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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 02.03.2000
Aktenzeichen: 1 Ws 143 - 144/00
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 56 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
StGB § 56 f Abs. 2
StPO § 453 Abs. 1 Satz 4
1. Zur Notwendigkeit, vor der Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung den Bewährungshelfer anzuhören.

2. Zum Absehen vom Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, wenn der Aussetzungszweck durch weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden kann.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

BESCHLUSS

1 Ws 143 - 144/00 101 VRs 7385/94 und 102 VRs 1640/98 StA Wuppertal

In der Strafvollstreckungssache

wegen Verletzung der Unterhaltspflicht

hat der 1. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S... und die Richter am Oberlandesgericht H... und S... auf die sofortigen Beschwerden des Verurteilten gegen die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf vom 5. November 1999 - StVK 222/98 und 223/98 - nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und auf deren Antrag am

2. März 2000

beschlossen:

Tenor:

Die angefochtenen Beschlüsse werden aufgehoben.

Die Bewährungszeit hinsichtlich der Strafreste aus den Urteilen des Amtsgerichts Wuppertal vom 5. April 1994 und 16. September 1997 wird um je ein Jahr auf fünf Jahre verlängert.

Die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Verurteilten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

Die Strafvollstreckungskammer hat die Aussetzung der Vollstreckung der Strafreste aus den Urteilen des Amtsgerichts Wuppertal vom 5. April 1994 und 16. September 1997 zur Bewährung widerrufen, weil der Verurteilte Anfang April 1999 erneut straffällig geworden ist. Zu den rechtzeitig eingelegten sofortigen Beschwerden des Verurteilten hat die Generalstaatsanwaltschaft wie folgt Stellung genommen:

"1.

Die angefochtene Entscheidung ist nicht verfahrensfehlerfrei zustandegekommen.

Zwar ist in § 453 Abs. 1 Satz 4 StPO nur vorgeschrieben, daß der Bewährungshelfer zu unterrichten ist. Hieraus läßt sich eine obligatorische Anhörung, wie sie für den Verurteilten gemäß § 453 Abs. 1 Satz 2 StPO vorgeschrieben ist, nicht herleiten. Jedoch sind im Hinblick auf die Bedeutung des Freiheitsgrundrechts strenge Anforderungen an die richterliche Aufklärungspflicht und an eine für die Entscheidung hinreichende Tatsachengrundlage zu stellen. Daraus resultiert die Verpflichtung für den Vollstreckungsrichter, das Widerrufsverfahren so auszugestalten, daß alle den Verlauf der Bewährung betreffenden wesentlichen Umstände für einen etwaigen Widerruf herangezogen werden. In diesem Rahmen ist anhand der Erfüllung von Auflagen und Weisungen und anhand des Maßes der Zusammenarbeit mit dem beigeordneten Bewährungshelfer ein vollständiges Bild über den Lauf der Bewährungszeit zu erstellen (zu vgl. Senatsbeschluß vom 4. April 1996 - 1 Ws 292/96 -).

Unter Zugrundelegung dieses Grundsatzes ist vorliegend davon auszugehen, daß sich die gegenüber dem Bewährungshelfer gemäß § 453 Abs. 1 Satz 4 StPO bestehende Unterrichtungspflicht dahingehend verdichtet hat, daß die Strafvollstreckungskammer für eine Entscheidung über den Widerruf der Bewährung einen Bericht des Bewährungshelfers hätte anfordern müssen, um alle maßgeblichen Tatsachen zu berücksichtigen. Dies war nicht geschehen und stellte sich im vorliegenden Verfahren als Mangel bei der Sachaufklärung dar.

Dieser Verfahrensfehler führt vorliegend nicht zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Nachdem die Stellungnahme des Bewährungshelfers vom 23. Dezember 1999 (Bl. 54 d.BewH StVK 223/98, Bl. 57 d.BewH StVK 222/98) inzwischen vorliegt, vermag der Senat in der Sache selbst zu entscheiden.

2.

Zwar hat der Verurteilte in der Bewährungszeit erneut eine Straftat begangen und dadurch gezeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat (§ 56 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB).

Nach § 56 f Abs. 2 StGB ist jedoch von einem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung zwingend abzusehen, wenn der Aussetzungszweck durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne von § 56 f Abs. 2 StGB ebenfalls erreicht werden kann. Die gesetzgeberische Anordnung, daß das Gericht zunächst die Möglichkeiten des Absatz 2 zu ergreifen hat, wenn durch eine oder mehrere Maßnahmen im Sinne der Ziffern 1 und 2 der Widerrufsgrund ausgeräumt und ein straffreies Leben des Verurteilten mit gewisser Wahrscheinlichkeit erwartet werden kann, stellt eine gesetzlich normierte Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar.

Angesichts der Entwicklung des Verurteilten im bisherigen Verlauf der Bewährungszeit ist jedoch vorliegend vom Widerruf abzusehen, denn aus gegenwärtiger Sicht ist die Verlängerung der Bewährungszeit um ein Jahr unter weiterer Unterstellung unter den Bewährungshelfer zur angemessenen Einwirkung auf den Verurteilten ausreichend.

Aus der im Rahmen des Beschwerdeverfahrens eingeholten Stellungnahme des Bewährungshelfers vom 23. Dezember 1999 ergibt sich, daß der Beschwerdeführer regelmäßigen Kontakt zur Bewährungshilfe gehalten hat. Auch hat er gelernt, für seine Töchter Verantwortung zu übernehmen und wird dieser offensichtlich auch gerecht. Bezüglich der in dem Verfahren 102 VRs 8080/99 der Staatsanwaltschaft Wuppertal verhängten Geldstrafe hat der Verurteilte begonnen, die Geldstrafe mit gemeinnütziger Arbeit abzuleisten.

Zudem ist für die Beurteilung zu berücksichtigen, daß Taten geringeren Gewichts, wie Zufalls- oder Gelegenheitsdelikte, nicht unbedingt eine günstige Sozialprognose widerlegen (zu vgl. Senatsbeschluß in StV 1983, 338 m.w.N.) und umso weniger zwingend den Schluß zulassen, daß Maßnahmen im Sinne des § 56 f Abs. 2 StGB nicht ausreichen. Hier ist der Verurteilte wegen betrügerischen Erschleichens einer Taxifahrt zu einer Geldstrafe verurteilt worden.

Vor diesem Hintergrund erscheint es unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ausreichend, die Bewährungszeit um ein weiteres Jahr zu verlängern."

Dem tritt der Senat bei.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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