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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.04.2001
Aktenzeichen: 20 U 127/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

BGB § 138 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 1
ZPO § 287 Abs. 1 Satz 1
Telefonsexgespräche

Leitsätze:

1. Der Senat hält an seiner dem Bundesgerichtshof (NJW 1998, 2895) folgenden Rechtsprechung fest, daß Geschäfte über Telefonsex sittenwidrig sind und keine Gebührenansprüche der Telefonunternehmen begründen (Senat NJW-RR 1999, 1431). Der zur Zeit kontovers erörterte, noch nicht verabschiedete Gesetzesentwurf zu bestimmten Fragen der Prostitution belegt noch keinen Wandel der allgemeinen Anschauungen über die Kommerzialisierung des Intimlebens.

2. Zur Darlegung des Einwands der Sittenwidrigkeit muß der von einem Telefonunternehmen auf Zahlung in Anspruch genommene Teilnehmer den Inhalt und Hergang der einzelnen Gespräche nicht im einzelnen schildern. Vielmehr genügt eine zusammenfassende Charakterisierung der mit den angerufenen Nummern aufgelisteten Gespräche (gegen OLG Rostock, Beschluß vom 19.7.1999, 6 U 148/99).

3. Zum Beweis, daß ein einzelnes Gespräch Telefonsex zum Inhalt hatte, kann es genügen, daß, wie in Anrufen zu Beweiszwecken festgestellt wird, unter der betreffenden Nummer im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung Telefonsex angeboten wird, und der Teilnehmer als Partei auf eigenen Antrag hin den behaupteten Gesprächsinhalt bestätigt.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 127/00 2a O 233/99 LG Düsseldorf

Verkündet am 29. April 2001

L, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 20. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B und die Richter am Oberlandesgericht Dr. S und W

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 9. Juni 2000 verkündete Urteil der 2a. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.383,98 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16. August 1999 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen haben die Klägerin 13/14 und der Beklagte 1/14 zu tragen.

Die Kosten der Streithilfe werden dem Beklagten zu 1/14 und der Streithelferin zu 13/14 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin, betreibt ein öffentliches Telekommunikationsnetz. Sie verlangt von dem Beklagten das Entgelt für die Bereitstellung des Zugangs und erbrachte Telekommunikationsdienstleistungen in der Zeit vom 1.4.1999 bis 30.6.1999 in Höhe von 21.336,54 DM. Der Beklagte hat die Bezahlung im Hinblick auf Mehrwertdienste mit den Kennzahlen "0190 1-9" verweigert. Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 21.336,54 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 16.8.1999 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat eingewandt, bei den 0190-Gesprächen habe es sich um sittenwidrige Telefonsexgespräche gehandelt, für er kein Entgelt zahlen müsse. Außerdem leide er aufgrund eines erlittenen Autounfalls an einer krankhaften Kontaktstörung, die dazu geführt habe, dass er sich bei den strittigen Telefonaten in einem Zustand verminderter Steuerungsfähigkeit befunden habe.

Die Klägerin hat entgegnet, ihr sei nicht bekannt, welche Anbieter die Dienstekennzahlen 0190 1-9 nutzen. Sie wisse auch nicht, welche Leistungen seitens der Anbieter von Mehrwertdiensten erbracht würden und dürfe sich hierüber auch keine Kenntnis verschaffen. Sie beschränke sich darauf, die Verbindungen aus ihrem Telekommunikationsnetz dem Ort der Zusammenschaltung mit dem Telekommunikationsnetz der Streithelferin (D T AG) zuzuführen. Die Streithelferin erteile ihr keine Auskünfte über die Anbieter der Mehrwertdienste. Entgeltpflichtige Mehrwertdienste unter den Dienstekennzahlen 0190 1-9 seien nicht durchweg sittenwidrig. Der Beklagte habe nicht dargetan, welche Umstände im einzelnen die Sittenwidrigkeit der Leistungen begründeten. Er müsse den sexuellen Inhalt der angeblichen Telefonsexgespräche näher darlegen und genau darstellen, wann er mit welcher Gesprächspartnerin über welche Themen gesprochen und welche Äußerungen in dem Gespräch gefallen seien. Selbst wenn einzelne Gespräche sittenwidrig gewesen sein sollten, blieben ihre, der Klägerin, Telekommunikationsdienstleistungen davon unberührt.

Die Streithelferin hat sich dem Vorbringen der Klägerin angeschlossen. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass der Beklagte etwaige Einwendungen nur gegenüber dem Diensteanbieter geltend machen könne. Die Tätigkeit der Klägerin erschöpfe sich in einem wertneutralen Hilfsgeschäft. Außerdem habe eine Prüfung ergeben, dass einzelne 0190-Telefonnummern auf eine Partnervermittlung sowie Chat- und Datingdienste geschaltet seien.

Das Landgericht hat der Klage entsprochen und ausgeführt: Es könne dahinstehen, ob die Vergütung für die Inanspruchnahme von Servicenummern, unter denen sog. Telefonsex angeboten werde, wegen Sittenwidrigkeit grundsätzlich nicht verlangt werden könne. Denn jedenfalls obliege es dem Beklagten, vorzutragen und zu beweisen, dass und unter welchen der von ihm gewählten Telefonnummern Telefonsex angeboten worden sei. Dem habe er nicht genügt. Ebenso wenig habe er vorgetragen, dass er bei der Führung von Telefonaten mit sexuellem Inhalt unter einer vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit gelitten habe.

Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Zur Frage der Rechtzeitigkeit der keinen gerichtlichen Eingangsvermerk tragenden Berufungsbegründung behauptet er, Mitarbeiter seines Prozessbevollmächtigten hätten die Begründungsschrift am 10.8.1999 in den Briefkasten des Oberlandesgerichts eingeworfen; die Berufungsschrift war am 10. Juli 2000 bei Gericht eingegangen.

Der Beklagte beantragt.

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzlichen Vorbringen und trägt ergänzend vor: Ihr Beitrag am Zustandekommen der 0190-Telefonverbindungen sei rein technisch bedingt. Der Vortrag des Beklagten zu den Inhalten der Telefonsexgespräche sei weiterhin unzureichend; er könne sich der notwendigen Schilderung nicht mit dem Hinweis entziehen, sie sei ihm peinlich. Das Vorbringen zu seiner partiellen Geschäftsunfähigkeit sei widersprüchlich und substanzlos.

Wegen aller Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Augenscheinseinnahme und Vernehmung der Zeugen A W und H M sowie des Beklagten als Partei. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 6.2. und 20.2.2001 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten hat überwiegend Erfolg. Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten aus den streitgegenständlichen Rechnungen nur ein Teilbetrag von 1.383,98 DM nebst Zinsen zu.

1. Der Beklagte hat die Berufungsbegründungsfrist eingehalten, die am 10.8.2000 ablief. Zwar hatte er zunächst vorgetragen, der Berufungsbegründungsschriftsatz sei schon am 4.8.2000 beim Oberlandesgerichts eingegangen, was mit dem Datum des Schriftsatzes "9.8.2000" nicht in Einklang stand. Indes haben die Zeugen M und W glaubhaft ausgesagt, dass der Schriftsatz tatsächlich am 10.8.2000 eingeworfen worden sei.

2. Die Berufung des Beklagten ist im wesentlichen begründet.

a) Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 9.6.1998 (BGH NJW 1998, 2895), bei dem es um einen Vertrag ging, der darauf gerichtet war, durch die Vermarktung und den Vertrieb von Telefonkarten Telefonsex kommerziell zu fördern, als sittenwidrig eingestuft und die Nichtigkeit auch in Bezug auf ein damit verbundenes Darlehen bejaht. Die dortigen Beklagten sollten Telefonkarten, mit denen Endabnehmer telefonisch vermittelte "Dienstleistungen" (Sexgespräche mit Mitarbeiterinnen der Beklagten) ohne Zusatzgeräte und ohne Belastung mit weiteren Telefongebühren abrufen konnten, herstellen und die Klägerin sollte sie vertreiben. Der Vertriebsvertrag, der auch eine Darlehensgewährung an die Beklagte zum Gegenstand hatte, war nach Ansicht des Bundesgerichtshofs (und des Oberlandesgerichts Karlsruhe als Vorinstanz) nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Der Bundesgerichtshof bejahte die Sittenwidrigkeit der Telefonsex-Verträge, weil ein bestimmtes Sexualverhalten der potentiellen Kunden in verwerflicher Weise kommerziell ausgenutzt werde. Telefonsexgespräche, in denen der Anrufer die Möglichkeit zur Selbstbefriedigung oder zu anderen sexuellen Praktiken erhalte oder, auf Wunsch hierzu animiert werde, führten dazu, dass der Intimbereich zur Wäre gemacht werde. Keine Rolle spiele es, dass es zwischen Anrufer und "Service-Mädchen" zu keinem unmittelbaren körperlichen Kontakt komme. Die Gesprächspartnerin müsse sich den Wünschen des Kunden unterordnen, ihre aktive Rolle sei nur scheinbar. Sie werde gerade auch deshalb zum Objekt und zur Ware herabgewürdigt, weil es an einer unmittelbaren menschlichen Begegnung fehle. Die Anonymität sei gerade kein Argument gegen die Sittenwidrigkeit des Geschäfts. Der Hinweis, die Gesprächspartnerin könne sich dem Gespräch nach Belieben entziehen, sei praxisfremd. Der Vertriebsvertrag der Parteien könne nicht als bloßes Hilfsgeschäft behandelt werden, weil er von dem Unwerturteil unmittelbar erfasst werde.

Der Bundesgerichtshof ist mithin ersichtlich davon ausgegangen, dass Telefonsexgespräche im allgemeinen sittenwidrig sind (vgl. auch Hoffmann, MMR 1999, 561). Soweit die Klägerin meint, es gebe bislang keine Rechtsprechung, die Telefonsex schlicht für sittenwidrig halte, trifft dies nicht zu. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln vom 15.9.2000 (20 U 51/00), wo es heißt (Seite 5):

"Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Telefonsex als sittenwidrig anzusehen ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Während der Bundesgerichtshof (BGH 1998, 2895) und die Oberlandesgerichte Düsseldorf (MMR 1999, 556) und Stuttgart (MMR 1999, 982) die Sittenwidrigkeit von Telefonsex bejahen, ist nach Auffassung des Landgerichts Hamburg (NJW-RR 1997, 178) und des Oberlandesgerichts Hamm (NJW 1995, 2797) Telefonsex nicht generell sittenwidrig. "

Der Bundesgerichtshofs hat sich in der zitierten Entscheidung namentlich auch mit den im vorliegenden Verfahren gebrachten Argumenten der Klägerin, dass - anders als bei der Prostitution - beim Telefonsex kein körperlicher Kontakt stattfinde, es an einer visuell wahrnehmbaren Darstellung fehle und sich die Gesprächspartnerinnen einem entwürdigenden Gespräch entziehen könnten, ohne dass der Anrufer dies verhindern könne, auseinandergesetzt und sie verworfen.

In seiner Entscheidung vom 8.6.1999 (20 U 100/98, NJW-RR 1999, 1431) ist der erkennende Senat der Beurteilung des Bundesgerichtshofs aus Gründen der Rechtsicherheit gefolgt; er macht sich die Wertung des Revisionsgericht nach erneuter Prüfung weiterhin zu Eigen. Neue Gesichtspunkte sind nicht ersichtlich. Es ist nicht anzunehmen, dass sich die Anschauungen in der Gesellschaft nach so kurzer Zeit grundlegend gewandelt hätten. Dies gilt erst recht, wenn man in den Blick nimmt, dass die streitigen Telefonsexgespräche nur 10 - 12 Monate nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfolgten. Dass die Wertungen in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im Schrifttum seither unterschiedlich ausfallen, ändert nichts. Auch die Gesetzesinitiative der gegenwärtigen Regierungskoalition, die die soziale Stellung der Prostituierten verbessern soll, gibt keinen sicheren Aufschluss über eine gewandelte allgemeine Anschauung zu der Frage, ob die Kommerzialisierung des Intimlebens als anstößig anzusehen ist, zumal es hier für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit maßgebend auf den Zeitpunkt der Telefonsexgespräche ankommt.

Soweit die Klägerin meint, der Beklagte müsse den Inhalt der Gespräche detailliert schildern, damit die Sittenwidrigkeit jedes einzelnen Gespräches beurteilt werden könne, überdehnt sie die Anforderungen an die Darlegungslast. Der Vortrag des Beklagten, weibliche Teilnehmerinnen hätten jeweils das Ziel verfolgt, ihn durch Gesprächsaufbau und -inhalt zu veranlassen, sich selbst bis zum Orgasmus zu befriedigen, wobei sie sexuelle Praktiken geschildert hätten, die ihre eigene sexuelle Befriedigung zum Inhalt hatten, und sie ihm Handlungen und Praktiken zu seiner sexuellen Befriedigung angeboten hätten, reicht für eine tragfähige Bewertung aus. Der gegenteiligen Ansicht des Oberlandesgericht Rostock im Beschluss vom 19.7.1999 (6 U 148/99) folgt der Senat nicht. Die dortige Auffassung führt dazu; dass der von dem Bundesgerichtshof grundsätzlich zugelassene Einwand, Telefonsexverträge seien sittenwidrig und daher nichtig, leer läuft, weil sie praktisch dazu zwingt, die Gesprächsinhalte genau aufzuzeichnen. Ein solches Erfordernis erscheint den beteiligten Verkehrskreisen gänzlich überraschend; ihm kann auch nur schwerlich entsprochen werden. Eine solche Beweisanforderung wird bei streitigen Gesprächen und Verhandlungen in dieser Strenge auch sonst nicht gestellt.

Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, sie erbringe durch die Herstellung der Gesprächsverbindungen und das Inkasso der Entgelte nur wertneutrale, und untergeordnete Hilfsgeschäfte. Wenn nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs keine Vergütung für über den Service 0190 angebotenen Telefonsex verlangt werden kann, weil Telefonsexgespräche sittenwidrig seien, und davon auch Vertriebsverträge über entsprechende Telefonkarten erfasst werden, weil sie der kommerziellen Ausbeutung dieser Geschäfte dienten, so kann nichts anderes gelten, wenn - wie hier - eine Telefongesellschaft die Telefonsexverbindung herstellt und als Inkassostelle das Entgelt mit ihren Telefonrechnungen einzieht. Dies hat der Senat schon im Urteil vom 8.6.1999 ausgeführt (NJW-RR 1999, 1430; ebenso OLG Stuttgart, MMR 1999, 482). Dort ging es darum, dass die jetzige Streithelferin den Lohn für die Vermittlung mit ihrer Telefonrechnung einforderte, wobei sie den Hauptanteil an den Telefonsexvermittler weiterleitete. Wie in dem Urteil näher ausgeführt ist, ermöglicht diese Art der Automatisierung eine Ausbeutung des Sexualverhaltens, wie sie effizienter kaum vorstellbar erscheint. Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall, der nur eine Ausweitung desselben arbeitsteiligen Systems enthält und dem Umstand Rechnung trägt, dass aufgrund der Öffnung des Telekommunikationsmarktes neue Anbieter von Telekommunikationsdienstleistungen hinzugekommen sind. Die Klägerin übernimmt jetzt die Funktion, die die Streithelferin im früheren Fall innehatte, indem sie das letzte Stück der Gesprächsverbindung zu ihren Anschlusskunden herstellt und das Inkasso der Telefonsexentgelte besorgt. Damit leistet sie einen entscheidenden Beitrag zur flächendeckenden Bedienung der in Betracht kommenden Kundenkreise. Daran ändert ferner nichts, dass sie selbst, keine entgeltpflichtigen Mehrwertdienste unter den Dienstekennzahlen 0190 1-9 anbietet und auch keine vertraglichen Beziehungen zu den Anbietern entgeltpflichtiger Mehrwertdienste unter den 0190-Dienstekennzahlen unterhält, namentlich ihnen keine Zugänge zu ihrem öffentlichen Telekommunikationsnetz zur Verfügung stellt. Ebenso wenig ist entscheidend, wie weit die Klägerin aufgrund der Einschaltung handelnder Personen (Streithelferin, Betreiber der Audiotex-Plattformen, Anbieter von Mehrwertdienste, Serviceleistende usw.) von dem eigentlichen Telefonsexgeschehen entfernt agiert und ob sie weiß, welcher Zuteilungsnehmer mit welchem Anbieter von Mehrwertdiensten Verträge geschlossen hat, welchen Inhalt die Vereinbarungen haben und ob sie die Identität der Anbieter mit rechtlichen Mitteln erfolgreich in Erfahrung bringen könnte. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Klägerin jedenfalls allgemein vom Angebot von Telefonsex unter einem Teil der fraglichen Nummern weiß. Es genügt dann ihr tatsächlich geleisteter Beitrag, ohne den die erstrebte Optimierung des Telefonsexgeschäftes nicht stattfinden könnte. Nicht von Wichtigkeit ist deswegen auch, ob das Geld, das die Klägerin - teilweise unter Benutzung von Einzugsermächtigungen - bei ihren Anschlusskunden eintreibt, rechtlich in voller Höhe als Verbindungsentgelt zu qualifizieren ist oder von vornherein in Verbindungsentgelte, Provisionen und Telefonsexlohn unterfällt. In keinem der denkbaren Fälle kann die Klägerin von dem Beklagten das Entgelt für die Verbindung der Telefonsexgespräche verlangen. Ihr Einwand, es sei nicht ihre Absicht, sittenwidrige Leistungen. Dritter zu fördern, ist unbehelflich. Sie weiß, dass sie sich an der anstößigen Kommerzialisierung des Intimbereiches beteiligt, was genügt. Vorliegend braucht nicht im Einzelnen geprüft zu werden, wie sie sich bei der Streithelferin und diese bei ihren eigenen Vertragspartnern schadlos halten kann. Es ist Angelegenheit der Partner der Zusammenschaltvereinbarungen, Vorkehrungen zur Unterbindung sittenwidriger Geschäfte und Absprachen für den Fall der Entdeckung solcher Geschäfte zutreffen. Zur Vermeidung von Einbußen ist es jedenfalls nicht erforderlich, dass die Klägerin - wie sie einwendet - ständig Stichproben durchführen oder die Telefonverbindungen zu 0190-Mehrwertdiensten gar laufend überwachen müsste.

b) Der Beklagte hat in Bezug auf die überwiegende Anzahl der in den Einzelgesprächsnachweisen aufgeführten 0190-Telefonnummern bewiesen, Telefonsexdienste in Anspruch genommen zu haben. Der Senat hat im Wege der Augenscheinseinnahme festgestellt, dass sich unter den betreffenden 0190-Telefonnummern Anbieter von Telefonsex melden. Dazu wurden die Telefonnummern in der mündlichen Verhandlung kurz angewählt und der Text, mit dem sich der Anbieter meldete, abgehört. Der Telefonapparat wurde so eingerichtet, dass für alle Verfahrensbeteiligten eine Mithörmöglichkeit bestand. Bei folgenden Telefonnummern war den Ansagen unmissverständlich zu entnehmen, dass Telefonsex angeboten wurde: ("neue, aufgeschlossene Frauen, die mehr wollen als smalltalk"); ("beim erotischen Geflüster geht es heiß her, das lässt niemanden kalt"); ("Hier kommst Du mit Frauen ins Gespräch, die kommen direkt zur Sache")und : ("Tolle Kontakte für geile TelefonmenschenW); ("Hier kannst Du mit geilen attraktiven Frauen sprechen"); ("Hier ist die Megadatingline ... nur für Erwachsene ...") ("Teledate, nur für Erwachsene"); ("Hier ist die erotischste Line Deutschlands, jeder Wunsch wird sofort erfüllt. Hier kannst du Livegespräche führen); ("Hier ist der Mega Jet Club, nur für Erwachsene, ("Aber wir werden viel Spaß miteinander haben"), ("Aber jetzt zu den heißen Girls, hast du Lust auf was Scharfes ? Live und gleich, 29 Stunden nonstop nur für Erwachsene"); ("Wir werden viel Spaß miteinander haben beim erotischen Geflüster. Hier geht es heiß her"); ("Hier ist die heißeste Nummer Deutschlands"); ("Hier bekommst Du die schärfsten Gespräche"); ("Heiße Girls sprechen mit Dir"); "Super Service Chat-Box, attraktive Frauen, die mehr wollen ... Gleich kommt die Live-Verbindung .."); ("Hallo, hier ist der Mega Love Club, 1000 heiße Frauen ..."); ("Megadatingline nur für Erwachsene"); ("Liebesabenteuer nur für Erwachsene"); ("Megadatingline für Erwachsene"); ("Sofortkontakte .. heißer love-chat .. Chatten nur für Erwachsene ..."); ("Gleich hast Du deine heiße Gesprächspartnerin an der Strippe"); ("Megadatingline nur für Erwachsene") ; ("Heiße Gespräche"); ("Livegespräche mit der Dame deines Herzens"); ("City-Dating für Düsseldorf ... nur ab 18 Jahre ... gleich wird man sehen, was daraus wird ..."); ("Attraktive Frauen, heiße Kontakte ..."); ("Soforttalk nur für Erwachsene"); ("megadate fun for two ... verlockende Gespräche mit Frauen ..."). Der Zusammenhang mit dem übrigen Ansagetext ergab sich namentlich auch in den Fällen das Angebot von Telefonsex, in denen vorstehend nur auf "Erwachsene" abgestellt ist. Im Übrigen hat bei der Beweisaufnahme hinsichtlich der vorstehenden Nummern keine Partei der bekannt gegebenen Feststellung des Senats widersprochen, es gehe um Telefonsex im Sinne individueller Gespräche sexuellen Inhalts, mag die Klägerin das Wesen solcher Gespräche auch anders deuten.

Da dem Beklagten andere Beweismittel außer den Einzelgesprächsnachweisen und Werbeanzeigen mit ähnlichen, aber nicht identischen Telefonnummern nicht zur Verfügung standen, und durch die vorstehend wiedergegebene Überprüfung ein Anfangsbeweis erbracht war, hat der Senat auf Antrag des Beklagten dessen Parteivernehmung nach § 448 ZPO zugelassen. In seiner Vernehmung hat der Beklagte die vorgenannten Ansagen wiedererkannt und bestätigt. Auf Befragen konnte er den menügeführten Gesprächsfortgang wiedergeben. Er hat ferner glaubhaft ausgesagt, dass er die 0190-Telefonnummern angewählt habe, um Telefonsex zu erhalten, und dass die Gespräche darauf hinausgelaufen seien, sich selbst zu befriedigen. Damit ist die Vermutung der Klägerin, es könne sich bei den in den Einzelverbindungsnachweisen aufgeführten 0190-Telefonnummern auch um Wetteransagen, Auskunfts- oder Beratungsdienste gehandelt haben, widerlegt. Ferner ist der Senat aufgrund der Aussage des Beklagten überzeugt, dass unter den 0190-Telefonnummern auch schon zu der fraglichen Zeit vom 1.4 - 30.6.1999 Telefonsex angeboten wurde.

Hinsichtlich der oben nicht genannten, aber in den Einzelgesprächsnachweisen aufgeführten 0190-Telefonnummern konnten keine Telefonsexangebote festgestellt werden. Dies geht zu Lasten des beweispflichtigen Beklagten, so dass ein Abzug von der Klageforderung insoweit unterbleibt. Im Übrigen ergeben sich folgende Rechnungskürzungen:

aa) Rechnung vom 31.5.1999

Seite 4: 1.309,89 DM Seite 5: 754,40 DM 16 % Ust 330,29 DM gesamt: 2.394,58 DM 2.394,58 DM

bb) Rechnung vom 1.7.1999

Seite 3: 267,01 DM 16 % Ust 42,72 DM gesamt: 309,73 DM 309,73 DM

cc) Rechnung vom 5.7.1999

Seite 4: 1.274,87 DM Seite 5: 1.796,88 DM Seite 6: 1.425,16 DM Seite 7: 3.271,15 DM Seite 8: 1.819,95 DM Seite 9: 1.068,31 DM Seite 10: 974,47 DM Seite 11: 1.472,29 DM Seite 12: 698,41 DM Seite 13: 905,52 DM Seite 14: 162,07 DM 14.869,18 DM 16 % Ust 2.379,07 DM 17.248,25 DM 17.248,25 DM 19.952,56 DM

Mithin sind von dem eingeklagten Gesamtbetrag nur 1.383,98 DM anzuerkennen (21.336,54 DM ./. 19.952,56 DM = 1.383,98 DM).

Die Zinsen rechtfertigen sich nach § 284 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

4. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass (§ 546 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidung des Senats steht im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Frage der Sittenwidrigkeit von Telefonsexgesprächen. Dass andere Instanzgerichte eine vom Revisionsgericht abweichende Auffassung vertreten, ist kein Grund, hier die Revision zuzulassen. Die wirtschaftliche Bedeutung erfüllt für sich allein nicht die Zulassungsvoraussetzungen (vgl. Zöller-Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 546 Rdn. 34).

Der Streitwert für die Berufung beträgt 21.336,54 DM.

Die Beschwer der Parteien liegt unter 60.000 DM.

Ende der Entscheidung

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