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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 17.07.2001
Aktenzeichen: 10 W 68/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 719 Abs. 1
ZPO § 719 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 719 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 707
ZPO § 707 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 707 Abs. 1
ZPO § 220 Abs. 1
ZPO § 333
ZPO § 78 Abs. 1
ZPO § 97
Eine sofortige Beschwerde gegen einen Beschluß, mit dem gemäss §§ 719 Absatz 1, 707 ZPO über einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil entschieden worden ist, ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn das Gericht die Grenzen seiner Ermessensausübung verkannt hat. Eine derartige Verkennung muss der Beschwerdeführer nicht nur behaupten, sondern schlüssig vortragen.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

10 W 68/01

In Sachen

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung der Richter am Oberlandesgericht Esser, Geldmacher und Wendel

am 17. Juli 2001

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 13. Juni 2001 wird kostenfällig als unzulässig verworfen.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 21. Mai 2001 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 80.000,00 einstweilen eingestellt und den Antrag des Beklagten, eine einstweilige Einstellung ohne Sicherheitsleistung anzuordnen, zurückgewiesen. Mit seinem Rechtsmittel begehrt der Beklagte weiterhin eine Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung.

Das Rechtsmittel musste als unzulässig verworfen werden, weil es unstatthaft ist.

Gemäß § 719 Abs. 1 Satz 1 ZPO gilt die Vorschrift des § 707 ZPO entsprechend, wenn gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil Einspruch eingelegt wird. Mithin ist auch § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzuwenden, wonach eine Anfechtung des Beschlusses, mit dem über einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung entschieden worden ist, nicht stattfindet. Ein Rechtsmittel ist grundsätzlich unstatthaft und damit unzulässig.

Eine Ausnahme kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn die angefochtene Entscheidung greifbar gesetzeswidrig ist. Das ist dann der Fall, wenn die Entscheidung schlechthin mit der Rechtsordnung nicht vereinbar ist, insbesondere dann, wenn jegliche gesetzliche Grundlage fehlt oder eine Entscheidung dieser Art oder dieses Inhalts im Gesetz überhaupt nicht vorgesehen ist, wenn sie also dem Gesetz inhaltlich fremd ist (vgl. BGH NJW-RR 1986, 1263 1264; NJW 1990, 838, 840; MDR 1999, 247, 248; OLG Düsseldorf, 6. Zivilsenat, JurBüro 1989, 863; OLG Koblenz NJW-RR 1998, 1450; Ball in Musielak, ZPO, 2. Aufl. 2000, § 567 Rdn. 16 ff). Eine derartige greifbare Gesetzeswidrigkeit liegt hier nicht vor. Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung sind die §§ 719 Abs. 1 Satz 1, 707 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung ist nach ihrem Inhalt dem Gesetz nicht fremd.

Eine sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der über einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung entschieden worden ist, ist ausnahmsweise auch dann zulässig, wenn das Gericht die Grenzen seiner Ermessensausübung verkannt hat (OLG Düsseldorf, 11. Zivilsenat, OLGRep. 1999, 277; OLG Düsseldorf, 4. Zivilsenat, OLGRep. 2000, 360; OLG Köln NJW-RR 1998, 364; Hartmann in Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 59. Aufl. 2001, § 707 Rnd. 17; Lackmann in Musielak, a.a.O., § 707 Rdn. 13). Ob es sich insoweit um einen Unterfall der greifbaren Gesetzeswidrigkeit handelt oder um eine selbständige weitere Anfechtungsmöglichkeit, die unabhängig von dem Fall der greifbaren Gesetzeswidrigkeit ist, kann dahinstehen.

Die sofortige Beschwerde aufgrund der Verkennung der Grenzen der Ermessensausübung ist nur dann zulässig, wenn eine derartige Verkennung nicht nur behauptet, sondern schlüssig vorgetragen wird (OLG Köln NJW-RR 1998, 364). Der Auffassung, wonach es für die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde ausreicht, wenn eine derartige Verkennung lediglich geltend gemacht wird (vgl. OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 1998, 1450; Krüger in Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2000, § 707, Rdn. 23), folgt der Senat nicht, weil allein ein einseitiger Vortrag ohne rechtliche Überprüfung nicht dazu führen kann, dass ein vom Gesetz an sich nicht vorgesehenes Rechtsmittel statthaft ist.

Der Beklagte hat nicht schlüssig dargelegt, dass das Landgericht die Grenzen seines Ermessens verkannt hat, so dass seine sofortige Beschwerde unzulässig ist.

Zwar verkennt das Gericht die Grenzen seiner Ermessensausübung grundsätzlich dann, wenn es die Zwangsvollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung einstweilen einstellt, weil es unzutreffend die Voraussetzungen des § 719 Abs. 1 Satz 2 ZPO für eine einstweilige Einstellung ohne Sicherheitsleistung verneint (OLG Frankfurt am Main a.a.O.; Lackmann in Musielak, a.a.O., § 707 Rdn. 13). In diesem Fall ist die Grundlage der vom Gericht vorgenommenen Ermessensausübung unzutreffend.

Hier liegen entgegen der Ansicht des Beklagten auch nach seinem Vortrag die Voraussetzungen des § 719 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht vor. Nach dieser Vorschrift darf die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt werden, es sei denn, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen ist oder die säumige Partei glaubhaft macht, dass ihre Säumnis unverschuldet war. Es kann dahinstehen, ob ein Verstoß gegen § 220 Abs. 1 ZPO vorliegt, weil, wie der Beklagte behauptet, die Sache vor der mündlichen Verhandlung nicht aufgerufen worden ist und er nur deshalb den Verhandlungssaal nicht betreten und auf dem Gerichtsflur gewartet hat. Ein solcher Verstoß vermag nichts daran zu ändern, dass das Versäumnisurteil in gesetzlicher Weise ergangen ist.

Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 21. Mai 2001 hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten in dem Termin zur mündlichen Verhandlung keinen Antrag gestellt, so dass der Beklagte nach Maßgabe des § 333 ZPO säumig war. Da sich gemäß § 78 Abs. 1 ZPO die Parteien vor den Landgerichten durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen, wäre der Beklagte auch für den Fall seiner eigenen Anwesenheit im Verhandlungssaal säumig gewesen. Ein Fall der Säumnis hätte auch dann vorgelegen, wenn er selbst verhandelt und einen Antrag gestellt hätte. Dass das Landgericht für den Verhandlungstermin das persönliche Erscheinen des Beklagten angeordnet hatte, ist insoweit unerheblich. Das Landgericht war nicht verpflichtet, vor Erlaß des Versäumnisurteils eine Anhörung des Beklagten durchzuführen. Ein Versäumnisurteil hätte mithin auch im Fall der Anwesenheit des Beklagten im Verhandlungssaal ergehen können.

Der Beklagte hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass seine Säumnis unverschuldet war. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob der Beklagte sein eigenes Nichterscheinen im Verhandlungssaal verschuldet hat oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, dass sein im Verhandlungstermin anwesender Prozessbevollmächtigter nicht verhandelt und keinen Antrag gestellt hat. Daraus ergibt sich die Säumnis des Beklagten; dass diese unverschuldet war, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Wert des Beschwerdegegenstandes: DM 15.000,00.

Ende der Entscheidung

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