 5.2.2002 - 1 BvR 105/95, 559/95 und 457/95 - ausdrücklich entschieden, dass die bisherige Berücksichtigung der hausfraulichen Tätigkeit unter Anrechnung von Einkünften aus erst nach der Scheidung aufgenommener Erwerbstätigkeit einer nicht verfassungskonformen Auslegung des Begriffs der "ehelichen Verhältnisse" entsprach, hingegen die neue Rechtsprechung des BGH nicht zu beanstanden sei. Die Literatur hat sich bislang durchweg dafür ausgesprochen, die grundlegende Änderung der BGH-Rechtsprechung als Abänderungsgrund zuzulassen, da sie einer Gesetzesänderung gleichkomme (vgl. Scholz in FamRZ 2001, 1061, 1064; Luthin in FamRZ 2001, 1065; Borth in FamRZ 2001, 1653, 1659; Gottwald in FamRZ 2001, 1692).

Der Senat hält eine Abänderungsklage für zulässig, auch wenn sie allein auf die geänderte BGH-Rechtsprechung zur Berechnungsmethode des Ehegattenunterhalts gestützt wird:

Es erscheint schon gekünstelt, eine Abänderungsklage bei Vergleichen zuzulassen, bei Urteilen hingegen nicht. Gerade bei der gerichtlichen Praxis, den Parteien den Abschluss eines Vergleichs in Höhe des sonst ergehenden Urteils nahe zu legen, käme eine unterschiedliche Behandlung ansonsten einer nachträglichen "Bestrafung" für die früher gezeigte "Uneinsichtigkeit" - Wahl des Urteils statt des Vergleichs - gleich.

Der BGH selbst hat in der Entscheidung vom 5.9.2001 darüberhinaus jedenfalls angedeutet, dass auch Urteile aufgrund der Änderung der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung abgeändert werden können. Er betont ausdrücklich, dass das Abänderungsverfahren der Korrektur einer fehlgeschlagenen Prognose dient, nicht aber wie ein Rechtsmittel der Beseitigung von Fehlern. Bis zum 13.6.2001 konnte eine seriöse Prognoseentscheidung aber nur unter Anwendung der Anrechnungsmethode ergehen, eine derartige Entscheidung war auch mit Rechtsmitteln bis dahin nicht erfolgreich zu bekämpfen. Dementsprechend kam die Rechtsprechungsänderung hier einer Gesetzesänderung nahe, die - unstreitig - eine Abänderungsklage rechtfertigt.

Ebenso unstreitig erlaubt eine der Änderung der Gesetzeslage gleichkommende verfassungskonforme Auslegung einer Norm durch das Bundesverfassungsgericht eine Abänderung nicht nur bei Vergleichen, sondern auch bei Urteilen (vgl. BGH in der Entscheidung vom 5.9.2001 m.w.N.). Diese Entscheidung hat das BVerfG inzwischen getroffen. Aufgrund dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sieht sich der Senat jedenfalls gehindert, die Möglichkeit einer Abänderungsklage vorliegend zu verneinen.

Zu Recht hat deshalb das Amtsgericht der Abänderungsklage im Grundsatz stattgegeben. Sonstige Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse, etwa ein inzwischen höheres Einkommen der Klägerin oder gesunkene Einkünfte des Beklagten oder gestiegene Unterhaltszahlungen des Beklagten für die gemeinsame Tochter, werden auch mit der Berufung vom Beklagten nicht im einzelnen aufgezeigt, so dass insoweit die Zahlen des abzuändernden Urteils bzw. der insoweit unwidersprochene Vortrag der Klägerin zugrundezulegen sind, zumal der Beklagte erstinstanzlich selbst ausdrücklich geltend gemacht hatte, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Übrigen nicht geändert hätten.

Das Zahlenwerk bedarf allerdings geringfügiger Korrekturen:

Zwar hat das Amtsgericht als bereinigtes Einkommen des Beklagten nunmehr 5300 DM zugrundegelegt, obwohl im abzuändernden Urteil lediglich 5231,42 DM zugrundegelegt waren. Dies rechtfertigt sich jedoch vor dem Hintergrund des vorliegend unwidersprochenen Klagevortrags zum gegenwärtigen bereinigten Mindesteinkommen des Beklagten.

Welches Einkommen der Klägerin im abzuändernden Urteil zugrundegelegt wurde, ist den Gründen unmittelbar nicht zu entnehmen; dort heißt es nur, dass sie ausweislich der Februarabrechnung Einkünfte in bedarfsdeckender Höhe erzielt; der Bedarf betrug seinerzeit laut Urteil aber mindestens 2242,04 DM; laut Abrechnung für Februar 2001 erzielte sie ein Nettoeinkommen von 2467,96 DM, d.h. bereinigt um 5 % berufsbedingte Aufwendungen 2344,56 DM. Der Senat bezieht deshalb dieses Einkommen in die Differenzberechnung ein, da für ein durchschnittliches bereinigtes Einkommen von nur 2200 DM - so die Klagebegründung - detailliertes Vorbringen und entsprechende Lohnabrechnungen fehlen. Auch die zum PKH-Heft gelangten Lohnabrechnungen aus 2001 und 2002 weisen jedenfalls dieses höhere Einkommen aus.

Rechnet man mit diesen Zahlen - dabei blieben die geänderten Tabellensätze für den Kindesunterhalt ebenso außen vor wie die tatsächlich nur in geringerer Höhe gezahlten Kindesunterhaltsbeträge -, so beläuft sich der Unterhaltsanspruch der Klägerin in 2001 auf 1266,62 DM [(5300 - 2344,56) x 3/7] oder rund 1267 DM und in 2002 auf rund 648 €.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO die Revision zugelassen. Die Frage der Abänderbarkeit von Urteilen allein aufgrund der geänderten Rechtsprechung des BGH zur Berechnung des Ehegattenunterhalts ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden. Aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sieht sich der Senat gehindert, für "Altfälle" an einer verfassungswidrigen Auslegung der "ehelichen Verhältnisse" in Form der Anrechnungsmethode festzuhalten.

Der Streitwert für die Berufung wird festgesetzt auf 8684,72 €. (3 x 1320 DM = 3960 DMM = 2.024,72 €) + (10 x 660 €).

Ende der Entscheidung

Zurück