Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 11.07.2003
Aktenzeichen: 16 U 129/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 675
BGB § 670
BGB § 665 Satz 2
Die Entscheidung darüber, ob ein Dokumentenakkreditiv in vollem Umfang oder lediglich teilweise gemäß Art. 40 der Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (ERA 500) in Anspruch genommen wird, liegt bei dem Begünstigten. Die Zweitbank, welcher das Akkreditiv vorgelegt wird, ist nicht berechtigt, eine Entscheidung hierüber zu treffen. Für eine Teilinanspruchnahme genügt es daher nicht, dass ein Teil der vorgelegten Dokumente akkreditivgerecht ist und diese Dokumente selbständigen Teilen einer Gesamtlieferung zugeordnet werden können.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 13. Mai 2002 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithilfe werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des gegen sie jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei - die Beklagte oder die Streithelferin - vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Sicherheitsleistungen können auch durch Bürgschaft eines der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegenden Kreditinstituts erbracht werden.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von 31.855 US-Dollar mit Zinsen in Anspruch.

Die Klägerin ist ein in H... ansässiges Kreditinstitut. Die Beklagte eröffnete am 1. April 2000 im Auftrag eines Kunden, der dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetretenen R... L... GmbH & Co. KG in R... W... (im folgenden nur: R...), ein Dokumentenakkreditiv. Die Beklagte beauftragte an demselben Tag die Klägerin, die Akkreditivsumme an den in H... ansässigen Begünstigten, die V... E... Ltd. in H... (im folgenden: V...), gegen Vorlage der Dokumente auszuzahlen. Das Akkreditiv diente dazu, die Bezahlung von Warenlieferungen von V... an R... zu sichern und abzuwickeln.

In dem Akkreditiv, welches nach seiner Eröffnung mehrfach geändert wurde, heißt es auszugsweise (Anlage K1 zur Klageschrift):

Nr. 43P: PARTIAL SHIPMENTS ALLOWED (Teilverladungen erlaubt)

Nr. 46A: DOCUMENTS REQUIRED

5. INSPECTION CERTIFICATE STAMPED AND SIGNED BY APPLICANT STATING THAT THE GARMENTS HAVE BEEN APPROVED BY R... (Erforderliche Dokumente: Inspektionsbescheinigung, gestempelt und unterzeichnet vom Antragsteller mit Bestätigung, dass die Bekleidungsstücke von R... genehmigt wurden)

V... legte der Klägerin am 23. Juli 2000 Dokumente vor, u.a. die beiden Zertifikate gemäß Anlagen K4 und K5. V... verlangte aufgrund der vorgelegten Dokumente die Auszahlung von 36.655,-- US-Dollar, des gesamten durch das Akkreditiv gesicherten Betrages, welchen die Klägerin an die Begünstigte des Akkreditivs auch ausgezahlt haben will (vgl. die Zahlungsbelege vom 3. August 2000 gemäß Anlagen K2 und K3 sowie den Kontoauszug von V... Anlage K16).

Mit Telefax vom 3. August 2000 (Anlagen K6 und K7) erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten, dass die Dokumente vollständig vorgelegen hätten und der Akkreditivbetrag ausgezahlt worden sei. Hierauf erwiderte die Beklagte schriftlich am 11. August 2000 (Anlage K8, vgl. die von der Klägerin vorgelegte Übersetzung in die deutsche Sprache):

"Der Antragsteller hat uns eine notariell beglaubigte eidesstattliche Versicherung überreicht, die besagt, dass die überreichten Inspektionsbescheinigungen nicht von ihm selbst oder einem offiziellen Vertreter seiner Firma ausgestellt wurden. Folglich müssen die Inspektionsbescheinigungen gefälscht sein.

Bei einem solch offensichtlichen Missbrauch sind wir nicht länger gezwungen, diese Dokumente anzuerkennen. Wir weigern uns deshalb, diese zu bezahlen.

Betreffend Ihre Kreditüberweisung über U.S. $ 4.800 ... wurden die Dokumente ebenfalls verweigert, weil das Ursprungszertifikat fehlt.

Die Dokumente stehen zu Ihrer Verfügung und Ihrem Risiko; Waren werden von uns weder gelagert noch versichert. Teilen Sie uns bitte mit, was mit den Dokumenten geschehen soll."

Die Klägerin reagierte hierauf mit Schreiben vom 14. August 2000 (Anlage K9), mit welchem sie auf die "Dokumente über U.S. $ 16.055,00" und die "Dokumente über U.S. $ 15.800,00" Bezug nahm und u.a. ausführte:

"Darüber hinaus regeln Artikel 9A und 14 der ERA 500, dass die eröffnende Bank verpflichtet ist, an die benannte Bank zu zahlen, sofern die vorgeschriebenen Dokumente vorgelegt und die Akkreditiv-Bedingungen erfüllt sind, und dass die eröffnende Bank verpflichtet ist, die benannte Bank, die die Dokumente in Übereinstimmung mit den Akkreditiv-Bedingungen negoziiert hat, zu remboursieren und die Dokumente aufzunehmen.

Teilen Sie uns doch bitte mit, ob die beiden Dokumentensätze irgendwelche Abweichungen aufweisen; falls nicht, veranlassen Sie bitte die umgehende Zahlung."

Nach weiterem Schriftverkehr zwischen den Parteien schrieb die Beklagte unter dem 25. August 2000 an die Klägerin (Anlage K11):

"In diesem Fall findet Artikel 13 ERA keine Anwendung, weil die Zahlungsverweigerung des Akkreditivs auf den Versicherungen basiert, die der Antragsteller vorgelegt hat, und nicht auf Abweichungen in den Dokumenten.

Der Grund für die Zahlungsverweigerung ist in unseren Swift-Mitteilungen vom 11. und 15. August 2000 ausführlich erklärt."

In einem weiteren Schreiben der Beklagten an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 12. Dezember 2000 (Anlage K13) heißt es:

"Um den Vorgang aus unserer Sicht abschließend beurteilen zu können, bitten wir Sie uns zu bestätigen, dass die Auslandsbank Ihnen gegenüber schon erklärt hat, dass die in Rede stehenden Beträge tatsächlich vorbehaltlos an den Dokumenten-Einreicher am 17.08.2000 ausgezahlt worden sind und ihr somit ein effektiver schaden entstanden ist, ...

Wir tun dies im Interesse unseres Kunden, der uns weiterhin glaubhaft versichert, das "Inspection Certificate" nie ausgestellt zu haben."

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2000 (Anlage K15 = Bl. 39-40 GA) erklärte die Beklagte gegenüber den Prozessbevollmächtigten der Klägerin:

"Eine Zahlung kann zudem deshalb nicht erfolgen, da die vorgelegten Inspektionszertifikate gefälscht wurden und diese Fälschung auch bei einer ordnungsgemäßen Prüfung der Dokumente hätte auffallen müssen.

Da auch nach den Grundsätzen der ERA eine ungenügende Form, fehlende Echtheit oder Verfälschung eines Dokumentes zu beachten ist, wenn dies so auffällig ist, dass auch ohne besondere Prüfung ein offensichtlicher Mangel erkennbar wird, sehen wir eine Verletzung von Prüfungspflichten durch die Y... Y... C... Bank als gegeben an."

Die Klägerin hat behauptet, einen Betrag in Höhe der Klageforderung an den Begünstigten ausgezahlt zu haben. Sie hat die Ansicht vertreten, die ihr vorgelegten Dokumente erfüllten die Bedingungen des Akkreditivs. Die Beklagte habe innerhalb der Frist des Artikels 14 b) und e) ERA 500 (Einheitliche Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive) nur den Fälschungseinwand erhoben. Dieser sei gemäß Art. 15 ERA unbeachtlich, weil die Avisbank für eine Fälschung der Dokumente nicht einzustehen habe. Eine Fälschung werde auch bestritten, sie sei jedenfalls von der Klägerin bei ordnungsgemäßer Prüfung nicht zu erkennen gewesen. Eine Abweichung der Dokumente von den Bedingungen des Akkreditivs habe die Beklagte außergerichtlich nie geltend gemacht. Die Klägerin sei lediglich verpflichtet gewesen, die formale Übereinstimmung der Dokumente mit den Akkreditivbedingungen zu prüfen. Diese Voraussetzung sei erfüllt gewesen. Liege eine Fälschung der Dokumente vor, seien diese nur bei offenkundigen Mängeln nicht akkreditivgerecht und von der Bank zurückzuweisen. Solche Mängel hätten hier nicht vorgelegen und seien für die Klägerin auch nicht erkennbar gewesen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie US-Dollar 31.855,00 mit 12,5 % Zinsen seit dem 17. August 2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, V... habe die erforderlichen Dokumente nicht vorgelegt. Die gemäß Anlagen K4 und K5 vorgelegten Zertifikate seien gefälscht. Die Auszahlung von USD 31.855,-- am 3. August 2000 werde bestritten.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei zur Negoziierung (Zahlung von Geld gegen Dokumente) nur ermächtigt gewesen, wenn die Akkreditivbedingungen erfüllt gewesen seien. Der Klägerin habe die Prüfung der vorgelegten Dokumente oblegen. Hier sei ein geradezu pedantischer Prüfungsmaßstab anzulegen. Jede Abweichung der Dokumente von den Akkreditivbedingungen oder widersprüchliche Angaben führten dazu, dass die Dokumente zurückzuweisen seien. Diese Voraussetzungen hätten nach der Behauptung der Beklagten hier vorgelegen. Die Inspektionszertifikate nach Anlagen K4 und K5 hätten weder Mengen- noch Preisangaben enthalten noch auf die zugrunde liegenden Pro-forma-Rechnungen Bezug genommen. Das Akkreditiv gemäß Pro-forma-Rechnung vom 17. März 2000 sei über eine einheitliche Lieferung ausgestellt gewesen, tatsächlich seien jedoch zwei Einzellieferungen erfolgt. Für die Rechnung betreffend die "sacks" (Hochsitzsäcke) seien zudem Ursprungszertifikate nicht vorgelegt worden. Nach den Verpackungslisten seien die Waren bereits am 15. Juli 2000 verpackt worden. Am gleichen Tag seien auch die Rechnungen ausgestellt worden. Die Inspektion solle hingegen erst am 17. Juli 2000 stattgefunden haben, was jedoch wegen der Verpackung nicht der Fall gewesen sein könne.

Die Zertifikate seien zudem gefälscht. Abweichend von jedem Handelsbrauch und im Gegensatz zu früheren Bestätigungen von R... seien sie nicht auf einem Briefbogen R...s, sondern auf neutralem Papier erstellt worden, auf welchem Name und Anschrift der Firma maschinenschriftlich eingesetzt worden seien. Vollkommen unüblich sei auch die Verwendung des "+"-Zeichens im Namen der R... Loden GmbH & Co. KG. Der verwendete Stempel habe darauf hingewiesen, dass er nicht von R... stamme, sondern von V.... Als Unterschrift unter beiden Zertifikaten sei der Namenszug R... ohne jedes Vertretungsverhältnis gesetzt worden. Die Fälschung der Dokumente sei für die Klägerin leicht zu erkennen gewesen.

Sie - die Beklagte - habe die Akkreditivwidrigkeit rechtzeitig angezeigt. Auch unechte Dokumente entsprächen nicht den Akkreditivbedingungen.

Hierauf hat die Klägerin noch erwidert, es sei nach den Akkreditivvorgaben nicht erforderlich gewesen, dass die Dokumente auch Angaben zu Mengen und Preisen enthielten und über eine einheitliche Leistung ausgestellt sein müssten. Das Akkreditiv erlaube vielmehr ausdrücklich "partial shipments". Das Akkreditivgeschäft sei für eine Bank ein Massengeschäft aus dem Bereich des Zahlungsverkehrs. Die Prüfungspflicht nach Art. 13 ERA beziehe sich nur auf die äußerliche Ordnungsgemäßheit der Dokumente und stelle auf den Standard internationaler Bankpraxis ab. Es sei daher lediglich ein formaler Abgleich zwischen Akkreditiv und Dokumenten erforderlich gewesen.

Der Fälschungseinwand sei rechtlich unbeachtlich. R... habe sich gegen ein vertragswidriges oder gar kriminelles Handelns ihres Vertragspartners im Rahmen des Dokumentenakkreditivs wirksam nur schützen können, indem sie die Akkreditivbedingungen anders ausgestaltet hätte. Eine Fälschung der Inspektionszertifikate, die weiterhin bestritten bleibe, hätte die Klägerin auch nicht erkennen können.

Die R... GmbH & Co. KG ist dem Rechtsstreit als Streithelferin auf Seiten der Beklagten beigetreten und hat ebenfalls Klageabweisung beantragt. Sie hat vorgetragen:

Die vorgelegten Dokumente seien nicht akkreditivgerecht. Die Klägerin habe unstreitig ein Ursprungszertifikat für die Lieferung von 300 Säcken im Wert von 4.800 US-Dollar nicht vorgelegt. Das sei von der Beklagten mit Schreiben vom 11. August beanstandet worden. Die Klägerin habe die Rüge akzeptiert. Den Betrag der Rechnung hinsichtlich dieser Säcke mache sie nicht mehr geltend.

Die damit anerkannte Rüge habe nicht nur Bedeutung für die genannte Rechnung, sondern für den Gesamtauftrag. Die Rüge wahre die Rechte der Beklagten für das gesamte Akkreditiv. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, wegen dieses von ihr rechtzeitig gerügten Dokumentenmangels die Gesamtlieferung unabhängig davon zurückzuweisen, ob die ebenfalls vorgebrachte, alle Teillieferungen betreffende Fälschungsrüge ebenfalls zur Zurückweisung der Gesamtlieferung berechtigte. Die betroffene Teillieferung mache mehr als 5 % der Gesamtlieferung aus. Nach Nr. 39A und 45A des Akkreditivs seien nur Mehr- oder Minderlieferungen bis zu 5 % unschädlich. Dies ergebe sich jedenfalls aus der in Bezug genommenen Pro-forma-Rechnung vom 17. März 2000 (Anlage S1 = Bl. 131 GA).

Der Beklagten und Streithelferin sei nicht zumutbar gewesen, den Restbetrag zu zahlen, obwohl für Ware im Wert von 4.800,-- US-Dollar akkreditivgerechte Dokumente nicht vorgelegen hätten, die Ordnungsgemäßheit der Ware damit nicht dokumentiert gewesen sei und Ware und Dokumente daher hätten zurückgewiesen werden müssen. Ohne die Bezahlung der gesamten Lieferung gegenüber der Doku-mentinhaberin und der gesamten Frachtgebühren gegenüber der Frachtführerin sei es nicht möglich gewesen, die restliche Ware zu erhalten. Die Frachtführerin sei verpflichtet gewesen, die Gesamtlieferung nur einheitlich auszugeben, wenn ihr die Papiere über die Gesamtlieferung präsentiert würden. Mangels Akkreditivgerechtigkeit der Teillieferung hätten die Beklagte und die Streithelferin die Fracht selbst dann nicht erhalten, wenn sie die anderen Teile der Lieferung nicht beanstandet hätten. Dem Geschäftsführer der Streithelferin sei auf Anfrage von der Frachtführerin erklärt worden, er könne die Ware nur einsehen, wenn er die "bill of lading" als bezahlt in Händen halte und die Frachtkosten für den Container von der Klägerin bezahlt seien. Der Frachtführer sei verpflichtet gewesen, den Container nur gegen Rückgabe der Originalpapiere zu allen Teilinhalten des Containers auszuliefern, was allgemeinem Standard entspreche.

Darüber hinaus habe die Klägerin nicht unterstellen können und dürfen, der Streithelferin sei mit beliebigen Teillieferungen gedient. Zwar habe das Akkreditiv auch eine Teillieferung zugelassen. Das habe aber nur bedeutet, dass die Gesamtlieferung in mehreren Teilen ausgeliefert und in verschiedenen Transportmitteln transportiert werden dürfe. Alle anderen Voraussetzungen des Akkreditivs hätten aber für die einzelnen Teillieferungen eingehalten werden müssen. Wenn nur eine Teillieferung nicht bedingungsgerecht oder gar nicht geliefert worden sei, habe es sich nicht mehr um Teillieferungen, sondern um eine Mengenabweichung gehandelt, die nur bis zu 5 % des Umfangs zulässig gewesen sei.

Die bedingungsgerechte Erfüllung sei vorliegend daher nicht mehr möglich gewesen. Der späteste Verladetermin vom 30. Juli 2000 sei inzwischen überschritten gewesen. Die eingelagerte Ware sei nach der Dokumentenlage bereits auf dem Seeweg gewesen. Da eines der erforderlichen Ursprungszertifikate nicht rechtzeitig ausgestellt gewesen sei und eine Nachlieferung außerhalb der nach dem Akkreditiv zulässigen Zeiträume nicht mehr akzeptiert zu werden brauchte, habe festgestanden, dass der Vertrag endgültig nicht erfüllt worden sei. Das gelte unabhängig davon, ob entgegen tatsächlicher Übung und Handelsbrauch die restliche Ware freiwillig von dem Frachtführer gegen bezahlte Teilfrachtpapiere herausgegeben worden wäre. Wäre hier eine Teilverladung im Sinne einer endgültigen Teilerfüllung rechtlich zulässig gewesen, wäre eine solche durch die Transportdokumente jedenfalls nicht gedeckt gewesen.

Auch die Dokumente betreffend die Lieferung von "trousers, overalls, anoraks" seien nicht akkreditivgerecht gewesen (Einzelheiten Bl. 125 ff. GA). Die formellen Ungereimtheiten belegten auch die Berechtigung des Fälschungsvorwurfes und die Erkennbarkeit der Fälschung für die Klägerin.

Die vorgelegten Inspektionszertifikate seien gefälscht. Sie stammten nicht von der Streithelferin. Sie seien nicht von ihren Mitarbeitern unterzeichnet worden. Den Einwand des Rechtsmissbrauchs müsse sich die Klägerin entgegenhalten lassen, jedenfalls solange nicht nachgewiesen sei, dass das Akkreditiv negoziiert sei. Ginge V... selbst aus dem Akkreditiv vor, bestünde kein Zweifel, dass einer solchen Inanspruchnahme der Bereicherungseinwand entgegen stünde, weil ein Anspruch aus dem Grundgeschäft nicht bestanden habe. Erfüllung sei hier nur vorgetäuscht worden. Die Klägerin sei lediglich Inkassostelle für die Vertragspartnerin V....

Die Streithelferin bestreite, dass die Klägerin die Dokumente aufgekauft oder Kredit zugelassen habe. Wenn die Klägerin die Rechte aus dem Akkreditiv aufgekauft oder kreditiert haben sollte, werde dies vor der Vorlage der Dokumente geschehen sein. Nur so sei verständlich, dass die Klägerin trotz der geltend gemachten Bedenken gegen die vorgelegten Papiere diese angenommen habe. Das beruhe auf Bösgläubigkeit der Klägerin. Hier habe besonderer Anlass zur Aufmerksamkeit bestanden. Deswegen könnten hier Einwände aus dem Grundverhältnis geltend gemacht werden.

Die Klägerin sei nur zur Negoziierung ermächtigt gewesen, eine Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung habe hingegen nicht bestanden. Es komme daher darauf an, ob die Klägerin tatsächlich auf die vorgelegten Papiere gezahlt habe. Das werde weiterhin bestritten. Solches wäre anhand der Mängel der Papiere unverständlich und ungewöhnlich. Die Einräumung eines Kredits stehe einer Zahlung nicht gleich. Es komme vielmehr darauf an, ob der Kredit auch tatsächlich in Anspruch genommen sei. Das sei hier nicht der Fall und werde bestritten.

Diesem Vorbringen ist die Klägerin mit dem Einwand entgegengetreten, die verweigerte Akzeptierung der Dokumente innerhalb der maßgeblichen Frist sei auf einen Teilbetrag von US $ 4.800,-- beschränkt gewesen. Dies ergebe sich auch aus den nachfolgenden Schreiben der Beklagten, in welchen sie im Übrigen lediglich den Fälschungseinwand erhoben habe. Es seien Teillieferungen erlaubt gewesen. Die beiden Lieferungen über "overalls" und "trousers", für welche nunmehr Bezahlung verlangt werde, seien erfolgt, die unterbliebene Lieferung von "sacks" habe nicht zur Folge, dass eine Minderlieferung anzunehmen sei. Die Pro-forma-Rechnung vom 17. März 2000 sei nicht Gegenstand des Akkreditivs. Es werde bestritten, dass die Fracht bei Vorlage der Dokumente nicht ausgehändigt worden wäre. Die gerügten "Unüblichkeiten" der Dokumente würden bestritten, die Rüge sei auch verfristet. Der Einwand aus dem Grundverhältnis zwischen der Streithelferin und V... sei unberechtigt.

Das Landgericht hat die Klägerin durch Beschluss vom 26. September 2001 (Bl. 165-167 GA) darauf hingewiesen, dass der Einwand der Fälschung mit Telefax vom 11. August 2000 fristgerecht erhoben worden sei. Außerdem bestünden Bedenken hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbildes der Inspektionsdokumente, weil diese - soweit ersichtlich - entgegen der im Akkreditiv enthaltenen Regelung nicht gestempelt gewesen seien.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte das Original der Anlagen K 4 und K 5 vorgelegt. Daraus ist, so die Feststellung im Protokoll, zu entnehmen, dass der untere Aufdruck "for and on behalf of R... Loden GmbH & Co. KG" und die gepunktete Linie in einer blauen Stempelfarbe auf dem Original enthalten ist. Zwischen den Parteien und der Streithelferin ist nach dem Protokoll unstreitig, dass es sich hierbei um einen Stempel handelt.

Die Klägerin hat dann noch ergänzend vorgetragen, Teilverladungen seien nach dem Dokumentenakkreditiv, aber auch nach Art. 40 a) ERA zulässig gewesen. Im Übrigen habe es hier eine entsprechende Teilverladung nicht gegeben. Die Beklagte habe sie auch nicht fristgerecht gerügt. Die Verladepapiere (Anlagen S5-S7) belegten, dass die Waren in dem gleichen Container verladen worden seien. Auch Teilinanspruchnahmen seien gemäß Art. 40 a) ERA zulässig.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte bereits deshalb nicht gegeben sei, weil die Klägerin eine Zahlung an den Lieferanten nicht ausreichend nachgewiesen habe oder weil der Fälschungseinwand der Beklagten gegenüber der Klägerin durchgreife. Jedenfalls könnten sich Beklagte und Streithelferin zu Recht auf eine unzulässige Mengenabweichung infolge des nicht vorgelegten Ursprungszeugnisses hinsichtlich der Hochsitzsäcke berufen und somit Zahlung verweigern. Bei der tatsächlichen Lieferung des Herstellers V... handele es sich um eine unzulässige Mengenabweichung. Die Klägerin habe bis zum nach dem Akkreditiv letzten Verladetermin kein Ursprungszertifikat für die Lieferung von 300 gefütterten Säcken vorgelegt. Insofern handele es sich nicht um eine zulässige Teillieferung, sondern um eine unzulässige Mengenabweichung.

Laut Akkreditiv habe das Ursprungszeugnis vorgelegt werden müssen. Die Dokumente hätten damit bereits äußerlich nicht den Akkreditivbedingungen entsprochen. Das habe die Klägerin auch anerkannt, indem sie den Betrag bezüglich der Säcke nicht mehr geltend gemacht habe.

Die Beklagte habe fristgerecht gerügt und in der Rüge die für die Geltendmachung ihrer Rechte notwendigen Angaben gemacht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin mit dem Antrag,

abändernd die Beklagte zu verurteilen, an sie 31.855 US-Dollar mit 12,5 % Zinsen seit dem 17. August 2000 zu zahlen.

Die Entscheidung des Landgerichts sei falsch. Das Landgericht lasse völlig außer Acht, dass im vorliegenden Fall Teilverladungen, Teillieferungen und Teilinanspruchnahmen erlaubt gewesen seien, und zwar sowohl gemäß Art. 40 ERA als auch gemäß Ziffer 43P des Akkreditivs. Darunter sei grundsätzlich die Verladung nur einer Teilmenge der gesamten Liefermenge zu verstehen. Dieser Fall sei hier zwar nicht gegeben, da ausweislich der "bill of lading" 300 Säcke von der Begünstigten verladen worden seien. Allerdings habe für die Säcke das nach den Akkreditivbedingungen erforderliche Herkunftszeugnis gefehlt. Da es für die Frage der Zahlungspflicht aus einem Dokumentenakkreditiv nicht auf die tatsächliche Lieferung, sondern allein auf die ordnungsgemäße Präsentation der nach dem Akkreditiv vorzuliegenden Dokumente ankomme, sei der Fall der nicht ordnungsgemäßen Dokumentation der Nichtlieferung der unzureichend dokumentierten Teilmenge gleichzusetzen.

Nach dem Regelungsgehalt von Art. 40 ERA sei die Begünstigte bis zum letzten Gültigkeitstag des Akkreditivs berechtigt, Teilausnutzungen vorzunehmen, auch wenn bereits offenkundig sei, dass eine vollständige Lieferung oder Verladung nicht mehr erfolgen könne. Daraus folge, dass es sich entgegen der Auffassung des Landgerichts bei der Lieferung der akkreditivgerecht dokumentierten Hosen, Anoraks und Overalls um eine zulässige Teillieferung gehandelt habe. Es komme nicht darauf an, ob der Begünstigte die letzte Versandfrist für die Gesamtmenge gewahrt und die erforderlichen Dokumente für die Gesamtlieferung fristgerecht präsentiert habe. Der Begünstigte habe lediglich für alle Teile, für welche Zahlung aus dem Akkreditiv begehrt werde, die erforderlichen Dokumente fristgerecht präsentieren müssen. Dies sei hinsichtlich der Klageforderung der Fall gewesen.

Würde man dem Landgericht folgen, müsste die eröffnende Bank bei Teillieferungen immer zunächst abwarten, ob die Gesamtlieferung innerhalb der Akkreditivfrist vollständig erfolgt sei. Erst nach vollständiger Lieferung hätte sie auf die bereits vor Ablauf der Frist dokumentierten Teillieferungen zu zahlen. Eine Akkreditivbestimmung über die Zulässigkeit von Teillieferungen und Teilinanspruchnahmen werde dann überflüssig. Der Begünstigte könne zwar von der Möglichkeit von Teillieferungen Gebrauch machen, würde allerdings Zahlungen für zulässige Teillieferungen erst erhalten, wenn er seinen Gesamtverpflichtungen nachgekommen wäre. Ein solches Ergebnis stehe im Widerspruch zu dem Wortlaut der ERA und des Akkreditivs.

Wolle man mit dem Landgericht die Zulässigkeit von Teillieferungen auf diejenigen Fälle beschränken, bei welchen innerhalb der Akkreditivfrist die Gesamtliefermenge geleistet werde, wären Teillieferungen bei Geltung der ERA ohne abweichende Parteivereinbarungen nur zulässig, wenn sie mindestens 95 % der Gesamtliefermenge umfassen. Minderlieferungen von mehr als 5 % wären dann trotz Zulässigkeit von Teillieferungen nach 40 ERA immer ausgeschlossen.

Selbst wenn man der Meinung wäre, dass entgegen Art. 40 Teillieferungen nur zulässig seien, wenn sie im Einzelnen im Akkreditiv benannt seien, würde dies an der Zulässigkeit von Teillieferungen im vorliegenden Fall nichts ändern. Aus dem Akkreditiv gingen die Einzelpositionen und Teilmengen der zu liefernden Waren, nämlich 300 Säcke, 200 Overalls, 500 Hosen und 1400 Anoraks eindeutig hervor. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die als Nichtlieferung zu wertende Verschiffung von unzureichend dokumentierten Waren eine Mengenabweichung im Hinblick auf die ordnungsgemäß dokumentierten und vollständig verladenen Waren darstellen sollte. Die Nichtlieferung von Säcken stelle keine Mengenabweichung hinsichtlich der zu liefernden Hosen, Overalls und Anoraks dar.

Die Beklagte habe ihre Zahlungsverweigerung bezüglich des Akkreditivbetrags hinsichtlich der 300 Säcke auf das fehlende Ursprungszeugnis gestützt. Die Zahlung des restlichen Akkreditivbetrages habe die Beklagte mit der Begründung verweigert, die Unterlagen seien gefälscht worden. Hieran müsse sich die Beklagte festhalten lassen. Selbst wenn man dem Landgericht folgen wolle, dass eine Rüge nicht im Einzelnen bezeichnen müsse, welche Rechtsfolgen aus der Rüge abgeleitet werden sollten, müsse eine Bank die von ihr selbst gesetzten Grenzen ihrer Rügen gegen sich gelten lassen.

Dass eine Begrenzung der Rechtsfolgen einer Rüge von der angewiesenen Bank zu berücksichtigen sei, folge aus Art. 14 d) (ii) ERA, wonach die Rüge alle Unstimmigkeiten benennen müsse, aufgrund derer die Bank die Dokumente zurückweise. Sinn der Regelung sei es, ein "Nachhaken" der rügenden Bank nach Ablauf der Rügefrist zu vermeiden.

Der Fälschungseinwand sei unerheblich, da die von der Beklagten behauptete Fälschung der Zertifikate aus den Zertifikaten nicht ersichtlich gewesen sei.

Mit dem Antrag auf Zurückweisung der Berufung treten die Beklagte und die Streitgehilfin dem gegnerischen Vorbringen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags im Einzelnen entgegen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und der Streithelferin und der von ihnen vorgelegten Urkunden und Schriftstücke, auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung sowie auf die in der mündlichen Verhandlung erteilten und protokollierten Hinweise des Senats verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist aus den mit den Parteien und der Streithelferin in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen erörterten Gründen unbegründet. Das Landgericht hat richtig entschieden. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch in der geltend gemachten Höhe nicht zu.

A.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von 31.855,-- USD mit Zinsen in Anspruch. Grundlage für dieses Begehren ist das Dokumentenakkreditiv vom 1. April 2000 in der zuletzt geltenden Fassung, welches die Beklagte auf Antrag der Streitgehilfin eröffnet hat. Aufgrund dieses Akkreditivs will die Klägerin nach ihrer Behauptung Zahlungen in Höhe der Klageforderung an das begünstigte Unternehmen V... geleistet haben, das sich eines Kaufpreisanspruchs gegen die Streitgehilfin berühmt.

I.

In Deutschland gibt es keine gesetzliche Regelung des Akkreditivs. Rechtsgrundlage sind die von der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris zur Anwendung empfohlenen Regelungen der "Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (ERA 500)". Die Richtlinien regeln weltweit Fragen der Erstellung und Abwicklung von Akkreditiven. Ihre Rechtsnatur ist streitig; nach herrschender Ansicht muss ihre Geltung vereinbart werden. Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien und der Streithelferin unstreitig, dass sie auf das streitgegenständliche Akkreditiv Anwendung finden.

II.

1. Das Akkreditiv ist ein abstraktes Zahlungsversprechen eines Kreditinstituts, gegen bestimmte Dokumente unter Einhaltung bestimmter Bedingungen einen festgesetzten Betrag für Rechnung des Auftraggebers innerhalb einer bestimmten Frist an den Begünstigten zu zahlen. Beteiligt an der Zahlungsabwicklung durch Dokumentenvorlage sind

- der Akkreditivauftraggeber (Akkreditivsteller), hier die Streithelferin;

- die Akkreditivbank (eröffnende Bank; Bank des Akkreditivstellers), vorliegend die Beklagte;

- der Begünstigte (Zahlungsempfänger), hier V...;

- sowie - so jedenfalls im vorliegenden Fall - eine weitere Bank, die von der Akkreditivbank in Eröffnung oder Abwicklung des Akkreditivs eingeschaltet wird und regelmäßig ihren Sitz im Heimatland des Begünstigten hat (Zweitbank), vorliegend die Klägerin.

Bei unbestätigten Akkreditiven hat der Begünstigte einen Anspruch auf Erfüllung nur gegen die Eröffnungsbank, während die eingeschaltete Zweitbank dem Begünstigten gegenüber lediglich als Avisbank (mit der Verpflichtung zur Anzeige der Eröffnung des Akkreditivs) und/oder als Zahlstelle ohne Übernahme einer eigenen Zahlungsverpflichtung fungiert.

Der Akkreditivanspruch des Begünstigten ist bedingt und befristet. Er steht unter der aufschiebenden Bedingung der Vorlage akkreditivkonformer Dokumente und wird grundsätzlich erst in diesem Augenblick fällig. Die Vorlage hat spätestens am Verfallstag, den jedes Akkreditiv enthalten muss, zu erfolgen (Art. 42 b) ERA). Ohne Verfallsdatum ist das Akkreditiv nichtig. Erfolgt die Vorlage verspätet, ist der Akkreditivanspruch verfristet (Ebenroth/Boujong/Joost-Hakenberg, HGB, Band 2, BankR II, Rn II 473).

Mangels Sonderweisung sind Teilinanspruchnahmen oder Teilverladungen zulässig (Art. 40 a) ERA).

2. Im Verhältnis der Zweitbank zur Akkreditivbank liegt - wenn über die Anwendung der Einheitlichen Richtlinien hinaus Deutsches Recht anzuwenden ist - ein Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 BGB vor.

Die Pflichten der Zweitbank entsprechen denjenigen der Akkreditivbank. Sie ist vor allem verpflichtet, den erteilten Auftrag sorgfältig auszuführen. Sofern sie nicht lediglich die Funktion einer avisierenden Bank hat, muss sie die aufzunehmenden Dokumente genauestens prüfen. Zahlt sie den Akkreditivbetrag auftragsgemäß aus, steht ihr ein - vorzuschießender (§ 669 BGB) - Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 675, 670 BGB gegen die Akkreditivbank zu. Nimmt die Zweitbank hingegen nicht akkreditivkonforme Dokumente auf, verliert sie ihren Deckungsanspruch (Heymann-Horn, HGB, Band 4, § 372 Anh. IV Rn 46; Ebenroth/Boujong/Joost-Hakenberg aaO, Rn II 470; MüKo-Nielsen, HGB, Band 5, ZahlungsV Rn H 112; Staub-Canaris, HGB, 4. Aufl., Bankvertragsrecht Rn 949).

Die Zurückweisung solcher Akkreditive durch die Akkreditivbank, die ihrerseits neben der Zweitbank zur Prüfung verpflichtet ist, hat unverzüglich zu erfolgen. Gegenüber der Zweitbank muss die Akkreditivbank nicht akkreditivkonforme Dokumente spätestens sieben Bankarbeitstage nach Erhalt rügen (Art. 14 d) (i) ERA; vgl. BGH WM 1984, 1214, 1215). Anderenfalls gelten die Dokumente als akkreditivkonform und die Akkreditivbank verliert ihr Rügerecht (Art. 14 e) ERA; vgl. MüKo-Nielsen aaO, Rn H 181). Die Mängel sind vollständig aufzuzählen; ein Nachschieben von Gründen ist unzulässig (Art. 14 d) ii) ERA; MüKo-Nielsen aaO, Rn H 179). Die Bank hat außerdem zu erklären, dass sie die Dokumente entweder zur Verfügung des Einreichers oder der übersendenden Zweitbank hält oder zurücksendet (Art. 14 d) (ii) ERA).

Im Akkreditivgeschäft gilt der Grundsatz der formalen Auftragsstrenge. Banken haben die ihnen erteilten Aufträge genauestens zu befolgen, müssen das Akkreditiv in der vorgeschriebenen Frist und Form eröffnen und dürfen nur akkreditivkonforme Dokumente aufnehmen (BGH aaO; BGH NJW 1989, 159, 160; OLG München WM 1998, 554, 555; Ebenroth/Boujong/Joost-Hakenberg aaO, Rn II 466; Baumbach/ Hopt, HGB, 30. Aufl., BankGesch Rn K/5). Der Grund hierfür ist, dass den beteiligten Banken das zugrunde liegende Exportgeschäft und dessen Gebräuchlichkeiten unbekannt sind. Sie können daher in der Regel nicht beurteilen, ob eine Abweichung vom Auftrag schädlich oder unschädlich ist (MüKo-Nielsen aaO, Rn H 104).

Dem entspricht auch der Grundsatz der Dokumentenstrenge. Akkreditiv- und Zweitbank dürfen nur solche Dokumente aufnehmen, die den Akkreditivbedingungen aufs Genaueste entsprechen. Bei Vorlage anderer, etwa nur ähnlicher Dokumente, darf die Akkreditivleistung nicht erbracht werden (BGH WM 1984, 1443 f.; OLG München WM 1996, 2335, 2336; Staub-Canaris aaO, Rn 942). Anderenfalls drohen Deckungsverlust und Schadensersatzansprüche des Akkreditivauftraggebers.

Maßstab für die Feststellung, ob vorgelegte Dokumente akkreditivkonform sind, ist der Standard internationaler Bankpraxis (Art. 13 a) ERA). Es ist zu prüfen, ob die Dokumente ihrer äußeren Aufmachung nach den Akkreditivbedingungen zu entsprechen scheinen. Die Prüfungspflicht erstreckt sich auf die äußerliche Ordnungsgemäßheit und Vollständigkeit sowie auf Widersprüche untereinander. Entscheidend ist, ob die aufnehmende Bank ohne Hinzuziehung externen Sachverstands erkennen kann, dass die Abweichung für den Auftraggeber unerheblich und unschädlich ist. Dann ist ein Abweichen von Weisungen und Akkreditivbedingungen nach herrschender Ansicht zulässig (BGH WM 1984, 1443, 1444; OLG München WM 1998, 554, 555; Canaris aaO, Rn 945; Ebenroth/Boujong/Joost-Hakenberg aaO, Rn II 466; aA MüKo-Nielsen aaO, Rn H108). Im Übrigen kann ein Abgehen von Weisungen und Akkreditivbedingungen nur bei konkreter Gefahr für den Auftraggeber zulässig sein, §§ 675, 670, 665 Satz 2 BGB.

B.

Danach ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass die der Klägerin durch V... vorgelegten Dokumente nicht akkreditivgerecht waren und sie daher ihren Deckungs-anspruch gegen die Beklagte nicht geltend machen kann. Entgegen ihrer Auffassung kann nicht von einer zulässigen Teilverladung und Teilinanspruchnahme im Sinne des Art. 40 a) ERA ausgegangen werden, auch wenn Lieferungen und Dokumente nach dem Inhalt des Akkreditivs grundsätzlich teilbar waren. Die Mängel anderer Teile der Dokumente, welche der Begünstigte vorgelegt und damit den Akkreditivbetrag in voller Höhe in Anspruch genommen hat, können nicht unberücksichtigt bleiben.

I.

Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte folgt grundsätzlich aus dem zwischen ihnen geschlossenen Vertrag in Verbindung mit Art. 14 a) (i) ERA. Die Geltung der Einheitlichen Richtlinien ist zwischen den Parteien unstreitig.

Nach Art. 14 a) (i) ERA ist die eröffnende Bank verpflichtet, die Bank, welche sie ermächtigt hat, gegen Dokumente, die ihrer äußeren Aufmachung nach den Akkreditivbedingungen zu entsprechen scheinen, zu zahlen, zu "remboursieren". Das bedeutet, dass sie ihr die Zahlung an den Begünstigten zu erstatten hat.

Unstreitig war die Klägerin von der Beklagten ermächtigt, Zahlung an V... nach Vorlage der erforderlichen Dokumente zu leisten (vgl. Nr. 47A des Akkreditivs). Die Klägerin war demnach nicht nur Avisbank, sondern ermächtigte Zahlstelle, und zwar ermächtigt zur Negoziierung (vgl. Nr. 41D des Akkreditivs), was bedeutet, dass für die eröffnende Bank die Verpflichtung besteht, vom Begünstigten gezogene Tratten und/oder unter dem Akkreditiv vorgelegte Dokumente ohne Rückgriff auf Aussteller und/oder gutgläubige Inhaber zu bezahlen (vgl. Art. 9 a) (iv) ERA).

Dass daneben weitere Rechtsgrundlagen den Anspruch der Klägerin rechtfertigen könnten, tragen die Parteien nicht vor.

II.

Die Beklagte hat jedoch form- und fristgerecht eine berechtigte Dokumentenrüge mit der Folge des Wegfalls des Erstattungsanspruchs der Klägerin erhoben.

1. Dass die Beklagte die Rügefrist des Art. 13 b) ERA eingehalten hat, ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Frist von sieben Bankarbeitstagen ist zwar eine maximale Frist, die nicht ohne Weiteres ausgeschöpft werden darf (Nielsen, Die Revision der Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive (ERA 500) zum 1. Januar 1994, WM 1994, Sonderbeilage Nr. 2, S. 11). Die Klägerin trägt allerdings nichts dazu vor, dass die Beklagte bereits zu einem früheren Zeitpunkt als tatsächlich geschehen dazu in der Lage und verpflichtet war, ihre Beanstandungen formgerecht zu rügen. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Streithelferin hat die Beklagte das Inanspruchnahmeschreiben der Klägerin vom 3. August 2000 erst am 7. August 2000 (einem Montag) erhalten (Bl. 147 GA). Die Beklagte hat somit innerhalb von vier Tagen reagiert. Dass hierdurch den Anforderungen der Einheitlichen Richtlinien an eine fristgerechte Rüge nicht genügt worden ist, ist nach dem Klägervortrag nicht festzustellen.

2. Die Rüge der Beklagten mit Schreiben vom 11. August 2000 (Anlage K8) erfolgte formgerecht.

Nach Art. 14 d) (i) ERA muss die eröffnende Bank, wenn sie sich zur Zurückweisung der Dokumente entscheidet, eine entsprechende Mitteilung unverzüglich, jedoch nicht später als am Ende des siebten Bankarbeitstages nach dem Tag des Dokumentenerhalts geben. Diese Mitteilung ist an die Bank zu richten, von der sie die Dokumente erhalten hat.

Sie muss nach lit. (ii) ferner alle Unstimmigkeiten nennen, aufgrund derer die Bank die Dokumente zurückweist, und besagen, ob die Dokumente zur Verfügung des Einreichers gehalten oder ihm zurückgesandt werden.

Diesen Anforderungen ist die Rüge der Beklagten gerecht geworden.

a. In dem Schreiben vom 11. August 2000 heißt es:

"Der Antragsteller hat uns eine notariell beglaubigte eidesstattliche Versicherung überreicht, die besagt, dass die überreichten Inspektionsbescheinigungen nicht von ihm selbst oder einem offiziellen Vertreter seiner Firma ausgestellt wurden. Folglich müssen die Inspektionsbescheinigungen gefälscht sein.

Bei einem solch offensichtlichen Missbrauch sind wir nicht länger gezwungen, diese Dokumente anzuerkennen. Wir weigern uns deshalb, diese zu bezahlen.

Betreffend Ihre Kreditüberweisung über U.S. $ 4.800 ... wurden die Dokumente ebenfalls verweigert, weil das Ursprungszertifikat fehlt.

Die Dokumente stehen zu Ihrer Verfügung und Ihrem Risiko; Waren werden von uns weder gelagert noch versichert. Teilen Sie uns bitte mit, was mit den Dokumenten geschehen soll."

b. Die Beklagte macht zu Recht geltend, dass sie - außer dem Fälschungseinwand, auf den es an dieser Stelle nicht ankommt - auch gerügt hat, dass das Ursprungszertifikat betreffend die Kreditüberweisung über 4.800,-- USD gefehlt hat. Das Fehlen dieses Zertifikats ist ebenso unstreitig wie die Notwendigkeit seiner Vorlage nach dem Akkreditiv; die Klägerin hat nach dieser Rüge die Remboursierung des Betrages von 4.800,-- USD auch nicht mehr geltend gemacht, er ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

Der Streit der Parteien geht vielmehr darum, ob mit dieser Rüge die Beklagte berechtigt ist, auch den streitgegenständlichen Restbetrag von 31.855,-- USD zu verweigern, was voraussetzt, dass die objektiv zum Ausdruck gekommene Dokumentenrüge auch diesen Betrag erfasst. Diese Voraussetzung ist zu bejahen.

Das ergibt sich aus den auszulegenden gesamten Erklärungen der Beklagten, wie sie in ihrem Schreiben vom 11. August 2000 zum Ausdruck gekommen sind. Die zeitlich nachfolgenden Erklärungen der Beklagten sind hingegen irrelevant, weil ein Nachschieben von Gründen nach Ablauf der Frist von sieben Bankarbeitstagen bereits an der Nichteinhaltung dieser Frist scheitern würde (vgl. Nielsen aaO, S. 12). Auf sie kommt es aber auch nicht entscheidend an, weil bereits die Erklärungen der Beklagten vom 11. August 2000 eindeutig sind, ohne dass sie durch ihre nachfolgenden Schreiben an die Klägerin in Zweifel gezogen worden wären.

Entscheidend ist, dass die Beklagte gerügt hat, dass das nach dem Akkreditiv vorzulegende Ursprungszertifikat betreffend die Zahlung von 4.800,-- USD fehlte und von V..., der Begünstigten, nicht vorgelegt worden war. Damit hat sie gerügt, dass nicht sämtliche nach dem Akkreditiv erforderlichen Dokumente vorgelegen haben.

Die Beklagte hat hierauf auch nicht nur ihre Weigerung zur Zahlung von 4.800,-- USD gestützt, sondern erklärt, den gesamten Betrag, den die Klägerin von ihr verlangte, nicht zahlen zu wollen. Das ergibt sich aus dem abschließenden und die Voraussetzungen des Art. 14 d) (ii) erfüllenden Satz, dass "die Dokumente ... zu Ihrer Verfügung und Ihrem Risiko" stehen. Die Beklagte hat demnach nicht nur das Ursprungszertifikat oder sämtliche die Zahlung von 4.800,-- USD betreffende Dokumente zurückgewiesen, sondern alle Dokumente, welche die Klägerin ihr hinsichtlich der angeforderten Gesamtzahlung von 36.655,-- USD vorgelegt hatte.

Dass der zusätzlich erhobene Einwand der Fälschung der Inspektionszertifikate möglicherweise rechtlich unbeachtlich war, hat keinen Einfluss darauf, dass die Beklagte sämtliche Dokumente zurückgewiesen hat. Eine Beschränkung der Rüge, dass ein Ursprungszertifikat fehlte, auf den Teilbetrag von 4.800,-- USD ist dem Schreiben der Beklagten nicht zu entnehmen.

3. Die form- und fristgerecht ausgesprochene Rüge berechtigt die Beklagte auch zur vollständigen Verweigerung der begehrten Zahlung.

Die Klägerin ist der Auffassung, es liege eine zulässige Teilinanspruchnahme des Akkreditivs durch das begünstigte Unternehmen V... vor, soweit die Beklagte die vorgelegten Dokumente im Hinblick auf die beiden Teilrechnungen über 15.800,-- USD und 16.055,-- USD nicht in rechtlich zulässiger Weise gerügt habe. Folglich sei die Beklagte als Akkreditivbank zur teilweisen Erfüllung verpflichtet.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

a. Teilverladungen und -inanspruchnahmen sind zwar grundsätzlich nach Art. 40 ERA erlaubt. Das hier streitgegenständliche Akkreditiv vom 1. April 2000 weist unter Nr. 43P ebenfalls ausdrücklich darauf hin, dass Teilverladungen durch V... erlaubt waren. Der Vortrag der Streithelferin, die nach dem Akkreditiv erforderlichen Transportdokumente hätten eine Teilverladung ausgeschlossen (vgl. Bl. 141-142 GA), ist angesichts der eindeutigen Vereinbarung unter Nr. 43P des Akkreditivs unschlüssig.

b. Eine Teilverladung und Teilinanspruchnahme des Akkreditivs durch den Begünstigten liegt aber nicht vor. Das begünstigte Unternehmen V... hat vielmehr die - aus seiner Sicht - vollständige Leistung erbracht sowie, was entscheidend ist, die volle Akkreditivsumme in Anspruch genommen und von der Klägerin erhalten. Die aus diesen Gründen notwendige Vorlage sämtlicher nach dem Akkreditiv erforderlicher Dokumente ist jedoch unstreitig - nämlich hinsichtlich des Ursprungszertifikats der Hochsitzsäcke - nicht erfüllt gewesen.

aa. Es ist unstreitig, dass V... die vollständige Bezahlung von insgesamt drei Teilen der Gesamtlieferung verlangt und somit 16.055,-- USD, 15.800,-- USD sowie 4.800,-- USD geltend gemacht hat. Das Akkreditiv weist auch - nach einer entsprechenden Änderung - einen Gesamtbetrag von 36.655,-- USD aus (vgl. Nr. 34B des Akkreditivs in der deutschen Übersetzung = Anlage zu Bl. 152 ff. GA). Die Klägerin hat mit der Vorlage der betreffenden Dokumente gegenüber der Beklagten auch geltend gemacht, diese Beträge an V... bereits gezahlt zu haben (vgl. S. 6 der Klageschrift, das Antwortschreiben der Beklagten vom 11. August 2000 (Anlage K8) sowie den unbestrittenen Vortrag der Beklagten auf Bl. 175 GA, wonach der vorgelegte Kontoauszug Bl. 88 GA auch die Zahlung von 36.856,40 HK$ = 4.800,-- US$ ausweise). Ob die Klägerin den Betrag von 4.800,-- USD von V... zurückverlangt hat, wozu sie berechtigt gewesen sein dürfte, weil das hierfür notwendige Ursprungszertifikat fehlte, wird hier nicht vorgetragen, spielt aber auch keine entscheidende Rolle.

Aus der Vorlage aller nach dem Akkreditiv notwendigen Dokumente, von denen das begünstigte Unternehmen V... behauptete, sie seien vollständig und ordnungsgemäß, um die Auszahlung des Gesamtbetrages von 36.655,-- USD rechtfertigen zu können, ergibt sich, dass V... eine Teilinanspruchnahme des Akkreditivs nicht geltend gemacht hat. Die Gesamtheit der vorgelegten Dokumente - nur ihr Inhalt kann für die hier vorzunehmende Auslegung entscheidend sein - ergibt vielmehr, dass V... eine vollständige Erfüllung aller Akkreditivbedingungen geltend gemacht und Anspruch auf vollständige Zahlung des Akkreditivbetrags von 36.655,-- USD erhoben hat.

Aus dem Umstand, dass V... über drei von einander trennbare Teile der Gesamtlieferung drei gesonderte Rechnungen erteilt hat (vgl. Anlagen S5-S7 zu Bl. 134 ff. GA), kann nicht gefolgert werden, das begünstigte Unternehmen habe nicht eine einheitliche Lieferung, sondern drei Teillieferungen und drei Teilinanspruchnahmen des Akkreditivs geltend machen wollen und geltend gemacht. Alle drei Rechnungen datieren vom 15. Juli 2000, sämtliche aus der Sicht des Begünstigten erforderlichen Dokumente sind der Klägerin am 23. Juli 2000 vorgelegt worden (Bl. 4 GA). Auch die Klägerin ist zum Zeitpunkt der Vorlage der Dokumente bei der Beklagten nicht von einer Teilverladung und -inanspruchnahme ausgegangen. Sie will alle drei Teilbeträge am 3. August 2000, also am selben Tag, an V... gezahlt haben. Sodann hat sie sämtliche ihr vorgelegten Dokumente betreffend alle drei Warengruppen an die Beklagte weitergegeben, wie sich aus dem Antwortschreiben der Beklagten vom 11. August 2000 (Anlage K8) entnehmen lässt. Die Klägerin hat ihren Anspruch gegen die Beklagte erst nach deren Rüge vom 11. August 2000 um den Betrag von 4.800,-- USD gekürzt, weil sie die Rüge insoweit für berechtigt gehalten und anerkannt hat. Im Schriftsatz vom 18. April 2002 (Bl. 233-235 GA) sowie in der Berufungsbegründung S. 2 (Bl. 273 GA) hat die Klägerin auch ausdrücklich vorgetragen, dass Teilverladungen durch V... gar nicht stattgefunden haben. Dieser Vortrag belegt, dass es entsprechende Teilinanspruchnahmen des Akkreditivs durch V... ebenfalls nicht gegeben hat.

bb. Die Klägerin als Zweitbank ist nach den maßgeblichen Bestimmungen des Akkreditivs vom 1. April 2000 und der Einheitlichen Richtlinien nicht berechtigt, nachträglich der Entscheidung des Begünstigten, das Akkreditiv in vollem Umfang in Anspruch zu nehmen, einen anderen Inhalt beizumessen.

Zwar trifft es zu, dass Art. 40 ERA den Begünstigten berechtigt, bis zum letzten Gültigkeitstag des Akkreditivs eine Teilausnutzung vorzunehmen, auch wenn in diesem Zeitpunkt offenkundig ist, dass eine vollständige Lieferung/Leistung nicht mehr erfolgen wird (vgl. Nielsen aaO, S. 20). Es kommt daher - entgegen der von Beklagter und Streithelferin geäußerten Auffassung - nicht darauf an, dass im vorliegenden Fall das letzte Verladedatum der 30. Juli 2000 war (Nr. 44C des Akkreditivs) und V... diesen Termin hinsichtlich der Dokumente für die Hochsitzsäcke nicht mehr einhalten konnte.

Entscheidend ist jedoch, dass bis zum letzten Gültigkeitstag des Akkreditivs eine Teilausnutzung des Akkreditivs aus den genannten Gründen nicht vorlag.

Verfallstag des Akkreditivs war nach der letzten Änderung des Akkreditivs vom 12. Juli 2000 der 20. August 2000 (vgl. Bl. 21 GA unter Nr. 30 des Akkreditivs). Eine Teilausnutzung im Sinne des Art. 40 ERA hat bis zu diesem Zeitpunkt nicht stattgefunden. Die Entscheidung darüber, ob das Dokumentenakkreditiv in vollem Umfang oder lediglich teilweise in Anspruch genommen wird, liegt bei dem Begünstigten. Das begünstigte Unternehmen V... hat nach dem Vortrag der Klägerin und dem vorgelegten Schriftverkehr der Parteien auch nach der Zurückweisung der Dokumente mit Schreiben der Beklagten vom 11. August 2000 nicht die Entscheidung getroffen, nur noch die hier streitgegenständlichen Teilbeträge aus dem Akkreditiv geltend machen zu wollen. Es ist vielmehr unstreitig, dass die Ware - wenn auch möglicherweise nicht mangelfrei - in vollem Umfang verladen worden ist (vgl. Bl. 233-235 und 273 GA). Es bestand daher für V... nach dem Grundgeschäft keine Veranlassung, nur einen Teil des Akkreditivs in Anspruch zu nehmen. Dementsprechend hat V... auch die vollständige Bezahlung der Akkreditivsumme gegenüber der Klägerin geltend gemacht. Für eine teilweise Inanspruchnahme des Akkreditivs hatte sie allenfalls Anlass, nachdem die Beklagte das Fehlen des Ursprungszertifikats betreffend den Teilbetrag von 4.800,-- USD gerügt hatte. Dass V... von dem Fehlen des Zertifikats vor Ablauf des Verfallsdatums des Akkreditivs überhaupt erfuhr, ist schon nicht festzustellen. Darüber hinaus trägt die Klägerin nicht vor, dass V... bis zum 20. August 2000 die Entscheidung traf und zum Ausdruck brachte, das Akkreditiv nur teilweise in Anspruch nehmen zu wollen.

Unter diesen Umständen ist es bei der vollständigen Inanspruchnahme des Akkreditivs durch den Begünstigten geblieben. Eine erneute Dokumentenvorlage durch den Begünstigten - beschränkt auf den hier streitigen Teilbetrag - hat es nicht gegeben. Es kann daher für den Senat offen bleiben, ob V... - nachdem einmal nicht akkreditivgerechte Dokumente vorgelegt worden waren - überhaupt berechtigt war, die akkreditivgerechten Dokumente im Wege der bewussten Entscheidung für eine Teilinanspruchnahme erneut "vorzulegen".

Die Klägerin als Zweitbank ist nicht berechtigt, diese dem Begünstigten zustehende Entscheidung selbst zu treffen. Sie ist auch nicht berechtigt, seine einmal getroffene Entscheidung der vollen Inanspruchnahme des Akkreditivs nachträglich abzuändern.

Die aus der Sicht des Begünstigten vollständige Vorlage der nach dem Akkreditiv notwendigen Dokumente nachträglich als zulässige Teilausnutzung des Akkreditivs auszulegen, soweit die Dokumente akkreditivgerecht sind und bestimmten Lieferungen mit gesonderten Rechnungen zugeordnet werden können, ist mit der Auftrags- und Dokumentenstrenge des Dokumentenakkreditivs nicht zu vereinbaren und rechtlich unzulässig. Der Begünstigte ist dafür zuständig und verantwortlich, sämtliche erforderlichen Dokumente rechtzeitig herbeizuschaffen und vorzulegen. Gelingt ihm dies nicht, ist sein Anspruch aus dem Akkreditiv verfristet (Ebenroth/Boujong/Joost-Hakenberg aaO, Rn II 473; Heymann-Horn aaO, Rn 53; Staub-Canaris aaO, Rn 990). Hiermit ist es rechtlich unvereinbar, den tatsächlich in voller Höhe erhobenen Zahlungsanspruch des Begünstigten auf das mit den Akkreditivbedingungen vereinbare Maß zu reduzieren, indem unbeanstandete oder rechtlich nicht in zulässiger Weise beanstandete Dokumente bestimmten abtrennbaren Teilen der zu liefernden Waren zugeordnet werden und diese Vorgehensweise dann als Teilinanspruchnahme des Akkreditivs im Sinne des Art. 40 ERA anzusehen. Das muss auch dann gelten, wenn der Begünstigte bestimmten Warengruppen der Gesamtlieferung zuzuordnende Teilrechnungen erstellt hat und erst hierdurch eine gesonderte Betrachtung einzelner Teile der Gesamtlieferung möglich ist.

C.

Da die Beklagte somit form- und fristgerecht eine nach den Regelungen der ERA zulässige Rüge erhoben hat, ist sie nicht verpflichtet, die von der Klägerin behaupteten Aufwendungen - die Zahlungen an V... - zu erstatten. Auf die weiteren Fragen, ob die Klägerin bereits Zahlungen an V... geleistet hat und ob die Beklagte berechtigt ist, den Fälschungseinwand zu erheben, kommt es daher nicht mehr an.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug ist wie folgt festgesetzt:

bis zum 8. Mai 2003 auf 32.500,-- Euro, seit dem 9. Mai 2003 auf 28.000,-- Euro. In dieser Höhe ist die Klägerin beschwert.

Ein Grund zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Teilverladung und Teilinanspruchnahme im Sinne von Art. 40 ERA sind aus den genannten tatsächlichen Gründen nicht gegeben. Da die Klägerin sich nur deshalb auf eine Teilinanspruchnahme des Akkreditivs berufen will, weil ein Teil der Dokumente für abtrennbare Teile der Ware nicht in zulässiger Weise gerügt worden sein soll und daher bei isolierter Betrachtung eine Auszahlung des auf diese Waren entfallenden Betrages rechtfertigen soll, hat die Sache weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Ende der Entscheidung

Zurück