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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 23.02.2001
Aktenzeichen: 22 U 150/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
Leitsatz:

Ein Straßenbauunternehmer genügt seiner Verkehrssicherungspflicht, indem er auf eine innerstädtische Straßenbaustelle, die ohnehin deutlich erkennbar ist, weil die gesamte befestigte Fahrbahn ausgekoffert ist, durch das Aufstellen einer Absperrschranke nebst Gefahrzeichen "Baustelle" und Zusatzschild "Anlieger frei" hinweist.


Oberlandesgericht Düsseldorf Im Namen des Volkes Urteil

22 U 150/00 8 O 159/00 LG Duisburg

Verkündet am 23. Februar 2001

Gehenzig, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 26. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weyer, den Richter am Oberlandesgericht Muckel und die Richterin am Landgericht Fuhr

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 3. August 2000 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Sachverhalt:

Die Kl ist Halterin eines Pkw VW-Sharan TDI. Am Abend des 14.10.1999 gegen 22.30 Uhr befuhr ihr Sohn mit dem Fahrzeug die M-straße in W in westlicher Richtung. Hinter der von links einmündenden N-straße setzt sich die M-straße als K-straße fort. Auf dieser führte die Bekl seinerzeit Straßenbauarbeiten aus. Sie hatte die Fahrbahnbefestigung einschließlich der Gehwege der K-straße abgetragen, so daß zwischen der Fahrbahn im Bereich der Einmündung der N-straße und der Baustelle ein Höhenunterschied von etwa 30 cm bestand. Vor der Baustelle war eine Absperrschranke aufgestellt, die die Durchfahrt nur zum Teil versperrte. An ihr waren ein Schild "Baustelle" und ein Zusatzschild "Anlieger frei" befestigt. Der Sohn der Kl fuhr auf der Straßenmitte mit einer Geschwindigkeit von 20-30 km/h in die Baustelle hinein. Dabei prallte des Pkw mit der Unterseite gegen den Deckel eines Kanalschachts und wurde erheblich beschädigt.

Das LG hat die Klage auf Schadenersatz in Höhe von 19.936,37 DM abgewiesen. Die Berufung der Kl hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin, deren Aktivlegitimation im Berufungsrechtszug von der Beklagten nicht mehr in Zweifel gezogen wird, ist nicht begründet.

Es kann nicht festgestellt werden, daß eine schuldhafte Verletzung der der Beklagten obliegenden Verkehrssicherungspflicht für den Unfallschaden der Klägerin ursächlich geworden ist.

Unklar ist allerdings, wie die Baustelle an der Einmündung der N-straße in den Straßenzug M-/K-straße ausgeschildert war.

Die in der Berufungsbegründung unter Abschnitt I, 1 dargestellte Kennzeichnung der Baustelle mit einer Absperrschranke gemäß Zeichen 600 der StVO sowie einem Gefahrzeichen "Baustelle" (Zeichen 123 der StVO) mit dem Zusatzschild "Anlieger frei" entspricht nicht der beigefügten Skizze Bl. 54 GA. Diese enthält mit der Beschriftung "Zeichen (§ 41 StVO)", von der aus ein Pfeil u. a. auf einen kreisrunden Gegenstand an der rechten Straßenseite zeigt, den Hinweis, daß an der Absperrschranke auch ein Zeichen nach § 41 StVO, also ein Gebots- oder Verbotszeichen, angebracht war. Dabei könnte es sich nach Lage der Dinge um das Zeichen 250 (Verbot für Fahrzeuge aller Art) gehandelt haben. Das steht aber nicht nur in Widerspruch zu der erstinstanzlichen Darstellung der Klägerin, daß die Durchfahrt an der K-straße nicht gesperrt gewesen sei (vgl. Bl. 2 GA). Auch die Beklagte erwähnt mit keinem Wort das Vorhandensein eines solchen Verkehrszeichens.

Die Frage, ob die Durchfahrt über die K-straße an der Einmündung der N-straße durch ein Verbotsschild für den Fahrzeugverkehr mit Ausnahme des Anliegerverkehrs gesperrt war oder nicht, kann aber letztlich offen bleiben. Selbst wenn man davon ausgeht, daß ein Verkehrsverbot nach Zeichen 250 an der Sperrschranke nicht angebracht war, kann eine für den Unfallschaden der Klägerin ursächliche Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte nicht festgestellt werden. Absicherungsmängel der Baustelle, die eine Haftung der Beklagten für den Unfallschaden der Klägerin begründen würden, sind nicht erkennbar.

Der mit der Durchführung von Straßenbaumaßnahmen beauftragte Bauunternehmer hat allerdings die Pflicht, die Baustelle so abzusichern, daß die Verkehrsteilnehmer vor den durch die Baumaßnahmen geschaffenen Gefahren hinreichend deutlich gewarnt werden. Die Warnung muß so beschaffen sein, daß ein Verkehrsteilnehmer bei Anwendung durchschnittlicher Eigensorgfalt den betreffenden Bereich tatsächlich als Baustelle erkennen kann (vgl. OLG Hamm, OLGR 1998, 325, 326).

Dieser Pflicht hatte die Beklagte durch das sichtbare Aufstellen der Absperrschranke (Zeichen 600 zu § 43 Abs. 3 Nr. 2 StVO) mit dem Gefahrzeichen "Baustelle" (Zeichen 123 zu § 40 Abs. 6 StVO) an der Einmündung der N-straße genügt. Durch die von ihr angebrachten Verkehrseinrichtungen und -beschilderungen, die das Befahren der Baustelle auf den Anliegerverkehr beschränkten (§§ 43 Abs. 3 Nr. 2, Zeichen 600, 49 Abs. 3 Nr. 6 StVO), war in Verbindung mit dem äußeren Erscheinungsbild der Baustelle (Auskofferung der befestigten Fahrbahn) ausreichend deutlich zu erkennen, daß der Gefahrenhinweis nicht nur eine abgegrenzte, in unmittelbarer Nähe der Absperrschranke befindliche Gefahrenstelle betraf, sondern sich auf eine umfangreichere Bautätigkeit im gesamten Verlauf der K-straße erstreckte. Die Beklagte konnte als Verkehrssicherungspflichtige darauf vertrauen, daß Straßenbenutzer die Gefahren erkannten, die üblicherweise mit der Benutzung der im Bau befindlichen Straße verbunden waren, und den nur für den Anliegerverkehr zugelassenen Bereich der Baustelle mit erhöhter Aufmerksamkeit und Sorgfalt durchfuhren. Das bedeutete, daß Führer von Kraftfahrzeugen die Baustelle lediglich mit Schrittgeschwindigkeit (4-6 km/h) befahren durften, damit sie auftauchenden Hindernissen jederzeit ausweichen oder notfalls vor diesen rechtzeitig anhalten konnten. Das galt insbesondere, wenn die Sicht - wie es hier nach der Darstellung der Klägerin der Fall war - infolge Dunkelheit und fehlender Straßenbeleuchtung beschränkt war.

Einer zusätzlichen Kenntlichmachung jeder einzelnen im gekennzeichneten Baustellenbereich befindlichen Gefahrenstelle bedarf es in einem solchen Falle nicht (vgl. OLG Hamm, a. a. O.). Das gilt auch, soweit Kanalschächte und deren Abdeckungen nach dem Auskoffern der Fahrbahnbefestigung über das verbliebene Straßenniveau herausragen (vgl. OLG Düsseldorf, 18. Zivilsenat, VersR 1993, 1029 = OLGR 1993, 86 nur LS). Daß die danach verbliebene Straßenfläche Unebenheiten aufweist und Kanalschächte infolgedessen unterschiedlich hoch aus dieser herausragen, ist keineswegs ungewöhnlich. Auch damit muß ein Fahrzeugführer rechnen, der eine solche Straßenbaustelle durchquert, und seine Fahrweise darauf einrichten.

Tatsächlich hat der Sohn der Klägerin, wie die Klägerin einräumt (vgl. Bl. 2, 51 GA), als Fahrer des Unfallfahrzeugs auch erkannt, daß er in eine Baustelle hineinfuhr und die Fahrbahn der K-straße in ihrer ganzen Breite "ausgekoffert" war. Er hat jedoch - abgesehen davon, daß er die gemäß dem Zusatzschild 803 zu § 39 StVO nur für den Anliegerverkehr freigegebene Baustelle verbotswidrig zur Durchfahrt benutzte (Ordnungswidrigkeit nach §§ 43 Abs. 3 Nr. 2, Zeichen 600, 49 Abs. 3 Nr. 6 StVO) - die beim Befahren der Baustelle gebotene erhöhte Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht walten lassen, ist mit einer das zulässige Schrittempo um ein Vielfaches übersteigenden Geschwindigkeit (nach Angaben der Klägerin 20-30 km/h - Bl. 2 GA) in diese eingefahren und hat dadurch den Unfall verursacht. Es kann kein begründeter Zweifel daran bestehen, daß der Sohn der Klägerin das Hindernis, das der Kanalschacht bildete, rechtzeitig hätte bemerken und ihm ausweichen können, wenn er die gebotene Sorgfalt gewahrt und allenfalls mit Schrittgeschwindigkeit in die Baustelle hinein gefahren wäre.

Der Berufung der Klägerin mußte hiernach der Erfolg versagt bleiben.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlaß (§ 546 Abs. 1 ZPO).

Streitwert für die Berufungsinstanz und zugleich Beschwer der Klägerin 19.936,37 DM.

Ende der Entscheidung

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