Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 15.03.2001
Aktenzeichen: 10 U 189/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 87
ZPO § 345
ZPO § 538 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 513 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 341 Abs. 2
ZPO § 339 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 15. März 2001

In dem Rechtsstreit pp.

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht L. sowie die Richter am Oberlandesgericht E. und K. auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil des Senats vom 19. Oktober 2000 wird aufgehoben.

Auf die Berufung des Beklagten wird der Rechtsstreit unter Aufhebung des so bezeichneten zweiten Versäumnisurteils der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 13. Oktober 1999 zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, in die erste Instanz zurückverwiesen.

Tatbestand:

Mit ihrer Klage vom 07.07.1998 hat die Klägerin den Beklagten "aus einer Mietgarantie, hilfsweise aus Schadensersatz" auf Zahlung eines Betrages von 539.751,66 DM nebst 5 % Zinsen von 38.956,46 DM ab Eintritt der Rechtshängigkeit am 28.04.1999 in Anspruch genommen. Durch Versäumnisurteil vom 21.07.1999 hat das Landgericht den Beklagten antragsgemäß verurteilt.

Das vorstehend bezeichnete Versäumnisurteil wurde unter Beifügung eines Empfangsbekenntnisses dem vom Beklagten zunächst beauftragten Rechtsanwalt K. in D. übersandt. Dieser hatte allerdings mit Schriftsatz vom 16.06.1999 mitgeteilt, er lege "die Rechtsverteidigung für den Beklagten" nieder, ohne dass sich bis dahin ein anderer Prozessbevollmächtigter für den Beklagten bestellt hatte. Unter dem 30.07.1999 teilte Rechtsanwalt K. dem Landgericht mit, er reiche das ihm übersandte Versäumnisurteil im Original zurück, weil er infolge der Mandatsniederlegung weder bevollmächtigt sei, den Beklagten weiterhin zu vertreten, noch dessen Zustellungsbevollmächtigter sei. Daraufhin erfolgte ihm gegenüber mit richterlicher Verfügung vom 02.08.1999 der Hinweis, im Hinblick auf § 87 ZPO sei das Versäumnisurteil vom 21.07.1999 am 30.07.1999 wirksam zugestellt worden.

Mit Schriftsatz vom 18.08.1999, der am gleichen Tage bei Gericht einging, bestellte sich für den Beklagten Rechtsanwalt K. aus D. und legte gegen das Versäumnisurteil vom 21.07.1999, das dem Beklagten am 05.08.1999 zur Kenntnis gelangt sei, Einspruch ein. In der daraufhin ergangenen gerichtlichen Terminsverfügung vom 19.08.1999 heißt es, der Einspruch durfte unzulässig sein, weil ihn der Beklagte im Hinblick darauf nicht fristgemäß eingelegt habe, dass das Versäumnisurteil vom 21.07.1999 bereits am 30.07.1999 wirksam zugestellt worden sei.

Durch so bezeichnetes zweites Versäumnisurteil vom 13.10.1999 wurde der Einspruch des Beklagten vom Landgericht als unzulässig verworfen.

Gegen das zweite Versäumnisurteil vom 13.10.1999 hat der Beklagte Berufung eingelegt. Er hat beantragt, unter dessen Aufhebung den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen. Zur Begründung hat er ausgeführt, das Landgericht habe seinen Einspruch zu Unrecht als unzulässig verworfen, weil das Versäumnisurteil vom 21.07.1999 mangels Empfangsbereitschaft seines ursprünglichen erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten nicht wirksam zugestellt worden sei. Darüber hinaus sei er, der Beklagte, im Verhandlungstermin vom 13.10.1999 nicht säumig gewesen. Rechtsanwalt K. habe sich nämlich nur vorübergehend aus dem Sitzungssaal entfernt, nachdem er dem Vorsitzenden seine Verhandlungsbereitschaft zu erkennen gegeben habe. Ein Versäumnisurteil habe daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht ergehen dürfen. Schließlich setze der Erlass eines zweiten Versäumnisurteils einen wirksamen Einspruch voraus, den das Landgericht indes gerade verneint habe.

Die Klägerin hat Zurückweisung der Berufung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Voraussetzungen des § 345 ZPO für den Erlass eines zweiten Versäumnisurteils hatten vorgelegen. Darüber hinaus habe das Landgericht den Einspruch des Beklagten im Ergebnis als rechtzeitig und zulässig behandelt. Im Verhandlungstermin vom 13.10.1999 habe sich bei Aufruf der Sache für den Beklagten niemand gemeldet, so dass das Landgericht zu Recht von dessen Säumnis ausgegangen sei.

Mit Versäumnisurteil vom 19.10.2000 hat der Senat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.

Der Beklagte hat auch gegen dieses Versäumnisurteil Einspruch eingelegt. In erster Linie macht er nunmehr geltend, der Klageanspruch sie sachlich nicht gerechtfertigt. Im übrigen nimmt er Bezug auf sein bisheriges Berufungsvorbringen. Er beantragt,

unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 19.10.2000 und unter Aufhebung des zweiten Versäumnisurteils des Landgerichts vom 13.10.1999 die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

nach seinem ursprünglichen Berufungsantrag zu erkennen.

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil vom 19.10.2000 aufrechtzuerhalten.

Im Wege der Anschlussberufung stellt sie darüber hinaus den Antrag,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 5 % Zinsen von weiteren 500.795,20 DM ab Eintritt der Rechtshängigkeit zu zahlen.

Auch sie ergänzt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen. Dem ergänzenden Sachvortrag des Beklagten tritt sie entgegen.

Der Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien und die bei den Akten befindlichen schriftlichen Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Der form- und fristgerecht eingelegte und damit zulässige Einspruch des Beklagten fuhrt zur Aufhebung des Versäumnisurteils vom 19.10.2000, durch das seine Berufung zurückgewiesen worden ist. Diese hat insoweit Erfolg, als der Rechtsstreit entsprechend dem Hilfsantrag des Beklagten ohne Sachprüfung nach § 538 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zwecks weiterer Verhandlung an das Landgericht zurückzuverweisen ist.

Nach § 513 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann die Berufung gegen ein Versäumnisurteil, gegen das ein Einspruch nicht statthaft ist, also gegen ein zweites Versäumnisurteil im Sinne des § 345 ZPO, nur darauf gestutzt werden, ein Fall der Säumnis habe nicht vorgelegen. Insoweit enthält die Berufungsbegründung auch die erforderlichen schlüssigen Darlegungen. Auf dieses Vorbringen kommt es jedoch für die hier zu treffende Entscheidung nicht an, da die landgerichtliche Entscheidung zwar äußerlich als zweites Versäumnisurteil ergangen ist (was die Berufung eröffnet), in Wirklichkeit aber über die Zulässigkeit des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil vom 21. Juli 1999 befindet.

Zu berücksichtigen ist nämlich, dass das Landgericht durch die angefochtene Entscheidung den Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 21.07.1999 entsprechend der von ihm in der Terminsverfügung vom 19.08.1999 geäußerten Rechtsauffassung als unzulässig verworfen hat, weil es davon ausging, er sei nicht fristgemäß eingelegt worden. Im Falle der Unzulässigkeit des Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil ist indes entweder nach § 341 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss oder aber durch kontradiktorisches Urteil bzw. im Falle der Säumnis des Einspruchsführers durch unechtes Versäumnisurteil, nicht dagegen im Wege eines zweiten Versäumnisurteils zu entscheiden, weil letzteres in der Tat einen zulässigen Einspruch voraussetzt (vgl. z.B. BGH NJW 1995, 1561 mit weiteren Nachweisen). Dies hat vorliegend zur Folge, dass die Rechtmittelbeschränkung der §§ 345, 513 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht eingreift, weil das Recht des Einspruchsführers, das Versäumnisurteil umfassend auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen, nicht durch verkürzt werden darf, dass das Gericht bei der Entscheidung über den Einspruch eine falsche Form gewählt hat, indem es irrig die Voraussetzungen für den Erlass eines zweiten Versäumnisurteils für gegeben erachtet hat.

Die vom Beklagten somit zulässigerweise erhobene Rüge, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, sein Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 21.07.1999 sei unzulässig, ist gerechtfertigt. Das Landgericht hat in der Tat fälschlich angenommen, die Zustellung des vorgen. Versäumnisurteils sei am 30.07.1999 erfolgt, wie sich dies auch unmissverständlich aus seinem Hinweis vom 02.08.1999 ergibt. Zur wirksamen Zustellung an einen Rechtsanwalt ist nämlich unter anderem dessen Wille erforderlich, das anerkanntermaßen in seinen Gewahrsam gelangte Schriftstück als zugestellt anzusehen (so z.B. BGHZ 30, 335, 336 und BGH NJW-RR 1989, 57, jeweils mit weiteren Nachweisen). Eine derartige Empfangsbereitschaft bestand bei dem ursprünglich vom Beklagten beauftragten Rechtsanwalt K., der allerdings trotz Niederlegung des Mandats nach § 87 ZPO Zustellungsbevollmächtigter des Beklagten geblieben war, jedoch nicht. Dies macht nicht nur die Nichtunterzeichnung des ihm mit dem Versäumnisurteil übersandten Empfangsbekenntnisses, sondern vor allem sein Schreiben vom 30.07.1999 erkennbar, in dem er - wenn auch fälschlich - zum Ausdruck brachte, nicht (mehr) Zustellungsbevollmächtigter des Beklagten zu sein, so dass zweifelsfrei ausgeschlossen werden kann, er sei bereit gewesen, das Versäumnisurteil, das er im übrigen im Original an das Landgericht zurücksandte, als zugestellt entgegenzunehmen. Die zweiwöchige Einspruchsfrist des § 339 Abs. 1 ZPO war somit im Zeitpunkt des Eingangs des Einspruchs am 18.08.1999 noch nicht verstrichen, so dass dieser als rechtzeitig angesehen werden muss und nicht als unzulässig verworfen werden durfte. Dies hat wiederum zur Folge, dass die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben kann.

Eine Entscheidung des Senats in der Sache selbst (§ 540 ZPO) ist, wie in der mündlichen Verhandlung auch erörtert worden ist, nicht sachdienlich. Den Parteien ist grundsätzlich Gelegenheit zu geben, gegebenenfalls unter Ergänzung ihres Vorbringens ihre Rechte in zwei Tatsacheninstanzen geltend zu machen. Infolgedessen wird das Landgericht auch über den mit der Anschlussberufung verfolgten Anspruch der Klägerin zu entscheiden haben.

II.

Eine Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens kann derzeit nicht erfolgen, weil der Umfang des beiderseitigen Obsiegens bzw. Unterliegens der Parteien noch nicht abgesehen werden kann. Sie war daher dem Landgericht im Rahmen seiner neuerlichen Entscheidung vorzubehalten.

Aufhebende und zurückverweisende Urteile bedürfen mangels vollstreckungsfähigen Inhalts keines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit (Zöller/Gummer, a.a.O., § 540 ZPO Rdn. 28).

Der Streitwert für die Berufungsinstanz und die Beschwer der Parteien (vgl. dazu Zöller/Gummer, a.a.O., § 545 ZPO Rdn. 1) betragen jeweils 539.751,66 DM.

Ende der Entscheidung

Zurück