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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.08.2001
Aktenzeichen: 23 U 197/00
Rechtsgebiete: ZPO, MaBV, BGB, GewO, AGBG


Vorschriften:

ZPO § 767
ZPO § 767 Abs. 1
ZPO § 726
ZPO § 765
ZPO § 797 Abs. 4
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 5
ZPO § 767 Abs. 2
ZPO § 91
ZPO § 344
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
MaBV § 3
MaBV § 12
BGB § 134
BGB § 641
BGB § 196 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 201
BGB § 218 Abs. 1 Satz 2
GewO § 34 c Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
AGBG § 11 Nr. 15
AGBG § 9
AGBG § 1 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

23 U 197/00

Verkündet am 20.08.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 26.06.2001 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dohnke-Kraff, den Richter am Oberlandesgericht Treige und den Richter am Landgericht Dr. May

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 25.09.2000 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 05.06.2000 wird aufgehoben.

Die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Notars Dr. Jürgen C aus M, UR-Nr.: vom 20.09.1980 wird für unzulässig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt mit Ausnahme der Kosten der Säumnis der Klägerin im Termin vom 05.06.2000; diese trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

I.

Die Klage ist analog § 767 ZPO als prozessuale Gestaltungsklage, gerichtet auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Titels, zulässig.

a)

Einwendungen, mit denen die Unwirksamkeit des Titels geltend gemacht wird, unterfallen zwar nicht der unmittelbaren Anwendung des § 767 ZPO (BGH NJW 1992, 2160), aber auch nicht ausschließlich der Klauselerinnerung (§ 732 ZPO). Für solche Einwendungen ist eine prozessuale Gestaltungsklage analog § 767 ZPO statthaft (BGH a.a.O., Aufgabe von BGH NJW-RR 1987, 1149; BGH NJW 1994, 460; OLG Köln Deutsche Notarzeitung 1999, 132; Zöller-Herget, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 767, Rdnr. 2 - Stichwort: Klauselerinnerung sowie Rdnr. 7 m. w. N.). Da es der Sache nach um die Vollstreckungsfähigkeit geht, die nach der Systematik der ZPO nur im Wege einer Vollstreckungsgegenklage beseitigt werden kann, und die Interessenlage vergleichbar ist, rechtfertigt sich die analoge Anwendung des § 767 ZPO (BGH NJW 1994, 460; Senat, Urteil vom 27.09.1994, 23 U 29/92).

b)

Das Klagebegehren ist nicht als Vollstreckungsgegenklage, sondern als prozessuale Gestaltungsklage analog § 767 Abs. 1 ZPO auszulegen. Eine solche Auslegung ist statthaft (BGH NJW 1994, 462; Senat, a.a.O.). Die Vollstreckungsgegenklage und die prozessuale Gestaltungsklage analog § 767 ZPO haben zwar verschiedene Streitgegenstände (BGH NJW 1992, 2162). Dem Vorbringen der Klägerin kann aber entnommen werden, dass wegen der Unwirksamkeit der Unterwerfungsklausel die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung ausgesprochen werden soll. Dies wird nunmehr in der Berufungsbegründung ausdrücklich klargestellt (Bl. 166/167 GA, vgl. auch bereits Bl. 82 GA).

2.

Diese prozessuale Gestaltungsklage mit dem Ziel, die Unwirksamkeit des Titels geltend zu machen, ist auch begründet. Die Unterwerfungserklärung in § 5 des Notarvertrages (Bl. 15 GA) ist unwirksam. Die Klägerin hat sich darin als Käuferin wegen aller in der Urkunde übernommener Zahlungsverpflichtungen den Zedenten als Verkäufern gegenüber der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde unterworfen. Zugleich ist der beurkundende Notar ermächtigt worden, den Zedenten als Verkäufern "jederzeit" eine vollstreckbare Ausfertigung dieser Urkunde zu erteilen. Der Beklagtenvortrag, dem Notarvertrag lasse sich ein Nachweisverzicht nicht entnehmen (Bl. 193 GA), ist angesichts des eindeutigen Wortlauts der Urkunde nicht nachvollziehbar. Die Formulierung "jederzeit" ist mit der Formulierung "ohne besonderen Nachweis", d.h. dem Verzicht auf den Nachweis der Fälligkeit, gleichbedeutend.

a)

Die Unterwerfungsklausel ist wegen Verstoßes gegen §§ 3, 12 Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV) gemäss § 134 BGB nichtig. Unterwirft sich ein Erwerber in einem Bauträgervertrag der Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen, so ist diese Erklärung gemäß §§ 3, 12 MaBV i. V. m. § 134 BGB nichtig, wenn der Notar ermächtigt ist, die Vollstreckungsklausel ohne besonderen Nachweis zu erteilen (BGH NJW 1999, 51 mit Anm. Wolfsteiner Deutsche Notarzeitung 1999, 99). Ein solcher Vertrag im Sinne der MaBV i. V. m. § 34 c Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Gewerbeordnung (vgl. dazu: BGH NJW 1978, 1054; Brych/Pause, Bauträgerkauf und Baumodelle, 3. Aufl., 1999, Rdnr. 34 m. w. N.) liegt hier vor (vgl. zur MaBV in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 22.09.1980 geltenden Fassung: Marcks, MaBV, 5. Aufl., Vorbem., Rdnr. 1; BGBl. I 1975, 1351; BGBl. I 1979, 1986). Die Zedenten haben sich als Bauträger betätigt, denn sie haben gewerblich Eigentumswohnungen auf einem eigenen Grundstück errichtet und veräußert. Dies wird nunmehr von der Beklagten auch zugestanden, indem sie die Zedenten ausdrücklich als "Bauträger" bezeichnet (Bl. 201-203 GA).

b)

Darüber hinaus ist die Vollstreckungsklausel auch wegen eines Verstoßes gegen §§ 11 Nr. 15, 9 AGBG unwirksam. Die Klausel in einem formularmäßigen vom Auftragnehmer gestellten Generalunternehmervertrag, wonach sich der Auftraggeber wegen der ratenweise zu zahlenden Vergütung der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft und der Notar jederzeit vollstreckbare Ausfertigungen dieser Urkunde ohne besonderen Fälligkeitsnachweis erteilen kann, verstößt gegen §§ 9 und 11 Nr. 15 AGBG, da der Verzicht auf den Nachweis der Fälligkeit von der Regelung der §§ 726, 765 ZPO und von dem Grundgedanken des § 641 BGB zum Nachteil des Auftraggebers abweicht und diesen unangemessen benachteiligt (OLG Düsseldorf BauR 1996, 143; OLG Stuttgart OLGZ 1994, 101; OLG Nürnberg NJW-RR 1990, 1467; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., 1999, Rdnr. 24). Dabei ist es im Hinblick auf die fortbestehende Abweichung von der gesetzlichen Regelung und die unangemessene Benachteiligung des Käufers ohne Belang, wie der Zahlungsplan des Notarvertrages im einzelnen beschaffen ist. Dementsprechend ist es auch ohne Belang, dass nach dem hier vereinbarten Zahlungsplan des Notarvertrages ein Teilbetrag von 148.000 DM - entsprechend dem bereits vorhandenen Bautenstand im Vertragszeitpunkt - sofort mit der Beurkundung und zwei weitere Raten nach Bezugsfertigkeit und Besitzübergabe (21.000 DM und zugleich 6.160 DM mit besonderer Auszahlungsvereinbarung gemäß S. 9 oben des Notarvertrages) fällig wurden (Bl. 194 GA).

Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist allem Anschein nach ein von den Zedenten für eine Vielzahl von Verträgen verwendeter Formularvertrag, so dass das AGBG Anwendung findet.

aa)

Eine Vielzahl von Verträgen erfordert keine unbestimmte Vielzahl; es genügen vielmehr als untere Grenze bereits drei bis fünf Verträge (BGH NJW 1981, 2344; BGH Deutsche Notarzeitung 1985, 288), wobei das AGBG bereits im ersten Verwendungsfall eingreift (Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl. 2001, § 1 AGBG, Rdnr. 6 m. w. N.). Unstreitig haben die Zedenten die sechs im Objekt vorhandenen Wohnungen mit gleichartigen Verträgen veräußert (Bl. 193/194, 200/201).

bb)

Der Vertrag ist von den Rechtsvorgängern der Beklagten im Sinne von § 1 Abs. 1 AGBG für diese Vielzahl von Verträgen gestellt worden. Das Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen muss zwar grundsätzlich der Vertragspartner des Verwenders darlegen und beweisen, der sich auf den Schutz des AGBG beruft (BGH NJW 1992, 2162; Wolf/Horn/Lindacher, a.a.O., § 1 Rdnr. 61; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 6. Aufl., § 1, Rdnr. 60). Der Erwerber eines zu bebauenden Grundstücks kann jedoch seiner Darlegungslast unter Umständen schon durch Vorlage des mit einem Generalunternehmer abgeschlossenen Vertrages genügen. Handelt es sich um einen Vertrag, der nach seiner inhaltlichen Gestaltung aller Lebenserfahrung nach für eine mehrfache Verwendung entworfen wurde und vom Generalunternehmer gestellt worden ist, so spricht der erste Anschein für einen vom Generalunternehmer verwendeten Formularvertrag, der der Kontrolle durch das AGBG unterliegt (BGH NJW 1992, 2162; Bartsch NJW 1986, 31). Der vorliegende Vertrag ist seinem ersten Anschein nach ein Formularvertrag. Die Beklagte fungierte ersichtlich als Generalunternehmerin; Generalunternehmer arbeiten erfahrungsgemäß mit Formularverträgen (BGH, a.a.O.). Der Vertrag enthält auch zahlreiche formelhafte Klauseln, die typischerweise in Generalunternehmerverträgen enthalten sind. Das gilt insbesondere für den Zahlungsplan nach Baufortschritt (§ 5), die hier einschlägige Unterwerfungsklausel (§ 5), die Vereinbarung einer zweijährigen Verjährungsfrist (§ 8), die Möglichkeit der Abtretung von Ansprüchen der Zedenten gegen deren Subunternehmer an den Käufer (§ 8) und zahlreiche andere, den Käufer belastende Bestimmungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Übergabe des Kaufobjektes (§ 7) und der Begrenzung des Verzugsschadens des Käufers (§ 3). Dem Vertrag ist zudem eine (Gesamt-)Baubeschreibung als Anlage beigefügt, die auch die fünf weiteren Eigentumswohnungen im Objekt betrifft. Der Vertrag stellt zudem an verschiedenen Stellen, in denen von mehreren Käufern die Rede ist (z.B. § 1, § 5), obwohl hier nur eine Käuferin vorhanden ist, nicht auf die individuelle Vertragsgestaltung ab. Dieser äußere Anschein eines für mehrfache Verwendungen entworfenen Vertrages wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die das Vertragsobjekt betreffenden Angaben (Bezeichnung, Größe, Beschreibung und Preis) individuell gestaltet sind oder einzelne Vertragsbestandteile (z.B. Fertigstellungstermin) gegebenenfalls auch ausgehandelt worden sind (BGH NJW 1992, 2162; BGH NJW 1985, 852).

Der erste Anschein spricht auch dafür, dass der Vertrag von den Zedenten gestellt worden ist. Der Generalunternehmer ist auch dann Verwender, wenn er den Vertrag nicht selbst entwirft, sondern ihn vom Notar unter einseitiger Berücksichtigung seiner Interessen für seine Vielfachverwendung entwerfen lässt (BGHZ 118, 239; BGH NJW 1992, 2162; BGH NJW 1985, 2477).

Die Beklagte hat demgegenüber nichts vorgetragen, das den durch die Vertragsgestaltung und die sonstigen Umstände hervorgerufenen Anschein eines von den Zedenten verwendeten Formularvertrages, der der Inhaltskontrolle durch das AGBG unterliegt, in Frage stellen könnte. Die Zedenten sind jedenfalls hier - unabhängig von der gewerberechtlichen Zulässigkeit - in der Funktion eines Generalunternehmers/Bauträgers aufgetreten, denn sie haben gewerblich sechs Eigentumswohnungen auf einem eigenen Grundstück errichtet und veräußert. Die Bauträgereigenschaft der Zedenten wird nunmehr - wie bereits ausgeführt - von der Beklagten auch ausdrücklich zugestanden.

II.

Die Klage ist darüber hinaus auch als Zwangsvollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO zulässig und begründet, da der von der Beklagten aus abgetretenem Recht geltend gemachte Anspruch verjährt ist (§ 196 Abs. 1 Nr. 1, 201 BGB).

1.

Gemäß § 797 Abs. 4 ZPO ist bei vollstreckbaren notariellen Urkunden im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO auf die Geltendmachung von Einwendungen, die den Anspruch selbst betreffen, die beschränkende Vorschrift des § 767 Abs. 2 ZPO nicht anzuwenden. Ist allerdings über den Anspruch bereits in einem früheren Vollstreckungsgegenklageverfahren gerichtlich entschieden worden, ist in einem späteren Verfahren auch § 767 Abs. 2 ZPO anzuwenden (BGHZ 61, 28; BGH NJW-RR 1987, 59; Zöller/Stöber, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 797, Rdnr. 11). Das vorangegangene Verfahren Landgericht Mönchengladbach 10 O 136/84 war indes ein Aktivprpzess der Klägerin; eine Anwendung von § 767 Abs. 2 ZPO scheidet demgemäß aus.

2.

Die Verjährung des rechtskräftigen Anspruchs ist ein Grund, auf dem eine Einwendung im Sinne von § 767 ZPO beruhen kann (Zöller/Herget, a.a.O., § 767, Rdnr. 12, Stichwort: Verjährung). Die Verjährungsfrist beträgt zwei Jahre gemäß §§ 196 Abs. 1 Nr. 1, 201 BGB; § 218 Abs. 1 Satz 2 BGB findet keine Anwendung, da die Zwangsvollstreckungsunterwerfung in § 5 des Notarvertrages - wie ausgeführt - unwirksam ist.

III.

Ob und inwieweit der Klägerin Gewährleistungsansprüche zustehen, kann demgemäß im vorliegenden Verfahren dahinstehen (zur Frage, ob der Veräußerer trotz Verjährung seines Kaufpreisrestanspruches die Auflassung bzw. deren Vollzug gemäß §§ 320, 390 Satz 2 BGB verweigern kann vgl. RGZ 149, 328; BGHZ 53, 125; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 320, Rdnr. 5 m. w. N.; Reithmann NotBZ 1998, 237; DNot-Report 1999, 143 m. w. N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 344 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens und die Beschwer der Beklagten beträgt 15.454,45 DM.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass (§ 546 ZPO).

Ende der Entscheidung

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