Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 15.05.2001
Aktenzeichen: 10 W 48/01
Rechtsgebiete: ZPO, RpflG, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 450
ZPO §§ 445 ff.
ZPO § 141
ZPO § 448
ZPO § 104 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 91 Abs. 1
RpflG § 11 Abs. 1
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 3
BRAGO § 11
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 1
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 2
BRAGO § 26
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

10 W 48/01

In der Kostenfestsetzungssache

pp.

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung des Vorsetzenden Richters am Oberlandesgericht L sowie der Richter am Oberlandesgericht G und W

am 15. Mai 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluß der Rechtspflegerin des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Dezember 2000 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Aufgrund des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 8. September 2000 sind von der Klägerin DM 3.835,00 nebst 4 % Zinsen seit dem 25. Oktober 2000 an die Beklagte zu erstatten.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Gründe:

Das gemäß § 104 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 11 Abs. 1 RpflG als sofortige Beschwerde zulässige Rechtsmittel der Beklagten, dem die Klägerin entgegengetreten ist, hat in der Sache Erfolg und führt zur teilweisen Abänderung des angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses. Die von der Rechtspflegerin vorgenommene Absetzung der angemeldeten Beweisgebühr in Höhe von DM 1.265,00, gegen die sich das Rechtsmittel allein richtet, ist zu Unrecht erfolgt. Entgegen der Ansicht der Rechtspflegerin ist im vorliegenden Rechtsstreit eine Beweisgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO entstanden. Nach dieser Vorschrift erhält der zum Prozeßbevollmächtigten bestellte Rechtsanwalt für die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren eine volle Gebühr (Beweisgebühr).

Beweisaufnahme ist die Tätigkeit eines Gerichts innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, die zum Ziel hat, beweisbedürftige, also zwischen den Parteien streitige, entscheidungserhebliche Umstände durch Heranziehung von Beweismitteln zu klären; die Aufklärung dient mithin dem Zweck, das Gericht von der Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsache oder eines Umstandes zu überzeugen (vgl. von Eicken in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 14. Aufl. 1999, § 31 Rdn. 83). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Zwar hat das Landgericht keinen Beweisbeschluß erlassen, insbesondere hat es nicht durch Beweisbeschluß gemäß § 450 ZPO die Vernehmung einer Partei angeordnet. Vielmehr hat es ausweislich des Sitzungsprotokolls in dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 2. August 2000 den Beschluß verkündet, daß die Klägerin und der Geschäftsführer der Beklagten informatorisch zu der Frage gehört werden sollen, ob das Angebot (des Rechtsvorgängers der Klägerin) vom 22. August 1999 durch eine mündliche Vereinbarung vom 5. September 1999 abgeändert worden ist.

Der Senat folgt nicht der Ansicht des früheren 6. Senats für Familiensachen des OLG Düsseldorf (JurBüro 1983, 712), wonach abgesehen vom Eheprozeß die Herbeiführung von Parteiaussagen nur dann eine Beweisaufnahme darstellt, wenn das Gericht die Parteivernehmung gemäß §§ 445 ff. ZPO beschließt (wie der frühere 6. Senat für Familiensachen KG JurBüro 1995, 249; OLG Hamm JurBüro 1986, 1201 = Rpfleger 1986, 70; OLG Stuttgart JurBüro 1986, 1834).

Nach Auffassung des Senats erscheint es nicht sachgerecht, die Frage, ob die Anhörung einer Partei als Beweisaufnahme anzusehen ist, allein davon abhängig zu machen, ob das Gericht eine Parteivernehmung gemäß §§ 445 ff. 2 ZPO beschließt. Maßstab muß vielmehr der objektiv erkennbare Zweck der Anhörung sein. Wenn das Gericht zum Zwecke der Klärung streitiger Tatsachen eine Partei anhört und das Ergebnis bei seiner Entscheidungsfindung wie einen erhobenen Beweis verwertet, liegt inhaltlich eine Beweisaufnahme vor mit der Folge, daß die Beweisgebühr entstanden ist. Daran vermag allein der Umstand, daß kein förmlicher Beweisbeschluß erlassen worden ist, nichts zu ändern.

Der Zweck der Beweisgebühr besteht darin, dem Mehraufwand an Zeit, Tätigkeit und Verantwortung Rechnung zu tragen, den eine Beweisaufnahme für den Rechtsanwalt verursacht (vgl. hierzu von Eicken in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, a.a.O., § 31 Rdn. 82). Aus der Sicht des Rechtsanwaltes ist ein Mehraufwand im Falle der Vernehmung einer Partei über streitige Tatsachen nicht davon abhängig, ob das Gericht einen förmlichen Beweisbeschluß erlassen hat oder nicht. Der Mehraufwand entsteht vielmehr bereits mit der Anhörung über streitige Tatsachen unabhängig davon, ob ein Beweisbeschluß erlassen worden ist. Der Zweck der Beweisgebühr gebietet es daher, daß der Rechtsanwalt diese Gebühr immer dann erhält, wenn inhaltlich eine Beweisaufnahme vorliegt (so im Ergebnis auch OLG Frankfurt a.M. JurBüro 1983, 1331; OLG Karlsruhe JurBüro 1994, 349; OLG München, OLGRep. 1996, 95; von Eicken in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, a.a.O., § 31 Rdn. 106).

Voraussetzung für das Entstehen der Beweisgebühr ist, daß sich die Durchführung einer Beweisaufnahme klar aus den Umständen ergibt. Das ist dann der Fall, wenn das Gericht die protokollierte Aussage einer gemäß § 141 ZPO zu einer streitigen Tatsache angehörten Partei als Beweis würdigt und verwertet (OLG München a.a.O.), d.h., wenn es seine Überzeugungsbildung über die Wahrheit oder Unwahrheit einer streitigen Tatsache gerade auf den Inhalt der Aussage einer angehörten Partei stützt (von Eicken in Gerold/Schmidt/von Eicken/ Hadert, a.a.O., § 31 Rdn. 106).

Dies ist vorliegend der Fall: Die Parteien haben unter anderem darüber gestritten, ob der Rechtsvorgänger der Klägerin, der verstorbene Herr Werner S, und der Geschäftsführer der Beklagten am 5. September 1999 vereinbart haben, daß für die Vergütung der Werkleistung des Rechtsvorgängers der Klägerin nicht der ursprünglich festgelegte Pauschalpreis gelten solle. Die Klägerin hat eine solche von der ursprünglichen Absprache abweichende Vereinbarung behauptet, die Beklagte hat dies bestritten. Ausweislich des Protokolls vom 2. August 2000 sollten die Klägerin und der Geschäftsführer der Beklagten gerade zu der Frage informatorisch angehört werden, ob das (ursprüngliche) Angebot vom 22. August 1999 durch eine mündliche Vereinbarung vom 5. September 1999 abgeändert worden ist. Die Anhörung diente mithin erkennbar dem Zweck, eine streitige und entscheidungserhebliche Tatsache zu klären.

Darüberhinaus hat das Landgericht im Urteil vom 8. September 2000 die Erklärungen der Parteien zu der Frage, ob die ursprüngliche Absprache durch eine mündliche Vereinbarung vom 5. September 1999 abgeändert worden ist, als Beweis gewürdigt und verwertet. Es hat u.a. ausgeführt, in dem Gespräch vom 5. September 1999 sei die ursprüngliche Preisvereinbarung nicht geändert worden. Nach den Aussagen der Klägerin und des Geschäftsführers der Beklagten im Rahmen der durchgeführten informatorischen Anhörung stehe nicht fest, daß eine Änderung des Pauschalpreises vereinbart oder die ursprüngliche Preisvereinbarung einvernehmlich aufgehoben worden sei; die beweisbelastete Klägerin habe einen Beweis im Sinne der ZPO nicht erbringen können. Das Gericht hat sodann die Erklärungen der Klägerin und des Geschäftsführers der Beklagten wiedergegeben und gewürdigt; es hat den Schluß gezogen, eine Aufhebung der ursprünglichen Preisabsprache ergebe sich bereits nicht aus der "eigenen Aussage" der Klägerin, der Geschäftsführer der Beklagten habe erklärt, es sei keine anderweitige Preisabsprache getroffen worden. Das Landgericht hat darüberhinaus ausgeführt, daß nach seiner Auffassung an der Glaubwürdigkeit des Geschäftsführers der Beklagten keine Zweifel bestünden. Daraus folgt, daß das Gericht die Erklärungen der Klägerin und des Geschäftsführers der Beklagten als Beweis gewürdigt und verwertet hat.

Ob eine Beweisgebühr dann nicht anfallt, wenn eine Anhörung gemäß § 141 ZPO erkennbar lediglich dazu dient, die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung gemäß § 448 ZPO zu prüfen (so OLG München a.a.O.), kann vorliegend dahinstehen, weil das Landgericht die Anhörungen ausweislich des Akteninhaltes gerade nicht zu diesem Zweck durchgeführt hat. Wie bereits ausgeführt, hat es die Erklärungen der Klägerin und des Geschäftsführers der Beklagten abschließend als Beweis gewürdigt und verwertet. Es hat mithin nicht nur eine (Vor-) Prüfung der Voraussetzungen der Parteivernehmung gemäß § 448 ZPO durchgeführt.

Auf der Grundlage des zutreffenden vom Landgericht in dem Urteil vom 8. September 2000 festgesetzten Streitwertes von DM 38.317,00 hat die Klägerin an die Beklagte aufgrund des Urteils folgende Kosten zu erstatten:

10/10 Prozeßgebühr, §§ 11, 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO DM 1.265,00 10/10 Verhandlungsgebühr, §§ 11, 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO DM 1.265,00 10/10 Beweisgebühr, §§ 11, 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO DM 1.265,00 Auslagenpauschale, § 26 BRAGO DM 40,00 Summe DM 3.835,00.

Die Anordnung der Verzinsung beruht auf § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt DM 1.265,00.

Ende der Entscheidung

Zurück