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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.09.2000
Aktenzeichen: 22 U 34/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 341
BGB § 345
Leitsätze:

1.

Für den nach § 341 Abs.3 BGB erforderlichen Vorbehalt "bei der Abnahme" reicht es aus, daß der Auftraggeber sich die Vertragsstrafe zeitnah zur Abnahme vorbehält. Das ist der Fall, wenn der Auftraggeber im Zusammenhang mit der Vereinbarung des Abnahmetermins seine Vertragsstrafenforderung beziffert und nach Widerspruch des Auftragnehmers zwei Tage vor der Abnahme schriftlich auf der rechtlichen Klärung des Vertragsstrafenanspruchs besteht.

2.

Zwar ist gemäß § 345 BGB der Schuldner für die Erfüllung beweispflichtig, wenn er die Verwirkung der Vertragsstrafe bestreitet; erst wenn der Gläubiger konkret eine Verzögerung der Vertragserfüllung behauptet, hat der Schuldner aber Anlaß, dazu vorzutragen und Beweis anzutreten.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

22 U 34/00 11 O 56/99 LG Wuppertal

Verkündet am 08.09.00

Tellmann, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 18. August 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weyer, die Richterin am Oberlandesgericht Müller-Piepenkötter und den Richter am Landgericht Fuchs

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wuppertal vom 11. Januar 2000 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.991,08 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 08. Januar 1999 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 14 % und die Klägerin 86 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Sachverhalt:

Die Bekl bestellte bei der Kl zwei speziell herzustellende maschinelle Anlagen. Für Terminüberschreitungen vereinbarten die Parteien eine Konventionalstrafe von 1 % des Gesamtpreises je überschrittener Woche, maximal 5% des Gesamtpreises. Sie streiten darüber, ob mit den im Vertrag genannten Lieferterminen die Vorabnahme bei einem Subunternehmer oder die endgültige Abnahme im Hause der Bekl gemeint war. Die Kl verlangt 13.974,83 DM restlichen Werklohn und meint, der Bekl stehe die zur Aufrechnung gestellte Vertragsstrafe schon deshalb nicht zu, weil sie sich diese bei der Vorabnahme nicht vorbehalten habe. Das LG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Bekl hat überwiegend Erfolg.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg.

Die von der Klägerin geltend gemachte restliche Werklohnforderung ist in Höhe von 11.883,74 DM durch Aufrechnung mit der für den Fall der Überschreitung der Liefertermine vereinbarten Vertragsstrafe erloschen.

Der maßgebende Vertragsinhalt bestimmt sich, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nach der am 10.3.1998 von der Klägerin und am 7.4.1998 von der Beklagten unterzeichneten Vereinbarung auf der von der Beklagten geschriebenen und von der Klägerin mit handschriftlichen Änderungen versehenen Bestellung vom 13.02.1998 (Bl. 25/26 GA) und nicht nach den am 03.03.1998 von der Klägerin verfassten Auftragsbestätigungen, denn diese hat die Beklagte offenbar nicht hingenommen, weil sie von der Bestellung abwichen. Erst am 10.3.98/7.4.98 kam damit die Einigung über die Bestellung sowohl der Einlegestation für Griffe in Rundtaktmaschine, als auch der Bohr- und Gewindeschneid-Automatisierungsanlage mit Späne-Absauganlage zustande (Bl. 25/26 GA).

In diesem Vertrag ist im Anschluss an die aufgeführten Liefertermine für beide Anlage bestimmt, dass die Belastung mit einer Konventionalstrafe von 1 % vom Gesamtpreis pro Woche durch die Klägerin ergänzt um den Zusatz: maximal 5 % - bei Terminüberschreitungen - vorbehalten werde. Damit ist für den Fall der Überschreitung des Liefertermins eine Vertragsstrafe hinsichtlich beider Anlagen vereinbart. Auch insoweit weicht die endgültige Vereinbarung von der Auftragsbestätigung Nr. 536300 der Klägerin ab, die bezüglich der Einlegestation eine Vertragsstrafe tatsächlich nicht vorsah. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Vereinbarung bestehen nicht und werden auch von der Klägerin nicht geltend gemacht. Sie ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass die Vertragsstrafe für den Fall der bloßen Terminüberschreitung und damit unabhängig von einem Verschulden versprochen worden ist. Es handelt sich unstreitig um eine Individualvereinbarung und nicht um allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten. In Individualvereinbarungen ist die Vereinbarung der Vertragsstrafe für den Fall bloßer Terminüberschreitung ohne Verschulden der Klägerin wirksam (vgl. BGH NJW-RR 1997, 686, 688 m.w.N.).

Die Vereinbarung ist auch eindeutig. Die Vertragsstrafe ist für den Fall der Überschreitung der zugesagten Liefertermine versprochen. Liefertermin ist nach allgemeinem Sprachgebrauch der Zeitpunkt der Erfüllung der vertraglichen Leistungspflicht, also bei Bestellung einer in den Betrieb des Bestellers zu liefernden Maschine, die unstreitig zu den vertraglichen Pflichten der Klägerin gehörte, was auch im Vertrag durch die Vereinbarung, dass die Endabnahme im Hause der Beklagten stattfinden sollte, niedergelegt ist, die Aufstellung der vertragsgemäß hergestellten Maschinen an Ort und Stelle, hier im Betrieb des Beklagten. Gerade der Vortrag der Klägerin zur Funktion der Vorabnahme, nämlich die noch durchzuführenden Arbeiten aufzulisten und die Maschine anschließend den individuellen Anforderungen der Beklagten entsprechend möglichst zügig fertig stellen zu können, zeigt, dass man zu diesem Zeitpunkt von einer Lieferung der Maschine noch weit entfernt war.

Der Text der Vereinbarung gibt keinen Anhaltspunkt für eine andere Auslegung. Es heißt dort in dem von der Beklagten maschinenschriftlich erstellten Text: "Als Liefertermine gelten.... Wir behalten uns vor, bei Terminüberschreitungen Sie mit einer Konventionalstrafe... zu belasten." Der handschriftliche Zusatz der Klägerin, (Vorabnahme bei Fa. F) ändert daran nichts. Dass dies nicht der Zeitpunkt der Erfüllung war, wurde dargelegt. Die Beklagte konnte unter Berücksichtigung des übrigen Textes der Vereinbarung diesen Zusatz nur dahin verstehen, dass die Durchführung der Vorabnahme bei der Firma F festgelegt werden sollte.

Dass der Liefertermin für die Bohr- und Gewindeschneid-Automatisations-Anlage incl. Absauganlage um mehrere Monate überschritten worden ist, ist unstreitig. Die vereinbarte Vertragsstrafe damit verfallen.

Der Vertragsstrafenanspruch besteht in Höhe von 5 % des Preises für diese Anlage. Die Berechnung der Beklagten im Schreiben vom 07.01.1999 (Bl. 30 GA) greift die Klägerin nicht an.

Die Beklagte hat sich die Geltendmachung der Vertragsstrafe auch rechtzeitig bei der Abnahme gemäß § 341 Abs. 3 BGB vorbehalten.

Eines Vorbehaltes bei der Vorabnahme bedurfte es nicht. Die Vorabnahme ist keine Annahme als Erfüllung im Sinne von § 341 Abs. 3 BGB. Das Gesetz kennt den Begriff der Vorabnahme nicht. Er ist allerdings im Anlagenbau gebräuchlich (vgl. BGH NJW-RR 1998, 916-917; NJW 1996, 250-253), insbesondere bei aus mehreren Teilen individuell für den Bedarf des Bestellers entwickelte und hergestellten Anlagen. Festgestellt werden dann beim Vorabnahmetermin der Zustand der bis dahin fertiggestellten Teile und die noch durchzuführenden Arbeiten, so wie es die Klägerin vorträgt. Dabei wird die noch nicht fertiggestellte Maschine also nicht als Erfüllung angenommen, sondern lediglich festgelegt, was zur Erfüllung noch zu tun ist.

Auf den Zeitpunkt der erstmaligen Inbetriebnahme im Hause der Beklagten kommt es ebenfalls nicht an, da die Anlage zu diesem Zeitpunkt unstreitig nicht funktionstüchtig und damit nicht abnahmereif war, die Klägerin ihre Lieferpflicht noch nicht erfüllt hatte. Dies ergibt sich auch aus dem Vermerk der Beklagten vom 23.09.1998, in welchem das Fehlen von Teilen gerügt und vor einem Langzeittest eine Aussage über die Anläge und die "Freigabe" abgelehnt wird (Bl. 39/40 GA).

Des Vorbehalts bedurfte es erst bei der Abnahme, die unstreitig erst am 29.01.1999 stattfand. Streitig ist, ob bei der Abnahme an diesem Tag nochmals auf die Geltendmachung der Vertragsstrafe hingewiesen worden ist. Darauf kommt es jedoch für die Entscheidung nicht an, denn die Beklagte hat sich die Vertragsstrafe in einer den Anforderungen des § 341 Abs. 3 BGB genügenden Weise in den Schreiben vom 07.01.1999 (Bl. 30 GA) und vom 27.01.1999 (Bl. 33 GA) zeitnah zur Abnahme vorbehalten.

Grundsätzlich ist der Begriff "bei der Annahme" in § 341 Abs. 3 BGB nach der Rechtsprechung des BGH eng auszulegen und der Vorbehalt bei der Abnahme auszusprechen, vorherige Erklärungen reichen prinzipiell nicht aus (vgl. BGH BauR 1983, 77, 79). Diesen engen Zusammenhang hat der BGH in einer späteren Entscheidung aber zeitlich definiert (BGH BauR 1992, 232, 233) und den so präzisierten Anforderungen genügt der Vorbehalt in den Schreiben vom 07.01.1999 und 27.01.1999. Anders als in den erwähnten vom BGH entschiedenen Fällen hat die Beklagte den Vorbehalt nicht lange vor oder lange nach der Abnahme erklärt. Vielmehr hat sie gerade im Zusammenhang mit der Vereinbarung des Abnahmetermins ihre Vertragsstrafenforderung im Schreiben vom 07.01.1999 beziffert und nach Widerspruch der Klägerin noch zwei Tage vor der Abnahme im Schreiben vom 27.01.1999 auf rechtlicher Klärung des Vertragsstrafenanspruchs bestanden. Ausgehend von dem vom BGH dargelegten Sinn und Zweck der Vorschrift, wonach die Strafe als Druckmittel wirken, der Schuldner aber die Aussicht behalten soll, dass der Gläubiger unter dem Eindruck der Erfüllung von seinem Recht, die Vertragsstrafe zu verlangen, keinen Gebrauch machen wird, soll es auf die Entschließung im Zeitpunkt und unter dem Eindruck der Erfüllung ankommen. Wenn gerade im Zusammenhang mit dem für den nächsten Tag vereinbarten, tatsächlich am übernächsten Tag durchgeführten Austausch des letzten noch nicht ordnungsgemäßen Bauteils und anschließender Abnahme auf der Vertragsstrafe bestanden wird, so ist diesem Sinn und Zweck ausreichend Rechnung getragen.

Ihre in erster Instanz zunächst aufgestellte Behauptung, die Beklagte habe auf die Geltendmachung der Vertragsstrafe in einem Gespräch am 16.12.1998 verzichtet, hat die Klägerin fallen gelassen.

Bezüglich der Einlegestation greift die Aufrechnung der Beklagten jedoch nicht durch. Nach dem inzwischen präzisierten Vortrag der Parteien war deren Lieferung unabhängig von der anderen Anlage. Erstmals in der Berufungsinstanz, hat die Beklagte konkret vorgetragen, auch diese Anlage sei verspätet, nämlich in der 21. Kalenderwoche statt der 16. Kalenderwoche geliefert worden, auch bei ihrer Lieferung habe sie sich die Vertragsstrafe vorbehalten. Die Klägerin bestreitet dies und behauptet, dieser Auftrag sei ohne Verzögerung abgewickelt worden. Zwar ist gemäß § 345 BGB der Schuldner für die Erfüllung beweispflichtig, wenn er die Verwirkung der Vertragsstrafe bestreitet. Das setzt aber voraus, dass der Gläubiger konkret die Verzögerung mit der Vertragserfüllung behauptet. Sonst hat der Schuldner keinen Anlass, dazu vorzutragen und Beweis anzubieten. Das Vorbringen der Beklagten insoweit ist verspätet und gemäß § 528 Abs. 1 ZPO nicht zuzulassen. Sie hätte schon innerhalb der Klageerwiderungsfrist, als sie sich mit der Vertragsstrafenforderung gegen die restliche Werklohnforderung der Klägerin verteidigte vortragen können und müssen, dass und in welchen Zeitraum auch die Lieferung der Einlegestation verzögert worden ist. Für die Verspätung ist kein diese entschuldigender Grund ersichtlich. Da kurzfristig zum Termin die von den Parteien benannten Zeugen nicht mehr erfolgreich geladen werden konnten, die Verzögerung also nicht mehr aufgefangen werden konnte, war das Vorbringen zurückzuweisen.

In Höhe von 1.991,08 DM war der Klage stattzugeben. Auch die hilfsweise von der Beklagten geltend gemachte Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen wegen der verspäteten Lieferung der Bohr- und Gewindeschneid-Automatisierungs-Anlage greift nicht durch. Die Beklagte hat ihren Schaden nicht schlüssig dargetan. Sie hat nicht dargetan, an welchen Tagen genau die Anlage für welche Zeiten ausfielen und wann welches Personal deshalb zusätzlich eingesetzt werden musste und der Ausfall nicht durch vorhandenes Personal aufgefangen werden konnte und, wie sich die von ihr errechneten Stückpreise ergeben. Die bloße Auflistung von Artikelnummern und Stückzahlen mit nicht erläuterten Prozentzahlen sowie die Angabe der Gesamtzeit des Ausfalls der Maschine reicht dazu nicht aus.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 352, 353 HGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlass, § 546 Abs. 1 ZPO.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 13.874,82 DM;

Beschwer beider Parteien nicht über 60.000,- DM.

Ende der Entscheidung

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