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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.10.1999
Aktenzeichen: 2a Ss (OWi) 250/99 - (OWi) 67/99 II
Rechtsgebiete: SGB III, AFG, OWiG


Vorschriften:

SGB III § 284 Abs. 1
SGB III § 285 Abs. 5
AFG § 19 Abs. 1 a.F.
AFG § 19 Abs. 1 Satz 5 a.F.
OWiG § 20
OWiG § 79 Abs. 2
1. Ein Arbeitgeber, der in seinem Unternehmen verschiedene ausländische Arbeitnehmer unabhängig voneinander einstellt und in unterschiedlichen Zeiträumen ohne Arbeitsgenehmigung beschäftigt, begeht in jedem Einzelfall einen verfahrensrechtlich selbständigen Verstoß gegen § 284 Absatz 1 SGB III (§ 19 Absatz 1 AFG a.F.).

2. Sehen die Gründe des tatrichterlichen Urteils für mehrere Ordnungswidrigkeiten jeweils einzelne Geldbußen vor, die im Urteilstenor entgegen § 20 OWiG zu einer "Gesamtgeldbuße" zusammengefaßt werden, so ist die Rechtsbeschwerde nur nach Maßgabe des § 79 Absatz 2 OWiG zulässig.

3. Eine behördenintern grundsätzlich übliche Verfahrensweise bei der Entscheidung über betriebliche Beschränkungen der Arbeitsgenehmigung (§ 285 Absatz 5 SGB III bzw. § 19 Absatz 1 Satz 5 AFG a.F.) rechtfertigt für sich allein keine beweiskräftigen Rückschlüsse auf die Handhabung des Einzelfalles.

OLG Düsseldorf Urteil 19.10.1999 2a Ss (OWi) 250/99 - (OWi) 67/99 II 2 Ws (OWi) 286/99 5 Js 105/99 StA Duisburg


wegen Verstoßes gegen das Arbeitsförderungsgesetz

hat der 2. Senat für Bußgeldsachen durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. R. am 19. Oktober 1999 auf den Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gegen den Beschluß des Amtsgerichts Oberhausen vom 12. Juli 1999 und auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Oberhausen vom 28. April 1999 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß §§ 80a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2, 79 Absatz 5 Satz 1, 80 Abs. 4 S. 1 und 3 OWiG beschlossen:

Tenor:

1. Der Beschluß des Amtsgerichts Oberhausen vom 12. Juli 1999 wird aufgehoben.

2. Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben, soweit gegen den Betroffenen eine Geldbuße von 2.000,- DM verhängt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unzulässig verworfen.

Gründe

Durch Urteil vom 28. April 1999 verhängte das Amtsgericht Oberhausen gegen den Betroffenen wegen "eines" fahrlässigen Verstoßes gegen § 284 Absatz 1 Satz 1 SGB III eine - ausweislich der Urteilsgründe aus Einzelbeträgen von 2.000,- DM, 200,- DM und 100,- DM zusammengesetzte - Geldbuße von 2.300,- DM. Die am 30. April 1999 eingelegte und mit einem am 12. Juli 1999 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat das Amtsgericht Oberhausen durch Beschluß vom 12. Juli 1999 als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluß richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

I.

Der Beschluß des Amtsgerichts Oberhausen vom 12. Juli 1999 war aufzuheben, denn der Betroffene hat gegen das amtsgerichtliche Urteil rechtzeitig Rechtsbeschwerde eingelegt und diese unter Einhaltung der Frist- und Formerfordernisse der §§ 345 StPO, 79 Abs. 3 OWiG begründet.

Das angefochtene Urteil wurde nach erfolgter Einlegung der Rechtsbeschwerde am 10. Juni 1999 zugestellt, so daß die gemäß §§ 345 Abs. 1 StPO, 79 Absatz 3 OWiG einmonatige Frist zur Anbringung der Rechtsbeschwerdeanträge und ihrer Begründung am Montag, dem 12. Juli 1999, ablief (§§ 345 Abs. 1, 43 Abs. 2 StPO, 79 Abs. 3 OwiG). Die schriftsätzliche Rechtfertigung der Rechtsbeschwerde ging am letzten Tag der Frist - und damit rechtzeitig - bei Gericht ein.

II.

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat mit der allgemeinen Sachrüge (vorläufigen) Erfolg, soweit im angefochtenen Urteil auf eine Geldbuße von 2.000,- DM erkannt worden ist. Im übrigen ist das Rechtsmittel unzulässig.

1.

Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde ist hier unter Anwendung des § 79 Absatz 2 OWiG zu beurteilen. Nach dieser Vorschrift, über deren Voraussetzungen das Rechtsbeschwerdegericht bei der Zulässigkeitsprüfung in Orientierung an die tatrichterlichen Feststellungen, aber ohne Bindung an dessen Rechtsansicht zu entscheiden hat, ist die Rechtsbeschwerde eingeschränkt, wenn das angefochtene Urteil mehrere, selbständig prüfbare Taten im prozessualen Sinne zum Gegenstand hat (vgl. BayObLG Wistra 94, 80). Dies ist hier der Fall, denn das Urteil des Amtsgerichts betrifft - entgegen der insoweit mißverständlichen Tenorierung - drei im verfahrensrechtlichen Sinne selbständige Taten.

Ausweislich der tatrichterlichen Feststellungen hat der Betroffene in seinem Gastronomieunternehmen drei zu unterschiedlichen Zeiten eingestellte ausländische Arbeitnehmer in jeweils unterschiedlichen Zeiträumen ohne eine für den Betrieb des Betroffenen gültige Arbeitsgenehmigung im Sinne von § 284 Absatz 1 SGB III (bzw. Arbeitserlaubnis im Sinne von § 19 Absatz 1 AFG a. F.) beschäftigt. Hierbei handelt es sich um drei selbständige Taten im verfahrensrechtlichen Sinne, die nicht durch einen zeitlichen Zusammenhang oder durch sonstige tatsächliche Gegebenheiten miteinander verbunden sind. Allein der Umstand, daß die unabhängig voneinander eingestellten und beschäftigten Arbeitnehmer im gleichen Betrieb des Betroffenen zum Einsatz kamen, stellt zwischen den verschiedenen Handlungen des Betroffenen keine derart enge innerliche Verknüpfung her, daß ihre getrennte Würdigung und Ahndung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs erscheinen müßte.

Die verschiedenen Taten sind auch im Rechtsbeschwerdeverfahren selbständig prüfbar, denn der Tatrichter hat in den Urteilsgründen zum Ausdruck gebracht, wie sich die im Urteilstenor - entgegen § 20 OWiG - niedergelegte "Gesamtgeldbuße" hinsichtlich der einzelnen Verstöße zusammensetzt. Mit Rücksicht hierauf sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Rechtsbeschwerde nach der insoweit einschränkenden Vorschrift des § 79 Absatz 2 OWiG für jede Tat einzeln zu prüfen. An die im Tenor des angefochtenen Urteils zum Ausdruck gekommene rechtliche Würdigung des Tatgeschehens als eine Handlung im verfahrensrechtlichen Sinne ist das Rechtsbeschwerdegericht nicht gebunden.

2.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Absatz 2 OWiG nur insoweit zulässig, als gegen den Betroffenen im angefochtenen Urteil wegen der ohne gültige Arbeitsgenehmigung erfolgten Beschäftigung des Arbeitnehmers S. eine Geldbuße von 2.000,- DM verhängt wurde, denn diesbezüglich liegen die Voraussetzungen des § 79 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG vor.

Im übrigen ist das Rechtsmittel unzulässig, denn hinsichtlich der gegen den Betroffenen wegen ungenehmigter Beschäftigung der Arbeitnehmer N. und L. verhängten Geldbußen von 100,- und 200,- DM ist die Wertgrenze des § 79 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG nicht erreicht. Die Rechtsbeschwerde ist insoweit auch nicht etwa gemäß § 79 Absatz 1 Satz 2 OWiG zulässig, denn die Voraussetzungen einer Zulassung auf entsprechenden Antrag des Betroffenen (§ 80 OWiG) liegen nicht vor. Bei Geldbußen von nicht mehr als zweihundert Deutsche Mark wird die Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Absatz 2 Nr. 1 OWiG nur zugelassen, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des sachlichen Rechts zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Beides ist hier nicht der Fall.

3.

Soweit gegen den Betroffenen wegen unerlaubter Beschäftigung des Arbeitnehmers S. eine Geldbuße von 2.000,- DM verhängt worden ist, hat die Rechtsbeschwerde mit der allgemeinen Sachrüge (vorläufigen) Erfolg, da die Ausführungen des angefochtenen Urteils zum Schuldspruch rechtsfehlerhaft sind.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat der Betroffene den ausländischen Arbeitnehmer S. vom 1. März bis 31. Juli 1997 in seinem Gastronomieunternehmen beschäftigt, obwohl für diesen Zeitraum lediglich eine auf den Betrieb der Firma M. D. beschränkte Arbeitserlaubnis vorlag. Die Einlassung des Betroffenen, er habe von einer derartigen betrieblichen Beschränkung nichts gewußt, denn seiner Meinung nach sei der Arbeitgeber in der Arbeitserlaubnis nicht aufgeführt worden, hat das Amtsgericht aufgrund der Bekundungen des Zeugen M. widerlegt erachtet. Zur Beweiswürdigung ist insoweit im angefochtenen Urteil folgendes ausgeführt:

"Der Zeuge M. hat ausgesagt, der Arbeitnehmer S. habe vom 1. 3. 1997 bis 31. 7. 1997 bei dem Betroffenen gearbeitet und für die gesamte Zeit keine gültige Arbeitserlaubnis besessen. Er habe lediglich über eine Arbeitserlaubnis für die Firma M. D. verfügt. Dies habe dem Betroffenen auffallen müssen, da der Name des Arbeitgebers grundsätzlich in der Arbeitserlaubnis aufgeführt werde. Die Arbeitserlaubnis selbst liege ihm derzeit nicht vor ...

Soweit der Betroffene vorträgt, der Arbeitnehmer S. habe über eine Arbeitserlaubnis verfügt, kann ihn dies nicht entlasten, da die Arbeitserlaubnis lediglich für die Firm M. D. ausgestellt war. Dies war dem Betroffenen auch erkennbar, der Name des Arbeitgebers, nach Ausführung des Zeugen, grundsätzlich in der Arbeitserlaubnis auftaucht. Soweit der Betroffene diesen Umstand bestreitet, und zwar angesichts der Tatsache, daß der Zeuge M. die entsprechende Arbeitserlaubnis nicht vorlegen kann, hält das Gericht die Einlassung des Betroffenen für unbeachtlich. Das Gericht folgt dem Zeugen M., der ausdrücklich bekundet hat, daß der Name des Arbeitgebers grundsätzlich in einer Arbeitserlaubnis auftauche. Es wäre lebensfremd anzunehmen, daß ausgerechnet im Falle S. die Firma M. D. in der Arbeitserlaubnis nicht erwähnt worden sein soll."

Diese Beweiswürdigung ist rechtsfehlerhaft, denn sie beruht auf unzulässigen Schlußfolgerungen außerhalb einer gesicherten Tatsachengrundlage. Ausweislich der Urteilsausführungen lag die dem Arbeitnehmer S. seinerzeit zur Verfügung stehende Arbeitserlaubnis im Hauptverhandlungstermin nicht vor. Das Urteil teilt auch nicht mit, welche objektiven Wahrnehmungen den Zeugen M. zu der Aussage bewogen haben, die Arbeitserlaubnis sei in diesem konkreten Einzelfall auf den Betrieb der Firma M. D. beschränkt gewesen. Vielmehr stützt das Amtsgericht seine diesbezügliche Überzeugung ersichtlich nur auf die durch den Zeugen M. mitgeteilte Erkenntnis, daß bei Arbeitserlaubnissen "grundsätzlich" der Arbeitgeber mit aufgeführt werde und es deshalb "lebensfremd" sei, im hier vorliegenden Einzelfall von einer abweichenden Vorgehensweise auszugehen. Diese Argumentation ist rechtsfehlerhaft. Es gibt keinen allgemeingültigen Satz der Lebenserfahrung dahingehend, daß behördliche Einzelfallentscheidungen stets entsprechend einer grundsätzlich üblichen Handhabung - und in dem Rahmen auch frei von etwaigen Irrtümern des ausführenden Beamten - ausfallen, zumal im hier zur Rede stehenden Bereich der Ausstellung von Arbeitserlaubnissen eine betriebliche Beschränkung nicht etwa zwingend gesetzlich angeordnet, sondern gemäß § 285 Absatz 5 SGB III (entspr. § 19 Absatz 1 Satz 5 AFG) nur fakultativ als eine von mehreren Möglichkeiten der Beschränkung in zeitlicher oder inhaltlicher Hinsicht vorgesehen ist. Die im angefochtenen Urteil ohne konkrete Anhaltspunkte zum Einzelfall allein aus der grundsätzlich üblichen Handhabung gezogenen Schlußfolgerungen lassen daher letztlich eine bloße Wahrscheinlichkeit zur Verurteilung des Betroffenen genügen und entfernen sich damit so sehr von einer festen Tatsachengrundlage, daß sie bloße Vermutungen sind, die nicht mehr als einen schwerwiegenden Verdacht begründen. Die Beweiswürdigung ist daher rechtsfehlerhaft, denn sie stellt zu geringe Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung.

Da die Entscheidung zur Verhängung einer Geldbuße von 2.000,- DM auf diesem Rechtsfehler beruht, ist das angefochtene Urteil insoweit mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Ein Anlaß, die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zu verweisen, besteht nicht.

Für die neue Verhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

Auf die dem Betroffenen im Fall "S." vorgeworfene Ordnungswidrigkeit ist das noch bis zum 31. Dezember 1997 geltende Arbeitsförderungsgesetz (AFG) anzuwenden, dessen § 229 Absatz 3 einen niedrigeren Bußgeldrahmen vorsieht als der mit Wirkung zum 1. Januar 1998 in Kraft getretene § 404 Absatz 3 SGB III.

Ende der Entscheidung

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