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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 23.01.2001
Aktenzeichen: 10 W 1/01
Rechtsgebiete: ZPO, InsO, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 106
InsO § 85
InsO § 86
InsO § 87
InsO § 180 Abs. 2
BRAGO § 13 Abs. 2
BRAGO § 31 Abs. 1
Zur Frage der Durchsetzbarkeit des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs des teilweise obsiegenden Klägers als Masseforderung nach der Aufnahme des Passivprozesses durch den Insolvenzverwalter.
OLG Düsseldorf 10. Zivilsenat

Beschluss vom 23. Januar 2001

Az.: 10 W 1/01

Gründe:

Das gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 11 Abs. 1 RpflG als sofortige Beschwerde zulässige Rechtsmittel des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Entgegen der durch ihn vertretenen Auffassung war die Rechtspflegerin nicht gehindert, den Kostenerstattungsanspruch der Klägerin, die nach dem rechtskräftig gewordenen erstinstanzlichen Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 25. Februar 20.00 überwiegend obsiegt, durch einen Kostenfestsetzungsbeschluß im Verfahren des § 106 ZPO zu titulieren. Die Festsetzung scheitert auch nicht daran, daß der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin sich unter anderem auch aus Anwaltsgebühren ergibt, die bereits vor der Unterbrechung des erstinstanzlichen Erkenntnisverfahrens gemäß § 240 ZPO infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin entstanden sind. Nachdem die Klägerin den Rechtsstreit gemäß §§ 180 Abs. 2, 86 InsO aufgenommen hatte und der Beklagte in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gemeinschuldnerin Prozeßpartei geworden war, fallen ihm nach der im Urteil des Landgerichts bestimmten Kostenquote die in erster Instanz angefallenen Kosten unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Entstehung zur Last. Er dringt nicht mit seinem Einwand durch, die bis zu der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verwirklichten Gebührentatbestände könnten nur im Rahmen einfacher Insolvenzforderungen durch Anmeldung zur Tabelle gemäß §§ 87, 174 InsO geltend gemacht werden.

Im einzelnen ist folgendes auszuführen:

1)

Bezogen auf die bis zum Ende des Jahres 1998 geltende Vorschrift des § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO war die Ansicht herrschend, die gesamten Kosten des Rechtsstreits als Masseschuld im Sinne dieser Bestimmung zu behandeln, wenn der Konkursverwalter in einem aufgenommenen Rechtsstreit als Partei kraft Amtes unterlag. Zur Begründung wurde ausgeführt, Masseschulden seien nicht nur die nach, sondern auch die vor Konkurseröffnung entstandenen Kosten, weil die Kosten eines Rechtsstreits nach der Regel des § 91 ZPO ein einheitliches Ganzes bildeten (Kuhn/Uhlenbruck, Kommentar zur Konkursordnung, 11. Aufl., § 59, Rdn. 5 a; Jaeger/Lent, Kommentar zur Konkursordnung, 8. Aufl., § 59, Rdn. 2; Böhle-Stamschräder/Kilger, Kommentar zur Konkursordnung, 14. Aufl., § 59, Anm. 1 b; OLG Frankfurt Rpfleger 1977, 372 sowie AnwBl. 1983, 569; OLG Hamm Rpfleger 1990, 435; OLG Koblenz JurBüro 1991, 966; einschränkend Hess/Kropshofer, Kommentar zur Konkursordnung, 3. Aufl., § 59, Rdn. 17; anderer Ansicht Gaedecke JW 1939, 733).

Waren dem Konkursverwalter als Partei kraft Amtes nach Aufnahme des Rechtsstreits die gesamten Kosten durch Urteil auferlegt, so sollte diese Kostengrundentscheidung für das Kostenfestsetzungsverfahren bindend sein. Eine Trennung der Prozeßkosten nach Zeitabschnitten vor und nach der Prozeßaufnahme durch den Konkursverwalter wurde als im Kostenfestsetzungsverfahren wegen der Bindung an die gerichtliche Kostengrundentscheidung ausgeschlossen angesehen (OLG Hamm Rpfleger 1990, 435 mit Hinweis auf OLG Frankfurt AnwBl. 1983, 569; OLG Schleswig ZIP 1981, 1359; OLG Köln, JurBüro 1986, 1244; OLG Frankfurt Rpfleger 1977, 372 sowie AnwBl. 1983, 569). Soweit vereinzelt eine Aufteilung der Kosten nach Zeitabschnitten vor und nach Konkurseröffnung für erforderlich gehalten wurde, sollte dies als besondere Form der Quotelung im Rahmen einer einheitlichen Kostenentscheidung geschehen, die das Gericht dem Rechtspfleger verbindlich vorgeben müsse (OLG Hamm ZIP 1994, 1547).

2)

Für die Aufnahme eines Aktivprozesses durch den Insolvenzverwalter nach dem nunmehr geltenden § 85 InsO ist für den Fall seines Unterliegens die rechtliche Qualifizierung des gegen ihn gerichteten Kostenerstattungsanspruchs streitig: Es wird die Ansicht vertreten, die gesamten Kosten des Rechtsstreits, auch die vor der Aufnahme entstandenen Kosten, träfen den unterlegenen Insolvenzverwalter als Masseverbindlichkeit (Hess, Kommentar zur Insolvenzordnung, § 85, Rdn. 63 mit Hinweis auf Kuhn/Uhlenbruck KO § 10 Rdn. 5; Jaeger/Henckel KO, § 10, Rdn. 119, Kilger/Schmidt KO/VglO/GesO, § 10 KO, 8 sowie Gottwald/Gerhardt, Insolvenzhandbuch, 2. Auflage, § 32, Rdnr. 27). Einer anderen Auffassung zufolge soll nach der erfolglosen Aufnahme von Aktivrechtsstreiten durch den Insolvenzverwalter bei der gegen ihn gerichteten Kostenerstattungsforderung danach differenziert werden, ob der Gebührentatbestand bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder erst nach diesem Zeitpunkt vollendet sei. Es laufe auf eine systemfremde Privilegierung des Erstattungsgläubigers hinaus, wenn nach der Entscheidung des Insolvenzverwalters zur Fortsetzung des Rechtsstreits auch die vor der Insolvenzeröffnung entstandenen Kosten allein wegen der Aufnahme als Masseforderung qualifiziert würden. Eine solche Rückwirkung solle gerade durch § 105 InsO für den Bereich teilbarer Leistungen bei beiderseits noch nicht erfüllten Verträgen verhindert werden. Deshalb müsse der prozessuale Kostenerstattungsanspruch entsprechend geteilt werden. Eine solche Teilung sei - wie die Regelungen der §§ 94-97 ZPO zeigten - dem Kostenrecht nicht fremd (Kübler/Prütting, Kommentar zur Insolvenzordnung, § 85, Rdn. 59).

3a)

Im vorliegenden Fall lag indes die Aufnahme eines Passivprozesses durch die Klägerin gemäß §§ 180 Abs. 2, 86 InsO vor. Erkennt nach einer solchen Aufnahme der Insolvenzverwalter den Anspruch sofort an, so kann der Gegner einen Anspruch auf Erstattung der Kosten des Rechtsstreits nur als Insolvenzgläubiger geltend machen (§ 86 Abs. 2 InsO). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind hier indes zweifelsfrei nicht gegeben.

b)

Nach einer Aufnahme gemäß § 86 InsO ist eine Kostenentscheidung gegen den unterlegenen Insolvenzverwalter durch § 86 Abs. 2 InsO nicht ausgeschlossen (Hess a.a.O., § 86, Rdn. 19). Jedoch ist die rechtliche Behandlung der gegen ihn gerichteten Kostenerstattungsforderung streitig: Es wird die Auffassung vertreten, der Anspruch sei weiterhin als ein einheitlicher in dem Sinne zu behandeln, so daß nicht zwischen vor und nach Insolvenzeröffnung entstandenen Kosten unterschieden werden dürfe (Gottwald/Gerhardt a.a.O., § 32, Rdnr. 42). Nach anderer Ansicht sollen dann die vom Insolvenzverwalter zu erstattenden Kosten Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 55 InsO sein, soweit sie auf die Zeit nach Verfahrensaufnahme entfallen (Kübler/Prütting a.a.O., § 86, Rdn. 18; Hess a.a.O., § 86, Rdn. 19). Die Aufteilung der Kosten nach Zeitabschnitten sei eine besondere Form der Quotelung im Rahmen einer einheitlichen Kostenentscheidung, die das Gericht dem Rechtspfleger verbindlich vorgebe (Hess a.a.O., § 86, Rdn. 25).

4a)

Im Ergebnis kann indes dahinstehen, welcher der beiden Auffassungen grundsätzlich der Vorzug einzuräumen ist. Auch wenn man der letztgenannten Ansicht folgte, erscheint es im vorliegenden Fall nicht zulässig, entsprechend der durch den Beklagten geäußerten Ansicht den gegen ihn als unterlegenen Insolvenzverwalter gerichteten prozessualen Kostenerstattungsanspruch nur insoweit als Masseverbindlichkeit zu behandeln, als er den Anfall von Gebührentatbeständen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens betrifft. Selbst wenn eine derartig differenzierte Behandlung der Erstattungsforderung des Kostengläubigers geboten wäre, könnte sie nicht nachträglich isoliert im Kostenfestsetzungsverfahren der §§ 103 ff. ZPO vorgenommen werden. Vielmehr müßte die Differenzierung bereits Eingang in die gerichtliche Kostengrundentscheidung finden. Dies könnte - wenn auch mit praktischen Schwierigkeiten verbunden - dadurch geschehen, daß die Aufteilung der Kosten nach den Zeitabschnitten vor und nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch eine Quotelung im Rahmen der erforderlichen einheitlichen Kostenentscheidung vorgenommen wird.

b)

Eine derartige Kostenanordnung ist im vorliegenden Fall aber nicht gegeben. Das Landgericht hat in seinem Urteil vom 25. Februar 2000 über die gesamten, in der ersten Instanz angefallenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten entschieden, indem es "die Kosten des Rechtsstreits zu 1/5 der Klägerin, zu 4/5 der Beklagten" (richtig: dem Beklagten) auferlegt hat. Die vorgenommene Quotelung gibt nicht das Verhältnis der vor und nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Gebühren wieder, sondern sie beruht allein - wie die Begründung der auf den §§ 91 a, 92 Abs. 1 ZPO beruhenden Kostenentscheidung ergibt - auf dem unterschiedlichen Obsiegen der Parteien in Bezug auf die verschiedenen Klageforderungen. Damit war die Rechtspflegerin im Kostenfestsetzungsverfahren des § 106 ZPO gehindert, in Abweichung von der ihr durch die Kostengrundentscheidung vorgegebenen Quote das unterschiedliche Ausmaß des wechselseitigen Obsiegens und Unterliegens der Parteien durch eine zusätzliche Aufteilung der Kosten nach den Zeitabschnitten vor und nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens neu zu bestimmen.

Denn das Kostenfestsetzungsverfahren baut als Höheverfahren auf der bindenden Kostengrundentscheidung auf. Der vollstreckbare Titel als Grundlage der Festsetzung regelt, wer die Verfahrenskosten zu tragen hat und hat damit den prozessualen Kostenerstattungsanspruch zum Gegenstand. Der noch unbestimmte Betrag der zu erstattenden Kosten wird erst im Verfahren nach §§ 103 ff ZPO ermittelt und festgesetzt (Zöller/Herget, Kommentar zu ZPO, 22. Aufl., §§ 103, 104 Rdn. 1). Die Frage, ob die Kostenanordnung in dem dem Festsetzungsgesuch zugrundeliegenden Titel richtig ist, hat der Rechtspfleger nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht zu beurteilen (zuletzt Beschluß vom 15. Dezember 1998, Az. 10 W 130/98, veröffentlicht in NJW-RR 1999, 799; MDR 1999, 568; JurBüro 1999, 315; Rpfleger 1999, 238 sowie in OLGR-Düsseldorf, 1999, 410; so auch OLG Hamm Rpfleger 1990, 435; OLG Frankfurt, AnwBl. 1983, 569; OLG Köln JurBüro 1986, 1243 sowie OLG Schleswig ZIP 1981, 1359). Allein der Umstand, daß das Landgericht in seinem Beschluß vom 28. März 2000 den Streitwert für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf einen Bruchteil der ursprünglichen Klagesumme festgesetzt hat, rechtfertigt keine andere Betrachtungsweise. Hinzu kommt, daß auch die Prozeßbevollmächtigten des Beklagten in ihrer Kostennote vom 19. April 2000 die Gebühren einheitlich nach dem anfänglichen höheren Streitwert abgerechnet haben und diese Abrechnung Eingang in Kostenausgleichung gemäß § 106 ZPO gefunden hat.

c)

Ganz abgesehen davon macht der vorliegende Fall deutlich, daß für die Rechtspflegerin im Kostenfestsetzungsverfahren erhebliche praktische Schwierigkeiten entstanden wären, wenn sie den gegen den Beklagten gerichteten Kostenerstattungsanspruch über das Verhältnis des wechselseitigen Obsiegens und Unterliegens der Parteien gemäß § 92 Abs. 1 ZPO hinaus der Höhe nach zusätzlich auf der Grundlage der allein nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Gebühren hätte bestimmen müssen.

d)

Überdies wäre als Konsequenz einer solchen Unterscheidung folgendes zu berücksichtigen: Gemäß § 13 Abs. 2 BRAGO kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Wird nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter Partei des Rechtsstreits, ergibt sich daraus für den gegnerischen Anwalt keine neue Angelegenheit. Obsiegt dann die durch ihn vertretene klagende Partei, liefe diese dann konkret Gefahr, insbesondere die in einem anhängigen Rechtsstreit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens regelmäßig angefallene Prozeßgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) sowie die oftmals bereits entstandene Verhandlungsgebühr (§ 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) nicht zum Gegenstand eines gegen den unterlegenen Insolvenzverwalter gerichteten Kostenerstattungsanspruchs machen zu können. Zwar fallen gewöhnlich nach der Aufnahme des Passivprozesses gemäß § 86 InsO für den Anwalt der klagenden Partei die in § 31 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BRAGO bezeichneten Tätigkeiten neu an. Wegen der in § 13 Abs. 2 BRAGO bestimmten Einmaligkeit der Gebühren lösen diese Tätigkeiten aber keine neue erstattungsfähige Prozeß- und Verhandlungsgebühr aus. Waren weitergehend vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits alle erstinstanzlich angefallenen Gebührentatbestände verwirklicht, liefe der Kostenerstattungsanspruch der obsiegenden klagenden Partei als einfache Insolvenzforderung gemäß §§ 87, 174 InsO möglicherweise gänzlich ins Leere. Dieses Ergebnis erscheint vor allem dann nicht hinnehmbar, wenn man die Notwendigkeit einer unterschiedlichen Behandlung des Kostenerstattungsanspruchs nach Zeitabschnitten vor und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch für den Fall der Aufnahme eines Aktivprozesses durch den Insolvenzverwalter gemäß § 85 InsO für geboten hält (so Kübler/Prütting a.a.O., § 85, Rdn. 59) und auf diese Weise der prozessuale Kostenausgleichsanspruch der obsiegenden beklagten Partei in seiner Realisierbarkeit erheblich gefährdet wäre.

5)

Die Rechtspflegerin hat schließlich in der angefochtenen Entscheidung mit zutreffender Begründung die durch den Beklagten in der Kostennote seiner Prozeßbevollmächtigten vom 19. April 2000 zur Festsetzung angemeldeten Fotokopiekosten unberücksichtigt gelassen. Die Beschwerdebegründung enthält kein Vorbringen, welches die Festsetzung dieser Kostenposition rechtfertigt.

Ende der Entscheidung

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