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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 12.11.1999
Aktenzeichen: 22 U 71/98
Rechtsgebiete: VOB/B


Vorschriften:

VOB/B § 4 Nr. 3
VOB/B § 13 Nr. 3
VOB/B § 13 Nr. 5
§ 4 Nr. 3 VOB/B § 13 Nr. 3 VOB/B § 13 Nr. 5 VOB/B

1. Ein Unternehmer, der in grober Weise gegen seine Pflichten aus § 4 Nr. 3 VOB/B verstößt, indem er keinerlei Überprüfung der Vorleistung eines anderen Unternehmers vornimmt und deshalb dem Auftraggeber keinen Hinweis gibt, kann sich nach Treu und Glauben nicht auf ein Mitverschulden des Auftraggebers, weil auch dieser die ordnungsgemäße Ausführung der Vorleistung nicht überprüft hat, berufen.

2. Ein Bauträger, der mit den Erwerbern der Wohnungen einen Balkonbelag aus 15×20 cm großen Keramikplatten im Mörtelbett vereinbart und dem Plattenleger einen entsprechenden Auftrag erteilt hat, muß sich nicht auf eine Mängelbeseitigung durch die kostengünstigere Verlegung von 40×40 cm großen Natursteinplatten auf Stelzlagern einlassen.

Die Bekl erteilte der Kl den Auftrag, auf 8 Balkonen eines Neubaus Drainagematten und Keramikplatten im Mörtelbett zu verlegen. Die Betonplatte und die Dichtungsbahnen der Balkone haben kein Gefälle. Darauf wies die Kl die Bekl nicht hin. Vielmehr legte ein Subunternehmer der Kl die Drainagematten auf die Dichtungsbahnen und brachte darüber Estrich mit Gefälle auf. Darauf verlegte die Kl die Keramikplatten. Wegen des fehlenden Gefälles von Dichtungsbahn und Drainagematte kann eindringendes Wasser nicht abfließen und zu Schäden führen. Gegenüber dem unstreitigen Restwerklohnanspruch der Kl von 22.571,11 DM rechnet die Bekl deshalb mit einem höheren Vorschußanspruch wegen der Mängelbeseitigungskosten auf. Die Berufung der Bekl führte zur Klageabweisung.

OLG Düsseldorf Urteil 12.11.1999 - 22 U 71/98 - 12 O 140/95 LG Wuppertal


hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 22. Oktober 1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weyer, die Richterin am Oberlandesgericht Müller-Piepenkötter und den Richter am Landgericht Galle für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Wuppertal vom 12. Februar 1998 teilweise abgeändert: Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. Die Kosten der Streithelferin trägt diese selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht die geltend gemachte Werklohnforderung nicht mehr zu.

Der von der Klägerin geltend gemachte restliche Werklohnanspruch für Fliesenarbeiten an den Balkonen des Bauvorhabens F.-Straße 298-300 in V. ist dem Grunde und der Höhe nach unstreitig. Er war auch fällig, denn nach dem erstinstanzlichen Urteil ist unstreitig, daß das Werk als im wesentlichen vertragsgerecht abgenommen worden ist.

Der Werklohnanspruch ist aber durch Aufrechnung erloschen. Der Beklagten stand gegen die Klägerin ein Vorschußanspruch wegen der Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 30.102,00 DM zu. Inzwischen ist unstreitig, daß an allen Balkonen die Betonplatten, die Drainageschicht und die Dichtungsbahnen kein Gefälle aufweisen, sondern die Streithelferin, die als Subunternehmerin der Klägerin tätig war, erst den über der Dichtungsbahn aufgebrachten Estrich, auf dem die Klägerin die Fliesen verlegt hat, mit Gefälle hergestellt hat. Aufgrund des überzeugenden Gutachtens des Sachverständigen C. steht fest, daß dies nicht den Regeln der Technik entspricht, da nur durch Gefälle der Dichtungsbahn und der Drainageschicht sichergestellt werden kann, daß eindringendes Wasser abfließen kann.

Auch wenn die Klägerin und ihre Subunternehmerin die mangelhaften Teile der Balkone nicht hergestellt haben, ist sie für diesen Mangel mitverantwortlich. Für den Werkvertrag war Geltung der VOB/B vereinbart und gemäß § 4 Nr. 3 VOB/B war die Klägerin zur Prüfung und Anmeldung von Bedenken verpflichtet. Für die Verletzung dieser Verpflichtung hat sie gemäß § 13 Nr. 3 VOB/B einzustehen, da der Mangel sich auch als Mangel ihres Werkes darstellt. Die Leistung der Klägerin - Erstellung des Estrichs und des Fliesenbelages - baute direkt auf der Betonplatte und der Dichtungsschicht auf. Sie mußte deshalb wie jeder Werkunternehmer, der seine Arbeit in engem Zusammenhang mit der Vorarbeit eines anderen auszuführen hat, prüfen, ob diese Vorarbeiten, Stoffe oder Bauteile eine geeignete Grundlage für ihr Werk boten und keine Eigenschaften besaßen, die den Erfolg ihrer Arbeit in Frage stellten (vgl. Senatsurteil vom 13. 11. 1992 - 22 U 113/92 - NJW-RR 1993, 405). Fehlendes Gefälle der Dichtungsschicht und damit der darüber liegenden, vom Subunternehmer der Klägerin aufgebrachten Drainageschicht führt zu einem Mangel des gesamten Balkonaufbaus, insbesondere der Funktionsfähigkeit der Drainage, und damit auch des Werks der Klägerin. Ihre Grenze findet die Prüfungspflicht nur im Grundsatz der Zumutbarkeit, der hier nicht tangiert ist. Die Feststellung des fehlenden Gefälles war dem für die Klägerin als Subunternehmer tätigen Estrichhersteller ohne großen Aufwand möglich. Für sein Verschulden hat die Klägerin einzustehen

Die Klägerin kann sich gegenüber den Gewährleistungsansprüchen der Beklagten nicht darauf berufen, daß die Beklagte die Rohbauarbeiten auf ordnungsgemäße Ausführung hätte überprüfen müssen. Zwar kommt grundsätzlich ein Mitverschulden in Betracht, wenn dem Auftraggeber vorzuwerfen ist, daß er nicht seinerseits die Vorarbeiten überprüft hat (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., B § 4 Rdn. 270 m. w. N.). Hier hat aber unstreitig die Klägerin keinerlei Überprüfung vorgenommen und keinen Hinweis gegeben, auch nicht mündlich. Angesichts dieses groben Verstoßes ist ihr die Berufung auf Mitverschulden nach Treu und Glauben versagt (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., B § 13 Rdn. 200 m. w. N.).

Die übrigen Voraussetzungen für den Kostenvorschußanspruch gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B liegen vor. Die Beklagte hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 19. 5. 1998 zur Mangelbeseitigung aufgefordert und ihr eine Frist gesetzt bis zum 17. 6. 1998. Nach Ablauf der Frist hat sie mit Schriftsatz vom 26. 6. 1998 die Aufrechnung mit dem Kostenvorschußanspruch erklärt.

Der Kostenvorschußanspruch bestand in Höhe von 30.102,00 DM. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen C. vom 22. 1. 1999. Danach ist es erforderlich, den gesamten Balkonaufbau zu erneuern, da anders das Gefälle in der Dichtungsebene nicht erreicht werden kann. Das leuchtet ohne weiteres ein. Die gesamten Kosten für die unstreitig von der Klägerin hergestellten acht Balkone schätzt der Sachverständige in seinem Gutachten vom 22. 1. 1999 auf netto 37.050,00 DM, brutto 42.978,00 DM. Von diesen Kosten ist auszugehen, denn die Klägerin schuldete nach dem Vertrag den Aufbau des Balkonbelages im Mörtelbett. Die niedrigere Schätzung des Sachverständigen in dem im Beweisverfahren erstatteten Gutachten vom 20. 3. 1998 beinhaltet abweichend von der vertraglich vereinbarten Verlegung von Keramikplatten der Größe 15/20/8 im Mörtelbett die Erstellung eines Balkonbelages mit Natursteinplatten 40/40/3 auf Stelzlagern. Darauf muß sich die Beklagte nicht einlassen. Denn diese kostengünstigere Nachbesserungsalternative ist im Hinblick auf die unterschiedliche Qualität und das abweichende Erscheinungsbild nicht geeignet, den vertraglichen Leistungs- und Nutzungszweck zu erreichen (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB/B, 13. Aufl., B § 13, 5 Rdn. 543). Das gilt hier insbesondere im Hinblick darauf, daß die Beklagte ihrerseits den Erwerbern der Wohnungen gegenüber zur Herstellung der vertraglich vereinbarten Art des Balkonbelages verpflichtet ist. Die Schätzung im Gutachten vom 9. 6. 1999 beinhaltet keine Sanierung des Fliesenbelages, sondern nur einen Minderwert und ist deshalb keine Grundlage für die Berechnung des Anspruchs der Beklagten.

Die Klägerin hat allerdings wegen der Verletzung ihrer Prüfungspflicht nur für die Nachbesserung ihres eigenen Werkes einzustehen. Sie ist nicht neben dem Rohbauunternehmer Gesamtschuldnerin für Ansprüche wegen der Mängel seiner Leistung (OLG München NJW-RR 1988, 20). Lediglich für die durch die Versäumung der Hinweispflicht anfallenden zusätzlichen Kosten, die bei rechtzeitigem Hinweis nicht angefallen wären, hat sie einzustehen (Ingenstau/Korbion, VOB, 13. Aufl., B § 4 Rdn. 269 m. w. N.). Damit entfallen die vom Sachverständigen in seinem Gutachten vom 22. 1. 1999 angesetzten Kosten von 6.000,00 DM netto für Elastomer Schweißbahn und Gefälle sowie 2.100,00 DM netto für die Wandanschlüsse, da diese Positionen dem Hersteller der Dichtung anzulasten sind. Abzuziehen ist weiter der Betrag von 3.000,00 DM, den der Sachverständige für Traufbleche mit Zulage für zwei Rundungen ansetzt. Es handelt sich dabei um die von der Beklagten als Schlüterschienen verlangten Randabschlußschienen der Balkone. Diese schuldete die Klägerin nicht. Die Beweisaufnahme hat insoweit ergeben, daß nachträglich vereinbart worden ist, auf diese Schienen zu verzichten und das Bearbeiten der Stirnseiten durch die Malerfirma vornehmen zu lassen. Die Beweiswürdigung des Landgerichts wertet die Zeugenaussagen zutreffend. Zu berücksichtigen ist dabei auch, daß die Beklagte selbst zunächst im Rechtsstreit diese Schienen nicht verlangt hat, sondern lediglich die Verspachtelung der Stirnseiten. Darauf, ob sie die Verspachtelung oder Vermörtelung der Kanten lediglich aus optischen Gründen vorgenommen hat und ob das Material wasserdurchlässig ist, kommt es nicht an. Daher bedarf es auch nicht der Vernehmung des Zeugen Moosmann und der Anhörung des Sachverständigen zu diesem Punkt. Auf die übrigen von der Beklagten gerügten Mängel - zu tiefes Abschneiden der Folie und Drainagematten und beschädigte Dichtungen der Fußstahlstützen - kommt es ebenfalls nicht an, da im Zuge des Neuaufbaus der Balkone diese Teile unabhängig davon, ob sie jetzt mangelhaft sind, erneuert werden müssen.

Es verbleibt damit ein Betrag von netto 25.950,00 DM = brutto 30.102,00 DM. Dieser übersteigt die Klageforderung von 22.571,11 DM, so daß sie durch die Aufrechnung erloschen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlaß, § 546 Abs. 1 ZPO.

Gegenstandswert für die Berufung und Beschwer der Klägerin: 22.571,11 DM.

Ende der Entscheidung

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