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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.07.2002
Aktenzeichen: 24 U 167/01
Rechtsgebiete: BGB, VerbrKrG, AGBG, PV, ZPO


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 139
BGB § 157
BGB § 291
BGB § 812
BGB § 988
BGB § 288 Abs. 1
BGB § 433 Abs. 2
BGB § 581 Abs. 1
BGB § 284 Abs. 1 Satz 2
BGB § 581 Abs. 1 Satz 2
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1
VerbrKrG § 1 Abs. 1
VerbrKrG § 1 Abs. 2
VerbrKrG § 7 Abs. 1
VerbrKrG § 7 Abs. 2
VerbrKrG § 3 Abs. 1 Nr. 2
VerbrKrG § 7 Abs. 2 Satz 2
AGBG § 6 Abs. 1
PV § 12 Satz 1
PV § 23 Abs. 2
ZPO § 713
ZPO § 92 Abs. 1
ZPO § 187 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

24 U 167/01

Verkündet am 9. Juli 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 25.Juni 2002 durch seine Richter Z, E und T

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil des Senats vom 16. April 2002 wird aufrechterhalten.

Die Beklagte trägt die weiteren Kosten der Berufungsinstanz.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Das mit dem zulässigen Einspruch von der Beklagten angegriffene Versäumnisurteil des Senats ist zu bestätigen, weil die Berufung des Klägers begründet ist.

I.

Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung von 10.411,24 € (= 20.362,39 DM ) beanspruchen. Die Widerklage ist unbegründet.

Zugunsten des Klägers bestehen unstreitig Ansprüche aus der Übernahme von Inventar durch die Beklagte in Höhe von 25.875,- DM gemäß § 433 Abs.2 BGB sowie ein Kautionsguthaben in Höhe von 3.667,39 DM aus dem Pachtvertrag gemäß § 581 Abs.1 BGB, insgesamt 29.542,39 DM.

Demgegenüber stehen der Beklagten über 9.180 DM hinausgehende Zahlungsansprüche nicht zu, so dass im Wege der Verrechnung für den Kläger ein Betrag von 20.362,39 DM (= 10.411,12 €) verbleibt.

Die Beklagte kann von dem Kläger für die Zeit nach dem 14. Juni 1997 weder Pachtzinsen aus § 581Abs.1 Satz 2 BGB noch eine Nutzungsentschädigung gemäß §§ 988, 812 BGB beanspruchen.

1)

Ein Pachtvertrag (im folgenden: PV) besteht zwischen den Parteien nicht. Denn der Kläger hat die in § 12 PV vereinbarte Bezugsverpflichtung wirksam widerrufen. Dies führt zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages nach § 139 BGB.

a)

Die genannte Getränkebezugsverpflichtung unterliegt als Kreditgeschäft besonderer Art im Sinne der §§ 1 Abs.1 und 2; 2 Nr.3 VerbrKrG den Bestimmungen dieses Gesetzes, das am 1. Januar 1991 - und damit vor Abschluss des hier maßgeblichen Vertrages vom 11. Juli 1996 - in Kraft getreten ist. Die Beklagte ist als Getränkegroßhändler Kreditgeberin im Sinne des § 1 Abs.1 VerbrKrG. Der Kläger ist zwar nicht Verbraucher im Sinne der genannten Bestimmung. Er ist diesem aber gemäß § 3 Abs.1 Nr.2 VerbrKrG als so genannter Existenzgründer gleichgestellt.

b)

Die Bezugsverpflichtung ist nicht wirksam geworden. Die diesbezügliche Willenserklärung des Klägers unterliegt gemäß § 7 Abs.1 VerbrKrG dem Widerrufsrecht. Dieses Recht hat der Beklagte ausgeübt, womit die bis dahin schwebend unwirksame Bezugsverpflichtung endgültig erloschen ist.

(1)

Die Wirksamkeit des Widerrufs scheitert nicht daran, dass der Begriff "Widerruf" in der Kündigungserklärung des Klägers vom 14. Juni 1997 (Bl. 17 GA) nicht verwendet worden ist. Maßgeblich ist nicht die Begrifflichkeit, sondern gemäß §§ 133, 157 BGB der aus der Erklärung erkennbare Wille, die vertragliche Bindung nicht (mehr) anerkennen zu wollen (vgl. BGH NJW 1993, 128; 1996, 1964; Senat OLGR 2001, 204; Bülow, Verbraucherkreditgesetz, 4. Aufl., § 7 Rdnr. 83 ). Es unterliegt keinem vernünftigen Zweifel, dass der Kläger mit der Kündigung des gesamten Pachtvertrages auch die Bindung an die Bezugsverpflichtung nicht mehr anerkennen wollte.

(2)

Der Widerruf ist auch rechtzeitig, nämlich innerhalb der offenen Widerrufsfrist erfolgt.

Im Streitfall beträgt die Widerrufsfrist abweichend von § 7 Abs.1 VerbrKrG nicht nur eine Woche, sondern gemäß § 7 Abs.2 VerbrKrG ein Jahr. Die Wochenfrist ist nur dann maßgeblich, wenn der Verbraucher/ Existenzgründer über sein Recht zum Widerruf in der Weise belehrt worden ist, wie dies in § 7 Abs.2 Satz 2 VerbrKrG vorgeschrieben ist. Daran fehlt es hier. Die Widerrufsbelehrung ist zumindest in zweifacher Hinsicht fehler- und lückenhaft:

Die Belehrung ist lückenhaft. Sie macht nicht mit der notwendigen Deutlichkeit klar, dass dem Kläger ein Widerrufsrecht zustand. Der von der Beklagten verwendete Vordruck sieht den Eintrag eines Namens oder möglicherweise auch einer Rechtsstellung (etwa: Besteller/ Käufer/ Bürge/ Verbraucher) vor. Dort fehlt es aber an einem Eintrag. Dadurch ist die Belehrung unzureichend. Denn die Formulierung :

"Entsprechend dem Abzahlungsgesetz wird die auf den Abschluss vorstehenden Vertrages gerichtete Willenserklärung des/der .............. [Auslassung im Original ] erst wirksam, wenn......"

ist unklar: Die in dem Vordruck enthaltene gestrichelte Linie vermittelt dem Adressaten nämlich den Eindruck, es sei von den Umständen des Einzelfalls abhängig, ob und ggf. wem ein Widerrufsrecht zustehe.

Die Unklarheit über das Bestehen eines Widerrufsrechts wird dadurch verstärkt, dass die Belehrung fehlerhaft dahin ging, ein Widerruf könne entsprechend dem Abzahlungsgesetz erfolgen. Dieses Gesetz war schon zum 1. Januar 1991 außer Kraft getreten. Durch den fehlerhaften Hinweis auf das Abzahlungsgesetz bestand entgegen der Auffassung der Beklagten die generelle Gefahr, dass der Kläger das ihm zustehende Widerrufsrecht nicht ausübte. Dieses Risiko konnte sich zum einen dann verwirklichen, wenn der Kläger in Erfahrung brachte, dass das Abzahlungsgesetz nicht mehr in Kraft war. Hierdurch konnte er zu dem falschen Schluss gelangen, mit Aufhebung des Abzahlungsgesetzes sei auch ein Widerrufsrecht entfallen. Ging er aber davon aus, dass das Abzahlungsgesetz tatsächlich noch maßgebend war, so konnten ihn von dem Verbraucherkreditgesetz abweichende Regelungen davon abhalten, sein Widerrufsrecht auszuüben.

Im übrigen war die Belehrung überdies insoweit fehlerhaft, als sie nicht deutlich machte, dass nur die Bezugsverpflichtung, nicht aber der gesamte Pachtvertrag widerruflich war. Denn günstige Bestimmungen des Vertrages (z.B. der vereinbarte Pachtzins) konnten den Kläger von der Ausübung des Widerrufsrechts abhalten (vgl. hierzu: Senat a.a.O.).

Schließlich ist auch der in der Widerrufsbelehrung angegebene Fristbeginn " nach Aushändigung einer Abschrift .." unzureichend. Gemäß § 187 Abs.1 ZPO wird nämlich bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in den das maßgebende Ereignis fällt. Das bedeutet für die Widerrufsbelehrung nach § 7 Abs.1 VerbrKrG, dass der Tag der Aushändigung der Belehrung bei der Fristberechnung unberücksichtigt bleibt (vgl. BGH WM 1993,589; ZIP 1994, 884; WM 1995, 1231; Senat a.a.O. ).

c)

Die Unwirksamkeit der Bezugsverpflichtung führt im Streitfall gemäß § 139 BGB zur Unwirksamkeit des gesamten Pachtvertrages. Denn im Streitfall kann nicht angenommen werden, dass der an sonsten wirksame Pachtvertrag auch ohne den unwirksamen Teil, die Bezugsverpflichtung abgeschlossen worden wäre. Der Senat hat bereits wiederholt entschieden, dass eine Getränkebezugsverpflichtung und ein Pachtvertrag über eine Gaststätte im Regelfall eine wirtschaftliche Einheit im Sinne des § 139 BGB darstellen (vgl. Senat a.a.O. m.w.N.). Im Streitfall wird diese Annahme durch die ausdrückliche Vereinbarung der Parteien in § 12 Satz 1 PV, die Bezugsverpflichtung werde als Gegenleistung für die Überlassung des Pachtobjektes übernommen, bestätigt.

Die Rechtswirkungen des § 139 BGB werden nicht durch die in § 23 Abs.2 PV vereinbarte salvatorische Klausel ausgeschlossen. Diese vorformulierte Klausel greift im Streitfall nicht ein. Sie gibt nur wieder, was kraft Gesetzes für vorformulierte Klauseln ohnehin gilt. Gemäß § 6 Abs.1 AGBG tritt an die Stelle einer ganz oder teilweise unwirksamen Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dispositives Recht. Auf Vertragsbestimmungen, die den Leistungsumfang (hier: Bezugsverpflichtung) festgelegen, kann sie nicht angewandt werden, wenn der nichtige Teil eines Vertrages dem übrigen Teil des Rechtsgeschäfts den Boden entzieht (vgl. BGH WM 1995, 284,288; Senat a.a.O.; Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 139 BGB Rdnr. 17). Das ist hier der Fall.

Die nichtige Bezugsverpflichtung kann nicht durch eine wirksame Vereinbarung gleichwertig ersetzt werden. Im übrigen hat die Beklagte mit der Formulierung in § 12 Satz 1 PV zum Ausdruck gebracht, dass der Bestand der Bezugsverpflichtung zentrale Bedeutung auch für den Pachtvertrag haben sollte.

Die Anwendung von § 139 BGB auf den Pachtvertrag verstößt auch nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Dem Verbraucherschutz kommt herausragende Bedeutung zu. Damit wäre ein Ausschluss der Widerrufsmöglichkeit in Fällen der vorliegenden Art nicht zu vereinbaren. Den Interessen der beklagten Kreditgeberin ist durch die dem Kläger gebotene Wahrung der Jahresfrist des § 7 Abs. 2 VerbrKrG ausreichend Rechnung getragen. Ein Fall, in dem der Verbraucher längere Zeit aus dem unwirksamen Vertrag Vorteile gezogen hat (vgl. BGHZ 142, 23; NJW 2002, 368), liegt unter diesen Umständen schon nicht vor.

2)

Der Beklagten stehen Ansprüche nach den Regeln des Eigentümer- Besitzer -Verhältnisses (§§ 988, 812 ff. BGB) gegen den Kläger ebenso wenig zu wie aus ungerechtfertiger Bereicherung gemäß § 812 Abs.1 Satz 1 BGB.

Für die Zeit bis zum 14. Juni 1997 hat die Beklagte eine angemessene Nutzungsentschädigung erhalten. Denn der Kläger hat den Pachtzins zum Teil entrichtet. Im übrigen nimmt er das landgerichtliche Urteil insoweit hin, als der Beklagten der volle Pachtzinsanspruch für die Zeit bis zum 14. Juni 1997 zugebilligt worden ist. Für die Zeit bis zum 14. Juni 1997 kommt der Beklagten trotz der Nichtigkeit des Vertrages der volle Pachtzins zu Gute. Dass der Wert der Gebrauchsvorteile den Pachtzins überstiegen hat, erscheint als ausgeschlossen und wird von der Beklagten auch nicht behauptet.

Für die Zeit nach dem 14. Juni 1997 ist nicht festzustellen, dass der Kläger die Gaststätte noch betrieben oder in anderer Weise Gebrauchsvorteile aus dem Pachtobjekt gezogen hat. Mit Schreiben vom 14. Juni 1997 (Bl.17 GA) kündigte der Kläger der Beklagten die Übergabe der Räumlichkeiten und die Rückgabe der Schlüssel an. Am 23. Juni 1997 ist ein Übergabeprotokoll erstellt worden (Bl. 51 ff. GA). Eine Nutzung in der Zeit vom 15. Juni bis 22. Juni 1997 hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht dargetan.

3)

Der Zinsanspruch ist aus §§ 284 Abs.1 Satz 2, 288 Abs.1, 291 BGB begründet.

II.

Da für die Beklagte im Wege der Verrechnung Zahlungsansprüche nicht verbleiben, hat ihre Widerklage keinen Erfolg.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs.2 ZPO).

Der Streitwert für die Berufungsinstanz und der Wert der Beschwer für die Beklagte werden auf 16.728,71 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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