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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 07.09.2000
Aktenzeichen: 2b Ss 253/00 - 37/00 III
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 331 Abs. 1
StPO § 354 Abs. 1
StGB § 55 Abs. 1
StGB § 53 Abs. 2
Leitsatz:

Es liegt bei alleiniger auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Berufung des Angeklagten ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot vor, wenn das Berufungsgericht aus Freiheitsstrafe und Geldstrafe nachträglich eine Gesamtfreiheitsstrafe bildet, die das Erstgericht abgelehnt hatte.

Eine solche ablehnende Entscheidung hat das Erstgericht bereits dann konkludent getroffen, wenn es zu den gesamtstrafenfähigen früher verhängten Geldstrafen Feststellungen trifft, es aber unterläßt, das Absehen von der Bildung einer Gesamtstrafe zu begründen.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2b Ss 253/00 - 37/00 III 412 Js 705/98 StA Düsseldorf

In der Strafsache

wegen Betruges

hat der 3. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B, den Richter am Oberlandesgericht v B und die Richterin am Amtsgericht B am

7. September 2000

auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XXXII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 2. Mai 2000 nach Anhörung des Beschwerdeführers und der Generalstaatsanwaltschaft, zu 3. auf deren Antrag, einstimmig

beschlossen:

Tenor:

1. Das angefochtene Urteil wird im Gesamtstrafenausspruch bezüglich der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten (Betrug zum Nachteil Ute Leimann) aufgehoben.

Die Gesamtstrafenbildung mit der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 2. Oktober 1998 - 112 Ds 902 Js 738/98 - und den Geldstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 25. Februar 1999 - 116 Cs 18 Js 560/98 - unter Auflösung der Gesamtstrafe im Beschluß des Amtsgerichts Düsseldorf vom 28. Juli 1999 - 116 Cs 18 Js 560/98 (VRs 142/99) - entfällt.

2. Der Angeklagte wird wegen des Betruges zum Nachteil der U L zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

3. Im übrigen wird die Revision als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 und 3 StPO).

4. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe:

Das Amtsgericht Düsseldorf hat den Angeklagten wegen Betruges (begangen am 26. April 1997 zum Nachteil der Eheleute G "unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Düsseldorf vom 1. Juli 1997 - 112 Ds 412 Js 26/97 -" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und wegen eines weiteren Betruges (begangen am 19. Februar 1998 zum Nachteil der Zeugin U L) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Auf die hiergegen gerichtete, in der Berufungshauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil im Rechtsfolgenausspruch abgeändert und die Urteilsformel unter Verwerfung der Berufung im übrigen wie folgt neu gefaßt:

"Der Angeklagte wird wegen Betruges unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 01.07.1997 - 112 Ds 412 Js 26/97 - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und wegen eines weiteren Betruges unter Einbeziehung der Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Düsseldorf vom 02.10.1998 - 112 Ds 902 Js 738/98 - sowie 25.02.1999 - 116 Cs 18 Js 560/98 - unter Auflösung der Gesamtstrafe im Beschluß des Amtsgerichts Düsseldorf vom 28.07.1999 - 116 Cs 18 Js 560/98 - VRs 142/99 - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt."

Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, der die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg.

I.

Die Revision ist hinsichtlich der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren wegen Betruges zum Nachteil der Eheleute G unter Einbeziehung der einjährigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 1. Juli 1997 sowie hinsichtlich der verhängten Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren für den Betrug zum Nachteil der U L unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Insbesondere weist die Strafzumessung im Sinne des § 46 StGB keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Im Urteil brauchen nur die bestimmenden (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) Strafzumessungserwägungen dargelegt zu werden (BGH NStZ 1990, 334). Es ist nicht erkennbar, daß das Landgericht wesentliche Strafzumessungstatsachen außer acht gelassen hat.

II.

Keinen Bestand hingegen hat der Gesamtstrafenausspruch von zwei Jahren und drei Monaten Gesamtfreiheitsstrafe.

1.

Die Einbeziehung der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 2. Oktober 1998 und den Geldstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 25. Februar 1999 in die Gesamtstrafenbildung des angefochtenen Urteils stellt einen sachlich rechtlichen Mangel dar, der zur Aufhebung dieses Gesamtstrafenausspruchs führt.

Im tatrichterlichen Berufungsverfahren gilt das Verbot der Schlechterstellung (§ 331 Abs. 1 StPO). Danach darf das Berufungsgericht das Urteil in Art und Höhe der Rechtsfolgen nicht zum Nachteil des Angeklagten abändern, wenn - wie vorliegend - nur der Angeklagte Berufung eingelegt hat. Die Vorschrift will sicherstellen, daß der Angeklagte bei seiner Entscheidung darüber, ob er von dem ihm zustehenden Rechtsmittel Gebrauch machen will, nicht durch die Besorgnis beeinträchtigt wird, es könne ihm durch die Einlegung des Rechtsmittels ein Nachteil in Gestalt höherer Bestrafung entstehen (BGHSt 7, 86, 87; KK-Ruß, StPO, 4. Aufl., § 331 Rdnr. 1).

Hat der Richter im ersten Rechtszug abgelehnt, aus einer Geld- und einer Freiheitsstrafe eine Gesamtfreiheitsstrafe zu bilden, hat er zu dieser Frage mithin eine Entscheidung getroffen, dann hat es bei alleiniger Berufung des Angeklagten damit sein Bewenden. Dem Rechtsmittelgericht ist es in einem solchen Fall durch das Verschlechterungsverbot des § 331 Abs. 1 StPO verwehrt, die erstinstanzliche Entscheidung nach §§ 55 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Satz 2 StGB zu korrigieren. Da Freiheitsstrafe im Verhältnis zu Geldstrafe das schwerere Übel ist, würde der Angeklagte durch die mit einer Erhöhung der Freiheitsstrafe verbundenen Einbeziehung einer Geldstrafe gegenüber dem Rechtszustand im Zeitpunkt des ersten Urteils eine Verschlechterung erfahren (BGH bei Holtz MDR 1997, 109; BGHSt 35, 208, 212; OLG Düsseldorf JMBl NW 1998, 23, 24; Kleinknecht/Meyer-Goßner, 44. Aufl., StPO, § 331 Rdnr. 20 m.w.N.).

Das Berufungsgericht ist nur dann durch das Verschlechterungsverbot nicht an einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gehindert, wenn dem erstinstanzlichen Tatrichter die gesamtstrafenfähige anderweitige Verurteilung unbekannt geblieben und aus diesem Grunde eine Gesamtstrafenbildung unterblieben ist (BGH NStZ 1988, 284).

Vorliegend hat das Amtsgericht ohne jede Begründung davon abgesehen, die Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 2. Oktober 1998 und die Geldstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 25. Februar 1999 in seine Straferkenntnis einzubeziehen. Gleichwohl kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, daß dem Amtsgericht diese Geldstrafen unbekannt geblieben sind und eine Gesamtstrafenbildung nur aus diesem Grund unterblieben ist. Denn in den Gründen seines Urteils hat es die Vorverurteilungen aufgrund der Urteile des Amtsgerichts Düsseldorf vom 2. Oktober 1998 und 25. Februar 1999 ausdrücklich festgestellt. Dem ist zu entnehmen, daß dem Amtsgericht diese Verurteilungen bekannt waren. Sieht das Amtsgericht trotz dieser Kenntnis von einer Einbeziehung dieser Geldstrafen in eine Gesamtfreiheitsstrafe ab, so hat es schlüssig von der Möglichkeit des § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB Gebrauch gemacht und sich gegen die Bildung einer Gesamtstrafe entschieden (vgl. OLG Düsseldorf StV 1993, 31 und 34; BGHSt 35, 208 = NStZ 1988, 284, 285; BGH MDR 1977, 109; Wendisch in Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., § 460 Rn. 33; Ruß in KK, StPO, 4. Aufl., § 331 Rn. 3). Die fehlende Begründung seiner konkludenten Entscheidung mag einen Mangel darstellen; durch ihn wird der Angeklagte aber nicht beschwert.

Mißachtet das Berufungsgericht - wie hier - diese schlüssige Entscheidung des Amtsgerichts nach § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB, verstößt es gegen das Verschlechterungsverbot des § 331 Abs. 1 StPO, was bei zulässiger Revision bereits von Amts wegen zu berücksichtigen ist (vgl. BGHSt 14, 5, 7; 29, 269, 270; OLG Düsseldorf StV 1986, 146; KK-Ruß, a.a.O. Rdnr. 10; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O. Rdnr. 24 m.w.N.).

2.

Die wegen des aufgezeigten Verstoßes gegen § 331 Abs. 1 StPO erforderliche Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs führt hier - ausnahmsweise - nicht zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Vielmehr ist der Senat in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO in der Lage, die neue Strafe selbst festzusetzen (vgl. BGH wistra 1991, 180; OLG Düsseldorf StV 1986, 146; KK-Kuckein, a.a.O., § 354 Rdnr. 8; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 354 Rdnr. 26; KMR-Paulus, StPO, 7. Aufl., § 354 Rdnr. 27; jew. m.w.N.).

Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrundeliegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur... auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist... (§ 354 Abs. 1 StPO). Einer solchen durch das Strafgesetz bereits als absolut bezeichneten Strafe ist die Strafe gleichzusetzen, auf die das Tatgericht bei Vermeidung des ihm unterlaufenen Rechtsfehlers mit Sicherheit erkannt hätte und auf die auch im Falle einer Zurückverweisung das nunmehr mit der Sache befaßte Gericht erkennen würde (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.; Senatsbeschluß vom 8. Mai 2000 - 2a Ss 114/00 - 21/00 III -. Besteht diese Gewißheit, hat das Revisionsgericht die Strafe in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst festzusetzen (vgl. KK-Kuckein, a.a.O. m.w.N.; OLG Düsseldorf a.a.O.). Hierbei darf das Revisionsgericht eine unter Verstoß gegen § 331 Abs. 1 erhöhte Strafe auf das Maß des Ersturteils zurückführen (vgl. KMR-Paulus a.a.O.).

So liegt der Fall hier. In den Gründen des angefochtenen Urteils ist ausdrücklich erwähnt, daß die Berufung des Angeklagten im wesentlichen keinen Erfolg hat.

Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei wie schon das Amtsgericht auf eine Einsatzstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe wegen Betruges zum Nachteil der Zeugin U L erkannt. Es kann ausgeschlossen werden, daß das Landgericht eine mildere Strafe als zwei Jahre Freiheitsstrafe verhängt hätte, wenn die Gesamtstrafenbildung mit den Geldstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Düsseldorf vom 2. Oktober 1998 und 25. Februar 1999 unterblieben wäre. Unter diesen Umständen hat es bei der rechtsfehlerfrei bemessenen Freiheitsstrafe von zwei Jahren für den Betrug zum Nachteil U L sein Bewenden. Diese Freiheitsstrafe ist demzufolge analog § 354 Abs. 1 StPO festzusetzen. Die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe kann nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Das Landgericht hat die Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 StGB bereits bei der Rechtsfolgenbemessung für den Betrug zum Nachteil der Eheleute G rechtsfehlerfrei verneint.

3.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 und 4 StPO. Der Teilerfolg des Rechtsmittels ist vorliegend von so geringem Umfang, daß es nicht als unbillig anzusehen ist, den Beschwerdeführer mit den Kosten des Rechtsmittels und seinen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu belasten.



Ende der Entscheidung

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