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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.05.2000
Aktenzeichen: 20 U 39/00
Rechtsgebiete: UWG, ZPO


Vorschriften:

UWG § 1
ZPO § 91 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

20 U 39/00 38 O 177/99 LG Düsseldorf

Verkündet am 9. Mai 2000

Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 18. April 2000 durch den Vor sitzenden Richter am Oberlandesgericht Berneke sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Schmidt und Winterscheidt

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 7. Januar 2000 abgeändert.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle mehrfacher Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt 2 Jahren, zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für die Vermittlung eines Abonnenten für ein Jahresabonnement der Zeitschrift "W" eine Prämie von zwei Aktien der D B AG zu versprechen und/oder zu gewähren, solange der Wert der Prämie den Preis für ein Jahresabonnement der Zeitschrift "W" übersteigt,

insbesondere, wenn dies zugleich mit der Einrichtung eines Wertpapierdepots bei der D B geschieht,

jeweils insbesondere nach Maßgabe der nachstehend wiedergegebenen Auslobung:

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Die Werbung von Kunden für die Zeitschrift "W" mit dem im Tenor wiedergegebenen Inserat ist eine nach § 1 UWG unzulässige Laienwerbung. Zwar ist die Einschaltung von nicht berufsmäßigen Kundenwerbern, wie sie in der Zeitungs- und Zeitschriftenbranche seit langem üblich ist, nicht schon ohne weiteres wettbewerbsfremd, so daß es für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung solcher Werbemaßnahmen auf die besonderen Umstände des Einzelfalls ankommt. Wegen der vielfältigen Bedenken gegen diese Art der Kundenwerbung sind dabei jedoch strenge Maßstäbe anzulegen (BGH NJW 95, 723, 729 Laienwerbung für Augenoptiker). Diese "vielfältigen Bedenken" gründen sich vor allem darauf, daß Werbung durch Laien besonders leicht ins Unsachliche abgleitet, so daß der Umworbene seine (Kauf-) Entscheidung letzten Endes nicht mehr aufgrund seines eigenen Eindrucks von der Güte und Preiswürdigkeit der Ware trifft, was dem Gedanken des Leistungswettbewerbs widerspricht. Wettbewerbswidrig wird der Einsatz von Laienwerbern insbesondere beim Versprechen überhöhter Prämien, weil gerade dies den Laienwerber veranlassen kann, sich die Prämie unter Einsatz auch unsachlicher Mittel, insbesondere unrichtiger oder einseitiger Produktinformationen zu verdienen (vgl. Köhler/Piper, UWG, § 1, Rdn. 29, 78).

Hier besteht die Prämie in zwei D B Aktien, die schon nach der angegriffenen Anzeige einen Wert von je 65,25 Euro hatten. Schon dieser Wert lag über dem in der Anzeige angegebenen Preis eines Jahresabonnements der "W" von 298,80 DM, so daß es für diese Frage nicht mehr darauf ankommt, ob der Kurs nachträglich sogar gestiegen ist. Jedenfalls wollte die Antragsgegnerin schon damals eine Prämie gewähren, die erkennbar über dem Wert eines Jahresabonnements für die "W" lag.

Geht man nun mit dem Landgericht davon aus, daß sich die Zeitschrift der Antragsgegnerin (nur) an Personen "mit relativ hohem Bildungs- und Einkommensniveau" wendet (nach Auffassung des Senats handelt es sich allerdings in weiten Teilen um ein für breitere Bevölkerungskreise interessantes Nachrichtenmagazin), dann ist es tatsächlich trotz des hohen Werts der Prämie unwahrscheinlich, daß es einem Werber gelingen könnte, jemandem aus diesen Bevölkerungskreisen ein Abonnement der W "aufzuschwatzen". Wer sich für eine spezielle Wirtschaftszeitschrift - und für Aktien - interessiert, gehört im Zweifel nicht zu den Zeitgenossen, die einer unsachlichen Beeinflussung "erliegen" (Berufungsbegründung).

Unsachliche Einflüsse können jedoch nicht nur solche sein, die sich die Unerfahrenheit des Umworbenen zunutze machen. Von hohen Prämien können wettbewerbsfremde Einflüsse auch und gerade dann ausgehen, wenn die Umworbenen genau erkennen, welche Vorteile ihnen der Abschluß im Hinblick auf den Wert der Prämie bietet. Auch dann lassen sie sich von wettbewerbsfremden Gesichtspunkten leiten, weil es ihnen auf die Güte und Preiswürdigkeit der eigentlich angebotenen Leistung gar nicht ankommt. Nun ist zwar nicht jede unsachliche Beeinflussung von Kunden wettbewerbsfremd. Aber wenn ein Unternehmen die leicht mögliche und kaum zu vermeidende unsachliche Beeinflussung der Kunden planmäßig zum System seiner Werbung macht, handelt es unlauter (Baumbach/Hefermehl, WettbewerbsR, 21. Aufl., § 1 UWG, Rdnr. 204).

Dabei muß man hier vor allem die Möglichkeit berücksichtigen, daß Interessenten für die Aktienprämie die angegriffene Anzeige zum Anlaß nehmen, selbst ein Abonnement einzugehen und einen dritten Werber vorzuschieben, um selbst auf diese Weise die Werbeprämie als Zugabe zu erhalten (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 1 UWG, Rdn. 203; OLG Zweibrücken, NJWE-Wettbewerbsrecht 2000, 40). Auch kann der Aktieninteressent selbst die Rolle des Werbers übernehmen und sich die Zeitschrift von einem vorgeschobenen Abonnenten herausgeben lassen. Da der Werber nicht schon Abonnent der "W" sein muß, kann er etwa einen Arbeitskollegen oder einen Familienangehörigen als Neuabonnenten vorschieben, während er sich in Wirklichkeit selbst einwirbt. Dies kann dann auch im "Ringtausch" unter mehreren Personen geschehen. Der in der Berufungsbegründung abschließend mitgeteilte Vorgang, daß ausgerechnet Angestellte der D B sich auf diese Weise gegenseitig die beiden Aktien ihres Arbeitgebers "besorgt" hätten, hat eine hohe Wahrscheinlichkeit für sich. Wenn diese Angestellten dann noch gesagt haben sollen, das Jahresabonnement der "W" nehme man gern "mit", weil es sich um eine "brauchbare" Zeitschrift handele, dann illustriert gerade das den offensichtlichen Verstoß der Antragsgegnerin gegen die Grundsätze des Leistungswettbewerbs. Die Zeitschrift wird nicht, jedenfalls nicht in erster Linie, wegen ihrer journalistischen Qualitäten abonniert, sondern nur deshalb, weil man an der ausgelobten Prämie interessiert ist. Die Zeitschrift wird nicht gekauft, sondern ihr Bezug wird nur zusätzlich "mitgenommen" oder gar nur "in Kauf genommen". Es ist wettbewerbsfremd, wenn dem "Werber" eine übersteigende Werbeprämie geboten wird, und er (für sich selbst) die Ware nur wegen der "Werbeprämie" übernimmt (v. Gamm, UWG, 3. Aufl., § 1, Rdnr. 154).

Die Versicherung der Antragsgegnerin, sie werde ihr Angebot künftig in der Weise gestalten, daß ein solcher, von ihr nicht akzeptierter Mißbrauch "erschwert" werde, ist mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht geeignet, die vermutete Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen. Von vornherein unbehelflich ist auch der Verweis der Antragsgegnerin darauf, daß die Laienwerbung mit Hilfe von Prämien, deren Wert den Preis eines Jahresabonnements übersteigt, in der Branche weithin üblich sei. Ein wettbewerblich unzulässiges Handeln wird nicht dadurch zulässig, daß andere - und seien es auch noch so viele oder gar alle in derselben Branche oder im gesamten Handelsbereich - in gleicher Weise gesetzwidrig handeln (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kapitel 19, Rdn. 9). Die üblichen hochwertigen Prämien in der Zeitungsbranche sind schon immer als bedenklich angesehen worden (Köhler/Piper a.a.O., § 1, Rdn. 29 a.E.).

Doch kommt es darauf vorliegend nicht einmal entscheidend an. Denn die von der Antragsgegnerin vorgelegten Beispiele aus der Werbung der Konkurrenz versprechen dem Werber immer nur Sachprämien, wie etwa Armbanduhren, Tischleuchten und Kameras. Das ist in vielen Fällen nicht sonderlich verlockend, weil der Werber etwa an einer weiteren Kaffeemaschine jedenfalls für sich selbst möglicherweise kein Interesse hat. Die Antragsgegnerin dagegen lobt Wertpapiere aus, die praktisch Bargeld darstellen, weil sie jederzeit zu Geld gemacht werden können. Schon zum Zeitpunkt des Erscheinens der Anzeige war der Erlös so hoch, das man auch unter Berücksichtigung des Preises für das Jahresabonnement der "W" daran noch verdienen konnte. Wenn "Bargeld lacht", hat das schon allgemein eine ganz andere Anreizwirkung als etwa das Versprechen einer noch so formschönen Tischleuchte.

Für diejenigen, die die Aktien nicht gleich in Geld umsetzen, hält die Antragsgegnerin sogar noch eine zusätzliche Zugabe bereit, nämlich die Gebühren für ein (Aktien-) Depot bei der D B für drei Monate. Es ist unverkennbar, daß sich die Antragsgegnerin damit das Aktien- bzw. "Börsenfieber" zunutze machen will, das in letzter Zeit auch in Bevölkerungskreisen ausgebrochen ist, die kein "relativ hohes Bildungs- und Einkommensniveau" (Landgericht) haben. Auch ihre Zeitschrift will die Antragsgegnerin mit der streitigen Anzeige offensichtlich diesen Bevölkerungskreisen bekannt machen. Man kann auf ganz einfache Weise Aktienbesitzer werden, noch dazu von Aktien der D B bei denen es sich bekanntermaßen jedenfalls nicht um zweifelhafte Spekulationswerte handelt. Dem Werber bzw. Umworbenen wird der Eindruck vermittelt, daß diese "seriösen" Papiere den Wert des "eingesetzten" Jahresabonnements allenfalls noch weiter übersteigen könnten als im Zeitpunkt der Anzeige (was unstreitig seither auch eingetreten ist). Alle diese Elemente begründen jedenfalls in ihrem Zusammenwirken gegen die Antragsgegnerin den Vorwurf des unlauteren Wettbewerbs im Sinne des § 1 UWG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist rechtskräftig (§§ 545 Abs. 2, 704 Abs. 1 ZPO).

Berufungsstreitwert: 100.000 DM.

Ende der Entscheidung

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