Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.10.2001
Aktenzeichen: 23 U 31/01
Rechtsgebiete: BGB, UStG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1353
BGB §§ 249 ff.
BGB § 282
UStG § 15 a
ZPO § 287
ZPO § 91
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 344 ZPO
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

23 U 31/01

Verkündet am 19.10.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 25. September 2001 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dohnke-Kraff, den Richter am Oberlandesgericht Treige und den Richter am Landgericht Dr. May

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Krefeld vom 31.10.2000 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels des Beklagten teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil des Landgerichts Krefeld vom 25.01.2000 bleibt mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 5.411,38 DM nebst 8,5 % Zinsen seit dem 28.08.1999 zu zahlen.

Im übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben mit Ausnahme der Kosten der Säumnis des Beklagten im Termin vom 25.01.2000; diese trägt der Beklagte in vollem Umfang.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten hat nur teilweise Erfolg.

I.

Die Klägerin kann vom Beklagten Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung in Höhe von 5.011,38 DM verlangen.

1.

Der Beklagte war als Steuerberater unaufgefordert verpflichtet, die Klägerin als damalige Mandantin über den umsatzsteuerrechtlichen Hintergrund der beabsichtigten, ehescheidungsbedingten Vermögensauseinandersetzung aufzuklären. Der Beklagte hatte unstreitig im streitgegenständlichen Zeitraum der Trennung und Scheidung der Eheleute das Mandat, die Klägerin und deren damaligen Ehemann umfassend steuerlich zu beraten. Die Aufgaben eines Steuerberaters richten sich nach Inhalt und Umfang des erteilten Mandats (BGH WM 1987, 662). Der Steuerberater ist verpflichtet, sich mit den steuerrechtlichen Punkten zu befassen, die zur pflichtgemäßen Erledigung des ihm erteilten Auftrages zu beachten sind. In den hierdurch gezogenen Grenzen hat er den Mandanten auch ungefragt über die bei der Bearbeitung auftauchenden steuerrechtlichen Fragen zu belehren (BGHZ 128, 361; BGH WM 1980, 309; BGH WM 1967, 73).

Während des Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne von § 1353 BGB betrachten sich Eheleute regelmäßig als wirtschaftliche Einheit. Wenn jeder von ihnen bereit ist, persönliche, steuerliche oder finanzielle Nachteile in Kauf zu nehmen, falls sich dadurch die Vermögenslage der Familie im Ganzen bessert, ist es verfehlt, bei der Feststellung der Beraterpflichten bzw. eines Schadens bei deren Verletzung allein darauf abzustellen, inwieweit sich die Vermögensverhältnisse eines bestimmten Familienangehörigen durch ein Tun oder Unterlassen des Beraters verändern. Es müssen vielmehr vom Berater die Auswirkungen auf alle Familienangehörigen in Betracht gezogen werden (BGH ZIP 1986, 1468; BGH WM 1985, 319).

Diese Grundsätze können indes bei der Absicht zur bzw. nach Aufgabe der ehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne von § 1353 BGB während der Phase des Getrenntlebens und der Scheidungsvorbereitung (hier mit Aufteilung des Immobilienvermögens und Abschluss eines Ehevertrages) nicht weiter uneingeschränkt gelten, da dann gerade nicht mehr anzunehmen ist, dass es den scheidungswilligen und gegebenenfalls bereits getrennt lebenden Eheleuten weiter darauf ankommt, ihre Vermögensverhältnisse so zu ordnen, dass von ihnen bei einer ehebezogenen Gesamtbetrachtung ein möglichst günstiges Ergebnis erzielt wird, auch wenn - isoliert betrachtet - der eine oder andere Ehepartner dabei einen vermögensrechtlichen Nachteil erleidet. In dieser Phase der Auseinandersetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft ist es Pflicht des Steuerberaters - will er nicht wegen Interessenkollision das Mandat für einen der beiden Ehepartner niederlegen -, auch das Innenverhältnis der getrenntlebenden Eheleute hinreichend zu berücksichtigen und über alle in Betracht kommenden steuerrechtlichen Varianten und deren wirtschaftlichen Folgen für beide Eheleute (mit entsprechender Einzelbetrachtung) zu beraten. Auf Basis einer solchen pflichtgemäßen steuerrechtlichen Beratung sind dann gegebenenfalls Überlegungen der beiden Ehepartner zu einem sachgerechten Interessenausgleich durch privatrechtliche Erstattungen im Innenverhältnis (gegebenenfalls unter Einschaltung eines Rechtsanwalts oder - hier - des den Ehevertrag beurkundenden Notars) möglich.

2.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Klägerin den ihr obliegenden Beweis geführt, dass der Beklagte die von ihm im Berufungsverfahren dargelegte Belehrung beider Eheleute über die steuerlichen Folgen einer umsatzsteuerfreien Grundstücksübertragung (Berichtigung gemäß § 15 a UStG) nicht hinreichend vorgenommen hat (vgl. zur Darlegungs- und Beweislast: BGH NJW 1996, 2571; Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, 1999, Rdnr. 1004-1006 m.w.N.). Der Beklagte hat im Rahmen seiner Parteivernehmung im Senatstermin nunmehr ausdrücklich eingeräumt, dass er die Klägerin nicht darüber belehrt hat, dass bei einer umsatzsteuerfreien Übertragung eine Vorsteuererstattungspflicht in Höhe der Klageforderung gemäß § 15 a UStG im Außenverhältnis ausschließlich auf sie - die Klägerin - alleine zukommen werde.

II.

Das Verschulden des Beklagten ist gemäß § 282 BGB zu vermuten. Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass ihn an der Pflichtwidrigkeit kein Verschulden trifft.

III.

Eine haftungsausfüllende Kausalität im Sinne eines adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen der unterlassenen Belehrung durch den Beklagten und dem von der Klägerin geltend gemachten Schaden besteht nur in Höhe der hälftigen Belastung der Klägerin mit der Steuerrückzahlung gemäß § 15 a UStG von insgesamt 10.822,76 DM, somit nur in Höhe von 5.411,38 DM.

1.

Für die gemäß §§ 249 ff. BGB im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität maßgebliche Frage, was geschehen wäre, wenn der Beklagte die Klägerin und deren damaligen Ehemann pflichtgemäß belehrt hätte und wie die Vermögenslage der Klägerin sich unter diesen Voraussetzungen dargestellt hätte, trägt die Klägerin die Beweislast, wobei ihr wegen der bei der haftungsausfüllenden Kausalität regelmäßig auftretenden Beweisschwierigkeiten die Beweiserleichterungen des § 287 ZPO und des Anscheinsbeweises zugute kommen können (BGH NJW 2000, 2814; Zugehör, a.a.O., Rdnr. 1040/1041 m.w.N.). Der Anscheinsbeweis, dass der Mandant beratungsgemäß gehandelt hätte, gilt bei Verträgen mit Anwälten bzw. Steuerberatern dann, wenn nach der Lebenserfahrung bei vertragsgemäßer Leistung des Beraters lediglich ein bestimmtes Verhalten des Mandanten nahegelegen hätte; dem Berater steht die Möglichkeit offen, den Anscheinsbeweis durch den Beweis von Tatsachen zu entkräften, die für ein atypisches Verhalten des Mandanten sprechen (BGH NJW 1993, 3259; Zugehör, a.a.O., Rdnr. 1054/1055 m.w.N.).

2.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt hier nach der Lebenserfahrung nur die Vermutung in Betracht, dass sich bei vertragsgerechter Belehrung durch den Beklagten die Eheleute die entstehende Belastung mit der Steuerrückzahlung gemäß § 15 a UStG in Höhe von 10.822,76 DM geteilt hätten. Es hätte nicht nahegelegen, die entstehenden Steuernachteile vertraglich alleine der Klägerin oder alleine deren damaligem Ehemann aufzubürden, da die Eheleute zerstritten waren und jeder Ehepartner nunmehr auf seinen eigenen Vorteil bedacht war. Die Klägerin hat keine Umstände vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass ihre damalige Verhandlungsposition so stark war, dass sie sich mit der Forderung nach vollständiger Entlastung von Steuernachforderungen durchgesetzt hätte. Die Klägerin hat im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung im Senatstermin nur ihre Absicht äußern können, dass sie im Falle vertragsgerechter Belehrung weitergehende Ansprüche auf finanziellen Ausgleich bzw. Wertausgleich durch Übertragung weiterer Immobilien erhoben hätte. Dafür, dass dies Absicht unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhandlungspositionen der Eheleute auch wirklich in vollem Umfang realisierbar gewesen sein könnte, stehen hingegen hinreichende unmittelbare Beweise, Beweisindizien, sonstige beweiskräftige Anhaltspunkte bzw. Vermutungsgrundlagen nicht zur Verfügung. Eine umsatzsteuerpflichtige Übertragung auf den Ehemann lag noch weniger nahe, da eine solche Übertragung vom Ehemann - unstreitig - gerade nicht erwünschte Folgen gehabt hätte. Entweder hätte dann das Grundstück Betriebsvermögen werden müssen oder er wäre bei der tatsächlich gewählten Weiterübertragung des Grundstücks auf seine Tochter mit nicht absetzbaren Umsatzsteuern in Höhe von 35.390 DM belastet worden. Diese damalige Sach- und Rechtslage begründet im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalles nach der Lebenserfahrung die Vermutung, dass sich bei vertragsgerechter Belehrung durch den Beklagten die Eheleute die entstehende Belastung mit der Steuerrückzahlung gemäß § 15 a UStG in Höhe von 10.822,76 DM geteilt hätten, so dass nur in diesem hälftigen Umfang die notwendige haftungsausfüllende Kausalität zwischen der Pflichtverletzung durch den Beklagten und einem Vermögensschaden der Klägerin besteht.

IV.

Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht durch Nichtausübung einer nachträglich möglichen Option zur Umsatzsteuer vor Bestandskraft des aufgrund der Umsatzsteuersonderprüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheides vom 17.12.1998 fällt der Klägerin nicht zur Last. Es kann der Klägerin nicht vorgeworfen werden, dass sie zur Vermeidung der Rückerstattungsforderung von 10.822,76 DM wegen anteiliger Vorsteuerkürzung nicht nachträglich eine Umsatzsteuerschuld in Höhe von 35.390 DM auf sich genommen hat, deren Realisierung gegen ihren inzwischen von ihr geschiedenen Ehemann ihr als ausgeschlossen bzw. als zumindest erheblich unsicher erscheinen durfte.

V.

Der Beklagte kann dem Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht den Einwand der Vorteilsausgleichung entgegenhalten. Eine solche - grundsätzlich in Betracht kommende - Vorteilsausgleichung über eine Geltendmachung des Vorsteuerrückzahlungsbetrages als Werbungskosten ist hier ausgeschlossen Die Klägerin hat durch den im Senatstermin vorgelegten Einkommensteuerbescheid für 1999 vom 29.05.2001 belegt, dass diese Möglichkeit im Kalenderjahr der Vorsteuerrückzahlung mangels entsprechender steuerpflichtiger Einkünfte ausgeschlossen war.

VI.

Die von der Klägerin geltend gemachte Zinsforderung ist im Hinblick auf die nunmehr vorgelegte Zinsbescheinigung der Volksbank Krefeld e.G. vom 30.05.2001 urkundlich bewiesen (§§ 284, 286, 288 BGB).

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 344 ZPO.

VIII.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 10.822,76 DM; die Beschwer beider Parteien beträgt jeweils 5.411,38 DM.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass (§ 546 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück