Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 09.08.2000
Aktenzeichen: 2b Ss 238/00 - 71/00 I
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StPO § 267 Abs. 2
StGB § 54 Abs. 1
1. Auf die Mitteilung des der Strafzumessung zugrunde gelegten Strafrahmens in den Urteilsgründen darf der Tatrichter jedenfalls dann nicht verzichten, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen den Strafrahmen bestimmender gesetzlicher Strafschärfungs- und Strafmilderungsgründe vorliegen, diese vom Tatrichter angenommen werden und sich der anzuwendende Strafrahmen nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, sondern rechnerisch zu ermitteln ist.

2. Bei der Gesamtstrafenbildung handelt es sich um einen besonderen Strafzumessungsakt, bei dem das Gericht, auch wenn eine völlige Trennung der Zumessungsgründe für die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe nicht möglich ist, die für die Gesamtstrafe bestimmenden Zumessungsgründe ohne Doppelverwertung der Strafzumessungstatsachen in den Urteilsgründen darzulegen hat.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2b Ss 238/00 - 71/00 I 60 Js 3943/99 StA Düsseldorf

In der Strafsache

gegen

wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz

hat der 1. Strafsenat durch die Richter am Oberlandesgericht H S und B am

9. August 2000

auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XXI. kleinen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 30. März 2000 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig

beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht - Schöffengericht - Düsseldorf hat den Angeklagten am 5. Januar 2000 wegen gewerbsmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln in 30 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten, die er in der Berufungshauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat, hat die Strafkammer durch das angefochtene Urteil verworfen.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

II.

Das form- und fristgerecht eingelegte und begründete und damit zulässige Rechtsmittel ist (vorläufig) begründet.

Die Ausführungen zur Strafzumessung halten einer Überprüfung nicht Stand.

1. Das Amtsgericht hat ausgeführt:

"Der Angeklagte hat seinen Lieferanten S H gegenüber der ermittelnden Kriminalpolizei preisgegeben und mittels eines Scheinkaufs seine Festnahme ermöglicht. Die Kammer hat deswegen von der Milderungsmöglichkeit gemäß §§ 31 Nr. 1 BtMGs 49 Abs. 2 StGB Gebrauch gemacht.

Bei der Strafzumessung im einzelnen hat die Kammer zugunsten des Angeklagten sein Geständnis gewertet. Sie sieht in der Preisgabe des Lieferanten Ausdruck des Entschlusses, sich von der Drogenkarriere abzuwenden. Die einzelnen gehandelten Mengen Heroin halten sich in Grenzen. Andererseits ist der Angeklagte erheblich einschlägig vorbestraft. Die Rückfallgeschwindigkeit fällt ins Auge. Zur Ahndung der Schuld des Angeklagten und zur gehörigen Einwirkung auf ihn erschienen Einzelfreiheitsstrafen von jeweils neun Monaten als angebracht und geboten."

2a) Die Ausführungen sind zunächst rechtsfehlerhaft, da sie nicht erkennen lassen, von welchem Strafrahmen die Strafkammer bei Bemessung der Einzelstrafen ausgegangen ist.

Strafzumessungserwägungen sind u.a. rechtsfehlerhaft, wenn der Tatrichter von einem falschen Strafrahmen ausgegangen ist (BGH NJW 1978, 174; StV 1981, 124; wistra 1982, 225). Um dem Revisionsgericht eine Nachprüfung zu ermöglichen, ist deshalb grundsätzlich die Angabe des angenommenen Strafrahmens erforderlich. Das ist nur dann entbehrlich, wenn die angewandte Strafvorschrift weder qualifizierte oder priviligierte Fälle vorsieht, das Gericht keine allgemeinen Strafmilderungsgründe angenommen hat und sich die erkannte Strafe weder der Mindest- noch der Höchststrafe nähert und daraus erkennbar wird, daß der Tatrichter von dem richtigen Strafrahmen ausgegangen ist.

Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen den Strafrahmen bestimmender gesetzlicher Strafschärfungs- und Strafmilderungsgründe vorliegen, diese vom Tatgericht angenommen werden und sich der anzuwendende Strafrahmen nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, sondern rechnerisch zu ermitteln ist.

Hier hat die Strafkammer zwar ausgeführt, daß sie von der Strafmilderungsmöglichkeit gemäß § 31 Nr. 1 BtMG, § 49 Abs. 2 StGB Gebrauch mache. Es läßt sich der Begründung jedoch nicht entnehmen, ob sie den Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG angewandt, einen besonders schweren Fall nach § 29 Abs. 3 Nr. 1 BtMG angenommen hat und von dem dort vorgesehenen erhöhten Strafrahmen ausgegangen ist, oder ob sie - wie das Schöffengericht - trotz gewerbsmäßigen Handelns des Angeklagten einen besonders schweren Fall verneint und ihrer Strafzumessung den Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt hat. Durch die Rechtskraft des Schuldspruchs war die Strafkammer insoweit nicht gebunden, denn bei den Regelfällen des §29 Abs. 3 BtMG handelt es sich nicht um den Schuldspruch bestimmende Tatbestandsmerkmale, sondern um Zumessungsregeln (vgl. BGHSt 23, 254).

Auch nach § 331 StPO war die Strafkammer nicht gehindert, abweichend von dem Schöffengericht einen besonders schweren Fall nach § 29 Abs. 3 Nr. 1 BtMG anzunehmen, denn das Verschlechterungsverbot gilt nur hinsichtlich Strafart und -höhe, nicht aber für die Annahme und Verneinung von Strafmilderungs- bzw. Strafschärfungsgründen.

Infolge der unzureichenden Strafzumessungsgründe ist auch nicht nachprüfbar, ob ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelverwertung vorliegt.

Ein weiterer Rechtsfehler liegt darin, daß die Strafzumessungsgründe keine Ausführungen zur Bemessung der Gesamtfreiheitsstrafe enthalten. Nach § 54 Abs. 1 Satz 3 StGB werden bei der Gesamtstrafenbildung die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt. Daraus ergibt sich, daß es sich bei der Gesamtstrafenbildung um einen besonderen Strafzumessungsakt handelt, bei dem das Gericht, auch wenn eine völlige Trennung der Zumessungsgründe für die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe nicht möglich ist (BGHSt 24, 270), die für die Gesamtstrafe bestimmenden Zumessungsgründe ohne Doppelverwertung der Strafzumessungstatsachen darzulegen hat.

Weil das angefochtene Urteil keine Begründung der Gesamtfreiheitsstrafe enthält, ist nicht nachprüfbar, ob diese rechtsfehlerfrei gebildet worden ist. Da die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe noch nicht einmal erwähnt ist, ist es nicht fernliegend, daß die Strafkammer sie ohne eigene Erwägungen übernommen hat, nachdem sie auch auf dieselben Einzelstrafen wie das Schöffengericht erkannt hat.

Wegen der rechtsfehlerhaften Strafzumessung ist das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.



Ende der Entscheidung

Zurück