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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.05.2001
Aktenzeichen: 24 U 157/00
Rechtsgebiete: ZPO, StGB, BGB


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 138 Abs. 1
ZPO § 546
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
StGB § 263
BGB § 779 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 157/00

Verkündet am 22. Mai 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2001 unter Mitwirkung seiner Richter Z, T und O

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das am 04. Juli 2000 verkündete Grundurteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten beider Rechtszüge werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel der gesamtschuldnerisch in Anspruch genommenen Rechtsanwälte, mit welchem sie ihre dem Grunde nach erfolgte Verurteilung zu Schadensersatzleistungen bekämpfen, hat Erfolg. Die sachbearbeitende Rechtsanwältin, die Beklagte zu 3) (nachfolgend: Beklagte), hat den Kläger zwar im vorausgegangenen Unterhaltsprozess (17 F 14/95 AG Wesel)fehlerhaft beraten, das feststellbare Beratungsdefizit ist aber nicht schadensursächlich geworden.

I.

1. Der Beratungsfehler der Beklagten lag darin, dass sie dem Kläger den Vergleichsvorschlag der Gegenseite vom 20. Dezember 1996 (1.100,00 DM Trennungsunterhalt monatlich) als unzureichend und deshalb ablehnenswert darstellte, obwohl sie mangels ausreichender Informationen zu den aktuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Klägers (Krankengeld seit 01. November 1996, Höhe der Abfindung) noch keine Veranlassung hatte, einen solchen Rechtsrat zu erteilen. Das galt erst recht, nachdem der Kläger am 06. Januar 1997 auf Anforderung der Beklagten die fehlenden aktuellen Daten nachgeliefert hatte. Unter Berücksichtigung des ihr nun vorliegenden Datenmaterials (wird ausgeführt) hätte die Beklagte erkennen müssen, dass das von der Gegenseite unterbreitete Vergleichsangebot jedenfalls für die Zeit ab November 1996 vorteilhaft erschien. Auf der Grundlage der Einkommensverhältnisse des Klägers und der feststellbaren Einkünfte dessen Ehefrau musste die Beklagte nun von folgender Unterhaltsberechnung ausgehen:

(wird ausgeführt)

Selbst für den künftig zu erwartenden Bezug von Arbeitslosengeld war... mit einem Unterhaltsanspruch zu rechnen, der immer noch über dem Betrag lag, der von der Gegenseite vergleichsweise angeboten wurde:

(wird ausgeführt)

Die Berechnungen zeigen, dass die Beklagte sogar damit rechnen musste, dass die Ehefrau sich ab Januar 1997 einen höheren Trennungsunterhaltsanspruch zu errechnen vermochte, als ihr im angefochtenen Urteil des Familiengerichts zugesprochen worden war (1.650,00 DM monatlich); aus diesem Grunde bestand jetzt sogar die Gefahr einer Anschlussberufung für den Zeitraum des Krankengeldbezugs. Es bestand demnach Anlass, den Kläger über diese (neu entstandenen) Risiken aufzuklären und unter Berücksichtigung des Vergleichsvorschlags der Gegenseite zu beraten. Dabei war zu beachten, dass es dem Kläger mit Blick auf das im ersten Rechtszug des Vorprozesses eingeholte fachmedizinische Gutachten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gelingen würde, den Einwand eingeschränkter Erwerbsfähigkeit der Ehefrau zu widerlegen. Höhere Einkünfte der Ehefrau als 750,00 DM monatlich (netto, bereinigt) konnten bei realistischer Betrachtung daher nicht zu Grunde gelegt werden. Dass die Beklagte in diesem Umfange den Kläger umfassend beraten hatte, behauptet sie selbst nicht.

2. Das Beratungsdefizit ist jedoch nicht schadensursächlich geworden. Bei umfassender Beratung im oben dargelegten Sinne wäre es bei hypothetischer Betrachtung dennoch zu einem Vergleichsabschluss auf der Grundlage des Vorschlags der Gegenseite nicht gekommen.

a) Es ist unstreitig, dass die Rechtsanwältin der Ehefrau den Vergleichsvorschlag vom 20. Dezember 1996 auf der Grundlage des Datenmaterials unterbreitet hatte, welches bis dahin bekannt gewesen ist, also im Wesentlichen auf der Grundlage des Einkommens des Klägers, das er bis zum Ausscheiden aus den Diensten seines Arbeitgebers mit Ablauf des 31. Oktober 1996 bezogen hatte. Nach diesen Daten schuldete der Kläger in der Tat seiner Ehefrau keinen Unterhalt von 1.650,00 DM monatlich, wie das Familiengericht im vom Kläger angefochtenen Urteil des Vorprozesses erkannt hatte. Die berechtigt zu beanspruchenden Unterhaltsbeträge bewegten sich vielmehr in einer Größenordnung zwischen 1.000,00 DM und 1.100,00 DM monatlich, was unter den Parteien in diesem Prozess unstreitig ist.

b) Die Beklagte konnte, nachdem ihr Anfang Januar 1997 das neue Datenmaterial vorgelegen hatte, dem Kläger keineswegs, wie dieser meint, schlicht empfehlen, den Vergleichsvorschlag der Gegenseite aufzugreifen, ohne das neue Datenmaterial auch nur mit einem Wort zu erwähnen. Mit Blick darauf, dass die Gehaltszahlungen des Klägers mit Ablauf des Monats Oktober 1996 geendet hatten und an dessen Stelle das Kranken-/Arbeitslosengeld sowie die aufzuteilende Arbeitgeberabfindung getreten waren, konnte der Vergleichsabschluss für die Zukunft (ab 11/96) nicht mehr auf die bis dahin in den Prozess eingeführten Einkommensdaten des Klägers gegründet werden. Da dem Kläger die neuen Daten im Zeitpunkt der angebotenen Vergleichsverhandlungen bereits bekannt waren (er hatte sie nur noch nicht an die Beklagte weitergeleitet) und sich daraus ergab, dass die noch in der Berufungsbegründung vom 06. Dezember 1996 aufgestellte Behauptung, das unterhaltsrelevante Einkommen des Klägers sei mit Eintritt der Krankheit (10/96) unter 3.000,00 DM monatlich abgesunken, objektiv falsch gewesen ist, hätte die Beklagte vor Vergleichsabschluss für eine Richtigstellung sorgen müssen (§ 138 Abs. 1 ZPO). Sie hätte deshalb im Interesse des Klägers und zur Beseitigung eines sonst aufkommenden Verdachts des (versuchten) Prozessbetrugs (§ 263 StGB) entweder den Prozessbevollmächtigten der Ehefrau den Krankengeldbescheid und die Abfindungsbescheinigung zur Verfügung stellen oder zumindest erklären müssen, dass die Behauptung, das aktuelle Einkommen sei unter 3.000,00 DM monatlich abgesunken, nicht aufrecht erhalten bleibe. Bei Erteilung dieses Rates hätte der Kläger der dargestellten Verfahrensweise zugestimmt, denn es besteht kein Anlass, dass er die Absicht hatte, sich in betrügerischer Weise Vorteile zu Lasten der Ehefrau zu verschaffen, zumal die Beklagte als Rechtsanwältin einem solchen Vorgehen zur Vermeidung eines strafrechtlichen Vorwurfs (Beihilfe) und berufsrechtlicher Konsequenzen nicht hätte die Hand reichen dürfen.

Das gilt umso mehr, als ein Vergleich auf der Basis des Vorschlags der Ehefrau gemäß § 779 Abs. 1 BGB unwirksam gewesen wäre, unabhängig von der subjektiven Seite des Klägers. Nach der genannten Bestimmung ist ein Vergleich, dessen als feststehend behandelte Grundlage der Wirklichkeit nicht entspricht, unwirksam, wenn bei Kenntnis der wirklichen Sachlage der Vergleich nicht oder so nicht abgeschlossen worden wäre. Da der Vergleichsvorschlag der Ehefrau auf der Grundlage des vom Kläger zuletzt behaupteten Einkommens von (maximal) 3.000,00 DM netto monatlich gemacht worden war (bei einem Eigeneinkommen von 750,00 DM netto monatlich), wären diese Daten Vergleichsgrundlage gewesen, und zwar auch dann, wenn sie (contra legem artis) nicht ausdrücklich in den Vergleichstext aufgenommen worden wären. Denn der Vergleichsvorschlag beruhte ganz offenkundig auf den Einkommensdaten des Klägers, auf welche er sich (zumindest objektiv falsch) in der Berufungsbegründung berufen hatte.

Daraus folgt für die hier zu beurteilende Frage nach dem hypothetischen Kausalverlauf: Hätte die Beklagte (nach Ansicht des Senats pflichtgemäß) auf die veränderten Daten zum Einkommen des Klägers in der einen oder anderen Weise hingewiesen, hätte die (anwaltlich beratene) Ehefrau ihren Vergleichsvorschlag jedenfalls für die Zeit ab November 1996 nicht aufrecht erhalten. Hätte die Beklagte dagegen (nach Ansicht des Senats pflichtwidrig) den gebotenen Hinweis unterlassen, wäre der Vergleich gemäß § 779 Abs. 1 BGB unwirksam gewesen mit der Folge, dass der Kläger den gesetzlich geschuldeten Unterhalt hätte nachzahlen müssen, denn er hatte sich mit Unterhaltszahlungen bis zur Höhe von jedenfalls 1.650,00 DM in Verzug befunden.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Rechtsstreit gibt dem Senat keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, § 546 ZPO.

Berufungsstreitwert (zugleich Beschwer des Klägers):

Zahlung/Kapitalbetrag: 17.828,00 DM 8.448,00 DM Summe 26.276,00 DM

Ende der Entscheidung

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