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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.06.2001
Aktenzeichen: 20 U 5/01
Rechtsgebiete: MarkenG, GmbHG, BGB, ZPO


Vorschriften:

MarkenG § 14 Abs. 5
MarkenG § 5 Abs. 2
MarkenG § 5 Abs. 3
MarkenG § 15 Abs. 2
MarkenG § 15 Abs. 3
GmbHG § 54 Abs. 3
MarkenG § 15
BGB § 12
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 19. Juni 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Berneke und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Schmidt und Schüttpelz

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 06. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin, welche bis zu einer mit Gesellschafterbeschluss vom 01. Oktober 1999 (im Handelsregister eingetragen am 02. November 1999) erfolgten Umfirmierung als S GmbH firmierte, ist Inhaberin der am 05. November 1997 angemeldeten und am 02. Februar 1998 für Korbwaren und Futtermittel eingetragenen Wortmarke 397 52 600 "Claro". Unter Verwendung der Internet-Domain "claro-tiernahrung.de" bewirbt sie seit dem 19. November 1999 Tierfuttermittel.

Am 05. Oktober 1999 meldete die Beklagte die Internet-Domain "claro.de" für sich bei der DENIC an. Dort hält sie Informationen für Jugendliche über Bildung, Jobs etc. vor.

Die Klägerin hält die Eintragung der Domain für eine Verletzung ihres Namens- und Markenrechts und hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 100.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft hinsichtlich der Beklagten an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen, die für die Beklagte bestehende Internet-Domain-Anschrift "Claro.de" zu benutzen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat darauf verwiesen, ein Namensrecht der Klägerin an der Bezeichnung "claro" sei erst mit Eintragung im Handelsregister, mithin erst nach Anmeldung und Registrierung der Domain "claro.de" zu ihren - der Beklagten - Gunsten entstanden. Markenrechtliche Ansprüche schieden wegen fehlender Ähnlichkeit der jeweiligen Waren und Dienstleistungen aus.

Das Landgericht hat sich die Auffassung der Beklagten zu eigen gemacht und die Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie verweist darauf, "Claro" habe sich als Schlagwort für ihr Unternehmen durchgesetzt, was sie zu ihrer Umfirmierung veranlasst habe. Die Beklagte habe ihr, Namens- und Markenrecht verletzt und dies gegenüber der DENIC verschwiegen, nur so habe sie eine Registrierung der Domain erreichen können. Zudem greife § 14 Abs. 5 MarkenG ein. Sie beantragt daher,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 100.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft - hinsichtlich der Beklagten - an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollziehen ist, zu unterlassen,

die für die Beklagte bestehende Internet-Domain-Anschrift "Claro.de" zu benutzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

I.

Ansprüche aus einem Unternehmenskennzeichen (§ 15 MarkenG) stehen der Klägerin nicht zu.

1.

Sie hat bereits nicht dargetan, vor der Eintragung der Umfirmierung im Handelsregister am 02. November 1999 im Verkehr als "Claro" (möglicherweise in Verbindung mit Zusätzen) aufgetreten zu sein; Schutz für Unternehmenskennzeichnen entsteht erst mit Aufnahme der Benutzung, § 5 Abs. 2 MarkenG. Ihre Firma lautete zunächst "S GmbH". Die Änderung des Gesellschaftsvertrages vom 01. Oktober 1999 wurde erst mit Eintragung im Handelsregister wirksam, § 54 Abs. 3 GmbHG. Die Klägerin hätte also bis zu diesem Zeitpunkt nicht einen Teil ihrer Firma als Firmenschlagwort benutzen können (vgl. für diese Fallgestaltung. BGH GRUR 2000, 605 - comtes/ComTel). Eine weitere Bezeichnung für ein Unternehmen kann nur unter besonderen Umständen (Führung eines organisatorisch abgesonderten Betriebes) geführt werden, für die nichts ersichtlich ist. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin vorab "Claro" als Unternehmenskennzeichen geführt und nicht lediglich als Marke verwendet hat.

Danach hat die Beklagte durch Anmeldung der Domain am 05. Oktober 1999 und alsbaldige Benutzung einen prioritätsälteren (§ 6 MarkenG) Werktitelschutz erlangt, § 5 Abs. 3 MarkenG. Sie benutzt die Web-Site ausweislich der vorgelegten Auszüge - wenn auch möglicherweise nur durch Weiterverweisung auf "focus.de" als Untergliederungseinheit - als Bezeichnung für eine Sammlung von Artikeln, die Jugendliche besonders ansprechen, und damit als Internet-Zeitschrift. Dass sie teilweise als "Claro!" bezeichnet wird, ist angesichts der DENIC-Registrierungsbedingungen unerheblich. An die Kennzeichnungskraft von Titeln sind geringe Anforderungen zu stellen (vgl. BGH NJW-RR 2000, 1062 - FACTS). Dass es ein Wort aus dem Jugendjargon (im Sinne von "Okay") übernimmt, ist daher unschädlich, begründet vielmehr die Kennzeichnungskraft.

2.

Zudem fehlt es an einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 15 Abs. 2 MarkenG.

Die Parteien sind derart branchenfern, dass bei dem Verkehr nicht die Vorstellung aufkommen kann, die Parteien seien identisch oder stünden in einer organisatorischen oder lizenzrechtlichen Beziehung zueinander (vgl. allgemein dazu OLG Frankfurt NJW-RR 2001/547 - alcon.de). Die Klägerin vertreibt Korbwaren und Tierfuttermittel, während die Beklagte im Nachrichtengeschäft tätig ist. Von einer derartigen Branchenferne, die zum Ausschluss einer Verwechslungsgefahr führt, geht auch die Klägerin ersichtlich aus.

Auf die sich im Zusammenhang mit der Verwechslungsgefahr von Unternehmenskennzeichen und Werktiteln ergebenden besonderen Probleme (vgl. BGH NJW 2000, 3355 - Bücher für eine bessere Welt) kommt es danach nicht mehr an.

Auf das Merkmal der Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt der Branchennähe kann nicht verzichtet werden (vgl. Reinhart, WRP 2001, 14 Fezer WRP 2000, 669, 674; s. aber Marwitz WRP 2001, 9). Der Gesetzgeber hat den Schutz von Unternehmenskennzeichen auf das Bestehen einer Verwechslungsgefahr - sowie die Fallgestaltung der Bekanntheit nach § 15 Abs. 3 MarkenG (dazu 3.) - beschränkt. Ebenso ist der Schutzbereich von Marken - wiederum abgesehen von den Fällen der Bekanntheit - auf identische oder ähnliche Waren bzw. Dienstleistungen begrenzt (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG). Ein - internetspezifischer - vollständiger Schutz ist demgegenüber nicht vorgesehen. Das Internet ist hier lediglich ein Mittel zur Präsentation von Waren bzw. Dienstleistungen, nicht die Ware bzw. die Dienstleistung selber (vgl. Viefhues NJW 2000, 3239). Allein die Tatsache, dass sich ein Unternehmen eines bestimmten Vertriebswegs oder Werbemittels unter seinem Unternehmenskennzeichen bedient, schließt nicht aus, dass ein anderes - hinreichend branchenfernes - Unternehmen mit dem gleichen Unternehmenskennzeichen ebenfalls den Vertriebsweg oder das Werbemittel nutzt. Auch der Aufruf einer bestimmten Website, deren Domain mit einem Unternehmenskennzeichen identisch ist, führt noch nicht zu einer Verwechslung, weil der Internet-Benutzer auf Grund der Vielzahl der nach dem Gesetz nebeneinander koexistierenden Unternehmenskennzeichen und Marken (vgl. für "Claro" die Liste Bl. 29-31 GA) nicht davon ausgehen kann, er erreiche damit eine Web-Site gerade des von ihm gesuchten Unternehmens.

Auch internetspezifische Gründe sind für einen weitergehenden Schutz sind nicht ersichtlich. Es kann offenbleiben, ob eine derartige - den Wortlaut ersichtlich "sprengende" - Auslegung des Markengesetzes als verhältnismäßig jungem Gesetz grundsätzlich möglich ist und ob eine derartige Auslegung von der dem Markengesetz zugrunde liegenden Richtlinie 89/104/EWG gedeckt wäre. Denn eine solche Auslegung ist sachlich nicht geboten. Zwar können im Internet - anders als im sonstigen Verkehr - gleiche Unternehmenskennzeichen oder Marken hinsichtlich unterschiedlicher Branchen oder Waren/Dienstleistungen nicht derart koexistieren, dass sie als gleiche domain beiden Marken/Unternehmen zur Verfügung stehen, wenn nicht freiwillig "domain-sharing"-Verträge zu Stande kommen. Dies ist aber hinzunehmen. Zum einen ist es technisch möglich, anstelle gleicher Domainnamen auch nur geringfügig abweichende Domains zu nutzen (die Klägerin ist Inhaberin der domain "claro-tiernahrung.de"), zum anderen kann ein Nutzer des Internets mit Hilfe von Suchmaschinen die von ihm gewünschte Website auffinden. Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof "Umleitungseffekte" durch bestimmte domains für wettbewerbsrechtlich unerheblich gehalten (Urteil vom 17.05.2001 - I ZR 216/99).

Ansprüche aus § 15 Abs. 3 MarkenG sind nicht ersichtlich.

Zwar macht die Klägerin - zur gleichlautenden Marke - geltend, "Claro" sei "bekannt". Bereits dies wird aber nicht näher dargelegt. Umsatzzahlen und Werbemittelaufwand, die auf eine Bekanntheit hindeuten könnten, werden nicht vorgelegt. Gegen eine Bekanntheit spricht vor allem die verhältnismäßig kurze Zeit, in der Marke und Unternehmenskennzeichen in einer seit langem bestehenden Branche existieren.

Zudem fehlt es an Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung der geschäftlichen Bezeichnung ohne rechtfertigenden Grund. Allein die Nutzung einer gleichlautenden Domain reicht nicht aus (vgl. OLG Frankfurt, NJW-RR 2001, 547 - alcon.de; Viefhues NJW 2000, 3229). Die Klägerin trägt nichts dazu vor, dass gerade den - potentiellen - Nutzern der Web-Site ihre Erzeugnisse, die sich in einem schmalen Marksegment bewegen, bekannt sind; sie spricht von einer Bekanntheit "bei dem angesprochenen Verkehrskreis", d. h. den Käufern von Tierfuttermitteln. Es ist nichts dafür vorgetragen, dass sich die von den Parteien angesprochenen Verkehrskreise in erheblichem Umfange überschneiden. Zudem liegen die Erzeugnisse der Klägerin, Tierfuttermittel, so weit vom Internetangebot der Beklagten entfernt, dass ein Imagetransfer von Waren zu einem Werktitel kaum vorstellbar erscheint, zumal es sich beim Angebot der Klägerin nicht um Luxusprodukte handelt.

4.

Aus der Vorschrift des § 12 BGB ergeben sich im Streitfall keine weitergehenden Ansprüche als aus § 15 MarkenG (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.).

II.

Auch markenrechtliche Ansprüche (§ 14 Abs. 2 MarkenG) stehen der Klägerin nicht zu. Die Ausführungen unter I. zur fehlenden Verwechslungsgefahr (2.) und zum Ausscheiden eines erweiterten Schutzes wegen Bekanntheit (3.) gelten entsprechend.

III.

Ansprüche wegen sittenwidriger Behinderung (§ 1 UWG; sogenanntes Domain-Grabbing) sind nicht ersichtlich. Es ist nichts dafür vorgetragen, dass die Beklagte sich die Domain hat registrieren lassen, um die Klägerin in ihrer geschäftlichen Betätigung zu behindern oder zum Abkauf der Domain zu bewegen. Dagegen spricht, dass die Beklagte ihre Domain tatsächlich nutzt. Die Klägerin meint zwar, es seien keine Nutzungshandlungen ersichtlich, ausweislich der vorgelegten "Websites" wird die Domain aber als Link zu Unterseiten von "focus.de" benutzt. Abgesehen davon hat die Beklagte nicht eine Vielzahl von Domains angemeldet und sie sodann Interessierten zum Kauf angeboten, wie dies bei Domain-Grabbing typisch ist (vgl. auch BGH Urteil vom 17.05.2001 - I ZR 216/99).

IV.

Da nach dem oben Gesagten die Beklagte keine Kennzeichenrechte verletzt hat, kann sich die Klägerin auch nicht auf eine Verletzung des § 3 Abs. 1 der DENIC-Registrierungsbedingungen berufen. Es kann daher offenbleiben, ob diese Bestimmung als "Vertrag zugunsten Dritter" anzusehen ist.

V.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000,00 DM nicht. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 546 Abs. 1 ZPO.

Der Berufungsstreitwert wird auf 30.000/00 DM festgesetzt. Dies entspricht der unangegriffen gebliebenen Angabe der Klägerin. Auch nach Erörterung im Termin vom 29. Mai 2001 hat keine der Parteien einer Festsetzung auf diesen Betrag widersprochen. Der im Kennzeichenstreitsachen verhältnismäßig niedrige Betrag ist angesichts der Tatsache, dass die Klägerin ähnliche domains verwenden kann, nachvollziehbar.

Ende der Entscheidung

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