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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 06.01.2003
Aktenzeichen: 2 Ws 332/02
Rechtsgebiete: StPO, JGG


Vorschriften:

StPO § 397 a
StPO § 406 g
JGG § 2
JGG § 80 Abs. 3

Entscheidung wurde am 10.02.2003 korrigiert: Vorschriften geändert und amtlichen Leitsatz hinzugefügt
§ 406 g StPO findet im Jugendstrafverfahren keine Anwendung.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2 Ws 332/02

In der Strafsache

wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern

hat der 2. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S., den Richter am Oberlandesgericht B. und die Richterin am Oberlandesgericht H.-R. am

6. Januar 2003

auf die Beschwerde des Verletzten F. K. gegen den Beschluss der 1. großen Jugendkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 9. September 2002 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

Durch den angefochtenen Beschluss hat die Jugendkammer des Landgerichts die Bestellung eines anwaltlichen Beistands im Ermittlungsverfahren für das geschädigte Kind abgelehnt, weil die Vorschrift des § 406 g StPO im Jugendstrafverfahren nicht anwendbar sei. Die Beschwerde des Verletzten hat keinen Erfolg.

Gemäß § 406 g Abs.1 StPO kann sich derjenige, der nach § 395 StPO zum Anschluss als Nebenkläger befugt, auch vor Erhebung der öffentlichen Klage des Beistands eines Rechtsanwalts bedienen oder sich durch einen solchen vertreten lassen, auch wenn ein Anschluss als Nebenkläger nicht erklärt wird. Bereits der Wortlaut der Vorschrift spricht dafür, dass die besonderen Befugnisse und Rechte des § 406 g StPO, die über die jedem Verletzten nach § 406 a-f StPO und § 406 h StPO zustehenden hinausgehen, demjenigen zukommen sollen, der "zum Anschluss als Nebenkläger befugt" ist. Die rechtliche Zulässigkeit der Nebenklage ist damit Voraussetzung für eine Anwendbarkeit des § 406 g StPO (vgl. OLG Stuttgart NJW 2001, 1588,1589; LR-Hilger, StPO, 25. Aufl., vor § 395 Rdnr.12; vor § 406 d Rdnr. 5,6; § 406 g Rdnr. 2; KMR-Stöckel, StPO, § 406 g Rdnr. 6; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 406 f Rdnr.1; Ostendorf, JGG, 5. Aufl., § 80 Rdnr. 1). Vorliegend war der Beschuldigte bei Begehung der ihm vorgeworfenen Taten teils Jugendlicher, teils Heranwachsender, so dass bei Einheitlichkeit des Verfahrens die Nebenklage nach § 80 Abs. 3 JGG (insgesamt) unzulässig ist (vgl. Ostendorf, aaO, § 80 Rdnr. 2).

Soweit die Auffassung vertreten wird, die Anwendung des § 406 g StPO sei auch im Jugendstrafverfahren auf Grund des Schutzzweckes des Opferschutzgesetzes geboten (so: OLG Koblenz NJW 2000,2436,2437), folgt der Senat dem nicht. Zwar ist das Alter des Täters für die Schutzwürdigkeit des Tatopfers ohne Belang. Auch ist nicht zu verkennen, dass kindliche Tatopfer nicht selten ohne eigenes Einkommen und /oder Vermögen sind und daher der in §§ 406 g Abs.3, 397 a StPO begründete Anspruch auf Beiordnung eines anwaltlichen Beistandes ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse bei schweren Nebenklagedelikten (§ 397 a Abs. 1 StPO) oder - soweit sie nicht Opfer eines Verbrechens sind - unter den Bewilligungsvoraussetzungen der Prozesskostenhilfe bei Unfähigkeit eigenen Interessenwahrnehmung (§ 397 a Abs. 2 SPO) für die Opfer wichtig ist. Im Jugendstrafverfahren sind demgegenüber aber auch die besonderen Ziele und Grundzüge dieses Verfahrens zu beachten. Gemäß § 2 JGG gelten die allgemeinen Vorschriften nur, soweit im Jugendgerichtsgesetz nichts anders bestimmt ist. Die Einführung der Vorschriften der §§ 406 d StPO bis 406 h StPO durch das erste Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren vom 18. Dezember 1986 (BGBl I S.2496 f) in die Strafprozessordnung lässt nicht erkennen, dass gleichzeitig der Vorrang des Jugendgerichtsgesetzes aufgegeben oder den Bestimmungen des Opferschutzgesetzes der Vorrang eingeräumt worden sein könnte. Der ausdrückliche Ausschluss der Nebenklage gemäß § 80 Abs. 3 JGG im Jugendstrafverfahren beruht auf einer am Erziehungsgedanken orientierten Verfahrensgestaltung (BVerfG NJW 2002, 1487), die Vorrang vor den berechtigten Interessen eines Geschädigten haben soll. Folgerichtig gelten auch die mit einer unzulässigen Nebenklage in engem Zusammenhang stehenden Vorschriften in einem Verfahren gegen einen Jugendlichen nicht (LR-Hilger, aaO, § 406 d Rdnr. 6).

Ein solcher enger Zusammenhang mit dem Institut der Nebenklage ist bei der Vorschrift des § 406 g StPO zu bejahen. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung sowie aus dem Verweis in § 406 g Abs.3,4 StPO auf die Bestimmung des § 397 a StPO hinsichtlich der Bestellung eines Rechtsanwalts, der Bewilligung von Prozesskostenhilfe und der Bestellung eines einstweiligen Verletztenbeistands auf Antrag dessen, "der zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt ist". Die Wahrnehmung der Rechte aus § 4o6 g StPO wird nicht selten der Vorbereitung einer Nebenklage dienen. Von der Anschlusserklärung als Nebenkläger ist das Recht, einen anwaltlichen Beistand hinzuziehen, zwar nicht abhängig; dieser Umstand allein rechtfertigt es aus den vorstehenden Gründen aber nicht, die gesetzliche Formulierung ("Wer nach § 395 zum Anschluss als Nebenkläger befugt ist,..") lediglich als Beschreibung des von der Vorschrift erfassten Personenkreises auszulegen (so aber OLG Koblenz aaO). Die Unzulässigkeit der Nebenklage im Jugendstrafverfahren gemäß § 80 Abs. 3 JGG schließt vielmehr die Anwendbarkeit des § 406 g StPO und damit die Möglichkeit, dem Verletzten im Ermittlungsverfahren einen anwaltlichen Beistand beizuordnen aus.

Ende der Entscheidung

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