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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 31.08.2001
Aktenzeichen: 2a Ss 149/01 - 46/01 II
Rechtsgebiete: AuslG, StGB


Vorschriften:

AuslG § 92 Abs. 1 Nr. 1
StGB § 27
Zu den Voraussetzungen der Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt eines Ausländers im Bundesgebiet.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2a Ss 149/01-46/01 II

In der Strafsache

gegen pp.

wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz

hat der 2. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S., den Richter am Oberlandesgericht B. und die Richterin am Oberlandesgericht H.-R. am

31. August 2001

auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt vom 15. Februar 2001 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig gemäß § 349 Abs. 4 StPO

beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Mönchengladbach-Rheydt zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat die Angeklagte durch das angefochtene Urteil wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30 DM verurteilt.

Die hiergegen gerichtete (Sprung-)Revision der Angeklagten hat mit der allgemeinen Sachrüge (vorläufigen) Erfolg. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht.

I.

1.

Nach dem festgestellten Sachverhalt reiste der Ehemann der Angeklagten, N. Y., Mitte Dezember 1999 aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland ohne Pass und Visum ein. Er begab sich unmittelbar nach der Einreise in die in der H.straße 248 in M. gelegene Wohnung der Angeklagten. Als N. Y. in der Wohnung der Angeklagten erschien, teilte er dieser auf Nachfrage mit, dass er ohne Pass und Visum eingereist sei. Obwohl der Angeklagten damit die Umstände der Einreise bekannt waren, gewährte sie N. Y. von Mitte Dezember 1999 bis zum 7. Februar 2000 Unterkunft in ihrer Wohnung. Während des vorgenannten Zeitraumes half N. Y. der Angeklagten gelegentlich auch in der von ihr zu jener Zeit unter der Anschrift H.Straße 110 in M. betriebenen Imbissstube. Am 7. Februar 2000 führte die Stadt Mönchengladbach - Ausländerbehörde - unter der vorgenannten Anschrift (H.straße 110) eine Kontrolle durch. Dabei wurde N. Y. wegen illegalen Aufenthalts festgenommen und am 29. Februar 2000 in die Türkei abgeschoben.

2.

Diese Feststellungen vermögen eine Verurteilung wegen Beihilfe nicht zu tragen.

Gehilfe ist, wer vorsätzlich dem Täter zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet (§ 27 Abs. 1 StGB).

a) Als Hilfeleistung ist grundsätzlich jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des Taterfolgs durch den Täter in irgendeiner Weise objektiv gefördert hat (vgl. BGHSt 42, 135, 136 = NJW 1996, 2517; BGH StV 1981, 72, 73), ohne dass sie für den Erfolg ursächlich gewesen sein muss (st.Rspr.; vgl. BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 8, NJW 2001, 2409, 2410, jew. m.w.N.). Handelt es sich - wie hier - um ein Dauerdelikt, muss eine nach Schaffung der rechtswidrigen Lage geleistete Unterstützung für die Aufrechterhaltung der Lage ursächlich sein (Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl., § 27 Rdnr. 2 b).

Wegen Beihilfe zu unerlaubtem Aufenthalt kann demnach bestraft werden, wer einem Ausländer in Kenntnis von dessen illegalem Aufenthalt Unterkunft gewährt oder ihn für Arbeitsleistungen entlohnt, um dadurch den weiteren Aufenthalt des Ausländers zu ermöglichen (vgl. Erbs-Kohlhaas-Senge, Strafrechtl. Nebengesetze, Stand: August 2000, § 92 AuslG Rdnr. 6). Das Gewähren von Unterkunft und Verpflegung wie auch das Entlohnen für eine Arbeitsleistung gegenüber einem Ausländer, der sich ohne die erforderliche Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsberechtigung oder Duldung im Bundesgebiet aufhält, stellt aber für sich alleine in objektiver Hinsicht noch keine Beihilfe zu einem Vergehen nach § 92 Abs. 1 Nr. 1 AuslG dar (BGH NJW 1990, 2207 zu §§ 47, 47 a AuslG aF; Pfälz. OLG Zweibrücken MDR 1992, 894). Die Bewertung eines solchen Verhaltens als Beihilfehandlung i.S.d. § 27 Abs. 1 StGB hängt davon ab, ob dadurch die Tatbestandsverwirklichung ermöglicht, erleichtert, intensiviert oder abgesichert wird (vgl. LK-Roxin, StGB, 10. Aufl., § 27 Rdnr. 2). Die Begehung der Haupttat muss in ihrer konkreten Gestaltung objektiv gefördert oder erleichtert werden (BGHR StGB § 27 Abs. 1, Beihilfe 1 und Hilfeleisten 14). Dies kann auch dadurch geschehen, dass der Gehilfe den Haupttäter in seinem Tatentschluss bestärkt und ihm dadurch etwa ein erhöhtes Sicherheitsgefühl vermittelt (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 8; BayObLGSt 1984, 8; OLG Karlsruhe NStZ 1985, 78). Wirkt sich der Beitrag des Gehilfen bei der Tatbestandsverwirklichung nicht aus, so liegt keine Beihilfehandlung in diesem Sinne vor.

Eine konkrete Förderung oder Erleichterung der Haupttat durch die Bestärkung des Tatenschlusses des Haupttäters wird somit regelmäßig dann nicht vorliegen, wenn bei einem Dauerdelikt (wie einem Vergehen des unerlaubten Aufenthalts) der Täter zur Fortsetzung seines illegalen Verhaltens unter allen Umständen entschlossen ist. Werden einem solchermaßen in seinem Tatentschluss endgültig gefestigten Täter Umstände geboten, die ihm das illegale Verweilen im Bundesgebiet erleichtern, wie etwa Unterkunft oder Erwerbsmöglichkeit, von denen er aber seinen Aufenthalt nicht abhängig macht, so vermag dies die durch den Täter verwirklichte Rechtsgutverletzung nicht mehr konkret zu fördern. In diesem Sinne ist die Bewertung zu verstehen, an einer Beihilfehandlung durch Gewähren von Wohnung o.a. könne es bereits in objektiver Hinsicht fehlen, wenn der Haupttäter in jedem Fall entschlossen war, seiner Ausreisepflicht zuwiderzuhandeln (so BGH NJW 1990, 2207 f; BayObLG NStZ 1999, 627 f).

Feststellungen dazu, ob N. Y. bereits auf jeden Fall entschlossen war, sich illegal im Bundesgebiet aufzuhalten, als er die Angeklagte in ihrer Wohnung unmittelbar nach seiner Einreise aufsuchte, oder ob er seinen Entschluss, zu bleiben, von der Unterhaltsgewährung durch die Angeklagte abhängig gemacht hatte, hat das Amtsgericht nicht getroffen; nur bei der letztgenannten Fallgestaltung könnte sich die seitens der Angeklagten gewährte Unterkunftsmöglichkeit als konkrete Förderung des unerlaubten Aufenthalts darstellen.

b) Darüberhinaus setzt eine Verurteilung wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt voraus, dass der Gehilfe nicht nur die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt, sondern auch in der Absicht handelt, durch sein Verhalten das vorsätzliche Vorhaben des Haupttäters zu fördern (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 2). Bedingter Vorsatz würde für die innere Tatseite der Beihilfe ausreichen (BGHSt 2, 279, 281; BGHR StGB § 27 Abs. Vorsatz 7). Als Tathandlungen kommen somit nur Hilfeleistungen in Betracht, bei denen der Täter weiß oder jedenfalls damit rechnet und es billigend in Kauf nimmt, dass sich sein Verhalten als Unterstützung einer Straftat erweist (BGHR StGB § 27 Abs. 1 Vorsatz 9).

Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass die Angeklagte durch die Unterkunftsgewährung den illegalen Aufenthalt des N. Y. im Bundesgebiet erleichtert hat (UA S. 5); aus dem bisher festgestellten äußeren Tatgeschehen kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die Angeklagte durch ihr Verhalten beabsichtigte, dessen illegalen Aufenthalt zu unterstützen.

3.

Die aufgezeigten Rechtsfehler führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrunde liegenden Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts (§§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).

Ende der Entscheidung

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