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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 23.03.2001
Aktenzeichen: 22 U 140/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138
BGB § 398
BGB § 631
Leitsatz:

Eine Abtretung der Werklohnforderung allein zu dem Zweck, die Aufrechnung von Mängelansprüchen durch den Auftraggeber zu vereiteln oder zu erschweren, ist sittenwidrig und deshalb nichtig.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 140/00 12 O 231/94 LG Krefeld

Verkündet am 23.03.2001

Gehenzig, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weyer, die Richterin am Oberlandesgericht Müller-Piepenkötter und die Richterin am Landgericht Schuh-Offermanns

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Krefeld vom 4. Juli 2000 teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervention.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Sachverhalt:

Der Bekl zu 2 ist der Komplementär der Bekl zu 1, einer Bauträgerin. Diese hatte die KI mit der Errichtung mehrerer Häuser beauftragt. Gegenüber der eingeklagten Restwerklohnforderung von rund 82.000 DM rechnete die Bekl zu 1 mit Ansprüchen auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten auf. Nachdem die Bekl zu 1 sich auf weitere Mängel berufen hatte, erklärte die Kl, sie habe die Werklohnforderung an die Ehefrau ihres Geschäftsführers abgetreten. Im Verhandlungstermin vor dem LG am 14.2.1995 behauptete die Kl dann eine Rückabtretung. Mit Schreiben vom 16.2.1995 teilte der Prozeßbevollmächtigte der Kl den Prozeßbevollmächtigten der Bekl mit, die Werklohnforderung sei noch am 14.2.1995 wieder an die Ehefrau des Geschäftsführers abgetreten worden; er sei weder von der Kl noch von der Ehefrau des Geschäftsführers legitimiert, Willenserklärungen entgegenzunehmen, weiche rechtsgestaltende Wirkung haben könnten. Die Anschrift der Ehefrau des Geschäftsführers war den Bekl nicht bekannt.

Das LG hat die Bekl als Gesamtschuldner verurteilt, 30.155,04 DM nebst Zinsen an die Ehefrau des Geschäftsführers der Kl zu zahlen, und die weitergehende Klage abgewiesen. Die Aufrechnung mit weiteren Gegenansprüchen hat es wegen der Abtretung als unwirksam angesehen.

Dagegen wenden sich die Bekl mit ihrer Berufung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

Die nach dem Urteil des Landgerichts Krefeld noch bestehende Werklohnforderung der Klägerin in Höhe von 30.155,04 DM, von der aufgrund des insoweit nicht angegriffenen Urteils des Landgerichts auszugehen ist, ist durch die im Prozess hilfsweise erklärte Aufrechnung erloschen.

1.

Allerdings ist entgegen dem Vortrag der Beklagten ohne weitere Beweisaufnahme davon auszugehen, dass die Forderung am 14.2.1995 an die Ehefrau des Geschäftsführers der Klägerin abgetreten worden ist. Die Klägerin hat eine Kopie der Abtretungsvereinbarung vorgelegt (Bl. 186 GA) und erklärt, dass für die Beklagten das Original vorgelegt worden sei (Bl. 185 GA). Die Beklagten bestreiten das nicht und behaupten nicht, dass diese Urkunde gefälscht sei.

2.

Jedoch ist die im Prozess erklärte Aufrechung wirksam. Sie musste hier nicht gemäß § 406 BGB gegenüber der in der Abtretungsvereinbarung vom 14.2.1995 bezeichneten Zessionarin, Frau B T erklärt werden, denn die Abtretungsvereinbarung ist gemäß § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit unwirksam. Zur Entgegennahme von Aufrechnungserklärungen im Prozess für die Klägerin ist der Prozessbevollmächtigte gemäß § 81 ZPO ermächtigt.

Auf die Frage der Wirksamkeit der Abtretung kommt es für die Entscheidung an, weil die Gegenforderungen im Wege der Aufrechnung geltend gemacht worden sind und geltend gemacht werden müssen. Eine Verrechnung im Rahmen der Abwicklung des gekündigten Vertrages, welche von vornherein die Werklohnforderung gar nicht erst hätte entstehen lassen, kommt wegen der geltend gemachten Mängel nicht in Betracht.

Nach vorherrschender Auffassung (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 60. Aufl., § 635 Rdn. 6; Riedl in Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 9. Aufl., B § 8 Rdn. 19; Motzke in Ganten/Jagenburg/Motzke, Beck'scher VOB Kommentar, § 8 Nr. 2 Rdn. 37; und wohl auch Vygen in Ingenstau/Korbion, B § 8 Nr. 2 Rdn. 69, 70, § 8 Nr. 3 Rdn. 129, § 13 Nr. 7 Rdn. 800; OLG Hamm OLGR 1998, 58; OLG Düsseldorf, 23. Zivilsenat, BauR 1984, 543, 544 und OLGR 1997, 118 ff.; a.A: Siegburg, Handbuch der Gewährleistung beim Bauvertrag, 4. Aufl. Rdn. 1170; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 9. Aufl., Rdn. 2577; OLG Düsseldorf, 5. Zivilsenat, OLGR 1993,3,4) handelt es sich, wenn dem Vergütungsanspruch des Werkunternehmers Ersatzansprüche aufgrund von einzelnen Mängeln der bereits erbrachten Leistung entgegengestellt und die Leistung behalten werden. soll, um eine Aufrechnung. Eine Verrechnung wird nur beim sogenannten großen Schadensersatz angenommen, wenn die Leistung zurückgewiesen wird.

Darauf kommt es hier letztlich aber nicht an, weil auch nach der Gegenmeinung eine Verrechnung allenfalls mit Ansprüchen wegen solcher Mängel in Betracht käme, die gerade an den Bauwerken bestehen, hinsichtlich derer die Werklohnforderung geltend gemacht wird. Das sind hier die aufgrund mündlicher Vereinbarung erstellten Häuser 5 und 6 in V, die noch nicht fertiggestellt waren. Von den Mängeln, die noch Gegenstand des Berufungsverfahrens sind, beziehen sich die in der Berufungsbegründung mit 6.4 des Urteils, Verblendung H allee und Wasserschaden bezeichneten Mängel auf das Objekt H allee. Der Nachbesserungsaufwand für vier Balkone und die fehlende Heizungszuluft im Objekt V beziehen sich auf die beiden Häuser, die aufgrund des schriftlichen Bauvertrages errichtet worden sind. Das Landgericht geht jedoch davon aus, und dagegen wenden sich die Parteien nicht, dass die beiden Häuser, die Gegenstand der streitgegenständlichen Rechnung sind, aufgrund eines zusätzlichen mündlich erteilten Auftrages erstellt worden sind. Von den unter 6.23 des Urteils bezeichneten Rechnungen H betreffen die Rechnung vom 10.6.1995 und die Rechnung vom 27.3.1994 ebenfalls das Objekt H allee, hinsichtlich der weiter vorgelegten Rechnungen über Schadensbeseitigung und Fertigstellung der Doppelhäuser H feldweg kann auf Grund der Rechnungen nicht festgestellt werden, auf welches Haus am H feldweg sie sich beziehen, so dass auch insoweit ein allenfalls zu verrechnender Betrag nicht festgestellt werden kann. Jedenfalls überwiegend beziehen sie sich auf Mängel des vorderen Hauses, welches Gegenstand des anderen, schriftlichen Bauvertrages war, sowie auf die Fertigstellung des hinteren Doppelhauses. Insoweit hätten die Beklagten dartun müssen, dass der Beklagten zu 1) durch die Fertigstellung durch eine Drittfirma Mehrkosten gegenüber einer Fertigstellung durch die Klägerin entstanden sind. Darauf berufen sich die Beklagten jedoch nicht. Mit dem Vortrag der Beklagten, es seien hinsichtlich des hinteren Hauses nicht alle in Rechnung gestellten Arbeiten durchgeführt gewesen, hat sich das Landgericht auseinandergesetzt und ihn mangels Beweises zurückgewiesen (S. 22-24 des Urteils, Bl. 732-734 GA). Dagegen wenden sich die Beklagten nicht.

3.

Die im Prozess erklärte Aufrechnung ist wirksam, denn die Abtretung des Werklohnanspruches ist gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit unwirksam, weil sie allein deshalb geschlossen worden ist, um den Beklagten die Geltendmachung von Gegenansprüchen wegen mangelhafter Leistungen aus denn Bauvertrag, aus dem die Werklohnforderung geltend gemacht wird, zu erschweren, und die Umstände so gestaltet worden sind, dass die Geltendmachung unangemessen erschwert wurde. Ein zweiseitiges Geschäfts ist nämlich dann sittenwidrig und gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig, Wenn die Beteiligten mit ihm den Zweck verfolgen, in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken schuldrechtliche Rechte Dritter zu vereiteln (vgl. BGH NJW 1988, 902, 903).

Das war hier der Fall, wie sich aus der schriftlichen Aussage des Zeugen S und dem Verhalten der an der Abtretungsvereinbarung Beteiligten eindeutig ergibt. Der Zeuge S hat angegeben, dass die erste Abtretung telefonisch nach Erörterung der Aufrechnungslage und des gegnerischen Zurückbehaltungsrechts sowie der Möglichkeiten, diesen Einwendungen prozesstaktisch zu begegnen, vereinbart worden sei. Dabei sei ihm von beiden an der Vereinbarung Beteiligten umfassende Vollmacht auch unter Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot erteilt worden. Offenbar aufgrund dieser Vollmachten erklärte er im Termin am 14.2.1995 die Rückabtretung, denn eine vorher direkt zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und seiner Ehefrau vereinbarte Rückabtretung ist nicht dargetan. Da aufgrund dieser Vollmacht möglicherweise auch eine ihm gegenüber erklärte Aufrechnung als gegenüber der Zessionarin wirksam hätte angesehen werden können, erklärte der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei Mitteilung der erneuten schriftlichen Abtretung an die Beklagte zu 1), zur Entgegennahme rechtsgestaltender Erklärungen nicht bevollmächtigt zu sein (Bl. 138/139 GA). Dies zeigt eindeutig, dass die Abtretung nur den Zweck hatte, den Beklagten die Durchsetzung von Gegenansprüchen zu erschweren. Hinzukommt, dass der Geschäftsführer der Klägerin und seine Ehefrau, wie die Beklagten in der Berufungsbegründung unwidersprochen vortragen, mehrfach ihren Wohnsitz verlegten, auch ins Ausland, so dass eine Aufrechnung zusätzlich erschwert wurde.

4.

Die Aufrechnung mit dem unter 6.4 des Urteilstatbestandes aufgeführten Anspruch wegen Mängeln der Terrassen im Haus H allee 75 führt zum Erlöschen des Vergütungsanspruchs, soweit ihm das Landgericht stattgegeben hat.

Hinsichtlich der aufgerechneten Forderungen ist von der Reihenfolge auszugehen, in der die Forderungen in der Berufungsbegründung genannt sind. Als erstes ist dort die im Urteil des Landgerichts unter 6.4 aufgeführte Forderung auf Schadensersatz wegen der durch massiven Wassereinbruch im Hause Hallee entstandenen Schäden genannt. Diese Rechnungen betreffen Arbeiten aufgrund von Mängeln an der Dachterrasse und der im Erdgeschoss vorgelagerten Terrasse des Hauses H allee 75.

Das Landgericht hat dazu unter VI. 2. und 3. des Urteils festgestellt, dass die Terrassen verfehlt geplant worden seien. Die Tür-/Fensteranlage zur Terrasse im Dachgeschoss habe keine ausreichend hohe Schwelle, eine Aquadrainrinne sei ebenfalls nicht angelegt worden und der erforderliche Gefälleestrich fehle. Jedoch müssten sich die Beklagten insoweit 40 % Mitverschulden anrechnen lassen. Kein Mitverschulden treffe die Beklagten dagegen an den der Klägerin als planende Architektin anzulastenden Mängeln der Terrasse im Erdgeschoss (Bl. 783-790 GA).

Die Beklagten machen zunächst in der Reihenfolge des Urteils eine Rechnung der Firma Sch vom 7.6.1995 in Höhe von 37.587,44 DM (21.537,44 DM zuzüglich Anzahlung von 16.050,00 DM - Bl. 264/265, 257/258 GA) für Arbeiten am Terrassenboden, aus einer Rechnung der Firma H vom 3.5.1995 einen Betrag von 5.653,69 DM (5.951,25 DM abzüglich Skonto) für Terrassenroste und Kiesfangleiste und Zinsoliv (Bl. 482, 474 GA), eine Rechnung der Firma H vom 10.6.1995 über 17.820,72 DM (Bl. 268/269, 259 GA) für Abbruch- und Wiederherstellungsarbeiten an der Fassade im Bereich der Terrasse im Dachgeschoss sowie weitere Rechnungen geltend.

Die Aufrechnung mit der Forderung aus den genannten Rechnungen führt zum Erlöschen des Werklohnanspruchs der Klägerin.

Dass der diesen Rechnungen zugrundeliegende Planungsfehler der Klägerin vorliegt, ergibt sich aus den Feststellungen des Landgerichts. Dagegen wenden sich die Parteien nicht.

Für die Sanierung des Bodens der Terrasse im Dachgeschoss sind ausweislich des Vortrages der Beklagten und der vorgelegten Rechnungen sowie der Aussagen der Zeugen H, Sch und F (Bl. 349 ff., 364 ff., 409 ff. GA) die geltend gemachten Kosten entstanden. Aus der zuerst genannten Rechnung Sch entfällt ein Betrag von 34.137,44 DM (37.587,44./. 3.000,00 DM und 450,00 DM MWSt.) auf die Terrasse im Dachgeschoss (Bl. 258 GA). Davon gehen nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts zu Lasten der Klägerin nur 60 %, das sind 20.482,46 DM. Vollständig zu Lasten der Klägerin gehen die weiteren 3.450,00 DM aus der Rechnung Sch sowie die 5.653,69 DM aus der Rechnung H und die 17.820,72 DM aus der Rechnung H. Insgesamt also aus diesen drei Rechnungen 47.406,87 DM.

Durch die Aufrechnung mit diesen Beträgen ist die Klageforderung erloschen.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, § 546 Abs. 1 ZPO.

Gegenstandswert für die Berufung und Beschwer der Klägerin: 30.155,04 DM.

Ende der Entscheidung

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