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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 30.03.2000
Aktenzeichen: 2b Ss 54/00 - 31/00 I
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 265 a
Der Tatbestand des Erschleichens von Leistungen im Sinne des § 265a StGB ist erfüllt, wenn der Täter sich durch sein Verhalten mit dem Anschein der Ordnungsmäßigkeit umgibt, wie z.B. durch das Nichtlösen oder Nichtentwerten eines Fahrausweises sowie durch ein unauffälliges und unbefangenes Auftreten. Eines heimlichen Vorgehens des Täters, einer List, einer Täuschung oder einer Umgehung von Sicherungen oder Kontrollen bedarf es nicht.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2b Ss 54/00 - 31/00 I 1 Ws 230/00 413 Js 1613/99 StA Düsseldorf

In der Strafsache

wegen Beförderungserschleichung

hat der 1. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schröter und die Richter am Oberlandesgericht Heidemann und Stüttgen am

30. März 2000

auf

1. den Antrag des Angeklagten auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen. Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 5. November 1999,

2. auf die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil nach Anhörung des Angeklagten und der Generalstaatsanwaltschaft zu 2. auf deren Antrag einstimmig

beschlossen:

Tenor:

1. Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gewährt.

2. Die Revision wird als unbegründet auf Kosten des Angeklagten verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Beförderungserschleichung gemäß § 265a StGB zu einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu je 30,00 DM verurteilt. Es hat festgestellt, am 1. Dezember 1998 habe der Angeklagte den Zug EC 107 von Düsseldorf nach Köln benutzt, ohne einen gültigen Fahrausweis gelöst zu haben und ohne zahlen zu wollen. Er habe lediglich ein Firmenticket 2000 bei sich geführt, das - wie ihm bekannt gewesen sei - nur im VVR bis Langenfeld gelte.

Die hiergegen gerichtete - nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässige - Revision des Angeklagten ist nicht begründet.

II.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 und 3 StPO).

Insbesondere macht der Angeklagte ohne Erfolg geltend, nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils habe er eine Beförderungsleistung nicht "erschlichen", denn er habe nicht - was dafür Voraussetzung sei - Sicherungen oder Kontrollen umgangen.

In der Literatur und vereinzelt auch in der Rechtsprechung wird die Ansicht vertreten, ein Erschleichen einer Beförderungsleistung oder des Zutritts zu einer Veranstaltung oder Einrichtung sei nicht schon das unbefugte unentgeltliche Sichverschaffen der Leistung bzw. des Zutritts. § 265a StGB gelte vielmehr im wesentlichen für Fälle, in denen der Täter durch Umgehen oder Ausschalten von Kontrollmaßnahmen in den Genuß des Vorteils gelange, wie z.B. durch Einschleichen, unbemerktes Betreten, Benutzen eines ungewöhnlichen Zugangs, Sichverbergen, Weglocken von Kontrollpersonen usw. (vgl. AG Hamburg NStZ 1988, 221; Alwart JZ 1986, 563; Albrecht NStZ 1988, 222; Fischer NJW 1988, 1828 und NStZ 1991, 41; Schönke/ Schröder-Lenckner, StGB, 25. Aufl., § 265a Rn. 8).

Demgegenüber sieht die Rechtsprechung überwiegend den Tatbestand des § 265a StGB schon dann erfüllt, wenn der Täter sich durch sein Verhalten mit dem Anschein der Ordnungsmäßigkeit umgibt, wie z.B. durch das Nichtlösen oder Nichtentwerten eines Fahrausweises sowie durch ein unauffälliges und unbefangenes Auftreten (Senat NStZ 1992, 84; BayObLG NJW 1969, 1042; OLG Hamburg NJW 1987, 2688; OLG Stuttgart NJW 1990, 924; OLG Hamburg NStZ 1991, 588; Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl., § 265a Rn. 3). Daß ein heimliches Vorgehen des Täters, eine List oder eine Täuschung nicht erforderlich ist, folgt auch daraus, daß in den Alternativen der Inananspruchnahme der Leistung eines Automaten oder einer Telekommunikationseinrichtung solche Verhaltensweisen, die nur gegenüber Personen möglich sind, nicht in Betracht kommen (vgl. OLG Hamburg aaO).

Der Senat sieht keinen Anlaß, diese schon früher von ihm vertretene Ansicht aufzugeben.

§ 265a StGB ist als Auffangtatbestand ausgestaltet, um insbesondere auch die mißbräuchliche Inanspruchnahme von Leistungen des modernen Massenverkehrs zu verfolgen, die frei zugänglich sind und nur noch gelegentlichen Kontrollen unterliegen, so daß mangels Täuschung einer Person der Betrugstatbestand nicht erfüllt ist (vgl. Senat aaO; OLG Hamburg aaO).

Der Gesetzgeber hat § 265a Abs. 1 StGB trotz der Angriffe des Schrifttums gegen die herrschende Rechtsprechung unverändert gelassen. Vorschläge, die Vorschrift zu streichen (vgl. Siebers InfTechnik 42) sind durch das 2. WiKG v. 15.5.86 nicht aufgenommen worden. Ein Gesetzentwurf des Bundesrats (BT-Drs. 12/6484; 13/374), der für die Beförderungserschleichung eine Beschränkung des § 265a StGB auf wiederholtes Handeln unter Umgehung von Kontrollmechanismen und die Einführung eines OWi-Tatbestandes für erstmalige Schwarzfahrten vorsah, ist nach einer ersten Beratung im Bundestag nicht weiterbehandelt worden. Ein Gesetzentwurf der Fraktion B90/Grüne u.a. zur Entkriminalisierung der Beförderungserschleichung (BT-Drs. 13/2005), der die Streichung der Alternative "Beförderung durch ein Verkehrsmittel" in § 265a StGB und die Ersetzung durch einen Bußgeldtatbestand vorsah, ist während der Beratungen zum 6. StrRG abgelehnt worden (BT-Drs. 13/9064, 2, 7).

Das danach ausreichende Verhalten mit dem Anschein der Ordnungsmäßigkeit hat der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen erfüllt. Wie in dem angefochtenen Urteil festgestellt ist, hat der Angeklagte, noch bevor er den Zug bestieg, auf den Hinweis des Zugbegleiters, daß der Zug zuschlagpflichtig sei, erklärt, daß er schon ein Ticket habe. Bei der späteren Kontrolle habe der Angeklagte dann keinen gültigen Fahrausweis vorlegen können und sei weder bereit gewesen, eine Nachzahlung von 9,-- DM (anstatt 25,-DM) zu leisten, noch seine Personalien anzugeben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 7 StPO.



Ende der Entscheidung

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