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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.02.2001
Aktenzeichen: 22 U 143/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
Leitsatz:

Der Eigentümer eines in ländlich einsamer Gegend gelegenen Hausgrundstücks ist gegenüber einer das Grundstück zur Nachtzeit unbefugt betretenden erwachsenen Person nicht verpflichtet, Sicherungsvorkehrungen dagegen zu treffen, daß diese nicht in den seitlich des Hauses befindlichen, bei Tageslicht deutlich sichtbaren Treppenschacht stürzt.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 143/00 4 O 340/99 LG Krefeld

Verkündet am 9. Februar 2001

Gehenzig, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weyer, die Richterin am Oberlandesgericht Müller-Piepenkötter und die Richterin am Landgericht Fuhr

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 18.7.2000 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Sachverhalt:

Der Kl begehrt Schadenersatz wegen der Verletzungen, die er in der Nacht zum 20.9.1998 durch einen Sturz auf dem Grundstück des Bekl erlitten hat. Der Bekl ist Eigentümer des in K, K-straße 13, gelegenen Einfamilienhauses. Von der Straße her erreicht man den Hauseingang und die rechts neben dem Wohnhaus angebaute Garage über eine gepflasterte Fläche. Links davon schließt sich der Vorgarten an, der zur Straße hin durch eine etwa 50 cm hohe Weißdornhecke abgegrenzt wird. Der links neben dem Haus befindliche Teil des Gartens wurde damals zum Vorgarten hin durch einen Zaun und durch den von der Rückseite des Hauses her zu betretenden Kellerabgang getrennt. Zum Vorgarten hin war der Kellerschacht lediglich durch eine hölzerne Eisenbahnschwelle abgesichert. Der Kl war in der Nachbarschaft zu Besuch gewesen. Weil sein Hund sich auf dem Grundstück des Bekl verirrt hatte, wollte der Kl ihn zusammen mit dem Zeugen W von dort zurückholen. Bei dem Versuch, links neben dem Haus in den Garten zu gelangen, stürzte der Kl in den Kellerschacht. Der Kl hat wegen angeblich 8monatiger Arbeitsunfähigkeit 20.000 DM für eine Hilfskraft in seinem Betrieb, mindestens 10.000 DM Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht für alle künftigen Schäden begehrt.

Das LG hat ihm 1.000 DM Schmerzensgeld zugesprochen, dem Feststellungsantrag zu 1/5 der zukünftigen Schäden stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen. Die Berufung des Kl, mit welcher er 10.000 DM materiellen Schadenersatz, mindestens 5.000 DM Schmerzensgeld und die Feststellung der Ersatzpflicht zu 50% begehrt, hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Kläger kann vom Beklagten weder Ersatz seines materiellen Schadens gemäß § 823 Abs. 1 BGB, noch Schmerzensgeld gemäß § 847 Abs. 1 BGB verlangen. Die Verantwortlichkeit für die Folgen seines Sturzes auf dem Grundstück des Beklagten vom 20./21.9.1998 trifft allein den Kläger; eine Haftung des Beklagten dafür unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflichtverletzung ist nicht gegeben. Jedenfalls ist das Eigenverschulden des Klägers derart überwiegend, dass dahinter eine mögliche Mithaftung des Beklagten ohnehin zurückträte.

Die Verletzungen des Klägers sind entstanden, als dieser seinerzeit in unbefugter Weise das Grundstück des Beklagten betrat, um dort nach seinem Hund zu suchen.

Das Verfolgungsrecht des Besitzers, das ihm gemäß § 867 BGB zustand, berechtigte ihn nicht zum eigenmächtigen Betreten des fremden Grundstücks (vgl. Staudinger-Bund, Kommentar z. BGB, 13. Aufl., § 867 Rdnr. 7). Eine Notstandslage i.S. von § 904 BGB war nicht gegeben, da nicht ersichtlich ist, welche gegenwärtige Gefahr dem Hund des Klägers, der sich auf das Grundstück des Beklagten verirrt hatte, gedroht haben soll.

Der Beklagte war gegenüber dem sein Grundstück unbefugt betretenden Kläger nicht verpflichtet, Sicherungsvorkehrungen dagegen zu treffen, dass dieser nicht in den seitlich des Hauses befindlichen Treppenschacht stürzte.

Dem Besitzer eines Grundstücks obliegt nicht schlechthin eine Pflicht auch zur Sicherung unbefugten Verkehrs (BGH, Urt. v. 22.10.1974, VersR 1975, 87). Eine solche ist vielmehr nur dann in engen Grenzen anzunehmen, wenn im Bereich des Pflichtigen ausserordentliche Gefahren lauern (BGH, Urt. v. 19.1.1965, VersR 1965, 515; OLG Hamm, Urt. v. 15.2.1993, VersR 1994, 326; Staudinger-Hager, 13. Aufl., § 823 BGB Rdnr. E 43), oder eine bestimmungswidrige Benutzung nicht ganz fernliegt (BGH, Urt. v. 21.2.1978, VersR 1978, 561; OLG Celle, Urt. v. 6.7.1983, VersR 1983, 1163; OLG Hamm, Urt. v. 19.6.1995, VersR 1996, 1517; Staudinger-Hager, 13. Aufl., § 823 BGB Rdnr. E 44). Es können keine Vorkehrungen gegen jede denkbare, nur entfernt liegende Möglichkeit einer Gefährdung verlangt werden (BGH, Urt. v. 21.2.1978, VersR 1978, 561).

Im Hinblick auf diese Grundsätze ist im vorliegenden Fall folgendes festzustellen:

Aus der Sicht des Beklagten war eine unbefugte Benutzung seines Grundstücks - wie durch den Kläger geschehen - derart fernliegend, dass er damit nicht zu rechnen brauchte. Sein Einfamilienhaus liegt - wie der Beklagte in der Berufungserwiderung unwidersprochen vorträgt - in ländlich einsamer Gegend. Die an sein Grundstück angrenzende Umgebung ist somit weder besonders belebt noch gibt sie Veranlassung zum Betreten des Grundstücks des Beklagten. Schon erst recht nicht zur Nachtzeit - und nur zu der stellt der bei Tageslicht deutlich sichtbare Treppenschacht eine nicht erkennbare Gefahrenquelle dar - musste der Beklagte mit einem Unbefugten auf seinem Grundstück rechnen, der dann auch noch über den Vorgartenbereich hinaus in Richtung des hinteren Teils des Grundstücks auf dieses eindringt.

Aus der Sicht des Klägers bestand kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, das (unbefugt) betretene Terrain in gesichertem Zustand vorzufinden. Ob die zum Gehweg gepflanzte Hecke und der auf der Rasenfläche befindliche Magnolienbaum für ihn Hindernisse darstellten, die nur mit gewissen Schwierigkeiten zu überwinden waren, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls musste dem Kläger, auch wenn an den Bepflanzungen leicht vorbeizukommen war, klar sein, dass er sich auf ein Privatgrundstück begab, das weder zum Betreten durch seinen Hund noch durch ihn freigegeben war. Wenn er des weiteren die Tatsachen, dass ihm die örtlichen Gegebenheiten unbekannt waren und er in der Dunkelheit kaum sehen konnte, wohin er trat (auch der Zeuge W hat bekundet, dass er den Zaun, über den er gestolpert ist, nicht gesehen habe, Bl. 80 GA), nicht zum Anlass nahm, sich bei der Nachbarin, die der Kläger besucht hatte, eine Lichtquelle zu besorgen oder sich ganz vorsichtig Schritt für Schritt vorzutasten, handelte er erkennbar auf eigene Gefahr. Dass sich der Kläger (wie er auf Seite 5 des Schriftsatzes vom 16.1.2001, Bl. 149 d.A. vorträgt) Schritt für Schritt vergewissert haben will, wohin er seinen Fuß setzte, kann nicht zutreffen, weil dann nicht erklärlich ist, wie es zu dem Sturz in den Treppenschacht kommen konnte.

Da somit eine Haftung des Beklagten zu verneinen ist, bestehen die vom Kläger mit der Berufung weiterverfolgten Ansprüche nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 i.V.m. § 713 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass (§ 546 Abs. 1 ZPO).

Streitwert für die Berufungsinstanz und zugleich Beschwer des Klägers: 15.500 DM.

Ende der Entscheidung

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