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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 11.09.2001
Aktenzeichen: 10 WF 16/01
Rechtsgebiete: ZSEG, GKG, BGB, VwVfG


Vorschriften:

ZSEG § 16 Abs. 2
ZSEG § 15 Abs. 5
ZSEG § 3 Abs. 2 Satz 1
ZSEG § 5 Abs. 1
ZSEG § 5
ZSEG § 16 Abs. 5
GKG § 10 Abs. 3
BGB § 201
BGB § 198
VwVfG § 48
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

10 WF 16/01

In der Sachverständigenentschädigungssache

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Lua sowie der Richter am Oberlandesgericht Geldmacher und Wendel

am 11. September 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht -Neuss vom 11. Mai 2001 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:

Die der Antragstellerin zu gewährende Entschädigung wird auf insgesamt DM 630,00 festgesetzt. Ihr weitergehender Entschädigungsantrag wird zurückgewiesen.

Der Erstattungsanspruch der Staatskasse beläuft sich auf DM 280,00.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die gemäß § 16 Abs. 2 ZSEG zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache teilweise in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses war die Entschädigung der Antragstellerin auf insgesamt DM 630,00 festzusetzen.

1)

Entgegen ihrer Auffassung sind die Festsetzung eines geringeren Entschädigungsbetrages als DM 910,00, der ausweislich des Akteninhaltes am 12. Januar 2000 zur Auszahlung angewiesen worden ist, und eine Rückforderung des zuviel gezahlten Betrages in Höhe von DM 280,00 zulässig.

a)

Der Rückforderungsanspruch der Staatskasse ist nicht verjährt. Dabei kann dahinstehen, wie im einzelnen die Verjährung zu berechnen ist.

Gemäß § 15 Abs. 5 ZSEG verjähren Ansprüche der Staatskasse auf Erstattung zuviel gezahlter Entschädigungen in zwei Jahren; § 10 Abs. 3 GKG gilt entsprechend.

Falls, wovon zum Teil ausgegangen wird, §§ 201, 198 BGB entsprechend anzuwenden sind (vgl. Meyer/Höver/Bach, ZSEG, 21. Auflage 2000, § 15 Rdnr. 14.2), beginnt die Verjährung mit dem Schluß des Jahres, in dem der Entschädigungsanspruch entsteht. Da die Antragstellerin ihre Leistungen im Jahre 1999 erbracht hat, hätte mithin die Verjährungsfrist am 31. Dezember 1999 begonnen und würde erst am 31. Dezember 2001 ablaufen.

Unter Zugrundelegung der Ansicht, daß die Frist von zwei Jahren mit der Auszahlung der Entschädigung beginnt (so OLG München NJW-RR 2000, 143), würde die Verjährungsfrist, da die Auszahlung am 12. Januar 2000 angewiesen worden ist, jedenfalls nicht vor dem 12. Januar 2002 ablaufen.

Nach beiden Auffassungen ist mithin der Rückerstattungsanspruch der Staatskasse nicht verjährt.

b)

Eine Rückforderung ist vorliegend auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes ausgeschlossen.

Es kann dahinstehen, ob allgemein ein Vertrauensschutz vor Ablauf der Verjährungsfrist ausscheidet und eine Rückforderung uneingeschränkt zulässig ist (so Meyer/Höver/Bach, a.a.O, § 15 Rdnr. 15.3) oder ob es grundsätzlich Fälle geben kann, in denen aufgrund des Vertrauensschutzes eine Rückforderung nicht zulässig ist, obwohl der Anspruch noch nicht verjährt ist.

In Anbetracht der kurzen Verjährungsfrist von zwei Jahren ist es im allgemeinen nicht gerechtfertigt, dem Sachverständigen gegenüber einer Änderung der Festsetzung und einer Rückforderung der Entschädigung einen über die Verjährung hinausgehenden Vertrauensschutz einzuräumen (OLG Köln OLGRep 1999, 114). Ausnahmen hiervon kommen, wenn überhaupt, nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände vorliegen, die einen Vertrauensschutz gebieten; allein der Zeitablauf genügt insoweit nicht (vgl. hierzu Jessnitzer/Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 11. Aufl. 2001, Rdnr. 545). Derartige Umstände können beispielsweise Erklärungen des Gerichts oder des Vertreters der Staatskasse sein, aus denen der Sachverständige schließen konnte, es werde bei der einmal ausgezahlten Entschädigung verbleiben (vgl. hierzu OLG Köln a.a.O). Solche besonderen Umstände, die bei der Antragstellerin ein schutzwürdiges Vertrauen begründet haben könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Sie selbst hat im Beschwerdeverfahren ihre Auffassung, daß eine Rückforderung ausscheide, allein mit dem Zeitablauf begründet. Dies genügt jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht.

Der Ansicht des OLG Zweibrücken (RPfleger 1991, 84), wonach § 48 VwVfG entsprechend anzuwenden sei, mit der Folge, daß eine Rückforderung nach einem Jahr ausgeschlossen sei, folgt der Senat nicht. Diese Auffassung würde letztlich dazu führen, daß die von dem Gesetzgeber bestimmte Verjährungsfrist von zwei Jahren nahezu keine Bedeutung hätte; § 15 Abs. 5 ZSEG hätte einen erheblich eingeschränkten Anwendungsbereich. Dies entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers; dieser hat in § 15 Abs. 5 ZSEG deutlich gemacht, daß ein Rückforderungsanspruch erst nach zwei Jahren - und gerade nicht nach einem Jahr - nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden kann.

2)

Zutreffend hat das Amtsgericht den Zeitaufwand der Antragstellerin von 7 auf 6 Stunden gekürzt.

Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 ZSEG wird der Sachverständige für die erforderliche Zeit entschädigt; d. h. der Zeitaufwand muß gerade für die Erstellung des Gutachtens erforderlich sein.

Die Antragstellerin hat für vier Anamnesegespräche insgesamt 2 Stunden geltend gemacht; zwei dieser Gespräche haben am 2. Juni und am 9. Juni 1999 stattgefunden. Indessen hat das Amtsgericht - Familiengericht - erst mit Beschluß vom 20. Juli 1999 angeordnet, daß die Antragstellerin im einzelnen näher bezeichnete Fragen beantworten solle. Ausweislich des Akteninhaltes ist ein entsprechendes Schreiben am 21. Juli 1999 an die Antragstellerin abgesandt worden. Die Gespräche am 2. Juni und am 9. Juni 1999 können aufgrund des Verfahrensablaufs für die Beantwortung der vom Gericht gestellten Fragen nicht erforderlich gewesen sein. Aufgrunddessen ist der geltend gemachte Zeitaufwand für die Gespräche auf die Hälfte, also auf eine Stunde zu reduzieren. Gegen diese Kürzung hat die Antragstellerin im übrigen im Beschwerdeverfahren keine Einwendungen erhoben.

3)

Zuzustimmen ist dem Amtsgericht auch insoweit, als der Berechnung der Entschädigung der Antragstellerin ein Stundensatz von DM 75,00 zugrundezulegen ist.

Nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 Satz 1 ZSEG beträgt die Entschädigung des Sachverständigen für jede Stunde der erforderlichen Zeit DM 50,00 bis DM 100,00. Für die Bemessung des Stundensatzes sind der Grad der erforderlichen Fachkenntnisse, die Schwierigkeit der Leistung, ein nicht anderweitig abzugeltender Aufwand für die notwendige Benutzung technischer Vorrichtungen und besondere Umstände maßgebend, unter denen das Gutachten zu erarbeiten war.

Maßgeblich für die Ermittlung des Stundensatzes sind der konkrete Schwierigkeitsgrad der im Einzelfall zu beantwortenden Fragen und die hierfür erforderlichen Fachkenntnisse des Sachverständigen (vgl. Senat, OLGRep. 1999, 258; Beschluß vom 5. April 2001, Az. 10 W 35/01; OLG Frankfurt am Main OLGRep. 19.95, 227; Meyer/Höver/Bach, a.a.O, § 3 Rdnr. 37.1). Wenn zur Beantwortung einer einfachen, von jedem Fachkundigen zu beantwortenden Beweisfrage ein hervorragender Fachwissenschaftler herangezogen wird, waren die außergewöhnlichen Fachkenntnisse, über die der Sachverständige verfügt, zur Beantwortung der Beweisfrage nicht notwendig und können daher auch nicht zum Maßstab für die Bemessung des Stundensatzes gemacht werden (vgl. Senat a.a.O; Meyer/Höver/Bach a.a.O). Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kommt es mithin gerade nicht ausschließlich auf ihre Ausbildung an.

Die Antragstellerin sollte ausweislich des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - vom 20. Juli 1999 dazu Stellung nehmen, aus welchem Grunde die Kindesmutter, Frau, in ihrer ärztlichen Behandlung gewesen ist und mit welchem Ergebnis die Behandlung durchgeführt worden ist. Ferner sollte die Antragstellerin eine Prognose zu der Frage abgeben, ob die Kindesmutter künftig "drogenfrei" sei. Mit Verfügung vom 27. August 1999 hat die Amtsrichterin die Antragstellerin gebeten, über einen Zeitraum von 3 Monaten die erforderlichen Kontrollen durchzuführen und über das Ergebnis zu berichten.

Entsprechend diesem gerichtlichen Auftrag enthalten die Stellungnahmen der Antragstellerin Ausführungen zu dem Krankheitsbild der Kindesmutter sowie zu den durchgeführten Untersuchungen und Behandlungen; ferner hat die Antragstellerin eine Bewertung für die Zukunft vorgenommen. Besondere Schwierigkeiten sind insoweit weder ersichtlich noch vorgetragen. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß für die Beantwortung der Fragen durchschnittliche Fachkenntnisse ausreichten und besondere Schwierigkeiten nicht vorhanden waren.

Gutachten, die im Rahmen der Skala möglicher Sachverständigentätigkeit durchschnittliche Fachkenntnisse erfordern und durchschnittliche Schwierigkeiten bereiten, rechtfertigen eine nach der Mitte des Entschädigungsrahmens bemessene Entschädigung, also einen Stundensatz von DM 75,00. In einem solchen Fall ist eine über den Durchschnitt von DM 75,00 hinausgehende Entschädigung nicht gerechtfertigt (OLG Koblenz, JurBüro 1995, 488, 489; OLGRep. 2000, 27; Meyer/Höver/Bach a.a.O, § 3 Rdnr. 34).

Es ergibt sich mithin eine Entschädigung für den Zeitaufwand in Höhe von DM 450,00 (6 Stunden á DM 75,00).

4)

Hinzu kommt ein Betrag von DM 180,00 für 6 Urinscreenings.

Gemäß § 5 Abs. 1 ZSEG richtet sich die Entschädigung, soweit ein Sachverständiger Verrichtungen erbringt, die in der Anlage zu § 5 ZSEG bezeichnet sind, nach dieser Anlage.

Nach Maßgabe der Nr. 6 lit. a) der Anlage zu § 5 ZSEG erhält der Sachverständige für die toxikologische Untersuchung, wenn das Untersuchungsmaterial von Menschen stammt, je Organ oder Körperflüssigkeit DM 8,00 bis DM 80,00. Unter diese Vorschrift fallen auch Harnuntersuchungen (vgl. Meyer/Höver/Bach, a.a.O, Anlage zu § 5, Nr. 6 Rdnr. 1.1). Bei einem Urinscreening handelt es sich um eine toxikologische Untersuchung.

Die begehrten DM 30,00 für ein Urinscreening sind nicht zu beanstanden; die Antragsgegnerin hat im Beschwerdeverfahren mitgeteilt, sie trete der Gewährung von DM 30,00 pro Urinscreening nicht (mehr) entgegen.

Der Antragstellerin ist indessen lediglich eine Entschädigung für 6 Urinscreenings zu gewähren und nicht, wie von ihr begehrt, für 7 toxikologische Untersuchungen. Ausweislich der von ihr gefertigten Auflistung haben 2 Urinscreenings am 1. Juni und am 9. Juni 1999 stattgefunden, also vor ihrer gerichtlichen Beauftragung. Eine Entschädigung kann mithin insoweit nicht gewährt werden. Nach der Beauftragung haben insgesamt 6 Untersuchungen stattgefunden. Soweit die Antragstellerin ausgeführt hat, eine Urinprobe sei gefälscht worden, kann eine Entschädigung nicht gewährt werden, weil insoweit, soweit ersichtlich, eine toxikologische Untersuchung nicht stattgefunden hat.

5)

Es ergibt sich mithin folgende Berechnung der Entschädigung:

Zeitaufwand 7 Stunden á DM 75,00 DM 450,00 Urinscreenings 6 Screenings á DM 30,00 DM 180,00 Gesamtentschädigungsbetrag DM 630,00

6)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 16 Abs. 5 ZSEG.

Ende der Entscheidung

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