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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 12.05.2003
Aktenzeichen: 10 W 34/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
Die Kosten für die Beauftragung eines Unterbevollmächtigten, der anstelle des Hauptbevollmächtigten die Vertretung in der mündlichen Verhandlung übernimmt, sind erstattungsfähig, wenn eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Beauftragung ex ante als sachdienlich ansehen durfte.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

10 W 34/03

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf ... am 12.05.2003

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Düsseldorf - Rechtspflegerin - vom 03.02.2003 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Aufgrund des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 15.05.2002 sind von der Klägerin an Kosten EUR 1.213,95 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetzes vom 09.06.1998 seit dem 20.09.2002 an die Beklagte zu erstatten.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Gründe:

I.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen die Ablehnung des Antrags, auch die Kosten für den Unterbevollmächtigten festzusetzen, ist gemäß §§ 104 Abs. 3 567 Abs. 1 Nr. 1 569 ZPO in Verbindung mit § 11 Abs. 1 RPflG zulässig und hat Erfolg.

Die Rechtspflegerin hat es zu Unrecht abgelehnt, die Kosten für die Beauftragung des Unterbevollmächtigten festzusetzen. Die hierfür gemäß Kostennote vom 26.07.2002 (Bl. 128 GA) geltend gemachten Kosten sind in voller Höhe erstattungsfähig. Die Beauftragung eines Unterbevollmächtigten war gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.

1.

Die Erstattungsfähigkeit von Kosten, die einer Partei durch Beauftragung eines unterbevollmächtigten Rechtsanwalts entstanden sind, der - wie hier - anstelle des Hauptbevollmächtigten die Vertretung in der mündlichen Verhandlung übernommen hat, richtet sich allein nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Es gilt nicht die Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO; diese betrifft nach ihrem Wortlaut und Zweck nur die durch die Beauftragung eines Hauptbevollmächtigten entstandenen Kosten. Auch ist § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO auf die Kosten eines Unterbevollmächtigten nicht anzuwenden; diese Vorschrift regelt allein die Kostenerstattung bei Inanspruchnahme zweier Rechtsanwälte als Hauptbevollmächtigte (vgl. BGH, Rpfleger 2003, S. 98 f GA).

2.

Für die Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren, ist maßgeblich darauf abzustellen, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme ex ante als sachdienlich ansehen durfte. Die Partei darf dabei ihr berechtigtes Interesse verfolgen, die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte zu ergreifen. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleich gearteten Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (vgl. BGH aaO, S. 100).

Nach diesen Maßstäben sind die Kosten für einen Unterbevollmächtigten, der mit der Terminswahrnehmung am Prozessgericht beauftragt ist, nur dann erstattungsfähig, soweit dadurch erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten (Tage- und Abwesenheitsgeld sowie Fahrtkosten nach § 28 BRAGO) erspart werden, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den Hauptbevollmächtigten entstanden wären (vgl. BGH aaO, S. 99). Dabei schadet es nicht, wenn die für die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten anfallenden Kosten die ansonsten angefallenen Reisekosten des Hauptbevollmächtigten um bis zu 10 % übersteigen (vgl. BGH aaO, S. 101).

a.

Hier wären die dem am Geschäftsort der Beklagten - Dresden - ansässigen Hauptbevollmächtigten im Falle eigener Terminswahrnehmung zustehenden Kosten dem Grund nach zu erstatten gewesen.

Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Beschluss oblag es der Beklagten nicht, sogleich einen am Ort des Prozessgerichtes ansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen und schriftlich oder fernmündlich zu informieren. Die Zuziehung eines in der Nähe ihres Geschäftsortes ansässigen Rechtsanwaltes durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei stellt im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder -verteidigung im Sinne des § 91 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. ZPO dar. Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass eine sachgemäße gerichtliche oder außergerichtliche Beratung und Vertretung nur aufgrund eines persönlichen Gespräches erfolgen kann. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann nur dort eingreifen, wo schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwaltes feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird. Dies ist allenfalls dann anzunehmen, wenn ein gewerbliches Unternehmen über eine eigene Rechtsabteilung verfügt oder wenn es sich um einen in tatsächlicher Hinsicht auch von einem juristischen Laien überschaubaren Streit handelt, in dem etwa die Gegenseite versichert hat, nicht leistungsfähig zu sein oder keine Einwendungen zu erheben (vgl. BGH aaO, S. 100 f). Entsprechendes ist jedoch im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Insbesondere verfügt die Beklagte nach ihren unbestrittenen Angaben nicht über eine eigene Rechtsabteilung, die den streitigen Sachverhalt nach Angaben der zuständigen Personen juristisch aufbereiten und sodann in schriftlicher oder telefonischer Form an einen auswärtigen Anwalt weiterleiten konnte.

Der Umstand, dass ein Rechtsstreit "einfach" gelagert ist und keinen umfangreichen Tatsachenvortrag erfordert, macht ein persönliches Mandantengespräch dagegen nicht entbehrlich. Welche Schwierigkeiten die Führung eines Rechtsstreits aufwirft, ist für die rechtsunkundige Partei in der Regel nicht überschaubar und hängt darüber hinaus wesentlich vom Verhalten der Gegenseite des Prozesses ab (vgl. BGH aaO, S: 100).

b.

Die Beklagte hat mit der Beauftragung des Unterbevollmächtigten zur Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 19.12.2001 (Bl. 78 GA) nicht gegen ihre Obliegenheit zur Kostengeringhaltung verstoßen. Ihr kann nicht vorgeworfen werden, sie habe sich nicht für die kostengünstigste unter mehreren möglichen Maßnahmen entschieden.

Eine Gegenüberstellung der Kosten, die aus der maßgeblichen ex ante Sicht der Klägerin zu erwarten waren, ergibt, dass die durch die Einschaltung eines Unterbevollmächtigten zu erwartenden Kosten die bei der Terminswahrnehmung durch den Hauptbevollmächtigten zu erwartenden Kosten nur unwesentlich - namentlich EUR 73,08, entsprechend ca. 6,4 % - überstiegen. Eine Überschreitung von bis zu 10 % ist jedoch als geringfügig anzusehen und steht einer Erstattung nicht entgegen. Es ist zu berücksichtigen, dass die von der Partei und ihrem Hauptbevollmächtigten bei der Entscheidung darüber, ob ein Unterbevollmächtigter mit der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung beauftragt wird, zu veranschlagenden Reisekosten - etwa im Hinblick auf Fahrt- und Terminsdauer - nicht sicher vorausgesehen werden können (BGH aaO, S. 101).

Bei der folgenden Gegenüberstellung der zu erwartenden Kosten ist berücksichtigt, dass sich die Gebühr für den im Beitrittsgebiet nach Art. 3 des Einigungsvertrages ansässigen Hauptbevollmächtigten um 10 % ermäßigt (vgl. Einigungsvertrag Anl. I Kap. III Sachgebiet A Abschnitt III Ziffer 26 a in Verbindung mit § 1 der Ermäßigungs-Anpassungsverordnung vom 15.04.1996 (BGBl. 604) sowie Urteil des BVerfG vom 28.01.2003 - abgedruckt in MDR 2003, 353 ff -, wonach diese Vorschrift zwar verfassungswidrig, aber bis zum 31.12.2003 weiter anzuwenden ist). Ob die Gebührenermäßigung im Rahmen der Kostengegenüberstellung - mit Rücksicht auf das Urteil des BGH vom 27.03.2003 - V ZB 50/02 - außer Betracht zu bleiben hat, mag dahinstehen; selbst bei Berücksichtigung der Ermäßigung ergibt sich eine nur unwesentliche Kostenüberschreitung.

Die zu erwartenden Kosten stellen sich wie folgt dar:

Zu erwartende Kosten ohne die Einschaltung eines Unterbevollmächtigten:

Prozessgebühr §§ 11, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO (90 %) DM 370,43 Verhandlungsgebühr §§ 11, 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO (90 %) DM 370,43 Reisekosten, Abwesenheitsgeld DM 379,56 Auslagenpauschale DM 20,45 Gesamt DM 1.140,87

Zu erwartende Kosten mit Einschaltung eines Unterbevollmächtigten:

Hauptbevollmächtigter Prozessgebühr §§ 11, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO (90 %) DM 370,43 Verhandlungsgebühr §§ 11, 31 Abs. 1 Nr. 2, 33 Ab. 3 BRAGO DM 185,24 Auslagenpauschale DM 20,45 DM 576,12 Unterbevollmächtigter Prozessgebühr §§ 11, 31 Abs. 1 Nr. 1, 53 Abs. 1 S. 1 BRAGO DM 205,79 Verhandlungsgebühr §§ 11, 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO DM 411,59 Auslagenpauschale DM 20,45 DM 637,83

Gesamt DM 1.213,95

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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