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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 20.09.2000
Aktenzeichen: 2b Ss (OWi) 30/00-(OWi) 24/00 I
Rechtsgebiete: SchwarzarbG, OWiG, StPO


Vorschriften:

SchwarzarbG § 4 Abs. 1
OWiG § 14
StPO § 243 Abs. 4 Satz 1
1. Zum Begriff des Täters der "unerlaubten Werbung (für die Ausführung von Schwarzarbeit) in Medien".

2. Zu den Voraussetzungen, unter denen der Tatrichter ausnahmsweise das teilweise Schweigen des Betroffenen/Angeklagten zu dessen Nachteil bei der Beweiswürdigung berücksichtigen darf.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2b Ss (OWi) 30/00 - (OWi) 24/00 I 912 Js 407/99 StA Düsseldorf

In der Bußgeldsache

wegen Verstoßes gegen das Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit

hat der 1. Senat für Bußgeldsachen durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S und die Richter am Oberlandesgericht H und S auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Neuss vom 5. Juli 1999 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

am 20. September 2000

beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Neuss zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht hat die Betroffene "wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit" zu 5.000 DM Geldbuße verurteilt. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückzuverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts.

I.

Den Feststellungen des Amtsgerichts zufolge erschien in einem Neusser Anzeigenblatt von Januar bis November 1998 insgesamt 42mal die Anzeige: "Tapezier- u. Lackierarbeiten führt aus, ... (Telefonnummer der Betroffenen)". Die Betroffene, die nicht in die Handwerksrolle eingetragen war und selbständig einen Büroservice betrieb, hat zugegeben, die Anzeige bestellt zu haben, und keine weiteren Angaben zur Sache gemacht. Den Schuldspruch hat das Amtsgericht wie folgt begründet:

"Entweder hat sie (die Betroffene) für eigene oder fremde Maler- und Tapezierarbeiten geworben. In keinem Fall lag die erforderliche Eintragung in der Handwerksrolle vor, was die Betroffene in jedem Fall wußte. Denn auch wenn sie ihre Telefonnummer für jemanden zur Verfügung gestellt haben sollte, der die Maler- und Tapezierarbeiten ausführen wollte, so war ihr bekannt, daß diese Person nicht in die Handwerksrolle eingetragen war. Dies folgt zur Überzeugung des Gerichts aus ihrem Einlassungsverhalten. Denn sie hat es abgelehnt, die Frage des Gerichts zu beantworten, ob sie für eigene oder fremde Tätigkeit unter ihrer Telefonnummer geworben habe.

Lag Fremdwerbung vor, so hatte die Betroffene keinen Anlaß, den Namen dieser Person zu verschweigen, wenn eine Eintragung in die Handwerksrolle vorlag."

II.

Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch schon zur äußeren Tatseite nicht.

1. Nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (SchwarzarbG) handelt ordnungswidrig, wer für die selbständige Erbringung handwerklicher Dienst- oder Werkleistungen durch eine Anzeige in Zeitungen, Zeitschriften oder anderen Medien wirbt, ohne pflichtgemäß in die Handwerksrolle eingetragen zu sein. Das Werben ist eine Vorbereitungshandlung (BT Drucksache 12/7563, 10) zur Schwarzarbeit, die ihrerseits nach § 1 SchwarzarbG ordnungswidrig ist. Entgegen dem mißverständlichen Wortlaut des Gesetzes ("... wer... wirbt, ohne... eingetragen zu sein") setzt die Ahndung der Werbung als ordnungswidrig im Sinne von § 4 Abs. 1 SchwarzarbG nicht voraus, daß der Werber nicht in die Handwerksrolle eingetragen ist. Entscheidend ist vielmehr, daß der "Erbringer", d. h. derjenige, der die Leistungen ausführen will, pflichtwidrig nicht in die Handwerksrolle eingetragen ist. Die Ahndung der Werbung durch eine andere Person als den "Erbringer" folgt aus dem einheitlichen Täterbegriff des § 14 OWiG. Danach handelt jeder, der sich an einer Ordnungswidrigkeit beteiligt, ordnungswidrig, und zwar auch dann, wenn ein besonderes persönliches Merkmal, welches die Möglichkeit der Ahndung begründet (hier: die pflichtwidrig fehlende Eintragung) nur bei einem Beteiligten vorliegt. Davon ist auch das Amtsgericht ausgegangen.

2. Das Amtsgericht hat keine tatsächlichen Umstände festgestellt, die den Schluß zulassen, daß der "Erbringer" der Tapezier- und Lackierarbeiten, für die die Betroffene geworben hat, nicht in die Handwerksrolle eingetragen war. Die Schlußfolgerung "aus ihrem Einlassungsverhalten" auf die pflichtwidrig fehlende Eintragung des "Erbringers" der angebotenen Leistungen war rechtsfehlerhaft. Der von einem Bußgeldverfahren Betroffene ist ebenso wie ein Angeklagter im Strafverfahren grundsätzlich nicht verpflichtet, aktiv zur Sachaufklärung beizutragen. Macht er von seinem Recht, die Aussage zu verweigern, umfassend Gebrauch, so dürfen daraus keine für ihn nachteiligen Schlüsse gezogen werden (BGHSt 32, 140, 144; 38, 302, 305; BGH NStZ 1997, 147; NStZ 1999, 47; NJW 2000, 1426). Das gilt zwar nicht uneingeschränkt, wenn der Betroffene teilweise Angaben macht und teilweise schweigt. In solchen Fällen darf das Gericht die Weigerung des Betroffenen, einzelne Fragen zu beantworten, mit in die Beweiswürdigung einbeziehen (vgl. BGHSt 32, 140, 142, 145). Das setzt aber voraus, daß die Fragen ein- und denselben Lebensvorgang - einen bestimmten Sachverhalt eines einheitlichen Geschehens - betreffen (BGH a. a. O.). Nur insoweit kann das Schweigen auf bestimmte Fragen als belastendes Indiz gewertet werden. Hier ging es aber um zwei klar voneinander abgegrenzte Lebensvorgänge: zum einen um die Frage, wer die Anzeige aufgegeben hatte, und zum anderen darum, wer die Leistungen erbringen sollte und ob diese Person in die Handwerksrolle eingetragen war. Deshalb durfte das Amtsgericht aus dem Umstand, daß die Betroffene sich zu der ersten Frage geäußert hatte, keine weitergehenden Schlüsse zum Nachteil der Betroffenen ziehen.

3. Der aufgezeigte Rechtsfehler hätte sich nicht zum Nachteil der Betroffenen ausgewirkt, wenn es praktisch keine andere Möglichkeit als die gegeben hätte, daß der "Erbringer" der angebotenen Leistungen pflichtwidrig nicht in die Handwerksrolle eingetragen war. Das war aber nicht der Fall. Auch Handwerker, die in die Handwerksrolle eingetragen sind, können "nebenbei" schwarz arbeiten. In einem solchen Fall erfüllt die Werbung nicht den Tatbestand des § 4 Abs. 1 SchwarzarbG.

III.

1. Nach § 79 Abs. 3 OWiG, §§ 353, 354 Abs. 2 StPO ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann nicht nach § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst entscheiden, weil nicht auszuschließen ist, daß ergänzende Feststellungen zu der Frage getroffen werden können, ob der "Erbringer" der Tapezier- und Lackierarbeiten, für die die Betroffene geworben hat, nicht in die Handwerksrolle eingetragen war. Eine Zurückverweisung an dieselbe Abteilung erschien dem Senat nicht sachdienlich.

2. Für den Fall einer erneuten Verurteilung der Betroffenen weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß ein Bußgeld von 5.000 DM angesichts der - allenfalls durchschnittlichen - wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen jedenfalls dann unvertretbar hoch sein dürfte, wenn kein eigener wirtschaftlicher Vorteil der Betroffenen festgestellt werden kann.

3. Die Entscheidungsformel des angefochtenen Urteils gibt erneut Anlaß zu dem Hinweis, daß auch in Bußgeldsachen die Tat in der Urteilsformel mit Worten anschaulich und verständlich zu bezeichnen ist. Hat ein Bußgeldtatbestand eine gesetzliche Überschrift (hier: Unlautere Werbung in Medien), so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Die angewendeten Vorschriften sind erst nach der Urteilformel aufzuführen und werden nicht verkündet (§ 71 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit §§ 260 Abs. 4 Satz 1 und 2, Abs. 5 Satz 1, 268 Abs. 2 Satz 1 StPO; vgl. Senat NZV 2000, 382 = VRS 98, 362 m. w. N.). Kann ein Tatbestand, wie hier, nur vorsätzlich verwirklicht werden (§ 10 OWiG), ist die Angabe der Schuldform in der Urteilsformel überflüssig.



Ende der Entscheidung

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