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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 15.01.2002
Aktenzeichen: 1 UF 245/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, FGG


Vorschriften:

ZPO § 621 e Abs. 1
BGB § 1684
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

1 UF 245/01

In der Familiensache

betreffend die Umgangsregelung bezüglich der Kinder

hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die Anhörung vom 15. Januar 2002 durch

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 6. September 2001 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Antragsgegnerin zur Last.

Gründe:

Die gemäß § 621 e Abs. 1 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet, weil kein Grund ersichtlich ist, das Umgangsrecht des Antragstellers nur in betreuter Form zuzulassen.

Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Recht und mit zutreffender Begründung ein Umgangsrecht für den Antragsteller an jedem Samstag von 13.00 bis 17.00 Uhr abwechselnd mit einem Kind beschlossen. Die hiergegen vorgebrachten Einwendungen der Antragsgegnerin haben keinen Erfolg.

Seit der am 1. Juli 1998 in Kraft getretenen Kindschaftsrechtsreform ist das Umgangsrecht als Recht des Kindes konzipiert; ferner ergibt sich aus § 1684 BGB, dass die Eltern nicht nur ein Recht, sondern auch die Pflicht zum Umgang mit dem Kind haben. Die Gerichte haben im Rahmen der Amtsermittlung eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt. Die Gerichte müssen daher versuchen, die Grundrechte miteinander in Einklang zu bringen. Maßstab und Richtschnur jeder einzelnen Entscheidung ist das Wohl des Kindes. Der Elternteil, bei welchem das Kind lebt, hat die Pflicht, aktiv auf die Ausübung der Umgangskontakte des Kindes mit dem anderen Elternteil hinzuwirken. Er muss dem Umgang nicht nur positiv gegenüber stehen, sondern ihn auch fördern. Auf das Interesse eines Elternteils oder den Willen des Kindes kann hierbei nicht allein abgestellt werden. Dieser Grundsatz erfährt eine Einschränkung jedoch dann, wenn durch die Besuchskontakte das Kindeswohl beeinträchtigt wird. Insoweit bedarf es allerdings einer konkreten, in der Gegenwart bestehenden Gefährdung des Kindeswohls, um das Umgangsrecht, welches im Interesse eines natürlichen, unbefangenen Zusammenseins grundsätzlich ohne Beisein einer Aufsichtsperson stattfinden soll, einzuschränken.

Eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls durch einen unbeaufsichtigten persönlichen Kontakt des Antragstellers mit seinen beiden Söhnen ist vorliegend nicht zu erkennen. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus dem von der Mutter in der Beschwerdeschrift erhobenen Vorwurf, der Vater rupfe bei jeder sich bietenden Gelegenheit wahllos Pflanzen aus und unterbreite sie den Kindern als Salat. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Antragsteller, der hinsichtlich Pflanzen im allgemeinen und Früchten sowie Kräutern im speziellen offensichtlich über weitergehende Fachkenntnisse verfügt, sich darum bemüht, den Kindern die Natur zu erklären und ihnen nahezubringen versucht, dass es in der Natur essbare und nicht essbare Pflanzen gibt. Entsprechendes geschieht auch in intakten Familien etwa bei Spaziergängen oder beim gemeinsamen Pflücken von Erdbeeren auf einem Feld und ist auch für die Kindesentwicklung sinnvoll und wichtig. Dass die Kinder J und C gegebenenfalls dazu neigen, auch ausserhalb der Besuchskontakte Pflanzen zu sammeln und zu essen, ist kindestypisch und hängt nicht in erster Linie mit dem Verhalten des Antragstellers zusammen. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass gerade auch Kindergärten im Rahmen ihres Bastelprogramms die Kinder regelmäßig anhalten, Blätter, Gräser, Nüsse, Kastanien, Eicheln u. ä. zu sammeln und mitzubringen. Auch bei dieser an noch recht kleine Kinder gerichteten Aufforderung käme richtigerweise niemand auf die Idee, daraus eine konkrete Kindesgefährdung herzuleiten. Entsprechendes gilt für die im besonderen Maße naturverbundenen Waldorfkindergärten, deren Anliegen es ist, zusammen mit den Kindern die zum Teil selbst gesammelten Naturprodukte (wie etwa Kamille, Hagebutten, Fliederblüten) für das Frühstück und Mittagessen der Kinder gemeinsam mit diesen zu verarbeiten, und die beispielsweise auch aus Getreidekörnern selbst ihr Mehl herstellen.

Hinzu kommt, dass der Antragsteller im Anhörungstermin glaubhaft erklärt hat, dass er den beiden Söhnen zwar die essbaren Dinge in der Natur zeige, er aber den Kindern eingeschärft habe, nichts davon ohne ihn in den Mund zu stecken. Dass diese Darstellung falsch ist, hat die Antragsgegnerin selbst nicht behauptet. Sie hat hinsichtlich der beiden Kindern auch keine konkreten Auffälligkeiten oder gar konkrete Situationen schildern können, in denen es bei den Kindern durch den (vom Vater empfohlenen) Genuss von nicht essbaren Pflanzen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen gekommen wäre. Allein die abstrakte Möglichkeit, die Kinder könnten den Vater missverstehen und durch den Genuss schädlicher Pflanzen zu Schaden kommen, reicht jedenfalls für eine Einschränkung des ohnehin nur sehr geringen Umgangsrechts des Antragstellers nicht aus.

Im Übrigen ist es auch Sache der Antragsgegnerin, die beiden Kinder, die alters- und entwicklungsbedingt ohnehin nur in sehr eingeschränktem Umfang unbeaufsichtigt im Freien spielen können, von sich aus immer wieder dazu anzuhalten, keinerlei Pflanzen oder Früchte ohne sie in den Mund zu stecken, zumal selbst im Bereich von (Wald-)Spielplätzen oftmals ungenießbare Pflanzen und Früchte anzutreffen sind. Davon abgesehen zeigt gerade auch das von der Antragsgegnerin geschilderte Beispiel mit den von J abgepflückten und mit nach Hause gebrachten Hagebutten, dass dieser die Warnungen des Antragstellers durchaus beherzigt und nicht wahllos bei jeder Gelegenheit irgendwelche Pflanzen in den Mund steckt. Dass J viel Spass am Sammeln von Blättern hat und ständig danach sucht, ist als solches jedenfalls weder zu beanstanden noch dem Antragsteller in irgendeiner Weise anzulasten.

Schließlich ließen sich die von der Antragsgegnerin befürchteten Gefahren für die Kinder auch nicht durch die Anwesenheit eines Dritten im Rahmen der Besuchskontakte vermeiden. Eine Aufsichtsperson kann dem Antragsteller nicht vorschreiben, dass er mit den Kindern nicht über Pflanzen spricht oder ihm gar verwehren, während eines Spaziergangs freiwachsende Brombeeren oder Himbeeren zu essen und den Kindern dabei den Unterschied zwischen essbaren und nicht essbaren Pflanzen und Früchten zu erklären. Damit aber wäre keine andere als die heutige Situation gegeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 5.000,00 DM (2.556,46 €).

Ende der Entscheidung

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