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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 22.01.2001
Aktenzeichen: 3 W 64/00
Rechtsgebiete: BGB NL, AVAG


Vorschriften:

BGB NL Art. 17
BGB NL Art. 402 a Abs. 1
BGB NL Art. 402 a Abs. 5
BGB NL Art. 402 a Abs. 8
BGB NL Art. 408
AVAG § 6 Abs. 1
Haager Übereinkommen vom 02. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen Art. 17; Bürgerliches Gesetzbuch der Niederlande Art. 402 a Abs. 1, 5, 8; Art. 408; AVAG § 6 Abs. 1

1.

Das deutsche Exequaturgericht hat einen niederländischen Titel über Unterhaltsrente, der durch Gesetz mit einem Preis- oder Lohnindex verknüpft ist (§ 402 a BGB NL), und sich demgemäß kraft Gesetzes ohne Umschreibung des Titels erhöht (§ 402 a Abs. 8, 5 BGB NL), auch wegen der Erhöhungsbeträge für vollstreckbar zu erklären, selbst wenn die niederländische Entscheidung keine Aussage über die Erhöhung trifft (Aufgabe der früheren Senatsrechtsprechung - vgl. Beschluss vom 10. Juli 1992 - 3 W 463/91).

2.

Die Vollstreckbarkeit eines niederländischen Titels über Unterhaltsrente zugunsten eines minderjährigen Kindes endet ohne weitere Anhaltspunkte nicht mit dessen Volljährigkeit.

3.

Soweit nach einem niederländischen Unterhaltstitel der Unterhalt für das minderjährige Kind an eine staatliche Zahlstelle zu entrichten ist, hindert dies nicht die Vollstreckbarerklärung zugunsten des zwischenzeitlich - offenkundig - volljährig gewordenen Unterhaltsberechtigten.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

3 W 64/00 13 O 122/99 LG Düsseldorf

In dem Verfahren

auf Vollstreckbarerklärung eines niederländischen Unterhaltstitels

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 30. Dezember 1999 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Gottschalg, der Richterin am Oberlandesgericht Dr. Krautter und des Richters am Oberlandesgericht von Wnuck-Lipinski am 22. Januar 2001

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen - teilweise dahin geändert, dass die Entscheidung des Arrondissementsgerichts Roermond/Niederlande vom 28. April 1986 - AZ: 5327/1984 - lediglich noch wegen insgesamt 6.783,56 hfl aus der Zeit vom 04. August 1995 bis zum 30. Juni 1997 entsprechend der Staffelung des angefochtenen Beschlusses für vollstreckbar zu erklären ist.

Die Kosten beider Rechtszüge tragen der Antragsgegner zu 1/5, die Antragstellerin zu 4/5.

Wert des Beschwerdegegenstandes: Bis 7.000,- DM.

Gründe:

I.

Die am 04. August 1977 geborene Antragstellerin ist das Kind des Antragsgegners. Die Ehe der Eltern wurde durch Urteil des Arrondissementsgerichts Roermond vom 11. Oktober 1984, Az: 5327/1984, geschieden. Auf der Basis dieses Urteils legte das Gericht am 28. April 1986 zu dem vorbezeichneten Aktenzeichen für die Antragstellerin einen monatlichen Unterhalt von 250 hfl fest. Der Tenor des Beschlusses des Arrondissementsgerichts Roermond/Niederlande vom 28. April 1986 - Az. 5327/1984 - lautet in Übersetzung wie folgt:

"Das Gericht:

verurteilt den Vater, zu Gunsten des Unterhalts und der Erziehung jedes der minderjährigen Kinder 1. R..., geboren am 6. Februar 1973 in T..., 2. K..., geboren am 4. August 1977 in T..., jeweils im voraus an den Rad voor de Kinderbescherming Roermond einen Betrag in Höhe von ZWEIHUNDERTFÜNFZIG GULDEN (NLG 250,--) pro Monat, jeweils zuzüglich des Betrags jeder Leistung, die er auf Grund geltender Gesetze oder Regelungen zu Gunsten dieser minderjährigen Kinder erhalten kann oder wird, beides ab dem heutigen Tage."

Die Antragstellerin, die eine Vollstreckung der Entscheidung gegen den in Düsseldorf wohnenden Antragsgegner in der Bundesrepublik Deutschland beabsichtigt, hat - einschränkend - beantragt,

die Entscheidung mit folgender Vollstreckungsklausel zu versehen:

"Der Antragsgegner ist verpflichtet, der Antragstellerin ab 01.04.1987 laufenden monatlichen Unterhalt in Höhe von 253,25 hfl,

ab 01.01.1988 254,52 hfl,

ab 01.01.1989 257,07 hfl,

ab 01.01.1990 261,18 hfl,

ab 01.01.1991 269,54 hf1,

ab 01.01.1992 279,51 hfl,

ab 01.01.1993 291,25 hfl,

ab 01.01.1994 298,53 hfl,

ab 01.01.1995 302,41 hfl,

ab 01.01.1996 305,74 hfl und

ab 01.01.1997

bis 30.06.1997 310,94 hfl zu zahlen.

Der Vorsitzende der 13. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf hat dementsprechend durch Beschluss vom 30. Dezember 1999 angeordnet:

"Der Beschluß des Arrondissementgericht Roermond vom 28. April 1986 - Aktenzeichen: 5327/1984 - ist für das Gebiet der Bundsrepublik Deutschland mit der Vollstreckungsklausel zu versehen, soweit der Antragsgegner dazu verurteilt worden ist, an die Antragstellerin ab 1. April 1987 bis zum 31. Dezember 1987 einen monatlichen Unterhalt von 253,25 Holländischen Gulden, vom 1. Januar 1988 bis zum 31. Dezember 1988 von 254,52 Holländischen Gulden, vom 1. Januar 1989 bis zum 31. Dezember 1989 von 257,07 Holländischen Gulden, vom 1. Januar 1990 bis zum 31. Dezember 1990 von 261,18 Holländischen Gulden, vom 1. Januar 1991 bis zum 31. Dezember 1991 von 269,54 Holländischen Gulden, vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 1992 von 279, 51 Holländischen Gulden, vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 1993 von 291,25 Holländischen Gulden, vom 1. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 1994 von 298,53 Holländischen Gulden, vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Dezember 1995 von 302,41 Holländischen Gulden, vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Dezember 1996 von 305,74 Holländischen Gulden und ab 1. Januar 1997 bis zum 30. Juni 1997 von 310,94 Holländischen Gulden zu zahlen."

Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde, mit der er die Änderung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung des Gesuchs der Antragstellerin begehrt und die er im Wesentlichen wie folgt begründet:

Ein eigener Anspruch der Antragstellerin ab Eintritt der Volljährigkeit sei nicht tituliert. Die Vollstreckbarerklärung des zugrunde liegenden Titels müsse daher auf den Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit der Antragstellerin, nämlich den 04. August 1995, befristet werden.

Die Unterhaltsansprüche bis zu diesem Zeitpunkt seien indes durch Zahlung erloschen. Selbst wenn nach niederländischem Recht ein Unterhaltstitel für minderjährige Kinder nach Erlangung der Volljährigkeit etwa bis zur Beendigung einer Ausbildung fortgelten würde, habe die Anspruchstellerin die Voraussetzung der Bedürftigkeit nachweisen müssen, um ihm, dem Antragsteller, Gelegenheit zu geben, den etwaigen Anspruch nach Prüfung außergerichtlich zu erfüllen.

Die Antragstellerin tritt dem entgegen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die innerhalb eines Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts eingegangene Beschwerde des Antragsgegners (Art. 36 EuGVÜ) ist zulässig und hat in der Sache zum Teil Erfolg.

1.

Die nach Art. 17 des Haager Übereinkommens vom 2. Oktober 1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen BGBl. 1986 II, 826 - Haager Unterhaltsabkommen (HÜ) für die Zulassung der Vollstreckung erforderlichen formellen Voraussetzungen sind erfüllt. Die Antragstellerin hat eine vollständige, mit der Urschrift übereinstimmende Ausfertigung der Entscheidung (Art. 17 Nr. 1 HÜ), eine Urkunde, aus der sich ergibt, dass gegen die Entscheidung im Ursprungsstaat kein ordentliches Rechtsmittel mehr zulässig ist bzw. dass die Entscheidung dort vollstreckbar ist (Art. 17 Nr. 2 HÜ) sowie eine beglaubigte Übersetzung der genannten Urkunden ( Art. 17 Nr. 5 HÜ) vorgelegt. Der Nachweis der Zustellung ist nach dem HÜ nicht erforderlich.

2.

Die vom Landgericht antragsgemäß ausgesprochene Vollstreckbarerklärung überschreitet nicht die Grenzen des ausländischen Titels.

a)

Nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht den niederländischen Unterhaltstitel in indexierter Form für vollstreckbar erklärt hat.

Das deutsche Exequaturgericht hat nämlich bei der Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel über Unterhaltsrenten, die, wie es z.B. in den Niederlanden (Art. 402 a des Bürgerlichen Gesetzbuches der Niederlande - BGB NL -) der Fall ist, durch Gesetz mit einem Preis- oder Lohnindex verknüpft sind und sich demgemäß kraft Gesetzes und ohne Umschreibung des Titels erhöhen (vgl. § 402 a Abs. 8 BGB NL; Dopffel-Buchhofer, Unterhaltsrecht in Europa S. 511 ff., 623 f.; Dopffel DA-Vorm 1984, 218 m.w. Nachw.), derartige Anpassungen zu berücksichtigen und wegen der Erhöhungen für vollstreckbar zu erklären (BGH NJW 1986, 1440 ff.,1441; vgl. OLG Hamburg FamRZ 1983, 1157; OLG Stuttgart DAVorm 1990, 713; Zöller-Geimer, ZPO 22. Auflage 2001 § 722 Rdz. 41 mit Nachw.). Soweit der Senat in seinem Beschluss vom 10. Juli 1992 - 3 W 463/91 - in einem ähnlich gelagerten Fall die Auffassung vertreten hat, der Unterhaltsberechtigte könne die Vollstreckung nur wegen des titulierten Anspruchs, nicht auch wegen der durch den Minister der Justiz gemäß Art. 402 a BGB NL nach niederländischem Recht verfügten Erhöhungen beanspruchen, weil die niederländische Entscheidung nicht ausspreche, dass der zu zahlende Unterhalt sich entsprechend den Festsetzungen des Ministers der Justiz aufgrund des Art. 402 a des BGB NL erhöhe, ist diese mit Blick auf die aktuelle Regelung des Art. 402 a BGB NL nicht aufrecht zu halten. Denn während Abs. 1 der Vorschrift bestimmt, dass u.a. die durch richterliche Entscheidung festgesetzten Unterhaltsleistungen jährlich anhand des vom Minister der Justiz festzusetzenden Prozentsatzes (prozentualer Unterschied zwischen der Lohnindexziffer am 30. September des betreffenden Jahres und der entsprechenden Lohnindexziffer des Vorjahres) angepasst werden, besagt Abs. 5, dass die automatische Anpassung ("von Rechts wegen") u.a. durch richterliche Entscheidung ganz oder teilweise ausgeschlossen werden kann, woraus sich bereits per Umkehrschluss ergibt, dass es ohne Ausschluss oder Änderung bei der gesetzlichen Automatik der Anpassung verbleibt. Art. 402 a BGB NL Abs. 8 regelt darüber hinaus ausdrücklich, dass die Vollstreckung des Unterhaltstitels unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Vollstreckung wirksam gewordenen Anpassungen "von Rechts wegen" erfolgt.

b)

Der Umfang der Vollstreckbarerklärung des niederländischen Unterhaltstitels ist auch nicht auf die Zeit bis zur Volljährigkeit der Antragstellerin (04. August 1995) begrenzt.

Eine dahingehende Einschränkung lässt sich weder dem Wortlaut des Beschlusses vom 28. April 1986 unmittelbar noch einer an diesem orientierten Auslegung entnehmen. Soweit dort von minderjährigen Kindern die Rede ist, so beinhaltet dies nicht mehr als eine Bezeichnung der damaligen rechtlichen Stellung (u.a.) der Antragstellerin und erklärt zugleich, warum die Unterhaltsrente nicht unmittelbar an sie selbst, sondern damals (gemäß Art. 408 BGB NL) an den "Raad voor de Kinderbescherming" (Jugendschutzrat) zu zahlen war, der seinerseits die Unterhaltszahlungen an die Kindesmutter weiterzuleiten hatte.

c)

Die Unterhaltsbedürftigkeit der Antragstellerin bis zum Ende ihrer Berufsausbildung am 30. Juni 1997 ist vom MBO-College Noord-Limburg unter dem 25. April 1997 bescheinigt und wird vom Antragsgegner - wie der Schriftsatz vom 02.06.2000 zeigt - inzwischen nicht mehr in Zweifel gezogen.

d)

Soweit nach dem niederländischen Titel die Zahlung des laufenden Unterhalts nicht an die Antragstellerin, sondern an den "Raad voor de Kinderbescherming" zu zahlen ist, hindert dies die vom Landgericht vorgenommene Vollstreckbarerklärung zugunsten der Antragstellerin nicht.

Wird die Vollstreckungsklausel zugunsten eines anderen als des in dem Schuldtitel bezeichneten Gläubigers beantragt, so ist die Frage, ob der Schuldtitel für den anderen vollstreckbar ist, nach dem Recht des Staates zu entscheiden, in dem der Schuldtitel errichtet ist. Der Nachweis ist durch Urkunden zu führen, es sei denn daß die Tatsachen bei dem Gericht offenkundig sind (§ 6 Abs. 1 AVAG).

Die Antragstellerin hat unter Bezugnahme auf Art. 408 des BGB NL im Einzelnen ausgeführt, dass dem Jugendschutzrat nur die Rolle des Weiterleiters an den mit der elterlichen Sorge betrauten Elternteil zukam, inzwischen nach Änderung von Art. 408 BGB NL der Kindesunterhalt prinzipiell an den sorgeberechtigten Elternteil unmittelbar zu zahlen ist und dieser lediglich das Nationale Büro zur Einziehung von Unterhaltsbeiträgen ("Landelijk Bureau Inning Onderhoudsbijdragen") einschalten kann, um die Beitreibung zu veranlassen. Hieraus folgt, dass es sich bei den vorbezeichneten Einrichtungen nach dem maßgeblichen niederländischen Recht nur um Zahlstellen handelt, der Unterhalt aber an den Berechtigten zu zahlen ist, somit ab ihrer am 4. August 1995 eingetretenen Volljährigkeit - hierbei handelt es sich um einen offenkundigen Umstand - und Fortfall der Vertretung an die Antragstellerin selbst. Gegen die vom Landgericht vorgenommene Vollstreckbarerklärung mit diesem Inhalt ist daher nichts zu erinnern.

3.

Der Unterhaltsrückstand von 6.783,56 Gulden ist rechnerisch zwischen den Parteien unstreitig. In diesem Zusammenhang ist die Antragstellerin dem Vortrag des Antragsgegners, wonach durch die Zahlung von 3.017,06 hfl am 01.Dezember 1997 die Unterhaltsschuld bis zum Zeitpunkt der Volljährigkeit der Antragstellerin (04.08.1995) vollständig und für die Zeit nach Volljährigkeit noch in Höhe von 273,86 Gulden als getilgt zu gelten habe, nicht entgegengetreten. Diesen gegen den titulierten Anspruch selbst gerichteten Erfüllungseinwand kann der Antragsgegner und Vollstreckungsschuldner mit seiner Beschwerde geltend machen, da der Grund, auf dem er beruht (Zahlung vom 01. Dezember 1997) erst nach Erlass der Entscheidung entstanden ist, Art. 13 AVAG.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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