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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.01.2001
Aktenzeichen: 22 U 121/00
Rechtsgebiete: BGB, StGB


Vorschriften:

BGB § 635
BGB § 823
BGB § 830
StGB § 263
Leitsätze:

1.

Die Abdichtung eines Neubaus gegen drückendes Wasser ist eine besonders gefahrträchtige Arbeit, welche der Architekt mit gesteigerter Aufmerksamkeit überwachen muß; weicht sein Auftraggeber eigenmächtig von den Architektenplänen ab, muß der Architekt eindringlich auf die Folgen mangelhafter Ausführung hinweisen.

2.

Ein Generalübernehmer, der, um Kosten zu sparen, entgegen der Architektenplanung trotz der Gefahr drückenden Wassers bewußt die Kellerbodenplatte zu dünn und die Kelleraußenwände mit unzureichender Isolierung herstellen läßt, begeht einen Betrug zum Nachteil seines Auftraggebers und schädigt diesen in sittenwidriger Weise vorsätzlich; der Architekt, der diese Abweichungen feststellt, aber weiterhin die örtliche Bauaufsicht ausübt und die Leistungen des Rohbauunternehmers ohne Beanstandungen abnimmt, leistet Beihilfe zu dem Betrug und zu der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung durch den Generalübernehmer.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 121/00 5 O 44/00 LG Krefeld

Verkündet am 19.01.2001

Gehenzig, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 08.12.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weyer, den Richter am Oberlandesgericht Muckel und die Richterin am Oberlandesgericht Müller-Piepenkötter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 02. Juni 2000 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Sachverhalt:

Die Kl beauftragten 1990 die H GmbH als Generalübernehmer mit der Planung und Errichtung eines Einfamilienhauses. Die H betraute den beklagten Architekten mit der Planung und der Bauaufsicht. Weil die Kellerbodenplatte 0,8 - 1 m unter dem höchsten bekannten Grundwasserstand liegen sollte, plante der Bekl eine gegen Auftrieb gesicherte bewehrte, 25cm dicke Bodenplatte und druckwassersicher zu isolierende Kellerwände. Der Bekl behauptet, er habe während der Bauausführung festgestellt, daß die H, um Kosten zu sparen, den Rohbauunternehmer nur mit einer nicht druckwassersicheren Ausführung des Kellergeschosses beauftragt habe. Er habe die H telefonisch auf die Ausführungsmängel hingewiesen. Der Bekl setzte die Bauaufsicht fort und nahm die Rohbauarbeiten ohne Beanstandungen ab. Seit 1993 kommt es zu Grundwassereintritten im Keller. Die Kl nehmen den Bekl aus eigenem und abgetretenem Recht der H, welche inzwischen in Konkurs gefallen ist, auf Schadenersatz in Anspruch. Auf ihren mit 70.226,93 DM bezifferten Schaden lassen die Kl sich Honoraransprüche des Bekl gegen die H anrechnen und verlangen Zahlung von 50.072,82 DM.

Das LG hat den Bekl antragsgemäß verurteilt.

Entscheidungsgründe:

Den Klägern steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 635 BGB aus abgetretenem Recht zu. Daneben bestehen aber auch deliktische Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 263, 27 StGB und §§ 826, 830 BGB.

I. Anspruch aus § 635 BGB

Ein Mangel des Architektenwerks ist nach dem unstreitigen Sachverhalt gegeben.

Der Beklagte bestreitet nicht, dass das für die Kläger von der H GmbH (im folgenden: Firma H) erstellte Haus unzureichend gegen drückendes Wasser abgedichtet ist. Nach den Feststellungen der Gutachter im Vorprozess zwischen den Klägern und der Firma H, die im vorliegenden Rechtsstreit vom Beklagten nicht in Frage gestellt werden, lag die Kellersohle des Gebäudes 0,8 bis 1 m unter Grundwasserhöchststand. Die Kellerbodenplatte hätte deshalb eine Dicke von 25 cm haben müssen und die Kellergeschossaußenwände hätten mit einer mindestens 5 mm starken pastösen Abdichtungsschicht mit Gewebeeinlage und Hohlkehle versehen sein müssen. Tatsächlich war die Kellerbodenplatte lediglich 17 cm stark und die Abdichtungsschicht nur etwa 2 mm, die Gewebeeinlage fehlte ebenso wie die Hohlkehle.

Dieser Mangel des Bauwerks lässt auf einen Mangel des Architektenwerks schließen. Denn der Beweis des ersten Anscheins spricht dafür, dass der Baumangel auch auf einen Mangel des Architektenwerks, nämlich objektiv mangelhafte Erfüllung der dem Architekten obliegenden Aufgaben, zurückzuführen ist (vgl. BGHZ 42, 16, 18; VersR 1974, 261, 263): Der bauleitende Architekt hat gerade Isolierungsarbeiten als besonders gefahrträchtige Arbeiten mit gesteigerter Aufmerksamkeit zu überwachen (vgl. Senat, Urt. vom 28. September 1990 - 22 U 82/90 -, BauR 1991, 791, 793). Dies gilt auch, wenn der Bauherr eigenmächtig von den Plänen des Architekten abweicht; der Architekt muss dann eindringlich auf die Folgen der mangelhaften Ausführung hinweisen (vgl. OLG Hamm, BauR 1995, 269, 270). In einem solchen Fall spricht, wenn die Arbeiten trotz dieser gesteigerten Überwachungspflichten mangelhaft ausgeführt werden, der Beweis des ersten Anscheins für eine unzureichende Erfüllung dieser Pflicht (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 9. Aufl., Rdn. 2605; BGH, BB 1973, 1191 - insoweit in BauR 1973, 255 nicht abgedruckt).

Seinen zur Erschütterung des Anscheinsbeweises an sich geeigneten Vortrag, er habe telefonisch den Generalübernehmer, seinen Auftraggeber, auf die Ausführungsmängel hingewiesen, hat der beweispflichtige Beklagte (vgl. Werner/Pastor, a. a. O.; BGH, BauR 1997, 673, 674) nicht mit zulässigen Beweismittel unter Beweis gestellt. Er hat lediglich beantragt, ihn selbst zu vernehmen. Eine Vernehmung des Beklagten auf eigenen Antrag ist jedoch nicht zulässig, da die Voraussetzungen der §§ 447, 448 ZPO nicht gegeben sind. Das ausdrücklich zu erklärende Einverständnis der Kläger mit der Vernehmung des Beklagten als Partei liegt nicht vor (§ 447 ZPO), auch liegen keine Umstände vor, die eine Anfangswahrscheinlichkeit für die zu beweisende Tatsache begründen (§ 448 ZPO). Im Gegenteil sprechen die Tatsachen, dass entgegen der vom Beklagten in Auftrag gegebenen Statik gearbeitet worden ist und dass der Beklagte gleichwohl trotz der gerade bei Isolierungsarbeiten bestehenden gesteigerten Aufsichtspflicht keine schriftlichen Hinweise gegeben hat, als erden Verstoß gegen die Statik und die Regeln der Technik feststellte, gegen die Erfüllung dieser Pflicht. Schriftliche Hinweise wären schon zur eigenen Absicherung angebracht gewesen.

II. Ansprüche aus unerlaubter Handlung

Letztlich kommt es aber darauf, ob der Beklagte, der nach seinem eigenen Vortrag die Ausführungsmängel während der Bauarbeiten festgestellt hat, die Firma H auf diesen Mangel der Rohbauarbeiten telefonisch hingewiesen hat, nicht an. Denn in diesem Fall besteht ein Schadensersatzanspruch wegen Beihilfe zum Betrug oder Beihilfe zur sittenwidrigen vorsätzliche Schädigung.

Der Beklagte selbst trägt vor, die Firma H habe bewusst die ausreichende Isolierung des Kellers unterlassen, um Kosten zu sparen und minderwertige Häuser zu verkaufen. Darin liegt ein Betrug zum Nachteil der Kläger und eine vorsätzliche Schädigung, die als sittenwidrig zu bezeichnen ist. Zwar ist nicht jeder Mangel eines Werkes als Betrug zu qualifizieren. Wenn aber eine vorsätzliche Täuschung des Auftraggebers etwa durch konkludente Erklärungen vorliegt, bestehen Ansprüche aus unerlaubter Handlung neben den vertraglichen Ansprüchen.

Jedenfalls in der Übergabe der Werkleistung - des fertigen Hauses - als Erfüllung der vertraglichen Leistungspflicht ist die Erklärung zu sehen, dass das Werk abnahmereif, d.h. gemäß § 640 BGB vertragsmäßig, hergestellt sei und der Hersteller nicht bewusst und gewollt gravierende Mängel, die einer Abnahme entgegenstehen würden, aber nach ihrer Art bei der Abnahme nicht feststellbar sind, verursacht habe. Die Herbeiführung der Abnahme in Kenntnis der fehlerhaften Feuchtigkeitsisolierung stellt damit eine Täuschung dar, die für die Abnahme und damit für die Herbeiführung der Fälligkeit und Zahlung des Werklohns ursächlich war. Denn es liegt auf der Hand, dass Käufer eines Hauses, wenn sie wüssten, dass bewusst die erforderliche Feuchtigkeitsisolierung des Kellers unterlassen worden ist, ein solches Haus sicher nicht abnehmen und den Werklohn nicht zahlen würden.

Zu diesem Betrug, der durch die mangelhafte Ausführung vorbereitet worden ist, hat der Beklagte Beihilfe geleistet. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Beklagte in keinen vertraglichen Beziehungen zu den Klägern stand und vertragliche Sorgfaltspflichten nur gegenüber der Firma H übernommen hatte. Denn den Gehilfen selbst braucht kein Täuschungsvorwurf zu treffen, es reicht aus, wenn er die fremde Tat vorsätzlich fördert.

Dies hat der Beklagte getan. Er hat, obwohl er nach seinen eigenen Angaben festgestellt hatte, dass die Firma H unzureichende Aufträge an den Rohbauunternehmer erteilt hatte, um durch minderwertige Leistungen Kosten zu sparen, weiterhin die örtliche Bauaufsicht ausgeübt und als verantwortlicher Bauleiter gegenüber dem Bauamt fungiert und sogar die Arbeiten des Rohbauunternehmers abgenommen, ohne dabei auf die Mängel hinzuweisen. Dadurch hat er der Firma H ihr betrügerisches Verhalten gegenüber den Klägern ermöglicht.

III. Schadenshöhe, Nebenentscheidungen

Die Höhe des von den Klägern geltend gemachten Schadens wird von dem Beklagten nicht bestritten. Er akzeptiert die vorgenommene Verrechnung mit seinen Honoraransprüchen gegen die Firma H.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, § 546 Abs. 1 ZPO.

Gegenstandswert der Berufung und Beschwer des Beklagten: 50.072,82 DM.

Ende der Entscheidung

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