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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.03.2001
Aktenzeichen: 24 U 126/00
Rechtsgebiete: BGB, EStG, AO, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1375 Abs. 1
EStG § 36 Abs. 4
EStG § 36 Abs. 1
EStG § 26 b
AO § 37 Abs. 2
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 126/00

Verkündet am 20. März 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die am 06. Februar 2001 geschlossene mündliche Verhandlung unter Mitwirkung seiner Richter Z T und O

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 04. Mai 2000 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten beider Rechtszüge werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I. Das Rechtsmittel der beklagten Rechtsanwälte, mit welchem sie ihre Verurteilung zur Zahlung (19.200,00 DM nebst Zinsen) bekämpfen, hat Erfolg. Sie schulden dem Kläger keinen Schadensersatz wegen Schlechterfüllung des anwaltlichen Dienstvertrags.

1. Richtig ist allerdings die Beurteilung des Landgerichts, dass das Amtsgericht Düsseldorf im Vorprozess zwischen dem Kläger und dessen Ehefrau (259 F 787/99) über den Zugewinnausgleich unrichtig entschieden hatte und dass die rechtliche Beratung des sachbearbeitenden Beklagten zu 1) diesbezüglich defizitär gewesen ist. Der Beklagte zu 1) hatte zwar richtig erkannt; dass dem Kläger hinsichtlich des sogenannten Gartengrundstücks ein zu hohes Anfangsvermögen zugeschrieben worden war; denn er war nicht dessen Alleineigentümer, sondern nur Miteigentümer mit seiner Ehefrau zu gleichen Anteilen. Weil zudem auf deren Seite dieses Aktivvermögen im Endvermögen nicht angesetzt wurde, führte das im Ergebnis auf der Grundlage der familiengerichtlichen Berechnung zu einem Ausgleichsanspruch der Ehefrau, der rechnerisch nicht zutreffen konnte. Der Beklagte hatte demnach allen Anlass, den Kläger über diesen Fehler des Familiengerichts aufzuklären und die Frage zu beantworten, ob eine Berufung Aussicht auf Erfolg haben konnte. An einer solchen Beratung fehlte es. Ausweislich des Schriftwechsels war der Beklagte zu 1) nämlich der irrigen Meinung gewesen, der Kläger könne seine Ehefrau außerhalb des Zugewinnausgleichsprozesses erfolgreich auf Übertragung deren Grundstückshälfte ohne Gegenleistung in Anspruch nehmen.

2. Die Fehlberatung des Beklagten zu 1) führt dennoch nicht zu einem Schadensersatzanspruch, weil sie nicht schadensursächlich geworden ist. Dem Familiengericht war nämlich ein zweiter, von der Prozessbevollmächtigten der Ehefrau erkannter Fehler (vgl. deren Schreiben vom 17. Juni 1996, S. 2 unten, S. 3 oben und vom 24. Juni 1996, S. 1 letzter Satz und 5. 3 zweitletzter Absatz)unterlaufen, der diesmal zu Lasten der Ehefrau ging, und zwar in einem Maße, der den oben unter Nr. 1.1 genannten Fehler zu Lasten des Klägers mehr als kompensierte. Der Beklagte zu 1) hätte im Rahmen der von ihm geschuldeten Beratung den Kläger auch auf diesen Fehler aufmerksam und auf die Gefahr hinweisen müssen, dass im Zuge eines Berufungsverfahrens gegen das familiengerichtliche Urteil nicht nur der erstgenannte, sondern auch der sich zu Lasten der Ehefrau auswirkende Fehler korrigiert werden würde, sodass im Ergebnis der Kläger sich schlechter stehen konnte als mit dem (fehlerhaften) familiengerichtlichen Urteil Das wäre vor allem dann eingetreten, wenn sich die Ehefrau der Berufung des Klägers angeschlossen hätte.

Der dem Familiengericht unterlaufene zweite Fehler bestand darin, dass es die Ansprüche des Klägers auf Steuererstattungen gegenüber dem Finanzamt D für die Veranlagungszeiträume 1992 (29.769,72 DM ohne Zinsen) und 1993 (22.096,98 DM) nicht in dessen aktives Endvermögen eingestellt hatte, was gegen § 1375 Abs. 1 BGB verstieß.

a) Zum (aktiven) Endvermögen gehören alle Positionen, die zum Stichtag (Zustellung des Ehescheidungsantrags: 24. Februar 1994) Vermögenswert haben. Einen Vermögenswert haben auch realisierbare Forderungen. Zum genannten Stichtag hatte der Kläger gegenüber dem Finanzamt Anspruch auf Erstattung überzahlter Einkommensteuer und Kirchensteuer sowie überzahlten Solidaritätszuschlags in genannter Höhe. Dass diese Ansprüche erst Gegenstand von Steuerbescheiden nach dem Stichtag geworden sind, ändert nichts an der Qualität und am Bestand der Forderung zum Stichtag. Die Erstattungsforderung entsteht nämlich nicht erst mit dem Erlass des Steuerbescheides (dieser begründet nur die Fälligkeit des Zahlungsanspruchs, § 36 Abs. 4 EStG), sondern gemäß § 36 Abs. 1 EStG bereits mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums (vgl. dazu OLG Köln FamRZ 1999, 656 und zum umgekehrten Fall der Steuernachzahlung BGH FamRZ 1991, 1547, 1551f unter Nr. 10), also jeweils mit Ablauf des 31. Dezember der Jahre 1992 und 1993.

b) Die Forderung stand obwohl die Eheleute gemeinsam veranlagt worden waren (§ 26b EStG), dem Kläger gegenüber dem Finanzamt allein zu, § 37 Abs. 2 AO. Es ist nämlich unstreitig und geht aus den in Rede stehenden Steuerbescheiden und den ihnen zu Grunde liegenden Erklärungen hervor, dass allein der Kläger in den Veranlagungszeiträumen 1992 und 1993 steuerbare Einkünfte erzielt hatte. Er hatte die zu erstattenden Steuern aus seinem Vermögen aufgebracht, weshalb er (allein) auch den Rückzahlungsanspruch hatte (vgl. Hübschmann/Nepp/Spitaler/Boeker, AO, § 37 Rn. 65, 67).

c)Grundsätzlich richtig ist der Einwand des Klägers, das die öffentlich-rechtliche (finanzrechtliche) Zuweisung der Forderung nichts darüber besagt, ob dem zahlenden Ehegatten die Forderung im Innenverhältnis der Eheleute auch allein zusteht. Diese Frage beantwortet nicht das Steuerrecht, sondern allein das Zivilrecht (vgl. dazu Dostmann, Steuerrechtsfragen in der familienrechtlichen Praxis Rn. 264ff; Liebelt, Die "Aufteilung" der Einkommensteuererstattung zwischen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten, FamRZ 1993. 626ff; Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, Teil IV Rn. 831ff; Gerhardt/Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 2. Aufl., 10. Kap. Rn.94ff; Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 3. Aufl. 1375 Rn. 12; Kalthoener/Buettner/Niepmann, Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl. Rn. 869). Richtig ist auch, dass die Frage, wie eine Steuererstattung unter den Ehegatten im Innenverhältnis aufzuteilen ist, in vielen Einzelheiten umstritten ist (vgl. die Nachweise oben und aus der obergerichtlichen Rechtsprechung beispielsweise OLG Köln FamRZ 1999, 656f; OLG Düsseldorf -10. ZS-, FamRZ 1993, 70f m.w.N.). Ein solcher Streit kann aber nur entstehen - nur dieser Fall wird im Schrifttum und in der Rechtsprechung kontrovers diskutiert -, wenn beide Ehegatten im Veranlagungszeitraum steuerbare Einkünfte gehabt hatten. Die Höhe der jeweils gezahlten Steuern hängt nämlich dann davon ab, welche Steuerklassen gewählt wurden. Die Steuerklassenwahl kann sich durchaus zu Lasten eines Ehegatten auswirken, ohne dass damit ein Ehegatte bei der Erstattung benachteiligt werden sollte. In derartigen Fällen führt ein Innenausgleich zur jeweils richtigen steuerlichen Belastung.

Im Streitfall jedoch hatte die Ehefrau des Klägers keine steuerbaren Einkünfte gehabt, weshalb sie an das Finanzamt keine Steuern gezahlt hatte. Unter diesem Aspekt besteht also mangels Anspruchsgrundlage kein Grund, einen Innenausgleich herbeizuführen. Unabhängig von einer Steuerzahlung der Ehefrau könnte sie allenfalls dann einen Ausgleichsanspruch haben, wenn sich der Kläger ihr gegenüber (außerhalb des Zugewinnausgleichs) zu einer derartigen Ausgleichszahlung verpflichtet hatte. Das ist aber weder im Zugewinnausgleichsprozess noch im vorliegenden Rechtsstreit vorgetragen worden.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Rechtsstreit gibt dem Senat keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, § 546 Abs. 1 ZPO.

Berufungsstreitwert (zugleich Beschwer des Klägers): 19.200,00 DM.

Ende der Entscheidung

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