Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 15.08.2000
Aktenzeichen: 10 W 67/00
Rechtsgebiete: RpflG, BRAGO, ZPO


Vorschriften:

RpflG § 11 Abs. 2 Satz 5
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 4
ZPO § 165
ZPO § 139
Für den Anfall der Erörterungsgebühr reicht es nicht aus, wenn der Prozeßbevollmächtigte auf einen an ihn gerichteten Hinweis des Gerichts hin ohne weitere Erwiderung die empfohlene Prozeßhandlung vornimmt.

(Aufgabe der bisherigen gegenteiligen Senatsrechtsprechung JurBüro 1977, 1564; Rpfleger 1977, 457 sowie MDR 1978, 62)


OLG Düsseldorf 10. Zivilsenat

10 W 67/00

Beschluß vom 15. August 2000

Gründe:

Die gemäß § 11 Abs. 2 Satz 5 RpflG zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Rechtspflegerin hat zu Recht davon abgesehen, die streitige Erörterungsgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO in Höhe von 1.105,00 DM unter Anrechnung der Gebühr für die nicht streitige Verhandlung (§ 33 Abs. 1 BRAGO) gegen den Beklagten festzusetzen. Der Akteninhalt läßt nicht erkennen, daß es in der Sitzung der 7. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf am 22. Februar 2000 zu einer Erörterung gekommen ist.

1)

Das Sitzungsprotokoll enthält keine Angeben über eine im Termin durchgeführte Erörterung. Allerdings steht allein dieser Umstand der Feststellung der streitigen Gebühr nicht entgegen. Eine Erörterung der Sache gehört nicht zu den für eine mündliche Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten, die nach § 165 ZPO nur durch das Verhandlungsprotokoll bewiesen werden können. Auch nicht protokollierte Umstände - wie etwa dienstliche Äußerungen - der beteiligten Richter sind als Nachweis geeignet (Senat, Beschluß vom 12. November 1996, Az: 10 W 118/96, veröffentlicht in JurBüro 1997, 253; Rpfleger 1997, 233 sowie OLGR-Düsseldorf 1997, 69).

2a)

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 6. April 2000 detailliert den Hergang des Verhandlungstermins vom 22. Februar 2000 dargelegt. Ausweislich eines durch die Kammervorsitzende bestätigten Berichterstattervermerks trifft die schriftsätzliche Schilderung des Sitzungsablaufs zu. Danach hat die Kammervorsitzende den erschienenen Parteien rechtliche Hinweise gegeben gefolgt von der an den Beklagten gerichteten Anregung, die Klageforderung im Urkundenprozeß in voller Höhe anzuerkennen unter Vorbehalt seiner Rechte im Nachverfahren. Der Beklagte hat unmittelbar im Anschluß daran entsprechende Erklärungen abgegeben mit der Folge, daß gegen ihn noch im Termin ein Anerkenntnis-Vorbehaltsurteil verkündet wurde. Dieser Sachverhalt reicht nicht für die Entstehung einer Erörterungsgebühr gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO.

b)

Nach der Rechtsprechung des Senats bedeutet eine Erörterung einen Meinungsaustausch im Sinne eines Rechtsgesprächs über streitige, den Prozeßstoff betreffende Fragen, an dem sich mindestens zwei Personen aktiv beteiligen (zuletzt Beschluß vom 6. August 1998, Az: 10 W 70/98 mit Hinweis auf Göttlich/ Mümmler, BRAGO, 18. Aufl., Stichwort "Erörterungsgebühr", Anmerkung 3.1; Riedel/Sußbauer, BRAGO, 5. Aufl., § 31, Rdnr. 69 sowie Swolana/Hansens, BRAGO, 8. Aufl., § 31, Rdnr. 52 jeweils mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Eine Erörterung bedeutet demnach begriffsnotwendig eine Besprechung mit dem Inhalt von Rede und Gegenrede unter Darlegung bestimmter Standpunkte (Riedel/Sußbauer, BRAGO, 6. Aufl., § 31, Rdnr. 80; OLG Köln NJW 1978, 2400, 2401; OLG München JurBüro 1992, 167, 168).

c)

Nach dem Akteninhalt ist indes nicht ersichtlich, daß es im Termin am 22. Februar 2000 zu einem solchen Meinungsaustausch zwischen dem Gericht einerseits und einer der Parteien andererseits gekommen ist. Die Kammervorsitzende hat rechtliche Hinweise erteilt, die in erster Linie an den im Urkundenprozeß unterlegenen Beklagten gerichtet waren. Nach der Zusammenfassung im klägerischen Schriftsatz vom 6. April 2000 hat der Beklagte nicht der ihm mitgeteilten Rechtsansicht der fehlenden Statthaftigkeit der durch ihn angebotenen Beweismittel im Urkundenprozeß widersprochen, sondern er hat sich diesbezüglich lediglich durch eine Rückfrage vergewissert, um danach entsprechend der Anregung der Kammervorsitzenden die Klageforderung anzuerkennen ("Der Beklagte hatte als Beweis u.a. ein Sachverständigengutachten angeboten. Der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten fragte daraufhin nach, ob denn auch eben ein solches Sachverständigengutachten nicht statthaft sei. Dies verneinte die Vorsitzende Richterin. Daraufhin regte das Gericht an, daß der Beklagte die Klageforderung in voller Höhe anerkennen sollte.")

3)

Allerdings hat der erkennende Senat bereits entschieden, daß eine Erörterungsgebühr für die Prozeßbevollmächtigten beider Parteien anfällt, wenn das Gericht nach Aufruf der Sache auf die Erfolglosigkeit der Berufung sowie den Erfolg der unselbständigen Anschließung hinweist und die Berufung daraufhin ohne eine weitere Erklärung der beiden Prozeßbevollmächtigten zurückgenommen wird (Beschluß vom 7. Juni 1977, Az: 10 W 39/77, veröffentlicht in JurBüro 1977, 1564; Rpfleger 1977, 457 sowie MDR 1978, 62). Auch ein Teil der Rechtsprechung und der Literatur vertritt die Ansicht, eine Erörterungsgebühr falle auch dann an, wenn der Anwalt auf einen rechtlichen Hinweis des Gerichts hin die angeregte Prozeßhandlung ohne Erwiderung vornimmt (OLG Frankfurt JurBüro 1977, 1095; OLG Bamberg JurBüro 1981, 1562; KG MDR 1980, 589; Gerold/Schmidt/ von Eicken/Madert Kommentar zur BRAGO, 14. Aufl., § 31, Rdnr. 156). Im Vordringen ist jedoch die gegenteilige Ansicht, daß es für den Anfall der Erörterungsgebühr nicht ausreicht, wenn ein Parteivertreter auf einen an ihn gerichteten Hinweis des Gerichts hin ohne weitere Erwiderung die empfohlene Prozeßhandlung vornimmt (OLG München Rpfleger 1976, 260 sowie JurBüro 1992, 167; OLG Köln NJW 1978, 2400; OLG Hamm JurBüro 1997, 139; OLG Nürnberg JurBüro 1998, 140; Riedel/Sußbauer a.a.O., § 31, Rdnr. 81; Hartmann, Kostengesetze, 28. Aufl., § 31, Rdnr. 237; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 17. Aufl., Stichwort "Erörterungsgebühr", Anmerkung 4.31, Seite 510 jeweils m.w.N.). Da schon begrifflich keine Erörterung im Sinne eines Meinungsaustausches vorliegt, wenn eine Partei widerspruchslos als Folge eines rechtlichen Hinweises des Gerichts eine bestimmte Prozeßhandlung vornimmt, hält der Senat seine früher vertretene Auffassung nicht aufrecht. Gibt demnach das Gericht nur einen Hinweis, daß es etwa mangels eines erheblichen Verteidigungsvorbringens des Beklagten diesem aus Kostengründen ein Anerkenntnis nahelegt, so liegt keine Erörterung vor, sondern nur die Herbeiführung des richtigen Antrages nach Maßgabe des § 139 ZPO (Hartmann a.a.O., § 31, Rdnr. 228).

Ende der Entscheidung

Zurück